54
Die Kaiserzeit.
Das Kaisertum brachte dem zerrtteten Reich ein Jahrhundert des Friedens. Die Reichshauptstadt wurde der Mittelpunkt des Welt-Handels. In ihren Lden und Buden lockten die Gter der ganzen Erde zum Schauen und Kaufen: Perlen des Roten Meeres und indische Diamanten, Bernstein von der Ostsee und Teppiche Baby-Ions; und dazwischen drngten sich Menschen aller Farben und Zungen: der Mohrensklave, der seinen Elefanten fhrte, neben dem blonden Germanen der Garde.
2. Augustus verwandelte Rom aus einer Backstein- in eine Marmorstadt. Den Fremden grte auf Straen und Pltzen, in Tempeln und Hallen ein ganzes Volk von Erz- und Marmorbildern; er berblickte die ungeheuren Bogenreihen (Aqudukte), die aus dem Gebirge das Trinkwasser in die Stadt leiteten; die sptern Kaiser wetteiferten in der Anlegung prchtiger Springbrunnen, ffentlicher Badeanstalten (Thermen) und schattenspendender Anlagen.
Auch in Italien und den Provinzen erstanden berall Theater und Wasserwerke, blhte rmische Sprache und Bildung; mit den Lustgrten voll Rosen, Lilien und Veilchen verbreitete sich der Obst-und Weinbau in Gallien, spterhin auch am Rhein und in Ungarn.
3. berall in dem unermelichen Reich herrschte Ordnung und Sicherheit. Bis an den Rhein und die Donau gebot der Kaiser.
Auch im Innern Deutschlands suchte er Fu zu fassen. Aber v.chr. der Cheruskerfrst Arminius vernichtete drei Legionen im Teuto-burger Walde. Dieses Unglck trbte den Lebensabend des Kaisers.
4. Sein Nachfolger Tiberius war ein stolzer, strenger, aber auch gerechter und mildttiger Herrscher. Aus ihn folgte sein Gro-neffe Gaius, Caligula (Stiefelchen) geheien, ein wahnwitziger Ing-ling, der sein Rennpferd zum Konsul machen wollte und seinen Gsten den Fu zum Kusse reichte.
5. Der letzte Kaiser dieses Hauses, Nero, lie seinen Bruder an seiner eigenen Tafel vergiften und seine Mutter Agrippina er-morden; als eine Feuersbrunst halb Rom einscherte, schob er die Schuld auf die Nazarener" und veranlate so die erste Christen-Verfolgung. Nun baute er sein Goldenes Haus: da waren die Wnde mit vergoldeten Marmorplatten bekleidet, ganze Gemcher mit Perlen tapeziert; die Sle, Hallen, Grten schimmerten von zusammen-geraubten Kunstwerken.
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Extrahierte Personennamen: Augustus Augustus Tiberius Caligula Agrippina
Extrahierte Ortsnamen: Rom Italien Gallien Rhein Ungarn Rhein Donau Deutschlands
Titus. Die Adoptivkaiser. Das Christenwm. V 213 4. 123
harrte der Unterliegende, ob die Zuschauer durch Umwenden des Daumens sehten Tod fordern wrden. Aus der berschwemmten Bodenflche (Arena) wurden blutige Seeschlachten veranstaltet.
Solche Belustigungen forderte das Volk in allen greren Stdten. Billiges oder unentgeltliches Brot und blutige Zirkus-spiele (panis et circenses) bildeten den Inhalt seines Strebens. Wahrlich, eine edlere Gesinnung tat not!
3. Das Christentum und der Niedergang des Reiches.
1. Gerade die besten Kaiser haben die Christen am schrfsten verfolgt: sie erblickten in ihnen Zerstrer der Rmerreligion und des Rmerstaates. Dem Volke waren Juden und Christen gleichbedeutend und gleich verhat.*)
2. An das Flavische Haus schlieen sich die Adoptivkaiser an, von denen einer den andern als Sohn annahm und dadurch zu seinem Nachfolger bestimmte. Der erste war der greise Nerva.
