Autor: Frenzel, Franz Christoph, Ehrlich, Carl Gotthilf
Auflagennummer (WdK): 11
Sammlung: Realienbuecher vor 1871
Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch, Lehrbuch
Konfession (WdK): gemischt konfessionel
154
zen Leben nicht ruhig bleiben lassen! Nein! ich mag die
Uhr nicht haben! — Er hängte sie wieder weg, stieg in
das Kamin, und ging von seiner Arbeit nach Hause, in
der Meinung, daß' niemand ihn im Zimmer bemerkt hätte.
Aber gehört und gesehen hatte ihn eine Dame, die neben
dem Zimmer noch im Bette gelegen, und deren Schlaf-
kammerthür etwas offen gewesen war. Sie ließ noch an
eben dem Tage den ehrlichen Jungen zu sich rufen,
rühmte seine Ehrlichkeit und ermahnte lhn freundlich,
fernerhin gottesfürchtig und ehrlich zu sein.
Auch an die Nachkonrmen muß man
denken.
vfut Landmann rottete von einem wüst liegenden, nur
mit Haide und kleinem Gesträuche bewachsenen Platze das
Gesträuch aus, und bepflanzte ihn mit jungen Eichen und
Buchen. — Sein Nachbar tadelte ihn deswegen und
sprach: „Ihr hättet ja von dein Gesträuche noch mehr
Nutzen, als von diesen jungen Bäumen, wovon Ihr ja
in Eurer ganzen Lebenszeit keinen Bortheil zu hoffen habt."
Musi man denn — antwortete der Landmann — nur
immer auf den gegenwärtigen Nutzen sehen, und
nicht auch auf die Nachkommen denken! — Wie sehr
wird für sie mein Gut verbessert sein, wenn es über 25,
50 oder 100 Jahre anstatt dieses elenden Gesträuchs mit
einem holzreichen Walde pranget.'
Der König und> der Bauer.
Gsut gewisser König ritt einmal vor einem Acker vorbei,
auf dein ein schon etwas bejahrter Bauersmann pflügte.
„Sv fleißig?" rief der leutselige Monarch dem Bauer zu:
„gehört der Acker, auf dem Du hier so emsig arbeitest,
Dir?" — Nein, Herr, antwortete der Ackersmann, welcher
den König nicht kannte, ich pflüge ihn für Lohn.— „Und
wie viel bekommst Du denn für Deine Arbeit ?" — fragte er
weiter.
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Autor: Frenzel, Franz Christoph, Ehrlich, Carl Gotthilf
Auflagennummer (WdK): 11
Sammlung: Realienbuecher vor 1871
Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch, Lehrbuch
Konfession (WdK): gemischt konfessionel
— 224
handeln. In seine Hände übergab der Soldat die kostbaren
Neste. Der Monarch wurde von Sprengporten davon
unterrichtet und belohnte den Krieger mit der Stelle des
Fähudrichs dieser Fahne, die er so sorgfältig erhalten hatte.
Marie Eleonore Seibolv.
