Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
Schulformen (OPAC): Kaufmännische Schule
Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
Geschlecht (WdK): Jungen
418
186. Flachs, Hanf und Jute.
Durch die erwähnten Arbeiten erhält man den Flachs und das
Werg oder die Hede. Flachs und Werg unterscheiden sich durch
die Länge der Fasern und dadurch, daß die Flachsfaser parallel,
die des Werges aber wirr durcheinander liegt. Die Länge der
Flachsfaser schwankt von 30—90 cm, die durchschnittliche beträgt
50 cm. Bei guten Sorten ist die Farbe hell, gelbblond, gelblich-
weiß oder stahlgrau; der Flachs ist seidenglänzend, weich, bieg-
sam, schwer zerreißbar. In den Handel kommt er in Form von
Zöpfen, gewöhnlich 1 m lang. Er ist trocken aufzubewahren und
nimmt durch Lagern an Glanz zu.
Obwohl sehr viele Länder Flachs bauen, so ist doch die Zahl
der Handelssorten von Bedeutung gering. Die Mehrzahl der Län-
der verarbeitet den erzeugten Flachs gleich an Ort und Stelle. Es
sind zu erwähnen: Russischer Flachs, von dem der beste der weiß-
gelbe Rigaer ist, der aus Livland und anderen russischen Ostseeländern
kommt, Königsberger und Danziger aus Ost- und Westpreußen so-
wie Polen, Holländischer, meist dunkelgrau, von Holland, Seeland
und Friesland, und Ägyptischer, der lang, stark, grob und von röt-
licher Farbe ist.
Der H a n f ist die Bastfaser aus dem Stengel der Hanfpslanze.
Diese besitzt einen betäubenden Geruch, herrührend von Kannabin
(Haschischrauchen). Ihr Stengel wird 1—2 m hoch, die weibliche
Pflanze gibt eine wertvollere Faser als die männliche. Die Frucht
bildet einsamige Nüßchen, die Hanfsamen. Die aus Asien stammende
Pflanze wird in Europa schon lange gebaut, so in Rußland, Italien,
Österreich-Ungarn, Deutschland und Frankreich. Die Hanfbereitung
stimmt mit der des Flachses überein. Nach dem Brechen heißt der
Hanf Rohhanf, der jedoch auch dadurch gewonnen wird, daß man nach
dem Rösten das Holz vom Baste schält. Er führt alsdann den Namen
Schleiß-, Schäl- oder Pellhanf. Der Abfall dabei heißt Börtel. Der
gehechelte Hanf wird Reinhauf genannt. Wird er zum Spinnen ver-
wendet, so heißt er Spinnhanf. Der Abfall beim Hecheln heißt Hanf-
werg, Hanfhede oder Tors. Die Farbe ist perl- oder stahlgrau, auch grün,
gelb oder dunkel, der Geruch stark und eigentümlich. Die Länge
beträgt 60—120 cm, erreicht auch 2 m. Die Lagerung soll trocken
und luftig sein, andernfalls tritt Erhitzung und sogar Selbstent-
zündung ein.
Die wichtigste Handelssorte ist der sehr gute Russische Hanf, ein
Hauptausfuhrartikel Rußlands, der aus den russischen Ostseepro-
vinzen kommt. Preußischer kommt aus Ost- und Westpreußen und
aus Polen, Rheinischer aus Baden, der Rheinpfalz und dem Elsaß,.
Italienischer von Bologna, Ferrara und Neapel, Österreichischer aus
Kärnten und Ungarischer vornehmlich aus Slavonien.
TM Hauptwörter (100): [T79: [Wein Zucker Baumwolle Kaffee Getreide Tabak Fleisch Holz Wolle Handel], T24: [Blatt Baum Blüte Pflanze Frucht Wurzel Stengel Stamm Zweig Boden], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T3: [Lage Karte Land Europa Geographie Klima Größe Verhältnis Grenze Gliederung], T78: [Polen Rußland Preußen Land Orden Russe Stadt Reich Warschau Weichsel]]
TM Hauptwörter (200): [T1: [Maschine Fabrik Herstellung Industrie Papier Leder Wolle Leinwand Fabrikation Art], T28: [Blatt Blüte Pflanze Baum Wurzel Frucht Stengel Zweig Erde Samen], T101: [Baumwolle Kaffee Tabak Getreide Reis Zucker Holz Ausfuhr Wein Zuckerrohr], T137: [Wein Obst Weizen Kartoffel Frucht Getreide Gerste Hafer Mais Flachs], T47: [Karte Lage Länge Breite Größe Meile Linie Ort Grenze Höhe]]
Extrahierte Ortsnamen: Livland Polen Holland Seeland Friesland Asien Europa Italien Deutschland Frankreich Westpreußen Polen Baden Rheinpfalz Elsaß Bologna Ferrara Neapel
Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
Schulformen (OPAC): Kaufmännische Schule
Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
Geschlecht (WdK): Jungen
173. Nishnij-Nowgorod.
387
173. Nishnij-Nowgorod.
Wer von Moskau nach fast endloser Eisenbahnfahrt den großen
Mittelpunkt der inneren Provinzen, die alte Großfürstenresidenz
und berühmte Messestadt Nishnij-Nowgorod 1)l erreicht hat, ist über-
rascht von der Größe und Pracht des durchaus modernen Bahnhofs
mit seinen weiten Hallen und schönen Empfangssälen. Aber hat
er dann diese Eingangspforte hinter sich und schreitet er der Stadt
zu, so ist es bald vorbei mit den modernen Eindrücken und mit ihrer
alten halb barbarischen Pracht steigt die Königin der Messen an
den Hügelufern der Oka und Wolga empor. Hoch über dem Häuser-
meer ragt der Kreml empor mit seinen Türmen, Kuppeln, Kreuzen
und Zinnen, abseits der Altstadt dagegen birgt sich das neue Villen-
Nowgorod mit seinen reizenden Häusern und Kaufmannspalästen
halb versteckt im Grün der waldigen Uferwände. Aber wer fragt
nach der eigentlichen Stadt, wenn er in Nishnij-Nowgorod ist?
Vorausgesetzt wenigstens, daß er Nowgorod zur Messezeit besucht.
Und wiederum, wer geht nach Nishnij-Nowgorod außer zur Messe?
Die Messestadt, die nur einige Monate des Jahres lebt, be-
steht erst seit 100 Jahren; vorher war die große Messe des inneren
Rußlands in Makarjew an der Wolga und noch früher, bis ins
Mittelalter, in Kasan, der alten Tatarenresidenz. Erst 1817 wurde
die Messe nach Nishnij-Nowgorod übertragen und für sie eine
eigne Stadt gebaut. Sie liegt der Altstadt gegenüber am linken
Okaufer und alljährlich vor Beginn der Messe wird eine breite
Schiffsbrücke geschlagen, auf der sich vom Morgengrauen bis in
die Nacht ein Leben entwickelt, wie es vielleicht an keinem zweiten
Punkt der Erde sich so vielgestaltig und bunt wiederholt. Im Juni
wird diese Brücke erbaut, im September abgebrochen, dann liegt
der weite Messeplatz wieder öde bis zum nächsten Jahr, die Hoch-
fluten der Oka und Wolga jagen im Winter darüber hin und nur
die Spitzen der Häuser und die Kuppeln der vielen Meßkapellen
ragen aus den gelben, wirbelnden Fluten empor.
Über die Brücke gelangt man erst in die äußere und dann
jenseits eines Kanals in die innere Budenstadt. Jede ist zusammen-
gesetzt aus etwa 3000 steinernen Verkaufsgewölben, in denen eng-
gedrängt alle Schätze und Herrlichkeiten, die überhaupt in der
Welt und insbesondere im weiten russischen Reiche gefunden und
gefördert werden, in sinnverwirrenden Massen aufgestapelt sind.
Denn das ist auch ein Unterschied zwischen dieser und den übrigen
Messen der Neuzeit, daß in Nowgorod nicht nach Mustern gekauft
wird, sondern jeder Messebesucher seine Einkäufe gleich vom Fleck *)
*) d. h. Nieder-Neustadt (abgekürzt: Nischegorod).