3. Der von ihm adoptierte T r a j a n u s eroberte Dacien (Rumnien und Siebenbrgen), und der Senat ehrte ihn dafr durch die marmorne Trajanssule auf dem Trajansplatz, den er selbst angelegt Hatte. Unter manchen fast unvergnglichen Werken (Brcken, Straen, Hfen) baute er die erste Brcke der die Donau. Auf der Rckkehr von einem groen Partherkriege starb er. Sein Landsmann Hadrianus, den er auf dem Totenbett adoptierte, gab die Eroberungen im Osten auf, um sich ausschlielich friedlicher Arbeit zu widmen. In Britannien legte er gegen die wilden Kale-donier vom Solway-Busen bis zur Mndung des Tyne einen Erenz-wall an. In zahlreichen Stdten, die er auf seinen Reisen besuchte, vor allem in Athen, verewigte er sich durch stolze Bauten; auf dem Grabe des Alkibiades in Phrygien und auf dem Berge, von dessen Hhe die Zehntausend Tenophons das Meer erblickt hatten, errichtete er Denkmler. In gypten bewunderte er das Klingen der Memnonsfule und auf dem tna den Sonnenaufgang.
4. Schon machte sich an der Donau die beginnende Vlkerwanderung durch verheerende Barbaren-Einflle bemerkbar. Auf einem Marsch im Lande der Quaden war Marc Aurels Heer am Verdursten; da rettete es ein Gewitter, das nach der Legende auf das Gebet der christlichen Soldaten der Donnerlegion" losbrach. Auf einem zweiten Zuge gegen die Markomannen und Quaden starb der Kaiser in Vindobna (Wien).
*) Die Verbreitung des Christentums unter den Mhseligen und Veladenen" stellen u. a. die Romane von E. Ebers (Homo sum"; Der Kaiser") und G. Taylor (Antinus"), dar.
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Extrahierte Ortsnamen: Donau Britannien Athen Donau Wien
124
Zur Erweiterung: Die Rmer.
Auf die Zeit der Adoptivkaiser folgte fast ein volles Jahrhundert wilder Soldatenemprungen. Nach der Laune eines Augenblicks riefen einzelne Truppenteile ihre Fhrer zu Imperatoren aus und verlieen ihre Stellung an der Grenze, um andere Kaiser zu be-kmpfen. Keiner der Purpurtrger dieses Zeitraumes ist eines natrlichen Todes gestorben auer Septimius Severus, der auf der britannischen Erenzwacht in Ebracum (Jork) verschied. Die Provinzen verarmten unter der Last der Steuern; aus der Folter erprete man die Steuererklrungen.
Erst im dritten Jahrhundert gelangten wieder tchtige Kaiser an die Spitze des Reiches. Aurelianus besiegte die stolze Knigin Zenbia von Palmyra und fhrte sie im Triumph in Rom ein, das er mit einer neuen, der grten Mauer umgab. Sein Nach-folger Probus frderte durch seine Soldaten den Acker- und Wein-bau, namentlich im Rheingebiet und in Ungarn. Carus warf die Parther zurck, die seit etwa 225 das Neupersische Reich unter dem Hause der Sassaniden begrndet hatten. (Platens Gedicht.)
Ein Illyrier, wie alle diese Vorgnger, war Diokletian. Die Verwaltung teilte er mit seinem jngern Freunde Maximian, der in Mailand residierte, während er selbst seinen Sitz in Nikomedien nahm, um den bedrohten Grenzen an der Donau und dem Euphrat nahe zu sein. Der Sohn eines Freigelassenen, war er der erste Monarch im vollen Sinn. Er wollte das Reich in altem Glnze wieder auf-richten. Darum verhngte auch er der die Christen eine schwere Verfolgung: er schlo sie von Heer und mtern aus und zog ihr Vermgen ein; er verbot ihren Gottesdienst und zerstrte ihre Versammlungshuser.
4. Mit dem jungen Constantinus kamen die lang ersehnten Tage des Triumphes fr die Christen. Ein gewaltiger Kriegsmann und ein nie Besiegter Feldherr, leutselig und lebenslustig, hielt er seinen schtzenden und ordnenden Arm der das Reich und die Kirche. Aus Kerkern und Bergwerken stiegen die Mrtyrer wieder ans Licht.