^)?arie Eleonore Seibold, die Frau eines Dorfschullch-
rers in Pommern, hatte zwei Söhne, die in dem Preu-
ßischen Heere gedient und schon in dem Kriege des Jah-
res l80tj mit gefochten hatten. Der älteste war in einer
Schlacht geblieben, und der jüngste, Christoph, der seinen
Abschied erhalten, lebte als Besitzer eines Maierhofes, zwei
Stunden von ihrem Dorfe, glücklich in dem Besitz eines
guten Weibes. Sobald aber der König von Preußen 1813
die Vaterlandsvertheidiger zu den Waffen rief, eilte sie
ungesäumt bei rauhem und stürmischem Wetter zu ihrem
Christoph und forderte ihn auf, sich freiwillig den Reihen
der Streiter anzuschließen, Der Sohn war bereit; nur
seine junge Frau mochte in die schnelle Entfernung ihres
Mannes nicht sogleich willigen. Aber mit Begeisterung
rief die Mutter: Kinder, es geht für Gott, König und
Vaterland! und der Sohn folgte. Er ließ sich als reiten-
der Landwehrmann anstellen, und die Mutter segnete ihn
mit einem Abschiedskuß, indem sie zu ihm sagte: Kehre
nie, oder kehre als braver Preuße zurück! Sie
selbst brach sich die Zeit von ihrem Schlafe ab, um beim
Schein der Lampe bis nach Mitternacht aus dem an Lin-
nenzeug ihr zugefallenen Erbthcil ihres erstgebornen Soh-
nes Wundsäden zu zupfen und Binden zu machen, die sie,
um das Andenken desselben würdig zu ehren, einem Laza-
rethinspector zustellte. Späterhin ging sie selbst zum Preu-
ßischen Heere ab, nachdem sie vorher ihr Testament ge-
macht hatte. Zwei Tage vor der großen Schlacht bei
Leipzig kam sie an und erbat cs sich sogleich, unentgeldlich
Lazarethdienste übernehmen zu dürfen. Hier hatte sie denn
auch das Glück, ihren Sohn Christoph wieder zu sehen;
aber cs war das letzte Mal; denn er starb nachher
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Autor: Frenzel, Franz Christoph, Ehrlich, Carl Gotthilf
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Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch, Lehrbuch
Konfession (WdK): gemischt konfessionel
229
ab und schwamm einsam und majestätisch auf dem Teick-c
umher. Bald dehnte sie ihren Hals, dessen verrlcherischer
Kürze sie mit aller Macht abhelfen wollte; bald suchte sie
ihm die prächtige Biegung zu geben. Doch vergebens:
er war zu steif, und mit aller ihrer Bemühung brachte
sie es nicht weiter, als daß sie eine lächerliche Ganö
ward, ohne ein Schwan zu werden.
Der junge und der alte Hirsch.
C!sm Hirsch, den die gütige Natur Jahrhunderte batte
leben lassen, sagte einst zu einem seiner Enkel: Ich kaun
mich der Zeit noch sehr wohl erinnern, da der Mensch das
donnernde Feuerrohr noch nicht erfunden hatte. —-- Welche
glückliche Zeit muß da gewesen sein! seufzte der Enkel.
—• Du schließest zu geschwind! sagte der alte Hirsch.
Die Zeit war anders', aber nicht besser. Der Mensch
hatte damals statt des Feuerrohrs Pfeile und Bogen,
und wir waren eben so schlimm daran, alü jetzt.
Die Ceder auf Libanon.-
König Hiram von Tyrus und Salomo, der König
von Israel, besuchten einst gemeinschaftlich den Eederuwald
auf dem Libanon. Arm in Arm wandelten die beiden
Könige unter den duftenden Schatten des hohen Waldes
einher, und Hiram frenete sich der weisen Reden des Kö-
nigs von Israel. — Unten aber zu ihren Füßen lagen weit
umher die Lander und blübeten in Frieden. Denn Salomo
und Hiram hatten einen Bund gemacht und waren Freunde;
so waren auch ihre Volker Freunde unter einander. Und
die Könige standen still und schanetcn in die Ferne. Da
ging Hiram, dem Beherrscher von Tyrus, das Herz auf,
und er sprach zu Salomo: O wohl uns, daß wir Freunde
sind! Stehen wir nicht auch wie die Eedern auf unsern
