Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
Schulformen (OPAC): Kaufmännische Schule
Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
Geschlecht (WdK): Jungen
400
179. Kalkutta.
^ines Wortes gewürdigt werden. Welch ein Unterschied gegen
Japan und China! Diese Eingeborenen sind nicht frei mehr, son-
dern einem fremden Willen ganz und gar unterworfen, und die
Weißen hier sind nicht Gäste mehr, noch widerwillig geduldete
Pächter eines Hafengebietes, sondern die unumschränkten Herrett
im Lande. Das ist der stärkste Eindruck, den der Fremde beim
Betreten Kalkuttas, der Hauptstadt von Indien empfängt.
Was er dann im Innern der Stadt sieht, bekräftigt nur diesen
-ersten Eindruck. In den Häfen Japans und Chinas stößt er selbst
mittett in den Vierteln der Europäer auf Spuren der einheimischen
Kultur, und sei es auch nur ein Rikschamann, der mit seinem asiatischen
Wägelchen nach Kundschaft suchend, durch die Straßen eilt. Den
Häusern der Weißen aber sieht er an, daß sie nicht bodenständig
sind; nie beherrschen sie das ganze Stadtbild; bald erinnert eine
Pagode, bald ein geschweiftes Tempeldach daran, daß es noch
eine ältere, wurzelechtere Kultur in diesen Ländern gibt als die
des weißen Mannes. Anders in Kalkutta. Hier erwarten keine
Rikschakulis mehr den Ankömmling, denn der Inder ist zu schwach
und träge um die Anstrengungen dieses Berufs auf sich zu nehmen.
Hier steigt man in einen Wagen nach europäischer Art; zwei Inder
klettern auf den Bock, einer hängt sich hinten an den Wagen und
so führt man umständlich und kostspielig daher, als wenn maü ein
europäischer Krösus wäre. Und mau fährt durch eine Stadt, die
die Macht und Herrschaft der Weißen in Stein und Eisen zum
Ausdruck bringt. Überall glänzen öffentliche Gebäude, überall
ragen Kirchen und Kapellen; die großen Parks sind besät von
Denkmälern der Engländer, die die Bezwingung Indiens voll-
bracht haben; in den Musikpavillons spielen schottische Hochländer
auf Dudelsackpfeifen, als wenn um sie der Hydepark von London
wäre. Die Geschüftsstadt gar ist Alt-London, wie es leibt und lebt,
so englisch-winkelig sind ihre Gassen samt den Häusern, die an
ihnen stehen, so voll von Höfen und Durchgängen, von Stockwerken
mit Holzgalerien und Außentreppen, so angefüllt mit altem Plunder
und malerischem Gerümpel. Und nicht anders wie in Alt-London
drängen sich hier fleißige, englische Kaufleute; und blickt man einmal
in eines der winkeligen Häuser hinein, so sieht man in ärmlichen
Kontorstuben auf Holzschemeln und an tintenbefleckten Tischen die
Männer sitzen, die die Schätze Indiens in Pfunde Sterling ver-
wandeln und dabei auch den eignen Beutel aufs beste zu füllen
verstehen. Freilich ist es ein Alt-London unter der Tropensonne:
die Winkel und Gäßchen sind weiß und leuchtend statt grau und
nüchtern, über die Höfe neigen sich hohe Palmen und schattige
Sykomoren statt verkrüppelter Linden oder magerer Ulmen, und
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T22: [Volk Bewohner Sprache Land Bevölkerung Einwohner deutsche Religion Million Stamm], T3: [Stadt Schloß Straße Berlin Kirche Haus Gebäude Platz Garten Universität]]
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Extrahierte Ortsnamen: Kalkutta Japan China Indien Japans Chinas Kalkutta Indiens London Alt-London Indiens
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61. Eine Waldidvlle im Winter 1870/71. 107
Das Tagewerk des stillen Försterhauses im Winter ist eintönig
und karg; nur ausnahmsweise, wenn die Massen von Schnee hart-
gefroren sind, daß sie die stärksten Lasten tragen, dann findet der
Jäger über sie den Pfad und dringt bis an die Futterstätten des
Wildes vor, die an den gedecktesten Plätzen des Waldes liegen.