5. Aber die Verbindung des Christentums mit der kaiserlichen Machtflle war nicht durchaus segensreich. Konstantins Sohne ent-weihten den Christennamen durch schndliche Bluttaten; wer es im Reiche zu etwas bringen wollte, nahm die Taufe. In den Unter-
476 gang des westrmischen Reiches, das seit Theodosius' Tod endgltig vom stlichen getrennt war, wurde auch die Kirche mit ver-wickelt.
Den Germanen, die in immer mchtigern Scharen ins Reich strmten, war es vorbehalten, die neue Lehre mit tieferem Sinn zu erfassen.
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112
Die Kaiserzeit.
und Wasserwerke, blühte römische Sprache und Bildung. Die ganze Pflanzenpracht des heutigen Italiens war schon vorhanden bis auf Zitronen und Goldorangen; mit den Lustgärten voll Rosen, Lilien und Veilchen verbreitete sich der Obst- und Weinbau in Gallien, späterhin auch am Rhein und in Ungarn.
4. Überall m dem unermeßlichen Reich herrschte Ordnung und Sicherheit.
* *£)er Kaiser schützte die Provinzen vor den Erpressungen der Beamten wie vor auswärtigen Feinden und nahm in den wichtigsten Teilen des Morgen- und des Abendlandes längeren Aufenthalt. Durch Verhandlungen erwirkte er die Rückgabe der Gefangenen und der Feldzeichen, die bei den Niederlagen des Crassus und des Antonius den Part Hern in die Hände gefallen waren: ein Erfolg, der auf dem Panzer seines Standbildes im Vatikan dargestellt ist. Augustus ließ die verschlammten Nil-Kanäle reinigen und ausbessern, Südfrankreich und Italien mit Wasserleitungen ausstatten. Er veranstaltete eine Vermessung des Reiches und eine umfassende Volkszählung. Vom goldenen Meilenzeiger auf dem Forum führten die schönen und fast unzerstörbaren Römerstraßen, die dem Heer wie dem Handel dienten, bis an die Grenzen, die Augustus' Stiefsöhne Drusus und Tiberius im Norden bis über den Rhein und an die Donau vor-
□ schoben. Die Alpen wurden dadurch römisches Gebiet. □
Auch im Inneren Deutschlands suchte er Fuß zu fassen. Schon betrachtete man Germanien bis zur Elbe als erobertes Land. Aber der Cheruskerfürst Ar mini us vernichtete drei Legionen im Teuto-n. Chr. burger Walde. Dieses Unglück trübte den Lebensabend des Kaisers. Von jetzt ab stand die Germanengefahr drohend an den Pforten der ewigen Stadt.
Dem ersten Kaiser zu Ehren heißt der Monat Sertilis August.
5. Sein Nachfolger Tiberius war ein stolzer, strenger, aber auch gerechter und mildtätiger Herrscher. Unter seinem mächtigen Schutze blühten die Provinzen auf. Den Krieg mit den Germanen gab er auf: er überließ sie ihrer Uneinigkeit. Sein letztes Jahrzehnt verlebte der argwöhnische Greis einsam auf der wunderschönen Felseninsel Capri gegenüber dem Vesuv, der damals erloschen zu sein schien.
* *In seiner Abwesenheit gewann der Befehlshaber seiner bei Rom lagernden Garde, der „Prätorianer", unter denen zahlreiche Germanen waren, großen Einfluß.
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Extrahierte Personennamen: Antonius Augustus Drusus Tiberius August Tiberius
120
Die Kaiserzeit.
Brunnen, die er anlegte, Hafenanlagen, die er vom Schlamme reinigen ließ.
In Britannien errichtete er zur Abwehr der wilden Kaledonier von der Mündung des Tyne bis ^um Solway-Busen einen Erenzwall. Auf dem Grabe des Alkibiades in Phrygien und auf dem Berge, von dessen Höhe die Zehntausend Lenophons das Meer erblickt hatten, richtete er Denkmäler auf. In Athen stiftete er eine eigene Hadriansstadt und vollendete den vor 700 Jahren begonnenen Zeus-tempel, dessen Baugeschichte wenigstens an Zeitdauer der des Kölner Domes gleicht.