Hohen, und unsere Völker um uns her? Da antwortete
Salomo und sprach: Wohl nennet ruan die Ceder mit
Recht
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Extrahierte Personennamen: Salomo Salomo
Extrahierte Ortsnamen: Tyrus Israel Eederuwald Israel Tyrus
Autor: Frenzel, Franz Christoph, Ehrlich, Carl Gotthilf
Auflagennummer (WdK): 11
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Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch, Lehrbuch
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230 —
Recht den königlichen Baum. Er ist der höchste von
allen, und seine Gestalt ist voll Majestät. Er wächset
auf der Höhe des Gebirges, aus den Wolken trinkt er
und bedarf nicht des Baches, der seinen Fuß netze. —
Seine Wurzel umfasset die Felsen der Erde, und er tau-
chet sein Haupt in die Bläue des Himmels. Jahrhun-
derte hat der Sturm um diese Wipfel getobt, und der
Donner um die Stirn des ernsten Waldes gerollt. Aber
er stehet unerschüttcrt, frei wie ein Gott, und ohne die
Bedürfnisse des niedern Thales. Darum heißet er auch
ein Baum Gottes, den Jehova gepflanzt hat —* und
stehet ein Bild des Gesalbten des Höchsten. Eines nur
fehlet ihm, sagte Hiram, — die duftende Blüthe und die
nährende, erquickende Frucht. Da lächelte Salomo und
sprach; Redest Du im Scherz, Hiram, oder als der Be-
herrscher des gewinnenden Volkes? Duftet denn nicht
die ganze Ceder? — Und wozu der hochragenden Köni-
gin des Gebirges die erquickliche Frucht? Trägt sie
nicht den kühnen Seefahrer durch die schäumende Woge?
Wölbet sie nicht die Palläste der Fürsten? Und bald,
Hiram, wird sie auf Sion stehen, ein Tempel Jehovas,
r— Mein Freund, es giebt edlere Früchte, als welche der
Gaumen verlangt.
Indem sie also redeten, rollte plötzlich ein Gewitter
hinauf gen Libanon, und es donnerte gewaltig. Die Kö-
nige aber standen im Dickicht des Waldes schweigend und
voll Ehrfurcht. Da kam ein Strahl aus dem Gewölk
und zerriß eine Ceder von dem Gipfel bis an die Wur-
zel, und krachend stürzte sie am Abhange des Gebirges
hernieder. Das Gewölk aber zog brausend vorüber. Da
traten die Könige zu der gefallenen Ceder und sprachen
unter einander: Was ist alle irdische Größe vor dem
Angesichte des Erhabenen! — Er rollet die Himmel zu-
sammen, wie ein Gewand, und die Erde ist vor ihm, wie
ein Tropfen am Eimer. — Wer mag bestehen vor dem
Könige der Könige?
Nach einem langen stillen Nachdenken, während sie vor
der zerschmetterten Ceder standen, sprach Hiram: Wenn
man die Natur in ihrer furchtbaren Größe gesehen hat,
dünket es beinahe thöricht, dem Herrn der Schöpfung einen
Tempel
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Autor: Frenzel, Franz Christoph, Ehrlich, Carl Gotthilf
Auflagennummer (WdK): 11
Sammlung: Realienbuecher vor 1871
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396
doch nicht vordringen. Da führte Preußen skönig, der
in der Nähe war, Hilfe herbei, und nun wurden die Fran-
zosen gedrängt. Sie sandten nach Rettung, und sahen
sehnsuchtsvoll nach den Höhen, von denen sie hcrabfteigen
sollte. Bald zeigten sich auch Männer und Rosse auf den
Bergen, aber es war der Preußische General Kleist, der
ihnen in Rücken siel. Jetzt verzweifelten die Franzosen
und nur wenige hauten sich durch, zwei Drittel aber blie-
den todt oder gefangen zurück. Auch Vandamme wurde
gefangen. Als das Napoleon hörte,zürnte er sehr und
sagte: „Einem geschlagenen Feinde muß man eine goldne
Brücke bauen, oder einen eisernen Baum vorlegen.' Aber
Vandamme war zu dem Letzter» nicht stark genug, und
ist wegen seiner Unklugheit geschlagen."