Dorthin kommt das Rotwild gezogen und schon von ferne
sieht der Jäger die scheuen Rudel, die sich herandrängen, wenn
er den Hafer oder andere Nahrung aufschüttet; allein nur die stärksten
Hirsche kommen in ihren Besitz, das Rehwild und die jüngeren Tiere
werden mit unbarmherziger Kraft verdrängt. Auch die Holzarbeit
wird im Winter betrieben, nicht die Fällung der Bäume, sondern
nur die Herbeischaffung der ungeheuren gefällten Stämme, denen
der Schnee die steilen Wege ebnet, während er sie allen rings-
umher verschließt. Mit lawinenartiger Gewalt stürzen Tausende
von Klaftern zu Tal; die Holzknechte, die das lebensgefährliche
Amt versehen, wohnen in den sogenannten Winterstuben und wochen-
lang sehen sie kein menschliches Angesicht, als wenn der Förster
kommt um nachzuschauen. Auch die Jagd ist in solcher Zeit be-
schränkt; denn der Frost ist der wilde Jäger, dessen unsichtbarer
Pfeil die scheuen Tiere ins Herz trifft. Deshalb stellt man fast
nur dem Raubwild nach; dem Marder, der tiefgeduckt auf Beute
geht, und den Füchsen, die um den Schmaus des verendeten Rehes
streiten, werden mörderische Fallen gelegt; auch die Geierfeder steht
gut zum grünen Hute. Dazwischen flattert wohl einmal das scheue
Schneehuhn über den Weg und, den Schuh mit eisernen Haken
bewaffnet, trägt der Jäger die leichte Beute über der Schulter heim.
So finden wir heute den Herrn des Hauses, in dessen Stube
wir in Gedanken eingetreten sind. Er hat den Mantel abgelegt
und sich niedergelassen am eichenen Tisch; über dem Ofen sind
auf Sperrhölzern die kostbaren Felle zum Trocknen ausgespannt.
Noch ist es kaum vier Uhr nachmittags und doch beginnt schon die
tiefe Dämmerung, nur mühsam sehen die Kinder, tief über den
Tisch gebeugt, noch die Gestalten in ihrem Buch. Es sind Husaren
und Dragoner; das Spielzeug, mit dem sie tändeln, sind Blei-
soldaten; fremde Kinder haben sie im Sommer zurückgelassen.
Der Alte aber streckt behaglich die Glieder und plaudert mit
einem von seinen Jägerburschen; aber nicht von dem Adler, den
er heute über dem Kar emporsteigen sah, — er spricht vom Kriege,
von den deutschen Kaisern sprechen sie in der Kaiserklause.
Wie es wohl draußen gehen mag? Er weiß, daß sie Paris
belagern; aber keine Kunde kommt an die stille Stätte, keine Kunde,
ob Sieg oder Tod den deutschen Heeren folgt. Sie ahnen es nicht,
daß unterdessen das Reich erstanden ist, daß ein Kaiser darüber
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T30: [Tier Vogel Mensch Pferd Hund Fisch Thiere Nahrung Eier Wasser]]
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92. Die Rainmüller Buben.
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Herzen, die Müllerin rastlos den langen Tag und fast zu sehr beküm-
mert um des Hauses äußere Wohlfahrt, die drei Söhne überquellend
von Jugendmut, aber auch wild und widersetzlich gegen Herkommen
und Ordnung, zügellos in allen Genüssen und Leidenschaften.
Solange des Vaters Aug' und Rechte regierten, mußten sie ge-
horsamen; denn wenn der seinen Kittel aufstülpte und rief: „Herr,
stärke meinen Arm!" da brach aller Trotz und Ungestüm.
