814
Die Franken bis zum Untergange der Merowinger.
Grunde eines Herrn, nicht nur Wagner und Grobschmiede, auch Goldschmiede, Schwertfeger und Lederarbeiter, sie klopften und hämmerten in den Dorfhäusern neben Weib und Kind für ihren Grundherrn und daneben um Lohn für alle, die bei ihnen arbeiten ließen; ebenso die Müller in der Wassermühle, deren Betrügerei durch die Gesetze bedräut wurde. Und der Dorfbesitz eines vornehmen Franken oder Burgunden umschloß außer den Landarbeitern auch die ganze Gewerbthätigkeit seiner Gegend, die man sich nicht gering denken darf.
An dem Hofe lag häufig der Obstgarten, mit Äpfeln, Birnen, Pflaumen, Kirschen. Die Mönche hatten Pfropfreiser aus dem Süden herzugetragen, man wußte mit der Veredelung Bescheid. Wer Pfropfreiser abbrach oder die Baumpflanzung beschädigte, zahlte hohe Strafe. Auch Weinberge waren an der Mosel, am Rhein, in Baiern; man hielt auf gute Reben, der unfreie Winzer hatte sie in Pflege. Sorgfältig tiersteint waren die Äcker oder [in späterer Zeit zuweilen] durch lebende Hecken umschlossen, die Gärten aber durch Zäune, die aus Knüppeln oder Pfählen in Brusthöhe errichtet sein sollten. Gepflügt wurde mit Pferden und Ochsen; mit Geld gestraft wurde, wer abackerte, ebenso wer einen verbotenen Fußsteig ging. Schon um 600 wird es alte Sitte genannt, dies Verbot durch eine wippende Rute oder ein aufgestecktes Strohbündel zu bezeichnen. Im Felde wurden die vier großen Getreidesorten [seit dem achten Jahrhundert] in der Dreifelderwirtschaft*) gebaut, auf dem alten Römergebiet an der Donau, unter Schwaben und Alamannen, hatte sich baneben der Spelt, die römische Frucht für weißes Mehl, erhalten; sie bauert bort noch heute. Außerbem würden Flachs, Rüben, Bohnen, Erbsen und Linsen gesät, und wer in ein solches Flurstück einfiel, der würde gestraft; aber schon bamals verboten die Baiern, den Felddieb zu pfänden.
Immer noch gab die Viehzucht dem Landwirt die besten Erträge. Obenan stand die Schweinezucht. Der Sauhirt mit einem Knaben war der wildeste Genosse des Hofes; denn er hauste unter seiner Herde, die er
*) „Nachdem man von den Römern die Winterfrucht kennen gelernt und hierfür geeignete und bereits verwendete Ländereien gewonnen hatte, gelangte man zu der Dreifelderwirtschaft, seit dem achten Jahrhundert; sie ward und blieb bis Anfang unseres Jahrhunderts das vorherrschende Wirtschaftssystem. Das ganze^ zum Getreidebau bestimmte Land wurde nun in drei möglichst gleiche Felder (Schläge) zerlegt, von denen immer je zwei in Saat standen, während das dritte ((Sgert) in Brache lag. Der Reihe nach wurde also jedes Feld ein Jahr mit Weizen, Spelt oder Roggen als Winterfrucht und ein Jahr mit Hafer oder Gerste benutzt; das dritte Jahr diente es als Brachland zur Gemeiudeweide. Das Sommerfeld wurde einmal im Frühjahr, das für die Wintersaat bestimmte Brachland zweimal, um Johannis und im Herbst, gepflügt." Schröder, Deutsche Rechtsgeschichte S. 190. Vgl. auch oben S. 218.