9. Im Geiste seiner Zeit suchte auch er das religiöse Leben zu heben; Philosophie bedeutete damals geradezu die Pflege frommen Denkens und Strebens. Er erneuerte das vor langer Zeit abgebrannte Pantheon prächtiger als zuvor, liefe aber die Eiebelinschrift mit dem Stifternamen ehrerbietig stehen. Auch sonst stellte er verfallende Heiligtümer und Gottesdienste her. Besondere Sorgfalt wendete er dem Sonnendienste zu. Um den emporsteigenden Sonnengott zu verehren, bestieg er den Ätna und einen heiligen Berg in Arabien; in Ägypten besuchte er die Memnonssäule, um Memnon, dem Sohn der Morgenröte (Eos) zu huldigen; als sein schöner Liebling Antinous im Nil ertrank, errichtete er ihm Denkmäler weithin im Reich; in dem griechischen Jüngling vergötterte sich ihm wohl die Frühlingssonne.
Er suchte wie die Athener jener Tage sehnsüchtig „den unbekannten Gott" — und fand ihn nicht.
Für den Rest seiner Tage schuf er sich bei dem nahen Tusculum einen herrlichen Landsitz, in dessen weiten Gärten das Elysium sowie alle großen Erinnerungen seiner Reisen nachgebildet waren. Darauf begann er die Arbeit an seinem eigenen Grabmal, der Hadriansburg an der Tiber, über die heute noch die schöne Engelsbrücke
zu dem mächtigen Bauwerke führt. Als todkranker Mann erschien er im Senat, um die Bestätigung für die Wahl seiner beiden Nachfolger zu erbitten. Nun erst ließ er sich nach Bajä bringen, um
angesichts des Meeres zu sterben.
10. Antoninus Pius, so genannt wegen seiner ehrfürchtigen Liebe zu Hadrian, hütete sorglich den Frieden, weil er besser sei, einen Bürger zu retten, als tausend Feinde zu töten.
Sein Nachfolger Marcus Aurelius war von Kind auf ein
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152 Nutzbauten: Brücken, Heerstraßen, Wasserleitungen. m. § 75
.. , Dom Ansang des 3. Jhrh. trat der Verfall der Kunst ein. Durch die Berührung und den astatischen Völkern verloren die Formen ihre Einfachheit und wurden immer phantastischer Die Verzierungen wurden willkürlich angewendet und immer mehr gekauft, und he Technik ließ m ihrer Sauberkeit nach, ja artete oft zu barbarischer Roheit aus. ^u diese Zeit gehören tue Überreste der Städte Heliopölis und Palmyra rm Onent. ^ uuu
^te die römische Kunst in einen Barockstil aus, ähnlich dem der Renaissance. Daraus folgte die christliche Kunst, welche die vorhandenen mannigfaltigen Formen der heidnischen Baukunst übernahm und zu ihren Zwecken verwendete Unübertroffen stehen die Brücken, die Wasserleitungen, Kanäle, sowie die Heer,tragen und Befestigungen der Römer da. Auch großartige Hafen bauten legten sie an. - Die Kunst der Wölbung setzte die Römer in den stand, die breitesten Fluste zu überbrücken.
Fig. 46.
Roch zu Rom erhaltene Brücke, welche die Stadt mit der Tiberinsel verbindet.
ba6em^nif/Csnmr^fett’ -,er Gegenstand der eifrigsten Sorge bei den Macht-ttr; fder Republik als in denen des Kaiserreiches.
fen?eft?n t, r Toe^e die Hauptstadt mit den ent-
aerstnfff des Reiches verbanden Dafür suchten die Römer immer den geradesten Weg, und sie bewältigten zu diesem Zwecke die ungünstigsten Bodenver-»i entgegenstehende Berge wurden durchbrochen, Senkungen durch Dämme Sogesübcrbä011 n; Thalgründe oder reißende Ströme mit kühnen
mnf, r Bei den Wasserleitungen (Aquäducten), welche den Städten das Qnell-Ä ¥en' M Passer entweder durch Röhren oder Kanäle unter der Erde oder es wurde in Kanalen auf Mauern hingeleitet. Bei Quellen, die man in den Bergen aufsuchte, hatten die Leitungen oft Thäler und Schluchten zu überspringen un? mu&ten bee Stadt m stetigem Hochlaufe zugeführt werden. In solchen Fällen errichtete man statt der Mauern Unterbauten, welche aus starken, durch Halbkreisbogen «erbundenen Pfeilern bestanden. Diese Arkaden waren oft meilenlang fortgesetzt unr. pachten durch ihre unaufhörliche Folge von Pfeilern und Bögen bis in die weiteste Ferne den Eindruck kräftigster Lebendigkeit. —
, . , ™udj mit springend en Brunnen wurde eine verschwenderische Pracht ae-trieoen. Durch die großartigen Anlagen des Appius Claudius und der verschiedenen Kaiser ist Rom noch heute die wasser- und brunnenreichste aller Städte.