An einem Festtagabend wankte der Müller wie ein Kranker nach
Hause. „Mutter," stöhnte er, indem er sich schwer auf die Bank
fallen ließ, „alles war umsonst, was wir getan haben für Leib und
Seele unserer Kinder. Ich hab' sie heut wieder stundenlang beob-
achtet im Wirtshause; meine Buben sind Säufer! Die Rainmühle,
unser liebes Heim, wird daran verderben und sie werden elend
sterben. Ich sehe es, ich weiß es!" Den Kopf legte er auf die Arme
und hob ihn nicht wieder; ein Schlag hatte seinem Leben ein jähes
Ziel gesetzt.
Nun das zürnende Auge des Mahners nicht mehr leuchtete,
ging's bald aus eiuer andern Tonart in der Rainmühle. Die bekam
vor allem die Müllerin zu verspüren. Sie mußte büßen, was sie
in unvernünftiger, blinder Liebe an ihren Söhnen gesündigt hatte.
Wie oft hatte sie im geheimen die Anordnungen des Vaters zu um-
gehen oder zu vereiteln gewußt! Wie viele Auswüchse hatte sie
beschönigt, verschwiegen! Wie sehr hatte sie dem übermütigen
und zügellosen Treiben ihrer Buben Vorschub geleistet! Und jetzt
statt Liebe offener Hohn, statt Dank Kränkungen ohne Zahl! Frei
waren jetzt die Rainmüller Söhne; das empfand auch bald die
Gemeinde, die ganze Gegend. Kein Sonntag verging, ohne daß
sie nicht sinnlos betrunken in blutige Händel und Schlägereien ver-
wickelt wurden. Das Geld wurde für Bier und Wein und Spiel
auch an Wochentagen geradezu zum Fenster hinausgeworfen. An
edlen Seelen, die es aufzuheben verstanden, fehlte es nicht. Je
toller die Burschen mit den ehrlichen Spargroschen ihrer Eltern um-
sprangen, desto stiller und leerer ging die Mühle; die Arbeit blieb aus,
dafür schauten Einschränkung und Entbehrung zum Fenster herein.
Wohl hörten jetzt die „noblen Passionen" von selber auf, die un-
sinnigen Gastereien, das Hazardieren, das wahnwitzige Wetten, das
Rennenreiten; sogar das Jagen und Fischen mußten die lockeren
Vögel lassen, da Acker um Acker, Wiesgrund und Waldteil verpfändet
und verkauft waren. Nun wurde die Ahnung des Vaters mit er-
schreckender Schnelle volle Wirklichkeit. Die Rainmüller Buben
begannen, jedes sittlichen Haltes bar, „ihr Elend zu vertrinken".
Der Alkohol, dieser grause Würgengel, der vor allem der Schnaps-
flasche entsteigt, machte rasche Arbeit mit den entnervten Jünglingen.
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152. Einfluß der Kreuzzüge auf den Handel.
• Handels zwischen Morgen- und Abendland. Gleiches gilt aber auch
von den ägyptischen Plätzen Damiette und vor allem Alexandrien.
Letzteres wird geradezu als der „öffentliche Markt für beide Welten"
bezeichnet; es war der Treffpunkt der über Aden und Mekka durch das
Rote Meer nilabwärts herangeführten arabischen und indischen Waren
und der von den italienischen Kaufleuten zugebrachten Naturprodukte
der Westländer, besonders Holz und Eisen. Bis tief ins 16. Jahr-
hundert hinein blieb der Handel mit Alexandrien in voller Blüte.
Aber der Unternehmungsgeist der italienischen Kaufleute
machte auch an den Toren des Abendlandes nicht Halt; kühn drangen
sie mitten in die Landschaften ein, die das unbestrittene Gebiet
ihrer Glaubensfeinde waren, ohne der Kirche zu achten, die jeden
Verkehr mit diesen grundsätzlich untersagte. So treffen wir be-
sonders Venedig schon früh in Handelsverbindung mit dem in
Bagdad residierenden Kalifen, dessen Hauptstadt sich immer noch
als ein großer Sammelplatz für alle asiatischen Waren behauptete.
Diese gingen von hier aus auf der großen Straße nach Haleb, das
später ein Haupthandelsquartier Venedigs für Vorderasien wurde,
um dann entweder über Damaskus, wo sie mit dem Warenzug aus
Indien zusammentrafen, oder über Antiochien nach dem Westen
zu gehen. Im Innern Kleinasiens aber wurden von dem Sultanat
von Jkonium und gleichzeitig von dem christlichen Reich von Ar-
menien den Venezianern Handelsvorteile bewilligt.