26*
TM Hauptwörter (50): [T3: [Stadt Schloß Straße Berlin Kirche Haus Gebäude Platz Garten Universität], T40: [Polen Ungarn Land Rußland Preußen Stadt Donau Provinz Hauptstadt Königreich], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht]]
TM Hauptwörter (100): [T76: [Stadt Straße Haus Schloß Kirche Gebäude Mauer Platz Garten Dorf], T78: [Polen Rußland Preußen Land Orden Russe Stadt Reich Warschau Weichsel], T48: [Fluß Meer See Strom Land Wasser Mündung Kanal Lauf Ostsee], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T32: [Tag Jahr Monat Mai Juli März Juni April Ende Oktober]]
TM Hauptwörter (200): [T87: [Meer Rußland Wolga Stadt Petersburg Moskau See Ostsee Hauptstadt Ural], T0: [Kirche Haus Gebäude Stadt Straße Säule Platz Fenster Seite Palast], T122: [Stadt Hamburg Handel Berlin Bremen Lübeck London Deutschland Frankfurt Verkehr], T25: [Stadt Schloß Straße Garten Berg Dorf Nähe Park Ufer Haus], T110: [Tag Jahr Stunde Nacht Monat Uhr Zeit Winter Sommer Juni]]
Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
Schulformen (OPAC): Kaufmännische Schule
Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
Geschlecht (WdK): Jungen
418
186. Flachs, Hanf und Jute.
Durch die erwähnten Arbeiten erhält man den Flachs und das
Werg oder die Hede. Flachs und Werg unterscheiden sich durch
die Länge der Fasern und dadurch, daß die Flachsfaser parallel,
die des Werges aber wirr durcheinander liegt. Die Länge der
Flachsfaser schwankt von 30—90 cm, die durchschnittliche betragt
50 cm. Bei guten Sorten ist die Farbe hell, gelbblond, gelblich-
weiß oder stahlgrau; der Flachs ist seidenglänzend, weich, bieg-
sam, schwer zerreißbar. In den Handel kommt er in Form von
Zöpfen, gewöhnlich 1 m lang. Er ist trocken aufzubewahren und
nimmt durch Lagern an Glanz zu.
Obwohl sehr viele Länder Flachs bauen, so ist doch die Zahl
der Handelssorten von Bedeutung gering. Die Mehrzahl der Län-
der verarbeitet den erzeugten Flachs gleich an Ort und Stelle. Es
sind zu erwähnen: Russischer Flachs, von dem der beste der weiß-
gelbe Rigaer ist, der aus Livland und anderen russischen Ostseelündern
kommt, Königsberger und Danziger aus Ost- und Westpreußen so-
wie Polen, Holländischer, meist dunkelgrau, von Holland, Seeland
und Friesland, und Ägyptischer, der lang, stark, grob und von röt-
licher Farbe ist.
Der Hanf ist die Bastfaser aus dem Stengel der Hanfpflanze.
Diese besitzt einen betäubenden Geruch, herrührend von Kannabin
(Haschischrauchen). Ihr Stengel wird 1—2 m hoch, die weibliche
Pflanze gibt eine wertvollere Faser als die männliche. Die Frucht
bildet einsamige Nüßchen, die Hanfsamen. Die aus Asien stammende
Pflanze wird in Europa schon lange gebaut, so in Rußland, Italien,
Österreich-Ungarn, Deutschland und Frankreich. Die Hanfbereitung
stimmt mit der des Flachses überein. Nach dem Brechen heißt der
Hanf Rohhanf, der jedoch auch dadurch gewonnen wird, daß man nach
dem Rösten das Holz vom Baste schält. Er führt alsdann den Namen
Schleiß-, Schäl- oder Pellhanf. Der Abfall dabei heißt Börtel. Der
gehechelte Hanf wird Reinhanf genannt. Wird er zum Spinnen ver-
wendet, so heißt er Spinnhanf. Der Abfall beim Hecheln heißt Hanf-
werg, Hanfhede oder Tors. Die Farbe ist perl- oder stahlgrau, auch grün,
gelb oder dunkel, der Geruch stark und eigentümlich. Die Länge
betrügt 60—120 cm, erreicht auch 2 m. Die Lagerung soll trocken
und luftig sein, andernfalls tritt Erhitzung und sogar Selbstent-
zündung ein.
Die wichtigste Handelssorte ist der sehr gute Russische Hanf, ein
Hauptausfuhrartikel Rußlands, der aus den russischen Ostseepro-
vinzen kommt. Preußischer kommt aus Ost- und Westpreußen und
aus Polen, Rheinischer aus Baden, der Rheinpfalz und dem Elsaß,
Italienischer von Bologna, Ferrara und Neapel, Österreichischer aus
Kärnten und Ungarischer vornehmlich aus Slavonien.