Napoleon hatte Berlin noch nicht vergessen, und was
Oudinot nicht gekonnt hatte, sollte der kühne Marschall
St cv versuchen. Er stieß mit seinen 80,006 Mann bei
D e n n ewitz auf Bülow' s Schaar, die nur ein Viertel
so groß war. Da galt es, nicht die Menge zu achten und
tapfer dazustehen gegen die Uebermacht. In Sturmschritt
und mit dem Bajonette in der kräftigen Faust drangen die
Preußen auf den Feind ein und achteten dessen Feuer nicht.
Darüber wurden die Franzosen wüthend und durchbohr-
ten selbst schon hingestreckte Preußen, die mit dem eisernen
Kreuze geschmückt waren, mit mehrern Stichen. Als am
Abend der Kronprinz von Schweden herbeieilte, wurde
das Werk vollendet und die Schlacht in einem Augenblicke
entschieden. Ein Viertel der feindlichen Armee wurde ge-
fangen oder getödtet, und die Uebrigen — eilten größten-
teils stracks nach der Heimath über den Rhein, so daß
Ney schrieb: „Ich bin nicht mehr Herr meines Heers; es
versaget mir den Gehorsam und hat sich selbst aufgelöset."
Jetzt konnte Napoleon einsehen, daß er sich in Sach-
sen nicht mehr zu halten vermöge; denn auch an Lebensmit-
teln fing es an, ihm zu mangeln. Aber sein Herz war ver-
härtet und sein Auge verblendet. Er zog hin und her; von
Dresden bald auf die Straße nach Böhmen, bald auf die
Straße nach Schlesien. Ueberall umschwebten ihn seine
Gegner, die ihm den Rückzug nach dem Rhein abzuschnei-
den drohten. Endlich verließ er Dresden, zog sich aber
nur
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Extrahierte Personennamen: Napoleon Napoleon Napoleon
Extrahierte Ortsnamen: Berlin Schweden Rhein Dresden Schlesien Rhein Dresden
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Auflagennummer (WdK): 11
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412
rmd gedachte rasch die Gegner in den N i e d e r l a n d e n zu
schlagen; dann hätte man das reiche belgische Land ge-
wonnen, und Geld und Menschen würden ihm zuströmen.
Darauf wollte er die Ocstrcicher verdrängen und den
Russen in Deutschland entgegen eilen.
Am 14. Juni sprach er zu seinem Heere: „Soldaten, heute
ist der Jahrestag von * *)Mareng o und **) Fried land,
der zweiinal das Schicksal von Europa entschied. Damals,
wie öfters, waren wir zu großmüthig. Wir ließen die
Fürsten auf ihren Thronen, die setzt die Unabhängigkeit
Frankreichs bedrohen. Die Unsinnigen! Sie und wir, sind
wir nicht noch die Nemlichcn? Wenn sie in Frankreich
einrücken, so sollen sie in Frankreich ihr Grab sindcn!"
Solche Zuversicht hatte sich in ihm wiedergefunden, als
er sein Heer um sich versammelt hatte. Es war in der
That das schönste, welches Frankreich je aufgestellt hatte.
150 tausend Krieger, aufs beste gerüstet, mit 400 Geschü-
tzen versehen, was ließ sich mit solcher Zahl auf Einer Stelle
nicht ausrichten! Was dieses Heer am furchtbarsten mach-
te, war die Entschlossenheit zu siegen oder zu sterben. Die
Garde, welche wieder auf 00 tausend angewachsen war,
hatte ihre Adler mit Trauerflor umhüllt, bis ein großer
Sieg sie wieder in ihrem Glänze zu zeigen erlauben würde.