Etwas später treffen wir die Abendländer auch mit den Ta-
taren im Norden des Schwarzen Meeres in Berührung. In Tana,
dem heutigen Asow, bestanden zahlreiche europäische Niederlassungen
^ und Kontore. Doch bereitete im Jahre 1397 die Einnahme der Stadt
durch den Mongolen Timurlenk diesem Treiben ein jähes Ende und
die meisten fremden Kaufleute verloren ihr Leben oder wurden als
Sklaven verkauft. Als Ersatz dafür blühte dann — bis zur Eroberung
durch Sultan Muhammed Ii. (1475) — Kaffa auf, das den Namen
„Konstantinopel der Krim" erhielt; es vertrieb neben russischem
Pelzwerk auch Waren aus China und Indien.
Die Handelsstraße von hier nach China, über Sarai und Ur-
gendsch, war stark besucht, auch von Europäern, deren Handel die
Mongolen ihr ungeheures Reich bereitwillig öffneten, so daß Euro-
päer bis nach Indien und China kamen; als Zugangspunkt diente
auch das persische, rasch aufblühende Täbris, wo Europäer ansässig
* wurden. Sie zogen von hier nach Ormus, wo sie die Schiffe nach
Indien bestiegen; auch führte von Ormus ein Landweg über Samar-
kand nach dem fernen Osten.
Gegen das östliche Becken des Mittelmeeres mit seinen uner-
meßlichen Hinterländern kam das westliche, Nordafrika, Verhältnis-
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Extrahierte Personennamen: Jkonium Muhammed
Extrahierte Ortsnamen: Mekka Bagdad Venedigs Damaskus Indien Kleinasiens China Indien China Indien China Indien Nordafrika
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155. Eine deutsche Stadt im Mittelalter.
X 336
meiner Kenntnis brachten, haben wieder einmal gezeigt, welch
feste Stütze wirtschaftlicher Unternehmungsgeist an einer startet:
und einsichtsvollen Staatsgewalt gewinnen kann. So sind unsere
Aussichten im Wettbewerbe der Völker nicht schlecht; wir dürfen
hoffen uns zu behaupten und unser zu nennen, was Fremden ::icht
gehören darf. Wer aber diese glückliche Lage richtig würdigen, ihre
Voraussetzungen und Bedingungen verstehen will, der wird wohl
tun, die „deutsche Hanse" nicht außer acht zu lassen. Ihr Name
darf mit Stolz von jedem Deutschen genannt werden.
Dietrich Schäfer.
X 155. Eine deutsche Stadt im Mittelalter.
Um 1300 liegt die Stadt noch zwischen Wald und Wasser, von
Holz, Teich, Bruch und Heide umgeben. Aus der Heide führt die
Straße durch die Landwehr, eitlen Wall nüt Graben, der das Stadt-
gebiet in weitem Kreise umzieht. Der Wall ist mit Dornengebüsch
und Knicken besetzt um die Feinde abzuhalten. Hinter der Land-
wehr zeigt sich die Stadt, die Morgensonne glänzt von den Kuppeln
der Stadtkirchen. Eine Binnenniauer scheidet die alte Stadt von
einem neueren Teile; die Tore werden bei Nacht geschlossen. Sehr-
groß ist die Zahl der quadratisch oder rund gebauten Mauertürme.
München hat damals gegen 100, Frankfurt zwischen 60 und 70.
Erker springen aus der Matter vor nach dem Stadtgraben; sie sind
zum Teil heizbar, zierlich gedeckt und mit metallenen Kugeln ge-
schmückt. Vor der Stadt steht auf einer Anhöhe der Rabenstein
und schwarze Vögel fliegen dort um formlose Bündel an dem hohen
Stadtgalgen. Beim Hochgericht vorbei führt der Weg durch Äcker,
Weiden und Gemüsegärten. Auf luftigen Stellen drehen nahe der
Mauer Windmühlen ihre Flügel. Wo ein Bach durch Wiesen läuft,
klappern die Rüder von Wassermühlen. Über den Fluß führt eine
Brücke. Sie bildet obe:r einen gedeckten Gang, mit Türmen an beiden
Usern. In der Mitte ihrer Spannung steht das Bild des Schutz-
heiligen mit Kruzifix und einem Opferstocke.