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TM Hauptwörter (100): [T54: [Haus Feld Bauer Dorf Pferd Stadt Vieh Land Wald Mensch], T11: [Wein Getreide Boden Viehzucht Weizen Land Pferd Obst Kartoffel Ackerbau], T65: [Reich Italien Land Kaiser Römer Volk Jahr Rhein Gallien Franken], T24: [Blatt Baum Blüte Pflanze Frucht Wurzel Stengel Stamm Zweig Boden]]
TM Hauptwörter (200): [T13: [Baum Wald Feld Wiese Garten Gras Winter Mensch Sommer Haus], T137: [Wein Obst Weizen Kartoffel Frucht Getreide Gerste Hafer Mais Flachs], T50: [Haus Pferd Bauer Herr Wagen Mann Tag Kind Weg Leute], T133: [Boden Land Ackerbau Klima Wald Viehzucht Teil Wiese Anbau Fruchtbarkeit], T154: [Meister Handwerker Geselle Arbeit Lehrling Handwerk Arbeiter Jahr Kaufleute Stadt]]
Aus dem Leben und Treiben in Stadt und Land im Merowingerreiche. 315
durch Hund und Horn bändigte, während langer Sommerzeit im Eichen-und Buchenwald. Dort baute er seiner Herde eine Baracke aus Baumrinde zum Schutz gegen Unwetter, und er und sein Hund hatten harte Kämpfe mit den Wölfen zu bestehen. Die größte Freude des Landmannes war die Zucht seiner Rosse. In sehr hohem Preis standen die Hengste, die zum Krieg tauglich waren; sie weideten, die Füße an Leinen gekoppelt. Schwer büßte', wer sie von der Weide stahl. Auch die Betrügereien der Roßtäuscher waren wohl bekannt, und das Gesetz suchte vor ihnen zu schützen. Allem Vieh banden die Süddeutschen tönende Schellen um den Hals, die Franken auch den Schweinen im Laubwald. Zahlreicher als jetzt flatterte in den Höfen das Geflügel. Obenan in Ehren stand mit seinen Hühnern der Haushahn, der durch besonderes Bußgeld geschützt war, außerdem Schwäne und sogar Kraniche, die bis zum dreißigjährigen Krieg als strenge Gebieter des deutschen Hühnerhofes geschützt waren. Im vornehmen Hofe fehlte auch das Falkenhans nicht, und unter den Vierfüßlern^ der Hofstätte liefen zahme Hirsche, die man zum Fange ihrer wilden Stammgenossen abzurichten verstand. Sorglich geschützt wurden die Bienenstöcke des Gartens, welche in verschiedenen Formen als Stämme oder Körbe eingerichtet waren. Wer einen Bienenstock stahl, hatte bei den Franken dasselbe Strafgeld zu entrichten wie für eine Kuh mit dem Kalbe. . . .
Der freie Eigentümer hatte nur einen Herrn über sich, den König, vor ihm neigte er das Haupt und beugte die Knie, sonst saß er auch neben Reicheren, den Beamten und Gefolgsleuten des Königs als gleichberechtigt; dock schon zahlte für einen Frevel, der an seinem Leibe geübt wurde, der Thäter geringeres Wergeld, als wenn der Beschädigte des Königs Diener war.*) . . . Die ganze Kraft des Volkes lag in der Masse der freien Landbewohner. Aber schon damals arbeiteten Könige, Grundherren, gewalttätige Beamte und die Kirche daran, die Zahl der Freien zu vermindern. Der Gemeinfreie war ein geldarmer Mann, und doch forderten die neuen Gesetzbücher der Könige bei jedem Unrecht, das er beging, von ihm eine Strafe in edlem Metall. Kaum ein Landwirt vermochte sich in der händelsüchtigen Zeit straflos zu halten, wenn der Graf des Königs ihn zu einer Buße zwingen wollte. Reichten Viehhäupter und Ernte nicht hin, das Geld zu schaffen, so mußte er sich seines Eigens entäußern. Auch dem Schuldlosen wurden die Forderungen der Könige zu schwer. Schon damals [in der späteren Merowingeqeit] muß die Lage des freien Bauern oft unerträglich gewesen fein; die Lasten, die ihm das Land auferlegte, der Zehnte, Waffendienst, Fuhren und Lieferungen bei Reifen des Königs und feiner Beamten, waren sehr groß. Gegen die Mächtigen fand er kein Recht;
*) Vgl. oben S. 224.