Extrahierte Ortsnamen: Livland Polen Holland Seeland Friesland Asien Europa Italien Deutschland Frankreich Polen Baden Rheinpfalz Bologna Ferrara Neapel
Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
Schulformen (OPAC): Kaufmännische Schule
Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
Geschlecht (WdK): Jungen
114. Die Hohenzollern.
235
Hechingen, liegt ihr Stammschloß. Ein Zweig dieses alten Grafen-
hauses erhielt unter den hohenstaufischen Kaisern die Burggrafen-
würde von Nürnberg. Die Burggrafen erwarben sich allmählich
beträchtlichen Länderbesitz und leisteten den Kaisern ausgezeichnete
Dienste. Darum wurden sie in den Reichsfürstenstand erhoben.
Und als unter Kaiser Sigismund die Mark Brandenburg, welche zu
seinen Erblanden gehörte, eines starken Armes bedurfte um die zer-
störte Ordnung wieder aufzurichten, da konnte der Kaiser keinen
tüchtigeren Statthalter für das Land finden als den Burg-
grafen Friedrich Vi. von Nürnberg. Er setzte ihn daher zum
„vollmächtigen Verweser und obersten Hauptmann ein, der
mit Gottes Hilfe die Mark aus ihrer jammervollen Lage eretten"
sollte.
Friedrich war einer der trefflichsten Fürsten seiner Zeit. Ge-
rechtigkeit und Leutseligkeit gewannen ihm bald die Herzen des
Volkes in dem neuen Lande; seine Tapferkeit warf die trotzigen Raub-
ritter zu Boden und verschaffte dem Lande Ruhe und Sicherheit.
Für dieses Verdienst verlieh ihm nun der Kaiser Sigismund die
Mark als erbliches Eigentum. Dies geschah im Jahre 1415 auf
der großen Kirchenversammlung zu Kostnitz. Hier wurde Fried-
rich von Hohenzollern feierlich zum Kurfürsten von Brandenburg
erhoben.
Mit diesem Friedrich I. beginnt die Reihe der Kurfürsten aus
dem hohenzollerischen Hause. Es regierten ihrer nacheinander zwölf
und ihre Herrschertüchtigkeit war so hervorragend, ihr landesväter-
liches Walten so gesegnet, daß mehrere von ihnen teils wegen ihrer
Kraft teils wegen ihrer Weisheit die ehrenvollsten Beinamen er-
hielten. Kurz vor dem Dreißigjährigen Kriege bekam das Land
einen bedeutenden Zuwachs. Der Kurfürst Johann Sigismund
erwarb durch Erbschaft das Herzogtum ! Kleve am Niederrhein
nebst Mark und Ravensberg in Westfalen sowie im Ostenfdas Her-
zogtum Preußen.
Die Preußen, welche an der unteren Weichsel und der Memel
wohnten, hatten lange am Heidentum festgehalten und allen Ver-
suchen, sie zum christlichen Glauben zu bekehren, hartnäckig wider-
standen. Endlich kam der zur Zeit der Kreuzzüge in Palästina ge-
stiftete Deutsche Ritterorden in ihr Land und unterwarf es in fünfzig-
jährigen blutigen Kämpfen seiner Herrschaft. Das Christentum ge-
wann jetzt festen Boden, neue Städte wurden gegründet und durch
einwandernde deutsche Ansiedler ward deutsche Sitte verbreitet. Sitz
des Ordens wurde die Stadt Marienburg. Fast drei Jahrhunderte
dauerte seine Herrschaft. Dann fand die Reformation in Preußen
Eingang; der Hochmeister des Ordens, Albrecht von Brandenburg,
TM Hauptwörter (50): [T47: [Friedrich Wilhelm Kaiser König Iii Kurfürst Jahr Preußen Brandenburg Johann]]
TM Hauptwörter (100): [T37: [Friedrich Brandenburg Heinrich Herzog Sachsen Land Albrecht Kaiser Mark Johann], T78: [Polen Rußland Preußen Land Orden Russe Stadt Reich Warschau Weichsel], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele]]
TM Hauptwörter (200): [T18: [Mark Brandenburg Land Albrecht Friedrich Kaiser Jahr Markgraf Haus Markgrafe], T33: [Gott Liebe Mensch Herz Leben Volk Ehre Vaterland gute Zeit], T57: [Orden Polen Preußen Land Hochmeister Ritter Marienburg Stadt deutsch Jahr], T44: [Preußen Polen Brandenburg Provinz Land Schlesien Sachsen Pommer Friedrich Schweden]]
Extrahierte Personennamen: Sigismund Friedrich_Vi Friedrich Friedrich Friedrich Sigismund Friedrich_I. Johann_Sigismund Johann Albrecht_von_Brandenburg Albrecht
Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
Schulformen (OPAC): Kaufmännische Schule
Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
Geschlecht (WdK): Jungen
173. Nishinj-Naivgarad.
387
173. Nishnij-Nowgorod
Wer von Moskau nach fast endloser Eisenbahnfahrt den großen
Mittelpunkt der inneren Provinzen, die alte Großfürstenresidenz
und berühmte Messestadt Nishnij-Nowgorod^, erreicht hat, ist über-
rascht von der Größe und Pracht des durchaus modernen Bahnhofs
mit seinen weiten Hallen und schönen Empfangssälen. Aber hat
er dann diese Eingangspforte hinter sich und schreitet er der Stadt
zu, so ist es bald vorbei mit den modernen Eindrücken und mit ihrer
alten halb barbarischen Pracht steigt die Königin der Messen an
den Hügelufern der Oka und Wolga empor. Hoch über dem Häuser-
meer ragt der Kreml empor mit seinen Türmen, Kuppeln, Kreuzen
und Zinnen, abseits der Altstadt dagegen birgt sich das neue Villen-
Nowgorod mit seinen reizenden Häusern und Kaufmannspalästen
halb versteckt im Grün der waldigen Uferwände. Aber wer fragt
nach der eigentlichen Stadt, wenn er in Nishnij-Nowgorod ist?
Vorausgesetzt wenigstens, daß er Nowgorod zur Messezeit besucht.
Und wiederum, wer geht nach Nishnij-Nowgorod außer zur Messe?
Die Messestadt, die nur einige Monate des Jahres lebt, be-
steht erst seit 100 Jahren; vorher war die große Messe des inneren
Rußlands in Makarjew an der Wolga und noch früher, bis ins
Mittelalter, in Kasan, der alten Tatarenresidenz. Erst 1817 wurde
die Messe nach Nishnij-Nowgorod übertragen und für sie eine
eigne Stadt gebaut. Sie liegt der Altstadt gegenüber am linken
Okaufer und alljährlich vor Beginn der Messe wird eine breite
Schiffsbrücke geschlagen, auf der sich vom Morgengrauen bis in
die Nacht ein Leben entwickelt, wie es vielleicht an keinem zweiten
Punkt der Erde sich so vielgestaltig und bunt wiederholt. Im Juni
wird diese Brücke erbaut, im September abgebrochen, dann liegt
der weite Messeplatz wieder öde bis zum nächsten Jahr, die Hoch-
fluten der Oka und Wolga jagen im Winter darüber hin und nur
die Spitzen der Häuser und die Kuppeln der vielen Meßkapellen
ragen aus den gelben, wirbelnden Fluten empor.
Über die Brücke gelangt man erst in die äußere und daun
jenseits eines Kanals in die innere Budenstadt. Jede ist zusammen-
gesetzt aus etwa 3000 steinernen Verkaufsgewölben, in denen eng-
gedrängt alle Schätze und Herrlichkeiten, die überhaupt in der
Welt und insbesondere im weiten russischen Reiche gefunden und
gefördert werden, in sinnverwirrenden Massen aufgestapelt sind.
Denn das ist auch ein Unterschied zwischen dieser und den übrigen
Messen der Neuzeit, daß in Nowgorod nicht nach Mustern gekauft
wird, sondern jeder Messebesucher seine Einkäufe gleich vom Fleck
3 d. h. Nieder-Neustadt (abgekürzt: Nischegorod).
25*
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212
184. Rußland.
Sonne am höchsten steht. Alle Häuser werden da mit grünen
Zweigen geziert. Geistliche Lieder singend zieht man tags
über durch die Dörfer und empfängt hiefür Bewirtung; des
Abends aber leuchten die Sonnenwendfeuer von den Bergen.
184. Russland.
Dos europäische Rußland erstreckt sich vom nördlichen
Eismeere bis zu den Usern des schwarzen Meeres. An seiner
Ostgrenze gegen Asien zieht sich das 800 Meilen lange Ural-
gebirge hin, das an Gold, Silber, Platina und Edelsteinen
reich ist. An der Südgrenze zwischen dem schwarzen und
kaspischeu Meere liegt der Kaukasus, dessen Gipfel 4800 m
hoch sind. Das Innere Rußlands ist eine ungeheure Ebene,
die von großen Strömen durchflossen wird. Zum kaspischeu
Meere strömt die Wolga; durch das Land der Kosacken eilt
dem asowschen Meere der Don zu; ins schwarze Meer fließen
der Dnjepr und der Dnjestr.