Wer am Morgen die Stadt betritt, der begegnet sicher zuerst
dem Stadtvieh. Denn auch in den große:: Reichsstädten treibt der
Bürger Landbau, auch vornehme Häuser haben in engem Hofraum
Viehställe und Schuppen. In den Straßen der Stadt traben die
Kühe, ein Schäfer führt mit seinem Hunde die Schafherde ans die
nahen Höhen. Die Schweine fahren durch die Haustüren in die
Häuser und suchen auf dem Wege ihre unsaubere Nahrung. Der Rat
verbietet zuweilen Schweineställe an der Straße zu bauen. Auch
der Mist fehlt nicht; auf abgelegenen Plätzen lagern große Haufen,
TM Hauptwörter (50): [T36: [Stadt Mauer Tag Dorf Haus Burg Land Bauer Feind Bürger], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T38: [Boden Wald Land Wiese Wasser Berg Fluß Feld See Dorf]]
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155. Eine deutsche Stadt im Mittelalter.
lateinischen Lehrer, einem angesehenen Manne, der vom Rat besoldet
wird. Er hat großen Zulauf von armen Schülern aus der Fremde,
welche bei den Bürgern betteln und durch Almosen erhalten werden.
Die Stadt baut gerade ein schönes Rathaus, zierlich und schmuck-
voll, darin einen Saal für die großen Feste der Stadt und ansehn-
licher Bürger. Aber zwischen Dom und Rathaus ist eine kunstlose
Wasserpfütze mit schwimmenden Enten und daneben steht der
deutsche Dorfbaum, die alte Linde; sie ist dem Bürger Erinnerung an
eine Zeit, wo seine Stadt noch nicht war und wo die Waldvögel
in den Zweigen sangen, auf denen jetzt nur Sperlinge sitzen und
im Winter die Krähen.
Der Morgen wird den Bürgern durch Geläut verkündet und die
Glocken der zahlreichen Gotteshäuser tönen fast den ganzen Tag
hindurch. Ihr Ton ist dem Bürger herzlich lieb; er umklingt ihm
das ganze Leben, wie er seinen Vorfahren getan. Wenn der Heim-
kehrende den Glockenklang seiner geliebten Stadt auf dem Felde
hört, dann hält er still und betet. Darum ehrt er seine Glocken wie
lebende Wesen; er gab ihnen Frauennamen, den großen am liebsten
Anna, Susanna, und er war geneigt ihnen ein geheimnisvolles
Leben anzudichten. Allmählich werden Turmuhren eingeführt.
Bis zu ihnen hat nur das Geläute die neun Tageszeiten der Kirche
gemeldet und daneben das Horn oder die Trompete der Türmer.
Die Sonnenuhr und vielleicht eine große Sanduhr am Rathause
haben am Tage den Verlauf der Stunden gewiesen.
Die Stadt hat ihren Markttag; am Rathause ist die rote Fahne
ausgesteckt. Solange sie hängt, haben die fremden Verkäufer das
Marktrecht. Zu allen Toren ziehen die Landleute der Umgegend
herein, auch die Landbäcker und Metzger, welche an besonderen
Plätzen feilhalten dürfen. Auf Ständen, Tischen in Krambuden
sind die Waren ausgelegt. Aber das Wertvollste war damals in
dunkeln Stuben und Gewölben der großen Kaufherren, in eisernen
Truhen und hinter festem Verschluß aufbewahrt. Nur der Goldschmied
stellte kleine Becherlein und Ketten hinter die grünen Fensterrauten
der Werkstatt, vorsichtig und unter Aufsicht, damit nicht ein fremder
Strolch hineinschlage und mit der Beute entlaufe. An dem Stadttor
wird jeder Wagen, der passieren will, von den Torhütern sorglich
beschaut. Den Karren der Landleute folgen große Frachtwagen.