8 76. ...........
Die Bildhauerkunst bei den Römern.
der Bildhauerei waren die Römer erst die Schüler der Etrusker und dann, feit den Samniterkriegen, als sie die hellenischen Kolonieen Unteritaliens eroberten, die Gönner der Griechen. In etruskischer Weise war wohl noch das kolossale Erzbild •Jupiters, welches der Eonsul Spurius Carvilius um 293 aus den eingeschmolzenen jammtischen Rüstungen gießen und auf dem Capitol aufstellen ließ. In diese Zeit gehört wohl auch die capitolmifche Wölfin, f. § 12.
Die in den unterworfenen griechischen Ländern vorgefundenen Kunstwerke wurden geraubt, nach Rom gesandt, dort im Triumphe aufgeführt und dann in einem römischen Tempel als Weihgeschenk für die Götter aufgestellt. So geschah es durch
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Extrahierte Personennamen: Jhrh Claudius Eonsul_Spurius_Carvilius
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Extrahierte Personennamen: Romulus
Extrahierte Ortsnamen: Latiums Italiens Roms Rom Rom
134
Ii. Germanen und Römer.
von dort bis an den Rhein aus einem Erdwall mit Pfahlwerk und Graben bestand *). Zur Verstärkung der Grenzsperre dienten etwa 80 Kastelle mit ständigen Besatzungen. Ein solches Römerkastell war einst die von Kaiser Wilhelm Ii. in ursprünglicher Gestalt wieder hergestellte „Saalburg" mit ihrem Limesmuseum bei Lomburg im Taunus. Zwischen den Kastellen waren gegen 900 Wachttürme errichtet, die nur so weit voneinander entfernt standen, daß sich die Grenzwächter durch Zeichen miteinander verständigen konnten, wenn Gefahr drohte; auf der den limes entlang laufenden Leerstraße konnten dann die Besatzungen der Kastelle rasch herbeieilen. Im weiteren Hintergründe aber lagen an Donau und Rhein stark belegte Standlager der Legionen, die durch gute Leerstraßen mit den Grenzkastellen verbunden waren. Eine solche Straße führte über den Großen St. Bernhard nach Zürich und von da über Straßburg nach Augsburg. Um die Standlager errichteten Ländler und Landwerker ihre Zelte, und bald wurden daraus Läufer. Ebenso siedelten sich ausgediente Soldaten sowie Leute aus den benachbarten Landschaften gern unter dem Schutze des Lagers an; das Standlager wandelte sich somit mehr und mehr in eine „Stadt" um. Die rechtwinklig sich schneidenden Lagerwege wurden zu Straßen, und feste Wohnhäuser, Bäder, Wasserleitungen, Altäre, Tempel, Kauf- und Gerichtshallen sowie Amphitheater erhoben sich an Stelle der alten Zeltstadt.
Fast zwei Jahrhunderte lang erfüllte der Grenzwall seinen Zweck. Er hielt die Germanen von Einfällen ins römische Reich ab und zwang sie, seßhaft zu werden. Die durch den Pfahlgraben abgeschnittene Südwestecke Deutschlands aber schlugen die Römer zu ihrem Reiche; man nannte sie „Zehntland", weil die Bevölkerung den zehnten Teil ihrer Einkünfte als Steuer nach Rom entrichten mußte. Rasch hielt hier die römische Kultur ihren Einzug. Obstgärten, Getreidefelder, Weinberge, Steinbrüche, Bäder (wie Wiesbaden, Baden-Baden, Badenweiler), Straßen gaben dem Lande bald römisches Gepräge. Der freie Germane aber durfte das Zehntland nur bei Tage betreten, auch mußte er, bevor ihn der Posten durch die Grenzsperre ließ, seine Waffen abliefern und für mitgeführte Waren Zoll bezahlen; außerdem mußte ein Legionssoldat den Fremden begleiten. Wohl gab es an der weiten Grenze bisweilen Plänkeleien, aber die Schranke wurde nirgends ernstlich durchbrochen.