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TM Hauptwörter (100): [T54: [Haus Feld Bauer Dorf Pferd Stadt Vieh Land Wald Mensch], T68: [Gericht Recht Richter König Strafe Gesetz Urteil Sache Person Verbrechen], T84: [Vogel Tier Eier Fisch Mensch Hund Nahrung Thiere Insekt Art], T72: [Bauer Arbeiter Steuer Jahr Stadt Staat Abgabe Gemeinde Land Verwaltung], T59: [Heer Mann Soldat Krieg Jahr Offizier Land König Truppe Waffe]]
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150
Die Langobarden bis zum Berlust ihrer Selbständigkeit.
danken und baute, dankbar und demütig wie er war, an jenem Ort, wo die Schlange sein Haupt umwunden hatte, zur Ehre unsers Heilandes und des heiligen Benedikt ein großes, herrliches Kloster, dem er viele Gerechtsame und Ländereien verlieh. Desgleichen stiftete seine Frau Ansa aus eigenem Vermögen in der Stadt Brescia ein ansehnliches Nonnenkloster und begabte es mit vielen Wiesen, Gütern und Hörigen.
König Desiderius war sanftmütig und gutherzig gegen jedermann. Der Papst aber zürnte ihm und verleumdete ihn beim Frankenkönig Karl, so daß dieser sein Weib Desiderata, des Desiderius Tochter, ohne allen Grund verstieß und seines Bruders Witwe Gerberga, die auch dem Desiderius verwandt war, aus seinem Reich verbannte. Darob kränkte sich der gute König bitter und zog zuerst vor Rom, um den Papst zur Rechenschaft zu fordern. Nun ward dies aber dem Frankenherrscher hinterbracht, und alsbald bot er alle Völker auf und zog mit einem ungeheuren Heere von Franken, Alamannen, Burgunden und Sachsen gen Italien. Als Karl mit den Seinen das Thal von Susa eingenommen hatte, gelangte er auch nach dem berühmten Kloster von Novalese, wo er so lange rastete, bis alle Vorräte der Mönche aufgezehrt waren; und nicht ohne Grund verweilte er hier, denn das Kloster war in jenen Tagen überaus reich und von dem Abte trefflich verwaltet.
Als aber Desiderins vernahm, daß König Karl wider ihn im Anzuge sei, entbot er die Großen seines Reiches zu sich und fragte sie, was nun zu thun sei. Sie antworteten: „Dein Heer ist viel zu klein, um den Scharen Karls in offenem Felde widerstehen zu können. Laß aber alle Thäler und Pässe, die aus dem Frankenreich nach Italien herüberführen, durch eine Mauer von Berg zu Berg verschließen und ihnen so den Weg versperren." Also geschah es, und noch heutigestags sind die Grundfesten des Bollwerks zu schauen. Nim rückten die Franken, die keinen Übergang finden konnten, Tag für Tag gegen die Mauer an in Scharen von taufend oder zweitausend Mannen und bestürmten die Langobarden in ihren Verschanzungen, konnten ihnen jedoch nichts anhaben. Den größten Schaden aber that ihnen des Desiderius Sohn Adelgis (Algis), ein Jüngling von riesigem Wuchs und unglaublicher Leibeskraft. Dieser pflegte in Kriegszeiten nur mit einer eisernen Keule bewaffnet in den Kampf zu ziehen und damit die Feinde zu erschlagen. Wenn er nun, da er Tag und Nacht die Wache hielt, merkte, daß die Franken ruhig und ahnungslos vor der Mauer lagen, so machte er plötzlich einen Ausfall, stürzte über die Feinde her und hieb mit seinen Mannen auf sie ein, daß viele Hunderte ihr Leben lassen mußten, und dies wiederholte er mehrere Male.