Ihr Inhalt ist unter einer Leinwanddecke verborgen; es ist wertvolles
Kaufmannsgut, eine schwere Ladung; denn viele Pferde waren
nötig den Wagen fortzuschaffen; bewaffnete Reiter des nächsten
Landesherrn haben ihn geleitet.
So knarren die Wagen und handeln die Menschen, bis die
Marktfahne vom Rathause abgenommen wird oder ein Glöcklein
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159. Die alten Zollschranken.
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159. Die allen Zollschranken.
Es ist eine allbekannte Sache, daß unser deutsches Vaterland
früher in ungleich mehr Länder und Ländchen zerrissen war als jetzt
und daß zwischen jedem Lande Zollschranken errichtet waren, die
jedes Land vom andern wirtschaftlich trennten.
Da mochte man zu jener Zeit von Norden nach Süden oder von
Westen nach Osten reisen, man stieß zuweilen alle paar Stunden auf
einen Schlagbaum. Bei jedem Schlagbaum befand sich ein Zoll-
haus und vor jedem Zollhaus standen Zollwüchter. Diese Tag und
Nacht strenge Wacht haltenden Beamten fragten jeden Reisenden,
ob er etwas „Zollbares" bei sich habe; nach Befinden durchsuchten
sie das Gepäck oder gar die Taschen desselben nach zollbaren Waren
oder Sachen. Schöpften die Zollbeamten Verdacht, so schleppten sie
ihre Opfer mit ins Zollhaus, wo sie gründlich untersucht wurden.
Fand man etwas Zollpflichtiges, was der Reisende verschwiegen
hatte, so wurde die eingeschmuggelte Ware „kontreband" gemacht,
d. h. sie wurde dem Besitzer als eingeschmuggelt weggenommen.
Außerdem mußte der letztere noch tüchtige Strafgelder bezahlen.
Besonders gründlich wurden die Wagen untersucht, selbst Kutsch-
wagen waren nicht ausgeschlossen.
Um die Zollplackereien, die damals in Deutschland herrschten,
recht deutlich zu machen, will ich eine Geschichte erzählen:
Ein Professor aus Thüringen reiste zur Ferienzeit des Jahres
1821 mit seiner Gattin nach Bremen, wo sie Verwandte besuchen
wollten. Sie hatten sich ein Lohngeschirr gemietet und fuhren
damit in der schönen Sommerzeit nach Norddeutschland.
In Bremen hörte die Professorin, wie außerordentlich billig
die Kolonialwaren zu erstehen waren, und konnte der Versuchung
nicht widerstehen ein Säckchen Kaffee dort zu kaufen. Dieser Handel
war geschlossen worden, als der Herr Professor gerade nicht zugegen
war. Als dieser aber von dem Säckchen Kaffee hörte, welches, im
Wagen versteckt, heimlich mit über die Grenze genommen werden
sollte, so war er darüber sehr ungehalten und verlangte, daß der
Handel rückgängig gemacht werde. Die Frau Professorin versprach
dies endlich um ihren Gatten zu beruhigen.
Ohne Sorgen bestieg daher der Professor seinen Kutschwagen
um die Heimreise wieder anzutreten; auch die Frau Professorin
nahm in fröhlichster Stimmung im Wagen Platz und die Reise
ging fort.
Da der Herr Professor in Göttingen einen Kollegen hatte, mit
dem er befreundet war, so wurde diese berühmte Universitätsstadt
zum Reiseziel gemacht.
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Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Bremen Norddeutschland Bremen Göttingen
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159. Die alten Zollschranken.
349
Der Schmerz der Reisenden war noch nicht überwunden, so
hielt ihr Wagen vor einem preußischen Zollhause.
Die Fragen nach dem Zollbaren wurden gewissenhaft mit Ja
beantwortet, der Kaffeesack hervorgeholt und die erhaltene Quittung
vorgelegt.