Der Teil Rußlands, welcher nach dem nördlichen Eismeere
zu liegt, ist traurig und öde. Fast nenn Monate des Jahres
schmilzt das Eis nicht. Die Flüsse samt den Moorgegenden,
durch welche sie fließen, sind fast immer gefroren. Der Boden
trägt nur spärlich Gerste. Die Tannen- und Birkenwälder
sind fast beständig von Nebel eingehüllt. Über die weiten
Flächen streifen Füchse, Zobel, Hermeline; an den Meeres-
gestaden lebt der Eisbär.
Die russischen Ostseeprovinzen sind fruchtbar und reich an
Getreide. Flachs und Hanf. Mittelrußland erzeugt schönes
Rindvieh, dauerhafte Pferde und sehr viele Schafe. Südruß-
land hat ein warmes Klima; hier gedeihen Granaten, Feigen,
Kastanien. Öl- und Cypressenbänme, und die fruchtbaren Felder
lohnen den Fleiß des Landmanns mit reichen Ernten. Der
größte Teil des Südens aber ist einförmiges Steppenland, auf
dem zur Sommerszeit große Herden Rinder und fettschwünziger
Schafe weiden und wilde Pferde sich tummeln.
Die Russen sind ein slavischer Volksstamm. Die Bewohner
Westrußlands werden Weißrussen, die des Südens Klein-
russen genannt; iin Innern des Landes wohnen die Groß-
russen. Alle Russen bekennen sich zur griechisch-katholischen
Religion. Der Beherrscher des Landes, „Zar" genannt, ver-
einigt in seiner Person die höchste weltliche und geistliche
Gewalt. In der Ausübung ihrer Religionsgebräuche sind die
Russen sehr eifrig.
Die Hauptstadt Rußlands ist Petersburg an der Newa
mit schnurgeraden Straßen, prächtigen Palästen und herrlichen
Kirchen. Die alte Hauptstadt des Reiches, das vieltürmige
Moskau, liegt in der Mitte des Landes. Die wichtigste
TM Hauptwörter (50): [T38: [Boden Wald Land Wiese Wasser Berg Fluß Feld See Dorf], T17: [Meer Fluß Gebirge Land Hochland See Halbinsel Osten Norden Süden], T40: [Polen Ungarn Land Rußland Preußen Stadt Donau Provinz Hauptstadt Königreich]]
TM Hauptwörter (100): [T11: [Wein Getreide Boden Viehzucht Weizen Land Pferd Obst Kartoffel Ackerbau], T78: [Polen Rußland Preußen Land Orden Russe Stadt Reich Warschau Weichsel], T48: [Fluß Meer See Strom Land Wasser Mündung Kanal Lauf Ostsee], T21: [Schnee Winter Wasser Sommer Berg Regen Luft Boden Land Erde], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume]]
TM Hauptwörter (200): [T87: [Meer Rußland Wolga Stadt Petersburg Moskau See Ostsee Hauptstadt Ural], T133: [Boden Land Ackerbau Klima Wald Viehzucht Teil Wiese Anbau Fruchtbarkeit], T195: [Pferd Tier Hund Schaf Löwe Wolf Rind Mensch Schwein Thiere], T113: [Wein Seide Baumwolle Handel Zucker Kaffee Wolle Tabak Reis Getreide], T193: [Meer Halbinsel Gebirge Norden Süden Osten Westen Küste Insel Europa]]
Extrahierte Personennamen: Zobel
Extrahierte Ortsnamen: Russland Asien Kaukasus Westrußlands Petersburg Moskau
Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
Schulformen (OPAC): Fortbildungsschule
Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
Geschlecht (WdK): koedukativ
271
bewohnt. An der Drau zieht sich die Südgrenze hin, biegt bei Bozen
nach Süden aus und wendet sich bis au den Rhein. Sie reichte einst
bis Verona. Aus diesen südlichen, dem Deutschtum fast ganz verloren
gegangenen Gegenden klingen uns die Sagen eines Dietrich von Bern
entgegen sowie die Minnelieder eines Walter von der Vogelweide
und eines Oswald von Wolkenstein. — Die Tschechen Böhmens werden
gleichsam in einem Binnenmeere von einem breiten deutschen Ring um-
grenzt ; aber auch innerhalb des tschechischen Gebietes finden sich deutsche
Sprachinseln oder — wie man auch sagt — deutsche Enklaven. Die
wichtigsten unter ihnen sind Iglau, Budweis, Brünn und Olmütz.
