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212
Ii. Kulturbilder aus Welt und Werkstatt.
Leibeigenschaft mit Leib und Seele verfallen war, mußte möglichst viel für
die Herren produzieren um die gesteigerten Bedürfnisse der letzteren zu decken.
Ten Grundeigentümern mußte demnach daran liegen, daß die Arbeit ihrer
Hörigen eine recht nutzbare fei und da die Erfahrung bewies, daß die
Pachlwirlschaft viel bessere Resultate liefere, als die Bearbeitung der Felder
durch verdrossene Leibeigene, so verwandelte mancher Herr feine leibeigenen
Bauern in Zeitpächter oder Erbpächter. Solchen wurde meist auch die
Bebauung der durch die Einziehung der Kirchengüter in den protestantischen
Gegenden entstandenen fürstlichen Domänen überlassen. Anderwärts be-
nutzte man die Rodung von Forsten und die Entsumpfung von Moorgegen-
den, um zur Anlegung von Kolonieen besitzloser Bauern Boden zu gewinnen.
Bereits erschienen auch landwirtschaftliche Schriften, wie die „Sieben
Bücher vom Landbau" 1580 und die Gesetze, welche aus die Landwirt-
schaft Bezug hatten, wurden zu „Landesordnungen" zusammengestellt. Da
und dort nahm sich auch wohl ein Fürst des Ackerbaus und der Obstzucht
an, wie der Kurfürst August von Sachsen, dessen Gemahlin Anna eine
vortreffliche Wirtschafterin war. Indessen konnte sich Deutschlands Acker-
bau doch noch keineswegs mit dem oberitalischen messen, welcher bereits
den Kleebau und die Sommerbrache kannte. Auch für die Verbesserung
der Viehzucht geschah manches und zwar das meiste für die Pferdezucht.
Aber all die auf dem landwirtschaftlichen Gebiete sprossenden Keime des
Fortschritts zertrat der plumpe Fuß der dreißigjährigen Kriegsfurie. Man
kann sich leicht vorstellen, wie es zur Zeit des westfälischen Friedens mit
dem deutschen Ackerbau bestellt war, wenn man bedenkt, daß damals in
vielen, sehr vielen Gegenden unseres unglücklichen Landes mehr Wölfe als
Bauern in den Dörfern hausten.
Jedoch zähe Beharrlichkeit unseres allzeit arbeitseifrigen Volkes griff
das zerstörte Werk der Kultur von neuem an und allmählich kleideten sich
die mit seinem Schweiß gedrängten verödeten Fluren wieder in das grüne
Gewand hoffnungsreicher Saaten. Gegen Ende des 17. Jahrhunderts
hatte sich die Landwirtschaft wieder bedeutend erholt. In der Pfalz war
der Kleebau eingeführt, in Kärnthen schon 1665 die erste Säemaschine er-
funden worden. Die Ackerwerkzeuge wurden verbessert und in der Vieh-
zucht einige Fortschritte gemacht. Doch der Herrenstand beschäftigte sich noch
viel zu viel mit den wilden Tieren, um den zahmen die gehörige Auf-
merksamkeit zu schenken. Die altgermanische Jagdlust stand noch in hoher
Blüte und fand seine Nahrung in dein reichen Wildstand jener Zeiten in
Wald und Flur. Bären, Wölfe, Luchse, Biber waren überall noch häufig
anzutreffen und Hochwild gab es in zahlloser Menge, ungerechnet dessen,
was zur mittleren und niederen Jagd gezählt wurde. Um 1630 fing man
binnen drei Jahren über 120 Biber an den Donauufern bei Ulm. Doch
wurde schon 1686 in Thüringen der letzte Bär erlegt, aber in den Berg-
wäldern von Graubünden gräbt sich „Mutz" noch heute feine Winterhöhle.
Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen erlegte während seiner Regierung
mit eigener Hand 208 Bären, 200 Luchse und 3583 Wölfe. Die all-
gemeine Verwilderung während des dreißigjährigen Krieges, war freilich dem
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Extrahierte Personennamen: August Anna Johann_Friedrich_von_Sachsen Johann Friedrich
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Ii. Kulturbilder aus Welt und Werkstatt.