Links vor sich hatte N a p o l e o n den Lord Wellington
mit einer halb so starken Macht, als die seinige war; rechts
von ihm stand Blücher, dessen Heer um Ein Drittel schwächer
war, als das Französische. Aber die Hausen seiner Geg-
ner waren sehr weit auseinander gelegt, des Unterhalts we-
gen und um eine lange Streife zu besetzen, weil »imi nicht
wußte, wo er durchbrechen würde. Napoleon griff am 15.
eine Abtheilung der Preußen an, die sich freilich mit Ver-
lust, aber doch in guter Ordnung zurückzog. Den 16.
nahm Blücher, der von den Seinen nur 80,000 hatte zu-
sammenziehen können, bei Ligny die Schlacht mit Na-
poleon au, in der Hoffnung, daß noch ein Preußischer Ar-
meehaufen während der Schlacht zu ihm stoßen, und die
Engländer ihm helfen würden. Aber die erwartete Hilfe
blieb aus, weil Bulow, der Führer der erwarteten Preu-
__________________ ßen.
*) Niederlage deroestreicher. **) Niederlage der Preußen u. Russen.
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Extrahierte Personennamen: Napoleon
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Europa Frankreichs Frankreich Frankreich Frankreich Wellington
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414
ir?
sie endlich, diese Engländer! — Um 10 Uhr Vormittags
griff er sie an, und es dauerte nicht lange, so war die
Schlacht auf der ganzen Linie. Mit ungemeiner Heftigkeit
stürmte Napoleon; doch an der Tapferkeit der Engländer
scheiterten die wiederholten Angriffe der alten französischen
Garden. Indessen gelang es doch der Uebermacht Napo-
leons, einige Vorwerke, die die Errgländer rasch in Festun-
gen umgeschaffen hatten, zu erobern, aber erst Nachmit-
tags 2 Uhr erhielt er diesen festen Punkt. Nun zog er
gegen die Höhen und gedachte, im Sturme ihr Geschütz
zu erobern; aber die Engländer ließen die Franzosen in
sichre Nähe kommen; daun erst donnerten ihre Kanonen,
und ihr Fußvolk mit der Reiterei brach rasch hervor. Jetzt
wurde mit großer Erbitterung zwischen den beiden Völkern
gestritten, die sich schon lange haßten. Doch als die fran-
zösischen Reiter geworfen waren, folgte das Fußvolk, und
der Kampf erneuerte sich. Dreimal gelang es Napoleon
beinahe, die Höhen zu ersteigen und die Engländer aus
ihrer trefflichen Stellung zu drängen; doch Wellingtons
unerschütterliche Entschlossenheit und seiner Truppen Tap-
ferkeit, sein ruhiger kalter Blick, seine Gewandheit als
Krieger, ihr Vertrauen auf ihren Feldherrn und ihre Liebe
zur Ehre hielten es im langen schweren Kampfe mit der
überlegenen wüthenden Menge aus. Kinder, rief er sei-
nen hart bedrängten Haufen zu, wir müssen uns tavfcr
halten, wir dürfen nicht geschlagen werden; was würde
man in England sagen! — Als der Kampf noch schwerer
ward, und'manche der Seinen vom Rückzüge redeten,
setzte er sich nieder und sprach: „Hier werde ich bleiben
und keinen Fuß breit weichen." Doch Napoleon drängte
und drängte mit seinen Massen, und immer riefen sich
die Feinde zur Ermunterung zu: Vorwärts, Vorwärts!
Sie' errangen einige Vortheile, und um drei Uhr Nach-
mittags sendete Napoleon einen Sicgesbotcn nach Paris.
Gewiß die größten Anstrengungen der tapfern Engländer
hatten ihre Gränzen erreicht, und Wellington seufzte:
Ich wollte, es wäre Nacht, oder die Preußen kämen!