Der Beamte sah die Belege wiederholt durch und sagte dann:
„Ich bitte um die Quittung über den gezahlten Zoll." „Quittung,
Zoll?" entgegenete befremdet der Herr Professor. „Ja, ja," erwiderte
der Beamte, „die Quittung, die Sie in Detmold erhalten haben
über den Zoll, die mir vorgelegte Quittung lautet bloß über die
Strafgelder." Dem Herrn Professor wurde nun klar, daß sie in
Detmold abgefahren waren ohne erst die Quittung über den Zoll
sich ausstellen zu lassen. Um nun die Strafe nicht noch einmal be-
zahlen zu müssen wurde ein Bote nach Detmold geschickt, der die
Quittung über den Zoll holen mußte. Dem Herrn Professor war die
Sache sehr fatal und er wünschte den Kaffee dorthin, wo der Pfeffer
wächst. Nach Verlauf mehrerer Stunden war die Quittung da,
der Herr Professor bezahlte den Zoll für Preußen und fuhr glücklich
und unangehalten über die kurhessische und hannoverische Grenze,
bezahlte aber auch jedesmal den ihm abverlangten Zoll. In Göttingen
hielten sich unsre Reisenden einige Tage auf und verlebten dieselben
in Gesellschaft des lieben Freundes sehr angenehm.
Am dritten Tage brach man wieder auf. Als man wieder an die
preußische Grenze kam, fragte der Zollbeamte nach dem „Zoll-
baren". „Wir haben nichts Zollbares bei uns," erwiderte bestimmt
der Herr Professor. Die Frau Professorin sah den Herrn Professor
an, schwieg aber. Der Zollbeamte untersuchte flüchtig den Wagen
und wünschte glückliche Reise.
Geradeso ging es an den Zollhäusern mehrerer Thüringer
Staaten, ohne daß man Zoll bezahlte, bis man wieder im Regierungs-
bezirk Erfurt an ein preußisches Zollhaus kam.
Dort ging es in der Hauptsache auch glatt ab; als aber der
Blick des Zollbeamten die Wagenlaternen streifte, wurde er stutzig.
Von Neugierde geplagt, machte er die Wagenlaternen auf und fand,
daß beide mit Tabak gefüllt waren.
Neuer Schreck. Diesmal lud sich aber das Unwetter auf deu
armen Kutscher ab, der, durch das Beispiel der Frau Professorin
verleitet, sich für einige Groschen Tabak in Bremen gekauft und
diesen glücklich bis Thüringen in den Wagenlaternen verborgen hatte.
Was half aber alles Schelten und alles Jammern, kurz, der Herr-
Professor mußte zahlen.
Nachdem auch dieser Kelch geleert war, fuhren unsere Reisenden
der Heimat wieder zu.
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Schulformen (OPAC): Kaufmännische Schule
Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
Geschlecht (WdK): Jungen
1. Der Eintritt in das Geschäft.
Anton war gerade achtzehn Jahre alt geworden, als sein Vater
starb. Nach einigen Tagen lauten Schmerzes stand er allein in der
stillen Wohnung, eine Waise, im Anfang eines neuen Lebens.
Vier Wochen darauf, an einem frühen Sommermorgen, trat er
über die Schwelle des väterlichen Hauses, legte den Schlüssel des-
selben in die Hände des Vormundes, übergab sein Gepäck einem
Fuhrmann und fuhr durch das Tor des Städtchens der Haupt-
stadt zu, einen Brief des Vaters an den Kaufmann Schröter, bei
welchem ihm ein Platz im Kontor ausgemacht war, in der Tasche.
Schon stand die Sonne niedrig am Himmel, als er bei den
ersten Häusern der Hauptstadt ankam. Erst einzelne kleine Ge-
bäude, dann zierliche Sommerwohnungen mitten in blühenden
Gärten; dann rückten die Häuser dichter zusammen, die Straße
schloß sich auf beiden Seiten und mit dem Staube und Wagen-
gerassel legte sich bange Sorge um die Brust unseres Helden. End-
lich bog er in eine Hauptstraße ein und hielt vor einem hohen Hause
an. Hier wohnte Herr Schröter.