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Wilde eben so günstig, wie sie der Landeskultur ungünstig war. Sehr-
verderbliche Folgen hatte sie auch für den Weinbau, der im Mittelalter sich
so gehoben hatte, daß die deutsche Ausfuhr die Frankreichs hinter sich ließ.
Als der verderbliche Kriegssturm, welcher allein in Würtemberg über
40 000 Morgen Weinberge verwüstet hatte, vorüber war, griff auch der
Winzer wieder zu Hacke und Messer und es wurden sogar Weingärten in
Gegenden angelegt, wo sie jetzt längst wieder verschwunden sind. Lieben
den Rhein-/ Mosel- und Pfälzerweinen hatte besonders der Neckarwein Ruf. —
Für die Hebung und Veredlung der Obstkultur haben sich besonders der
schon erwähnte Kurfürst August von Sachsen und der große Kurfürst von
Brandenburg erfolgreiche Mühe gegeben. Im Herzogtum Braunschweig
kannte man schon 1591 Quitten, Pflaumen, Pfirsiche, Schwarz- und
Weichselkirschen, Honig-, Speck-, Winter- und Muskatellerbiruen, Süß-,
Scheiben- und Borsdorfer Äpfel. Das „Sehr liebreich und auserleßen
Obstgarten- und Peltzbuch" von 1620 zählt 115 Sorten von Äpfeln, 110
von Birnen, 13 von Kirschen und 19 von Pflaumen aus.
Im 16. und 17. Jahrhundert wurde der deutsche Land- und Garten-
bau durch die Aufnahme einer Menge fremder Frucht- und Pflanzenarten
wesentlich bereichert. Zu Anfang des 16. Jahrhunderts wurde der asiatische
Buchweizen eingeführt. Die Rapskultur brachten die durch Alba
vertriebenen Niederländer nach Süddeutschland. Der Anbau des schon seit
Karls des Großen Zeit bekannten K r a p p' s wurde namentlich in Schlesien
und Böhmen emsig betrieben; dagegen erlitt die besonders in Thüringen
blühende Kultur des Mais durch die Einfuhr des Indigo schwere Be-
einträchtigung. Den Mais hatte Columbus 1493 nach Europa gebracht;
er kam jedoch erst 1650 nach Süddeutschland, wo er, weil zunächst aus
Italien gekommen, den Namen Welschkorn erhielt. Von ungleich größerer,
von wahrhaft weltgeschichtlicher Bedeutung war eine andere Gabe Amerikas,
die Kartoffel, welche in Deutschland zuerst von dem Botanikerclusius 1588
als eine botanische Seltenheit eingeführt wurde. Ihre Verbreitung als Nähr-
frucht ging in Deutschland sehr langsam von statten; sie kam erst 1640 nach
Hessen-Darmstadt, Westfalen und Niedersachsen, nach Berlin 1650, noch
später nach Bamberg (1716), in die Pfalz, nach Baden und Schwaben.
Der Gebrauch eines dritten amerikanischen Krautes, des Tabaks, soll,
was das Rauchen desselben betrifft, zuerst durch die Soldaten Kaiser Karls V.
aus den Niederlanden, was das Schnupfen angeht, durch spanische Kriegs-
völker im dreißigjährigen Kriege nach Deutschland gebracht worden sein. Der
Genuß des Tabaks machte rasch riesige Fortschritte, so daß bald Geistlich-
keit und Obrigkeit predigten und reskriptierten gegen die, „welche ihren
Mund zum Rauchfang des Satans machten".
Vom Aufgang her, aus dem sonnigen Arabien kam der Kaffee,
welcher ein so treuer Gefährte des Tabaks werden sollte. Von Kairo ver-
breitete sich der Kaffee nach Konstantiuopel und von da brachte ihn der
Gesandte Mohammeds Iv. an den Hof Ludwigs Xiv. Am brandenburger
Hof ward das Getränk bald nach 1670 bekannt. Zu Wien wurde 1683,
zu Regensburg und Nürnberg 1686, zu Hamburg 1687, zu Augsburg
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Extrahierte Personennamen: August Karls Columbus Karls_V. Karls_V. Mohammeds Ludwigs
Extrahierte Ortsnamen: Frankreichs Würtemberg Rhein-/_Mosel- Sachsen Brandenburg Weichselkirschen Süddeutschland Schlesien Europa Italien Amerikas Deutschland Botanikerclusius Deutschland Hessen-Darmstadt Westfalen Niedersachsen Berlin Bamberg Baden Schwaben Niederlanden Deutschland Kairo Mohammeds Hof_Ludwigs_Xiv brandenburger
Hof Wien Nürnberg Hamburg
Ii. Aus der Geschichte des deutschen Vaterlandes.