*) Die Römer nannten das Ganze limes, d. H. Grenze, auch palus oder vallum. Daraus machten die Germanen „Pfahlgraben" oder „Wallgraben". Die Bezeichnungen „Pfahl" und „Wall" haben sie in der Folgezeit vielfach zur Bildung ihrer Ortsnamen verwandt (Pfahlheim, Pfahlbronn, Wall-Haufen), die erhalten blieben, während der limes selber zerfiel.
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Ii. Germanen und Römer.
133
Trotz zahlreicher Kämpfe war also weder den Germanen die Gewinnung Galliens noch den Römern die Unterwerfung Germaniens gelungen. Rhein und Donau blieben für die ersten Jahrhunderte die Grenzen, und auf die Zeiten der Kämpfe folgte ein Zeitalter fruchtbarer Verkehrsbeziehungen zwischen den einstigen Gegnern. Immer zahlreicher traten germanische Jünglinge in römische Kriegsdienste; germanische Häuptlinge mit ihren Gefolgschaften wurden insbesondere gern in die kaiserliche Leibgarde ausgenommen; denn man kannte ihre Tapferkeit und Treue.—Und wie anziehend mußte die römische Kultur auf die Natursöhne wirken! Zwar lebte die große Masse des römischen Volkes in Stadt und Land in überaus gedrückter Lage, aber um so unwiderstehlicher zog das Glänzende des Kaiserreiches den Sohn der nordischen Wälder an: die prächtigen Bauten, die schönen und zweckmäßigen Geräte, die Vergnügungen und Genüsse des Lebens. So kehrten zahlreiche Germanen der Leimat dauernd den Rücken und siedelten sich im römischen Reiche an. Andere aber kamen wieder heim und brachten die fremden Sitten und Einrichtungen mit. An die Stelle der Lolzhütte trat nun hier und da das steinerne Laus mit dicken Mauern (murus), mehreren Kammern (camera), Fenstern (fenestra) und Türen (porta, Pforte). Die Äolzschindel und das Strohdach wurden vielfach durch die Ziegel (tegula) verdrängt. In den Gärten gediehen bald aus Italien und Gallien stammende Fruchtsorten, wie Äpfel, Birnen, Pfirsiche (persicum), Kirschen (cerasus) und Pflaumen. Dazu wohlschmeckende Gemüsearten, wie Kohl und Spargel. Südliche Reben schmückten Lügel und Flußufer, und zahlreiche Winzer (vinator) kelterten ihre Trauben.
Bald kamen von Süden und Westen her die römischen Ländler. Einzeln und in Karawanen drangen sie auf den schmalen Waldwegen in das Innere Germaniens und brachten Tauschwaren mit: römische Münzen mit den Bildnissen der Kaiser, Waffen, Geräte für Feld und Garten und manches Schmuckstück für die germanischen Frauen: Armbänder, Ketten, Spangen und Spiegel. Dafür tauschte man Lörner und Läute der Tiere des Waldes, Gänsefedern, Mohrrüben und anderes ein. Mit den Gegenständen drangen auch die fremden Bezeichnungen ein und leben noch heute als „Lehnwörter" fort.
Nicht mit der gleichen Bequemlichkeit konnte der Germane römisches Gebiet betreten. Daran hinderte feit dem Ende des ersten Jahrhunderts der 1 imes („Grenzwall"), auch Ladrianswall genannt, weil Kaiser Ladrian ihn vollendete. Das war eine von Regensburg bis Koblenz reichende, gegen sechzig Meilen lange Befestigung, die von der Donau bis in die Gegend von Schwäbifch-Gmünd aus einer zweieinhalb Meter hohen Bruchsteinmauer und
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