Da kam eines Tages ein langobardischer Spielmann in das fränkische Lager und sang ein Lied, in dem folgende Worte vorkamen:
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Extrahierte Personennamen: Karl Karl Desiderata Gerberga Karl Karl Karl Karl Karls Algis
Extrahierte Ortsnamen: Brescia Rom Sachsen Italien Karls Frankenreich Italien
74
Die Langobarden bis zum Verlust ihrer Selbständigkeit.
merkte er, daß ihm das Tier von Gott zugesandt sei, damit es ihm den Weg weise, den er nicht kannte. Als sie nun auf diese Weise mehrere Tage durch das einsame Gebirge gezogen waren, da ging der geringe Vorrat an Brot, den Leupichis bei sich hatte, völlig zu Ende. Hungernd zog er seines Weges weiter und wurde immer schwächer und matter. Endlich als er ganz erschöpft war, spannte er seinen Bogen und wollte den Wolf durch einen Pfeilschuß erlegen, um sein Fleisch zu verzehren. Aber der Wolf wich dem Schusse aus und verschwand alsbald aus des Wanderers Augen. Nun wußte Leupichis gar nicht, wohin er gehen sollte, weil der Wolf ihn verlassen hatte, und da auch der Hunger ihm alle Kraft raubte, so warf er sich, schon am Leben verzweifelnd, zu Boden und schlief sogleich ein. Da erblickte er im Traume einen Mann, der also zu ihm sprach: „Erhebe
dich! Was ruhest du? Dorthin nimm deinen Weg, wohin deine Füße
gerichtet sind; denn dort liegt das Land Italien, das Ziel deiner Sehnsucht." Alsbald erhob er sich und begann nach jener Richtung zu wandern, die ihm das Traumbild angegeben hatte. Und bald gelangte er zu Menschenwohnungen, denn es siedelten in jener Gegend Slaven. Eine alte Frau erblickte ihn und erkannte sogleich, daß er ein Flüchtling sei und
Hunger leide. Darob ward sie von Mitleid ergriffen, verbarg ihn in ihrer Hütte und reichte ihm heimlich und ganz allmählich Nahrung, damit er nicht, wenn sie ihm in ihrem Erbarmen aus einmal Speise bis zur Sättigung gäbe, das Leben verlöre. So gab sie ihm in angemessener Weise zu essen, bis er wieder völlig zu Kräften gekommen war. Und als er ihr kräftig genug schien, seine Reise fortzusetzen, gab sie ihm noch Speise auf den Weg mit und belehrte ihn, welche Richtung er einschlagen müsse. Und nach einigen Tagen erreichte er wirklich Italien und kam zu der Stätte, wo er geboren war. Ach, das Haus, in dem er zuerst das Licht erblickt hatte, war verödet, das Dach verschwunden, so daß der blaue Himmel
oben herein schien; nur die nackten Mauern standen noch; Dornen und
Buschwerk wucherten darüber hin. Zwischen dem Gemäuer war ein schöner, stattlicher Eschenbaum gewachsen; an den hängte er Bogen und Köcher. Dann begann er das Gestrüpp niederzuhauen, das den halbzertrümmerten Bau überzog. Von seinen Gesippen und Freunden durch froh gewährte Gaben unterstützt, konnte der kräftige Mann sein väterliches Heimwesen wieder herstellen. Von dem Vermögen freilich, das einst sein Vater besessen hatte, war nichts mehr vorhanden. Doch dauerte es nicht lange, da
führte er ein junges Weib in das Haus; und, wie ich schon sagte, dieser Leupichis ward mein Urgroßvater. Er zeugte meinen Großvater Arichis, Arichis aber meinen Vater W a r n e srie d, und Warnefried endlich hat mit seinem Weibe Theudelinde mich, den Paulus, gezeugt und meinen Bruder Arichis, auf den der Name unseres Großvaters überging. Dies Wenige
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Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
Vorwort
das vorliegende Büchlein verdankt fein Dasein
einem Wunsche, der mir von mehreren Seiten aus-
gesprochen worden ist: aus den drei ersten Banden
meiner für reifere Leser bestimmten „Geschichtsbilder"
dasjenige auszuheben, was auch Knaben von zarterem
'Alter verständlich und interessant erscheinen könne.