Die größeren deutschen Ansiedlungsgebiete Ungarns greifen auf
das Mittelalter zurück. Im 12. Jahrhunderte wanderten auf den
Ruf des Ungarnkönigs Geisa Ii. viele Flanderer und Niedersachsen,
Bergknappen vom Harz und von Thüringen nach Oberungarn und
nach Siebenbürgen. Ein großer Kenner Siebenbürgens sagt: „Wer
die einstige Größe Deutschlands und seine heutigen Einbußen, wer
seine ruhmvolle Vergangenheit sich widerspiegelnd in einer nicht
unrühmlichen Gegenwart kennen lernen will, der wandere nach Sieben-
bürgen." Die „deutschen Sachsen im Waldland" halten mit großer
Strenge aus ihre guten Gebräuche, auf ihre deutsche Sitte. Trotz
aller Kämpfe und Bedrückungen, die sie von dem Magyarentum und
zum Teil auch vom Rumänentum zu dulden haben, halten sie fest
an ihrem echt deutschen Wesen.
Im Banat wohnen viele Schwarzwälder und Rheinländer.
Schwäbische Heidebauern bebauen am Ufer des Neusiedler Sees ihr
Feld und Deutsche tragen wesentlich zur Kulturentwicklung in den
Gegenden um Füuskirchen, Ofen und Waitzen bei.
In Galizien ist das Deutschtum zurückgegangen, obwohl die aus
der Zeit Kaiser Josephs Ii. stammenden Ansiedlungen ihr deutsches
Gepräge noch haben. In der Bukowina kämpfen Deutschtum und
Polentum um die Vorherrschaft.
Mit einem Gruß an die einzeln dastehende deutsche Hochburg
„Gottschee" in Krain scheiden wir von den Deutschen in Österreich-
Ungarn und wollen uns noch einmal ins Bewußtsein zurückrufen,
daß der österreichisch-ungarische Staat sein Bestehen deutscher Tüch-
tigkeit verdankt; deutscher Fleiß, deutscher Unternehmungsgeist haben
den österreichischen Staatenbund zu seiner Höhe erhoben. Deutsche
Dichter sind es, die Österreich eine Weltliteratur gaben.
Die Italiener und die ihnen stammverwandten Furlaner saugen
das Deutschtum im Norden von Padua und Verona immer mehr
TM Hauptwörter (50): [T40: [Polen Ungarn Land Rußland Preußen Stadt Donau Provinz Hauptstadt Königreich], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte], T38: [Boden Wald Land Wiese Wasser Berg Fluß Feld See Dorf]]
TM Hauptwörter (100): [T18: [Donau Stadt Ungarn Böhmen Wien Hauptstadt Land Einw. Königreich Mulde], T43: [Zeit Volk Jahrhundert Geschichte Reich Staat Leben Kultur Deutschland Mittelalter], T1: [König Held Herz Mann Volk Siegfried Land Lied Hand Tod], T78: [Polen Rußland Preußen Land Orden Russe Stadt Reich Warschau Weichsel], T61: [Mill Staat Deutschland Reich Europa deutsch Million Land England Einwohner]]
TM Hauptwörter (200): [T153: [Donau Ungarn Land Hauptstadt Böhmen Königreich Wien Stadt Galizien Siebenbürgen], T19: [Reich deutsch Kaiser Reiche Zeit Karl Jahr Ende Konstantin groß], T127: [Volk Sprache Land Zeit Sitte Kultur Bildung Geschichte Bewohner Stamm], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T41: [König Siegfried Held Hagen Mann Günther Frau Gudrun Kriemhild Tod]]
Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
Schulformen (OPAC): Fortbildungsschule
Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
Geschlecht (WdK): koedukativ
272
auf oder drängen es über die Karnischen Alpen zurück. Von dem
Deutschtum sind nur zwei größere Inseln übrig geblieben: die „Sieben
Gemeinden" (8ette comuni) bei Bassano nördlich von Vicenza und
die „Dreizehn Gemeinden" (Drecleci comuni) am Südabhange der
Lessnischen Berge bei Verona.