Anton trat mit klopfendem Herzen in die Hausflur und lockerte
den Brief seines Vaters in der Brusttasche. Er war sehr kleinmütig
geworden und sein Kopf war so schwer, daß er sich am liebsten
einen Augenblick hingesetzt hätte um auszuruhen. Aber wie Ruhe
sah es in dem Hause nicht aus. Vor der Türe stand ein großer Fracht-
wagen, in dem Hause standen mächtige Fässer und Ballen und
riesengroße, breitschultrige Männer mit Lederschürzen und kurzen
Baier-Knörk, Lesebuch für kaufmännische Schulen. 1
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T33: [Kind Vater Mutter Frau Mann Jahr Sohn Gott Haus Eltern]]
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TM Hauptwörter (200): [T43: [Haus Frau Kind Mann Arbeit Wohnung Familie Zeit Zimmer Kleidung], T12: [Wagen Wasser Stein Rad Fuß Maschine Pferd Bewegung Hand Schiff], T116: [Vater Kind Mutter Sohn Bruder Herr Mann Auge Frau Hand], T25: [Stadt Schloß Straße Garten Berg Dorf Nähe Park Ufer Haus], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht]]
Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
Schulformen (OPAC): Kaufmännische Schule
Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
Geschlecht (WdK): Jungen
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58. Die Auswanderer.
Und ihr, im Schmuck der langen Zöpfe,
Ihr Schwarzwaldmüdchen, braun und schlank,
Wie sorgsam stellt ihr Krüg' und Töpfe
Auf der Schaluppe grüne Bank!
Das sind dieselben Töpst und Krüge,
Oft an der Heimat Born gefüllt;
Wenn am Missouri alles schwiege,
Sie malteu euch der Heimat Bild:
Des Dorfes steingefaßte Quelle,
Zu der ihr schöpfend euch gebückt,
Des Herdes traute Feuerstelle,
Das Wandgesims, das sie geschmückt.
Bald zieren sie im fernen Westeil
Des leichteii Bretterhauses Wand:
Bald reicht sie müden, braunen Gästeii
Voll frischen Trunkes eure Hand.
Es trinkt daraus der Tscherokese,
Ermattet, von der Jagd bestaubt;
Nicht mehr von deutscher Rebenlese
Tragt ihr sie heim, mit Grün belaubt.
O sprecht! warum zogt ihr von daimeir?
Das Neckartal hat Weil: und Korn;
Der Schwarzwald steht voll finstrer Scannen;
Im Spessart liegt des Älplers Horn.
Wie wird es in beu fremden Wäldern
Euch nach der Heimat Berge Grün,
Nach Deutschlands gelben Weizenfeldern,
Nach seinen Rebenhügeln zieh'n!
Wie wird das Bild der alten Tage
Durch eure Träume glänzend weh'n!
Gleich einer stillen, frommen Sage
Wird es euch vor der Seele stehn.
Der Bootsmann winkt! — Zieht hin in Frieden!
Gott schütz' euch, Mann und Weib und Greis!
Sei Freude eurer Brust beschieden
Und euern Feldern Reis lind Mais!
F. Freiligrath.
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd]]
TM Hauptwörter (100): [T87: [Tag Tisch Haus Frau König Mann Gast Herr Hand Abend], T24: [Blatt Baum Blüte Pflanze Frucht Wurzel Stengel Stamm Zweig Boden], T54: [Haus Feld Bauer Dorf Pferd Stadt Vieh Land Wald Mensch], T1: [König Held Herz Mann Volk Siegfried Land Lied Hand Tod], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel]]
TM Hauptwörter (200): [T89: [Wasser Fluß Quelle Bach See Erde Boden Brunnen Land Ufer], T32: [Wald Baum Boden Eiche Steppe Höhe Ebene Wüste Teil Tanne], T102: [Glocke Stimme Wort Hand Auge Ohr Kirche Ton Fenster Herr], T168: [Holz Tisch Messer Stück Honig Stuhl Griffel Hand Narbe Papier], T147: [Jahr Erfindung Buch Gutenberg Buchdruckerkunst Johann Mainz Zeit Buchstabe Jahrhundert]]