Es war 4\ Uhr. Die sehr schwierigen Wege hatten die
Preußen aufgehalten, so daß nur zwei Abtheilungen des ei-
ne» preuß. Haufens in» Walde, im Rücken des rechten feind-
lichen
TM Hauptwörter (50): [T28: [Schlacht Heer Feind Mann Armee Napoleon Franzose General Truppe Preußen], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht]]
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Extrahierte Personennamen: Napoleon Napoleon Napoleon Napoleon
Autor: Frenzel, Franz Christoph, Ehrlich, Carl Gotthilf
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Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch, Lehrbuch
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415 T*’*
lichen Flügels angekommen waren. Doch cs war keine
Zeit zu verlieren, und die prcuß. Feldherrn beschlossen un-
gesäumt den Angriff mit dem, was zur Hand war. So
brach der Preuße aus dem Walde hervor; aber der Feind
verlor seine Besonnenheit nicht, sondern stellte ihm seinen
Rückhalt entgegen, und es entstand ein mörderischer Kampf.
Das Gefecht stand lange Zeit, und mit gleicher Heftigkeit
wurde der Kampf gegen die Engländer fortgesetzt.
Ungefähr um Uhr Abends traf die Nachricht ein, daß
ein ganzer preuß. Heereshaufen auf seinem Zuge von den
Franzosen hart bedrängt würde; doch der Fürst Blücher
ließ sich nicht dadurch erschüttern; vor ihm lag die Ent-
scheidung, und nicht anders wo, und wenn hier der
Sieg gewonnen wurde, so ließ sich jeder Nachtheil ver-
schmerzen. Darum eilte er unaufhaltsam zur Schlacht.
Es war Ix Uhr und noch stand die Schlacht. Fast zwei
Heereshanfcn waren angekommen, und die Franzosen foch-
ten wie Verzweifelte; allmählich bemerkte man jedoch einige
Unsicherheit in ihren Bewegungen. Jetzt erschienen einige
Abtheilungen von einem dritten Heereshaufen der Preußen
an der rechten Seite des Feindes, so daß dessen rechter
Flügel von drei Seiten bedrängt wurde. Als Wellington
im Rücken des Feindes die ersten Kanonen losblitzen sahe,
rief er ans: Gott Vob, daö ist der alte Blücher! und als
jetzt die Feinde im Rücken und von der Seite gedrängt
wurden, da setzte sich die gcknze englische Schlachtlinie i'n
Bewegung und drang in das Herz des Feindes.
Emen besonders schönen Anblick gewährte die Angriffs-
seite des preuß. Heers. Es waren Anhöhen über Anhöhen,
so daß mehrere Stufen Geschützeöfener über einander entwi-
ckelt werden konnten, zwischen denen die Truppen briga-
denweise in der schönsten Ordnung hinabstiegen, während
aus dem auf der Höhe hinten liegenden Walde sich immer
neue Massen entfalteten. Mit dem Rückzüge des Feindes
ging es noch so lange erträglich, bis ein Dorf, das die
Garden vertheidigten, mit Sturm genommen wurde. Nun
wurde aus dem Rückzüge eine Flucht, die immer wilder
und wilder wurde, und alles mit sich fortriß. Es war 9z
Uhr. Der Feldmarschall Blücher versammelte die höher»
Officiere und befahl, daß der letzte Hauch von Mensch
' und
TM Hauptwörter (50): [T28: [Schlacht Heer Feind Mann Armee Napoleon Franzose General Truppe Preußen]]
TM Hauptwörter (100): [T19: [Feind Pferd König Mann Soldat Reiter Uhr Wagen Kanone Offizier], T23: [Stadt Feind Tag Heer Mauer Mann Lager Nacht Kampf Soldat], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T29: [Napoleon Heer Schlacht Preußen Franzose General Mann Armee Sieg Bluch]]
TM Hauptwörter (200): [T17: [Uhr Feind Truppe General Schlacht Armee Napoleon Kampf Angriff Stellung], T156: [Schlacht Sieg Feind Heer König Mann Kampf Tag Tapferkeit Franzose], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T12: [Wagen Wasser Stein Rad Fuß Maschine Pferd Bewegung Hand Schiff], T140: [Stadt Franzose Feind Festung Truppe Tag Mann Paris Belagerung Angriff]]
Autor: Frenzel, Franz Christoph, Ehrlich, Carl Gotthilf
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Konfession (WdK): gemischt konfessionel
Tt?