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einzelner" und hob die Arbeitskraft und das Selbstgefühl des Bürgers und
des Bauern, auf deren Wohlfahrt der neue Staat fortan ruhte. Er schuf
das Heer, ordnete den Staatshaushalt, hob den Anbau des Landes, förderte
Gewerbe und Handel und pflegte Wissenschaft und Kunst in deutschem
Sinne, während fast überall sonst das Volkstümliche dem Fremden
weichen musste.
Während das Reich seinem gänzlichen Verfall entgegenging und seine
nur noch scheinbare Einheit sich völlig auflöste, gedieh in diesem jungen
Staate alles aufs trefflichste. Das tief zerrüttete Land ward durch weises
und kraftvolles Regiment dem Elend entrissen und die schlummernde
Kraft der Bevölkerung geweckt; hier ward deutscher bürgerlicher Fleiss
und Wohlstand gepflegt, hier der deutschen Kultur ein weites, zum Teil
noch unbebautes Gebiet erobert. In einem Augenblicke, wo Österreich
und das deutsche Reich ruhig den Übergriffen der Franzosen zusahen,
griff Friedrich Wilhelm zu den Waffen, und so klein seine Macht noch
war, Deutschland hatte doch wieder einen Fürsten aufzuweisen, der
sich Achtung zu verschaffen wusste. In Zeiten, wo die alte Handels-
und Seemacht Deutschlands verloren war, suchte er den Grund zu einer
Flotte zu legen, die Anfänge einer Kolonialmacht zu schaffen und auf
der Ostsee sein Übergewicht unter den nordischen Reichen zu begründen.
Friedrich Wilhelm erhob sich zuerst wieder — und zwar in Zeiten, wo
Ludwigs Xiv. Macht noch ungebrochen war, — zu dem kühnen Ge-
danken, die Fremden vom deutschen Boden zu vertreiben.
Er hat in dieser Haltung nach aussen seine deutsche Fürstenpflicht
gewissenhafter und ehrenvoller erfüllt als irgend ein Reichsstand oder
der Kaiser selbst. Daraus entsprang ganz besonders seine Bedeutung
für Deutschland. Die Thatsache machte einen mächtigen Eindruck, dass
Deutschland seit lange keinen Fürsten gehabt hatte, der in den grossen
europäischen Verhältnissen eine so selbständige Bedeutung behauptete,
wie der Grosse Kurfürst, der sich, ohne irgend jemand dienstbar zu sein,
überall auf seine eigenen Füsse stellte und seinen jungen Staat rasch den
alten Grofsmächten ebenbürtig machte. Nach Ludwig Hausser.
77. Ans dem Vermächtnisse des Großen Kurfürsten.
Für seine Söhne niedergeschrieben.
/Jture von Gott untergebenen Unterthanen müßt ihr ohne Ansehung der
Religion als ein rechter Landesvater lieben, ihren Nutzen und ihr Bestes
in billigen Dingen allzeit gern zu befördern suchen, den Handel überall in Auf-
nahme bringen.
Die liebe Justiz laßt euch in allen euren Landen höchlich befohlen sein,
und sehet dahin, daß sowohl den Armen als den Reichen ohne Ansehung der
Person Recht verschafft werde, und daß die Prozesse beschleunigt und nicht
aufgehalten werden mögen; denn das befestigt die Stühle der Regenten. Und
TM Hauptwörter (50): [T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
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Extrahierte Personennamen: Friedrich_Wilhelm Friedrich Wilhelm Friedrich_Wilhelm Friedrich Wilhelm Ludwigs Ludwig_Hausser Ludwig
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