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1. Geographische Bilder aus allen Erdtheilen - S. 66

1878 - Danzig : Verlag und Druck von A. W. Kafemann
66 Bilder aus Europa. — Italien. 39. Aus den Maremmen. Unter den charakteristischen Ebenen Europas können die Maremmen nicht fehlen, wie man in der Beschreibung Italiens eine große Lücke lassen würde, wenn man sie unberührt lassen wollte. Denn man versteht unter diesem Namen im engeren Sinne die ganze Küstenstrecke zwischen dem Arno und Volturno, im weiteren aber alle jene theils trockenen, theils sumpfigen. Ebenen der schönen Alpenhalbinsel, welche die tückischen, lebensfeindlichen Geister der Malaria oder bösen Luft beherrschen und als ihr Eigenthum beanspruchen, theils seit längerer theils seit kürzerer Zeit, ohne daß man. bis jetzt im Stande gewesen, ihren Sitz zu ergründen oder ihre Wirksamkeit zu entkräften. Jedenfalls wirken wohl zwei Ursachen: die vielen stehenden Wasser — namentlich in den pontinischen Sümpfen und im Becken des Ombrone — und die schweflichen Dämpfe, welche sich aus dem vulkanischen Boden entwickeln. Beide Factoren äußern ihre menschenfeindliche Thätigkeit vorzugsweise im Sommer; erst der dort stets milde Winter macht jene Ebenen, welche man irriger Weise so oft als eine unfruchtbare, uncultivirte Wüste schildert, zugänglich, und dann mögen sie den Anblick einer im Großen cultivirten Landschaft bieten, wo man jedoch, wie bei den alten Hebräern, den Grundstücken eine mehrjährige Ruhe gönnt. Ein lebendiges Bild der Maremmen Oberitaliens in dieser Zeit verdanken wir einem talentvollen jungen französischen Reisenden, Didier. „Man muß nach den Maremmen gehen, wenn man hundert Pflüge, hier von zwei, dort von drei, oder auch von vier Waldochsen oder Büffeln will ziehen sehen, welche in einer Fronte gehen und zugleich ein Feld von zwei bis drei Lieues bearbeiten. Wie die Aussaat, so die Ernte! Auf solche Weise bearbeitet, sind die unfreundlichen Ländereien weder widerspenstig, noch undankbar, und nicht fruchtlos wird ihr fruchtbarer Boden aufgeschlossen. Wenn die Erntezeit kommt, strömen die Gebirgsbewohner aus Sabina, Lucca und aus den Abruzzen herbei, um in möglichst kurzer Zeit — die Gefahr gebietet Eile — die Frucht zu schneiden. Mit einem Male, wie durch einen Zauberschag ist die große Einöde bevölkert, denn es ist auch eine der vielen Unregelmäßigkeiten dieser Landschaft, daß hier alles schnell und reißend vor sich geht, und daß man die Kunst des allmäligen Ueberganges, so zu sagen, garnicht kennt. Morgens noch ein unermeßliches Brachfeld, Abends ein schön geackertes Land; heute ein von goldenen Aehren erglänzendes Feld, morgen wieder ein dürres Brachfeld. Dieses oder Aehnliches ist zwar auf allen Ländereien der Fall, die im Großen bebaut werden, doch aber sind nirgends die Contraste so auffallend wie hier, und die Steppen Italiens haben nirgends ihres Gleichen". Ein Umstand, — fährt Didier fort — der eben so merkwürdig ist, als Aussaat und Ernten in diesen Maremmen, ist ohne Zweifel die Leitung oer Heerden. Der Hirt ist hier eben so wenig einheimisch als der Schnitter. Er steigt wie jener zur Zeit des Schnees von seinen Bergen herab, und kehrt im Frühjahr wieder dahin zurück und seine Heerde mit ihm. Dieser wilde, aber freie und gastfreundschaftliche Hirt erscheint fast stets zu Pferde, die Lanze in der sehnigen Faust, und beschaut sich mit feurigem Auge den unbegrenzten Horizont, und nichts entgeht seiner Aufmerksamkeit. Wehe dem rebellischen Stiere oder einem ausartenden überwilden Zuchthengste, der die geringste Unordnung in der Heerde verursacht! Das Eisen färbt sich augenblicklich in ihrem Blute; gebändigt und beschämt kehren ste zur Ordnung oder an die ihnen angewiesene Stelle zurück, denn das wilde Thier erkennt im Menschen seinen Herrn und unterwirft sich stillschweigend und fügsam dem Joche.
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