Also ein Auszug aus jenem größeren Werke war
beabsichtigt, und doch kein Auszug im gewöhnlichen
Sinne. Alles, was der Jugend und dem Volke ge-
fallen will, muß frische, gesättigte 8arbe und ab-
gerundete 8orm haben; mit dürftigen Notizen ist
hier nichts gerban. Nicht eine karg bemessene, gleich-
mäßige Darstellung der wichtigsten Ereignisse, sondern
eine Reihe lebensvoller Einzelbilder, in denen allein
Geschichtliches der Jugend verständlich und anziehend
ist, sollte geliefert werden. Das historisch Bedeutende
mußte nicht selten gegen das ethisch wertvolle zurück-
treten. Daher habe ich einerseits viele Abschnitte
ganz gestrichen, andrerseits die breite, behagliche Er-
zählung oder Schilderung nicht abgekürzt, sondern
sie durch Vereinfachung des Verwickelten und kräftiges
Hervorheben des menschlich 8esselnden, durch ver-
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
TM Hauptwörter (100): [T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T71: [Mann Volk Leben Sitte Zeit Vater Liebe Frau König Jugend], T25: [Wissenschaft Kunst Zeit Sprache Geschichte Schrift Buch Werk Jahrhundert Erfindung], T66: [Geschichte Iii Vgl Nr. Aufl Gesch Lesebuch Bild fig deutsch]]
TM Hauptwörter (200): [T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen], T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte], T29: [Geschichte Geographie Nr. Erdkunde Lesebuch Bild Iii allgemein Lehrbuch deutsch], T13: [Baum Wald Feld Wiese Garten Gras Winter Mensch Sommer Haus], T152: [Auge Haar Gesicht Nase Krankheit Körper Mensch Mund Ohr Kopf]]
Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
6. Tageslauf eines germanischen Hausherrn in Friedenszeiten. 35
nicht, so gab es wohl am Haus oder Hofzaun zu bessern,
wobei der Herr selber nur selten zugrifs, vielmehr die Knechte
anwies, lobte oder zum Fleiße antrieb. Oder er schaute eine
Weile mit behaglichem Lächeln den Kriegsspielen seiner Knaben
zu, oder er ging hinaus aufs Feld, den Stand der Saaten
zu prüfen, oder aus die Viehweide, um sich am Anblick seiner
Pferde, Rinder, Schafe und Schweine zu freuen, vielleicht
auch um einem Gaste selbstgefällig die stattlichen Herden zu
zeigen. Oder er zog mit Hunden und Knechten in den
grünen Wald, dem edlen Weidwerk obzuliegen, den Bären
aufzuspüren, der neulich ein Kalb geraubt, den Wolf zu
fällen, der unter den Schafen Vernichtung angerichtet, den
Ur zu erlegen, der lüstern nach leckerer Gerste den Acker
zerstampft hatte. Sowohl die Jagd aus Vierfüßler (Tier-
weide) wie die auf Vögel (Vogelweide) wurde mit Leiden-
schaft gepflegt. An den Jagden vornehmer Männer, zu
denen oft ein größeres Gefolge mitzog, beteiligten sich nicht
selten die edlen Frauen als Zuschauerinnen und Wirtinnen,
die im Waldesschatten den hungrigen Jägern ein fröhliches
Mahl bereiteten. Manche verstand wohl auch selbst Bogen
und Jagdspeer und den abgerichteten Falken zu lenken.