416
und Pferd zur Verfolgung aufgeboten werden sollte. Da
gerieth das französische Heer in etite völlige Auflösung; die
Straße sah wie ein großer Schiffbruch aus; sie war mit
Geschützen, Pulvcvwagen, Gewehren und andern Trüm-
mern, wie besäet. Ans mehr als 9 Nachtlagern wurden
die Franzosen aufgejagt, welche sich einige Ruhe hatten
verschaffen wollen und solche Störung nicht erwartet hat-
ten. Der ganze Marsch war ein stetes Aufstöbern des
Feindes in den Dörfern und Getreidefeldern. Der Mond
schien hell und begünstigte ungemein die Verfolgung.
Man gelangte vor das Städtchen G e n a p p e. N a p o-
leon war darin, und die Seinen wollten das Städtchen
vertheidigen; aber einige Kanonenschüsse, ein Hurrah, und
die wradt war genommen. Die Wagen Napoleons und
seiner Großen hatten sich wegen der Eile in einander ver-
schlungen; die Preußen kamen heran, und Napoleon mußte
so eilig ans dem Wagen springen, daß er seinen Degen
zurückließ und seinen Hut vom Kopfe verlor. Er selbst
aber entkam unter dem Schutze der Nacht. Eine Menge
Juwelen, Silbergeschirr und andere Kostbarkeiten erbeute-
ten hier die Soldaten, und fanden auch in dem prächtigen
Wagen Napoleons den schwarzen Preuß. Adlerorden,
welchen er früher von Preußen erhalten hatte, als er noch
furchtbar unter den Regenten dastand. Den Orden sende-
ten sie als Zeugen der nnverdroßnen Eile, womit sie den
Flüchtigen verfolgt hatten, an ihren König, welcher damit
den General Gneisenan beehrte. Dieser Held befehligte
die Preußen, welche so rasch den Feind in dieser Nacht
verfolgt hatten.
Bis zum Anbruche des Taaes ging cs rastlos fort. Im
wildesten Durcheinander rettete sich kaum der dritte Theil
als Nest der ganzen Armee, und noch dazu größtentheils
unbewaffnet. 300 Kanonen und 500 Pulvcrwagen fielen
in die Hände der Verbündeten. Selten ist ein so vollkom-
mener Sieg erfochten worden, und beispiellos war es, daß
eine Armee den zweiten Tag nach einer verlornen Schlacht
einen solchen Kampf unternahm und so glücklich bestand.
Im Mittelpunkte der franz. Stellung lag eine Meierei
La belle allancc *) (Schönbuttd) genannt. Auf dieser Stel-
le
Vraé: Ln Kess'"illiangs.
TM Hauptwörter (50): [T28: [Schlacht Heer Feind Mann Armee Napoleon Franzose General Truppe Preußen]]
TM Hauptwörter (100): [T19: [Feind Pferd König Mann Soldat Reiter Uhr Wagen Kanone Offizier], T23: [Stadt Feind Tag Heer Mauer Mann Lager Nacht Kampf Soldat], T29: [Napoleon Heer Schlacht Preußen Franzose General Mann Armee Sieg Bluch], T76: [Stadt Straße Haus Schloß Kirche Gebäude Mauer Platz Garten Dorf], T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann]]
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Extrahierte Personennamen: Napoleons Napoleon Napoleons Gneisenan le
Vraé
Autor: Frenzel, Franz Christoph, Ehrlich, Carl Gotthilf
Auflagennummer (WdK): 11
Sammlung: Realienbuecher vor 1871
Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch, Lehrbuch
Konfession (WdK): gemischt konfessionel
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r
le befand sich Napoleon wahrend der Schlacht, und von
da aus gab er seine Befehle. Auf diese Höhe war der
Marsch aller Preußen gerichtet, und da entschied sich seine
Niederlage. Durch eine anmuthige Gunst des Schicksals
trafen au diesem Orte mit dem so bedeutenden Namen der
Fürst Blücher und der Lord Wellington in der Dunkelheit
zusammen und begrüßten sich gegenseitig als Sieger, und
zum Andenken an den schönen Bund, durch den der stolze
Feind geschlagen war, befahl Fürst Blücher, daß diese
Schlacht die Schlacht von del le a I liti n co heißen solle.