Die Hauptmasse der Schweizerbeoölkerung ist deutsche gut 70%
sprechen deutsch. Es gibt Kantone, die ganz deutsch sind; es gibt
aber keine, die ausschließlich französisch wären; denn auch in den
französischen ist das Deutschtum stark vertreten, selbst in dem von
Italienern bevölkerten Tessinkanton finden sich deutsche Sprachinseln,
so die abgelegene Berggemeinde Bosko.
Als Nachkommen der salischen Franken treten uns die Dietschen
oder Vlämen in Belgien entgegen. In Holland selbst sitzen altger-
manische Stämme. Doch übergehen wir die Länder mit altgermanischen
Stammsitzen und Völkern und erinnern uns noch der Deutschen in
Rußland. Trotzdem seit neuerer Zeit das Deutschtum in seiner alten
Kulturmission durch die harten Russifizierungsmaßregeln gehemmt
ist, herrscht es immer noch in den Ostseeprooinzen Kurland, Livland
und Esthland und nicht zum geringsten Teile in Polen. Kaiser
Alexander I. hatte deutsche Ackerbauer schätzen gelernt und berief
viele nach Bessarabien, wo er ihnen mancherlei Unterstützungen und
Rechtsoorzüge gewährte, so daß gar bald diese Kolonien sich einer
großen Blüte erfreuten, die fernerhin deutsche Auswanderer nach
Südrußland und Kaukasien lockte, wo sie sich größtenteils in den
Gouvernements Iekaterinoslaw, Cherson, Taurien und Bessarabien
niederließen. Die Namen der neuen Kolonien wie München, Stutt-
gart, Heidelberg, Darmstadt u. s.w. erinnern recht traulich an die deutsche
Heimat. Die deutschen Kolonien, die sich nördlich am Schwarzen
Meere vom Pruth bis zum Don und darüber hinaus hinziehen, sind
vielleicht die blühendsten Kolonien des Deutschtums im Auslande.
Sie sind vor allem erst so gewachsen, als es den Ansiedlern gelang
die Steppenregion in ein Waldgebiet umzuwandeln; und was man
früher für unmöglich hielt, haben die Deutschen hier fertig gebracht,
unterstützt durch ihre einfache Lebensweise, durch ihre rastlose Tätig-
keit und durch ihre von den Russen sich auszeichnende Nüchternheit.
2. Die deutsche Kolonisation hat sich aber nicht allein auf Europa
beschränkt, sondern hat sich auch auf die überseeischen Kontinente
ausgedehnt und hier steht sie noch in vollem Schwünge. Nordamerika
hat sich infolge seiner Klima- wie Bodenverhältnisse als ein ganz
besonders bevorzugtes Einwanderungsgebiet erwiesen. An dem Aus-
TM Hauptwörter (50): [T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte], T22: [Volk Bewohner Sprache Land Bevölkerung Einwohner deutsche Religion Million Stamm], T40: [Polen Ungarn Land Rußland Preußen Stadt Donau Provinz Hauptstadt Königreich]]
TM Hauptwörter (100): [T78: [Polen Rußland Preußen Land Orden Russe Stadt Reich Warschau Weichsel], T61: [Mill Staat Deutschland Reich Europa deutsch Million Land England Einwohner], T95: [Bewohner Sprache Volk Land Bevölkerung deutsche Stamm Religion Neger Einwohner], T4: [Handel Land Industrie Stadt Verkehr Gewerbe Ackerbau Viehzucht Deutschland Zeit], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume]]
TM Hauptwörter (200): [T127: [Volk Sprache Land Zeit Sitte Kultur Bildung Geschichte Bewohner Stamm], T87: [Meer Rußland Wolga Stadt Petersburg Moskau See Ostsee Hauptstadt Ural], T159: [Bewohner deutsche Bevölkerung Sprache Neger Volk Jude Einwohner Stamm Land], T19: [Reich deutsch Kaiser Reiche Zeit Karl Jahr Ende Konstantin groß], T109: [Europa Asien Afrika Amerika Australien Insel Erdteil Land Zone Klima]]
Extrahierte Personennamen: Alexander_I.
Extrahierte Ortsnamen: Vicenza Verona Belgien Holland Rußland Kurland Livland Esthland Polen Bessarabien Südrußland Cherson Bessarabien Heidelberg Darmstadt Europa Nordamerika