Die meisten dieser Beschäftigungen ließen sich freilich nur
bei freundlicher Witterung vornehmen; bei schlechtem Wetter,
namentlich im Winter, kam es öfters vor, daß der Hausherr
nach dem Imbiß sich verdrossen wieder aufs Lager streckte
und so auf der Bärenhaut liegen blieb, bis die Zeit der
Hauptmahlzeit hcrankam, die etwa um die Mitte des
Nachmittags, nicht allzulange vor Sonnenuntergang gehalten
wurde. „Es freuen sich die Hunde, und das Haus öffnet sich
von selbst, wenn ein Gast kommt." So lautet ein alt-
nordisches Sprichwort und bezeichnet damit schön und bündig
die Herzlichkeit, mit der der Deutsche den Gast willkommen
hieß. Und das that er gar oft. Außer solchen, die unter
seinem Dache übernachteten, kamen noch häufiger andere, die
geladen oder ungeladen an seiner Mahlzeit teilnahmen. An
ein solches Mahl schloß sich gewöhnlich ein scharfes Trinken,
stets, wenn der Wirt ein Gastgebot erlassen hatte. Die
3*
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T30: [Tier Vogel Mensch Pferd Hund Fisch Thiere Nahrung Eier Wasser]]
TM Hauptwörter (100): [T87: [Tag Tisch Haus Frau König Mann Gast Herr Hand Abend], T54: [Haus Feld Bauer Dorf Pferd Stadt Vieh Land Wald Mensch], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T84: [Vogel Tier Eier Fisch Mensch Hund Nahrung Thiere Insekt Art]]
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Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
14. Armin, der Befreier Deutschlands. 105
immer dichter und endloser; riesige Stämme versperrten fort-
während den Weg. Immer mußte mein halt machen. Bäume
niederhauen, Wege bahnen, Brücken schlagen. Dazu führte
Varus — es war ja Friedenszeit! — einen großen, schwer-
fälligen Troß von Wagen, Lasttieren und Sklaven mit sich.
Die Legionen konnten keinen geschlossenen Zug mehr halten.
Um sie noch mehr auseinander zu bringen, begann der Regen
in Strömen herabzugießen und der Sturmwind zu heulen.
Der aufgeweichte Boden verstattete keinen sichern Tritt, man
strauchelte beständig über Wurzeln und Baumstümpfe. Der
Sturm riß von den uralten Eichen schwere Äste herab, welche
die darunter Schreitenden verletzten und in schreckliche Ver-
wirrung brachten.
Und nun begannen die Deutschen ihre Angriffe. Durch
das Gebüsch brachen sie von allen Seiten gegen die Bedrängten
hervor, schleuderten von weitem ihre Speere auf die zwischen
Wagen und Trvßknechten ermüdet Dahinziehenden und stürmten,
nachdem sie schon viele erlegt hatten, dicht heran. Hatten sich
nun die Römer mit unendlicher Mühe ein wenig zur Abwehr
geordnet, so verschwanden die Feinde ebenso rasch, wie sie
erschienen waren, in den Wäldern, wo sie jeden Fußpfad, ja
jeden Baum kannten, und brachen wieder hervor, sobald die
Legionen ihren Marsch fortsetzten.
Mitten in dieser Bedrängnis brachten es doch die Römer
fertig, ein Lager aufzuschlagen, streng nach den Regeln der
römischen Befestigungskunst. Die Mehrzahl der Wagen und
was sonst überflüssig erschien, verbrannten sie. Am folgenden
Tage schien sich ihre Lage etwas bessern zu wollen, sie kamen
in lichtere Gegenden und konnten in besserer Ordnung mar-
schieren. Aber bald gerieten sie wieder in die Urwälder, die
feindlichen Angriffe erneuerten sich, die Verwirrung wurde
immer größer. In dem Wirrwarr hinderte ein Kämpfer
den andern, die Bäume standen überall im Wege. Endlich
sank die Nacht hernieder und machte deni Ringen ein Ende.