Die Engländer nennen sie die Schlacht von Waterloo.
Wie sicher Napoleon auf die Niederlage der Engländer
rechnete, und wie wenig er an einen kräftigen Antheil der
Preußen ain 18. dachte, beweisen nicht blos sein Sieges-
bote nach Paris und der Umstand, daß er sein Gepäck so
nahe dem Heere gestellt hatte, sondern es leuchtete auch
aus seinem Aufrufe an die Belgier hervor, welchen er
schon im Voraus mit der Ortsuuterschrift: Lacken versehen
hatte. Lacken ist ein großes Schloß bei Brüssel, worin
der falsche Rechner nach errungenem Siege zu übernach-
ten gemeint hatte. Dieser Aufruf sprach von den großen
Siegen des Kaisers Napoleon. Ein ganzer Ballen, mit
diesem Aufrufe bedruckt, war unter der Beute.
Auf wunderbare Art war der Fürst Blücher am 16. Juni
gerettet, und nur eine höhere Hand schützte am 18. den Held
Wellington, daß er nicht sank, wie viele seiner Freunde an
seiner Seite. Beide erkannten cs wohl, daß der glückliche
Ausgang nächst Gott dem schönen Geiste zu verdanken war,
welcher die tapfern Schaarcn des Bundes beseelte. Wel-
lington schrieb nach England: Nicht mir kommt die Ehre
des Sieges zu, sondern der körperlichen Kraft und dem
standhaften Muthe der Krieger; und Fürst Blücher rief
Tages darauf seinem Heere zil: Ihr habt große Dinge ge-
than, Ihr meine braven und hochgeachteten Waffengefähr-
ten! Zwei Schlachten habt Ihr in drei Tagen geliefert.
Die eine war unglücklich, und dennoch war Euer Muth
nicht gebeugt. f Alle großen Feldherren haben von jeher ge-
meint, man könne mit einem geschlagenen Heere nicht so-
gleich eine Schlacht wieder wagen. Ihr habt den Ungrund
dieser Meinung dargcthan, und gezeigt, daß tapfere Krieger
wol können überwunden, aber ihr Muth nicht könne ge-
brochen werden. D d 13
TM Hauptwörter (50): [T28: [Schlacht Heer Feind Mann Armee Napoleon Franzose General Truppe Preußen], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T29: [Napoleon Heer Schlacht Preußen Franzose General Mann Armee Sieg Bluch], T98: [Volk Land König Krieg Zeit Feind Mann Macht Freiheit Kaiser], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele]]
TM Hauptwörter (200): [T156: [Schlacht Sieg Feind Heer König Mann Kampf Tag Tapferkeit Franzose], T21: [Napoleon Bluch Heer General Preußen Franzose Schlacht Armee Mann Wellington], T151: [König Volk Kaiser Reich Fürst Land Gott Wilhelm Deutschland Frieden], T103: [England Krieg Frankreich Spanien Franzose Engländer Flotte Jahr Holland Frieden], T33: [Gott Liebe Mensch Herz Leben Volk Ehre Vaterland gute Zeit]]
Extrahierte Personennamen: Napoleon Fürst_Blücher Napoleon Napoleon Euer_Muth Muth
Extrahierte Ortsnamen: Lord_Wellington Paris Wellington England