Abermals wurde ein Lager aufgeschlagen. Aber es war von
geringem Umfang, der Wall war ungleich, der Graben flach;
TM Hauptwörter (50): [T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T38: [Boden Wald Land Wiese Wasser Berg Fluß Feld See Dorf], T36: [Stadt Mauer Tag Dorf Haus Burg Land Bauer Feind Bürger]]
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Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
38. Alboin, der Langobardenkönig.
295
die Langobarden als wackere Mitkämpen auf der Seile des
großen Cheruskerhelden. Sie waren es auch, die den Neffen
Armins, Italiens, wieder auf den cheruskischen Thron zurück-
führten. Erst etwa seit dem Ende des vierten Jahrhunderts
wanderten sie allmählich, zuerst nach dem heutigen Branden-
burg, dann nach Böhmen und von da, nachdem Odowaker
488 die Rügen vernichtet hatte, in das Land am nördlichen
Ufer der mittleren Donau, wo sie, da es fruchtbaren Boden
hatte, viele Jahre blieben. Ungefähr ein Jahrhundert war
vergangen, seit das Volk, das inzwischen stattlich angewachsen
war, die sumpfigen Niederungen der Elbe verlassen hatte.
Im Rugenland an der Donau waren die Langobarden Nach-
barn eines andern tapferen Germanenstammes, der Heruler,
geworden. Mit diesen gerieten sie einst in einen Kampf, über
den die Sage folgendes berichtet. Auf einem weiten Blach-
felde standen die beiden Völker zum Kampf gerüstet. Der
Hcrulerkönig Rodulf sandte die Seinen in den Streit; er
selbst aber war seines Sieges so gewiß, daß er, während das
Heer ausrückte, in der Wagenburg blieb und sich am Brett-
spiel ergötzte. Denn damals waren in der That die Heruler
außerordentlich tüchtig im Kriege und hatten sich durch viele
Siege, die sie erfochten, einen großen Namen gemacht. Sie
zogen nach uralter Sitte nackt in die Schlacht; nur um die
Hüften war ein Stück Zeug schurzartig geschlungen. So
mochte der König nicht ohne Grund auf die erprobte Kraft
der Seinen vertrauen und saß sorglos beim Spiele, während
draußen der mörderische Streit entbrannte. Einen von seinen
Leuten ließ er auf einen hohen Baum in der Nähe steigen,
damit er ihm den Sieg der Seinen desto schneller melden
könne; doch fügte er die thörichte Drohung hinzu: „Meldest
du mir von meiner Heruler Flucht, so lasse ich dir das Haupt
abschlagen." Wie nun der Mann vom Wipfel des Baumes
eine Weile nach dem Schlachtfeld hinübergeschaut hatte, sah er
mit Schrecken, wie die Reihen der Heruler wankten. Aber
vor Angst um sein Leben wagte er es nicht, die Wahrheit zu
künden, und jedesmal, wenn Rodulf ihn fragte, wie die
Schlacht stehe, antwortete er: „Sie kämpfen wacker." Unter-
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Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
1. Land und Bolk der alten Deutschen. 3
rauhes Land. Und freilich sah es namentlich im Norden
zwischen Ems und Niederelbe traurig aus. Ungehindert konnten
dort die wilden Meeresfluten oft aus viele Meilen den flachen,
öden Strand überströmen, und weiter landeinwärts folgte ein
schauerliches Durcheinander von Sümpfen und Urwald. An
den Ufern der Ströme wuchsen riesige Eichen. Wenn diese
vom Wasser unterwühlt oder durch Stürme losgerissen wurden,
stürzten sie um und kehrten ihre weitverzweigten Wurzeln gen
Himmel. Manchmal trieben sie auch samt großen Stücken
des Bodens die Flüsse hinunter ins Meer und setzten niit
ihrem ungeheuren Geäste, das sich wie Maste und Takelwerk
ausnahm, die fremden Schisse in Schrecken. Urwald bedeckte
überhaupt den größten Teil Germaniens; aber deshalb sah es
doch nicht überall grausig und wild aus. All die schönen
deutschen Ströme, der Rhein, die Donau, der Main, die
Weser, die Elbe und wie sie alle heißen, wälzten reichlicher
und klarer als heutzutage ihre grünlichen Wogen dem Meere
zu; alle die zahllosen Bäche und Quellen plätscherten, nur
ungetrübt und ungehindert, durch Wald und Weiden. Der
liebliche Wechsel wischen Thälern und Hügeln, der namentlich
die mittleren Gegenden unseres Vaterlandes so reizend macht,
bestand damals wie jetzt. Der wunderherrliche deutsche Wald
war auch nicht allenthalben so schauerlich und undurchdringlich,
wie die Römer behaupteten, und wenn er auch die Feuchtig-
keit erhöhte und Schnee und Regen anzog, so gewährte er
dafür auch wohlthätigen Schatten im Sommer und hemmte
die Gewalt des Sturmes im Winter. Außer feuchten,
finsteren Eichenwäldern gab es trockene Waldung von Buchen
und Nadelholz, herrlich duftend, mit schlank aufstrebenden
Bäumen und weichem Moosgrund, auch hie und da schöne
Lichtungen mit prächtigem Grün. Städte fehlten freilich
gänzlich, stattliche Bauwerke ragten nirgends empor, und eben-
sowenig gab es wohlgeebnete Straßen, aus denen man bequemlich
reisen konnte. Aber wenn der Wanderer auf gewundenem
Waldpfad dahinschritt, so stieß er doch nicht selten auf Menschen-
wohnungen, von wo er schon aus der Ferne die Hunde bellen
und die Gänse schreien hörte. Es waren niedrige Holzhäuser
1*
TM Hauptwörter (50): [T38: [Boden Wald Land Wiese Wasser Berg Fluß Feld See Dorf]]
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Extrahierte Ortsnamen: Niederelbe Germaniens Rhein Donau Main
Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
2. Haus und Hof.
15
Wohlgefallen mag der Blick auch in die Höhe geschweift sein,
wo von den Dachsparren an starken Haken die Schinken und
Würste herniederhingen.
Schlafstellen waren nicht zu erblicken; denn die Bänke
dienten zugleich als Nachtruhestätten für die Hauseltern und
die unverheirateten Kinder. Stroh, Mäntel und Pelze ver-
traten, wenn es not that, die Stelle der Polster und Decken.
Knechte und Mägde schliefen, soweit sie im Herrenhose wohnteu,
zuweilen im Flur und in den Ställen, im Sommer auch im
Freien, gewöhnlich aber in eigenen unterirdischen Räumen.
Auf dem Hofe nämlich befanden sich außer dem Hause noch
kleinere, eigentümliche Nebengelasse, welche Dunge genannt
wurden. Da diese keinen Herd hatten, so schützte man sie
dadurch gegen die Kälte, daß man sie kellerartig in die Erde
eingrub und oben mit Viehdünger belegte. Sie waren trichter-
förmig und ziemlich tief, in der Mitte durch eine Balkenanlage
in eine obere und untere Abteilung geschieden. Der obere
Raum diente zu Schlafstätten für das Gesinde, am Tage
wurde in ihnen das Geschäft des Webens und andere Arbeit,
die nicht im Freien verrichtet werden konnte, betrieben. Die
untere Abteilung benutzte man zur Aufbewahrung des Frucht-
vorrates während des Winters. Drohte ein feindlicher Überfall,
so versteckte man auch andere Habe in den Dung, machte diesen
oben der Bodenfläche gleich und bedeckte ihn mit Erde und
Rasen.
Um das Haus selbst gegen frevelnde Feindeshand zu schützen,
war, wie gesagt, ein jedes mit einem weiten H o f r a u m um-
geben , um den ein fester Zaun, zuweilen auch wohl eine
Dornenhecke oder ein Bollwerk aus Geflecht, Rasen und Erde
lief. Bei besonders stattlichen Gehöften glich die Umzäunung
nicht selten einer Befestigung, die sogar eine feindliche Belage-
rung auszuhallen vermochte. Zwar gab es nicht Gärten in
unserem Sinne, aber hin und wieder wurde ein Winkel des
Hofes zur Anpflanzung der wenigen damals bekannten Küchen-
gewächse z. B. der schön blühenden Bohne und des unent-
behrliäien Lauchs, vielleicht auch einiger Beerensträucher benutzt.
Ein solcher Winkel stand unter der besonderen Obhut der
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