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2. Die Größe des Herrn ist unaussprechlich.
(Fragment aus einer Rede )
Die Größe des Herrn ist unaussprechlich, das heißt erstlich: sie ist für
uns Menschen mehr Empfindung, als Gedanke; wir können sie ahnen, aber
nicht begreifen; wir können sie lebhaft genug fühlen, aber weder mit unserem
Verstände fassen, noch durch unsere Sprache Andern mittheilen. Du blickst
an einem heiteren und unbewölkten Winterabende zum gestirnten Himmel hin-
auf; du siehst ihn mit tausend und abermals tausend Lichtern übersäet; du
stellst dir vor, daß es so viele tausend leuchtende Sonnen sind, deren jede so,
wie die unsrige, von ihren Planeten umgeben ist; du staunst über die uner-
meßliche Anzahl dieser Welten, welche an Größe unsern Erdball weit über-
treffen. Du versuchst es nun, auf die Größe des Schöpfers, auf die Majestät
Gottes daraus zu schließen und dich zum Anschauen seiner unendlichen Macht
und Weisheit zu erheben; aber deinem Geiste schwindelt; deine Denkkrast
ermüdet; deine Vorstellungen verwirren sich; die Erhabenheit des Gegenstan-
des überwältigt deine Begriffe; du verstummst, siehst deine Schranken und
siehst dich in dem hohen Fluge, welchen du genommen hast, plötzlich gehemmt.
— Die Größe des Herrn ist unaussprechlich! — Du bewunderst an einem
schönen Frühlings- oder Sommermorgen die prachtvollen Reize der Schöpfung,
den Schmuck und Reickthum einer gesegneten, malerischen Gegend; dein
Auge ruht abwechselnd auf herrlichen Fruchtgefilden, auf köstlichen Auen, auf
anmuthigen Hügeln, auf lachenden Thälern, auf dem sanft fortgleitendcn
Flusse, auf dem fernen, sich in Dunkelheit verlierenden Walve. Du bist be-
wegt, gerührt, zum ernsten Nachdenken und zur feierlichen Andacht gestimmt;
du steigst vom Sichtbaren zum Unsichtbaren, vom Geschöpfe zum Schöpfer
empor und willst ihn in dieser geweihten Stille, in diesem seinem Heiligthume
als den, der er ist und seinen Werken nach sein muß, in seiner ganzen, un-
verhüllten Herrlichkeit sehen: aber das Helldunkel, welches dich da umgibt,
verwandelt sich bald in Nacht. Du näherst dich desto mehr der Erde, je
weiter du dich von ihr zu entfernen glaubst; du begreifst ihn desto weniger, je
länger du über ihn nachsinnst, und kehrst, an deine Schwäche erinnert, in
dich selbst zurück: du hast die Größe Gottes empfunden, aber nicht erforscht;
das Gefühl, welches dich in diesen Augenblicken durchströmte, war ein hohes
und seliges Gefühl, aber es kann' nicht Begriff, nicht Sprache bei dir wer-
den. Die Güte des Herrn ist unaussprechlich!
3. Periode aus Göthe's Schriften.
Wenn das liebe Thal um mich dampft, und die hohe Sonne an der
Oberfläche der undurchdringlichen Finsterniß meines Waldes ruht, und nur
einzelne Strahlen sich in das innere Heiligthum stehlen; wann ich dann im
hohen Grase am fallenden Bache liege, und näher an der Erde tausend man-
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nichfaltige Groschen mir merkwürdig werden; wenn ich das Wimmeln der
kleinen Welt zwischen Halmen, die unzähligen, unergründlichen Gestalten
der Würmchen, der Mücken, näher an meinem Herzen fühle und empfinde
die Gegenwart des Allmächtigen, der uns nach seinem Bilde schuf, das Wesen
des Allliebenden, der uns in ewiger Wonne schwebend trägt und erhält;
weuu's dann um meine Augen dämmert, und die Welt um mich her und der
Himmel ganz in meiner Seele ruh'n: — dann sehne ich mich oft und denke:
Ach, könntest du das wieder ausdrücken, könntest dem Papiere das einhauchen,
was so voll, so warm in dir lebt, daß es würde der Spiegel deiner Seele,
wie deine Seele ist der Spiegel des unendlichen Gottes; aber ich erliege unter
der Gewalt der Herrlichkeit dieser Erscheinungen.
4. D i e N a ch t.
Die Nacht ist Verküuderin Gottes; denn sie deutet auf ihn, den Nimmer-
müden. — Es ist Nacht, sagen wir, Nacht in der Schöpfung. Nun ruhen
alle Wälder; cs ruhen Städt' und Felder; es ruht die ganze Welt. — Aber
verhält es sich so, wie es dem einfältig frommen Sinne in diesem Bilde
däucht? Ist die Erde das Universum? Und schlummert auch in den Höhen
das Leben ein, wenn es hier unten schlafen geht? Ueberdies, ruht denn die
ganze Erde, wenn uns die Nacht grüßt? Wandert nicht des Tages wohl-
thätige Herrin, die Sonne, wenn sie uns verläßt, den Bewohnern der ent-
gegengesetzten Erdhälfte zu? Für wen ist die Nacht, Staubgenossen? Für
uns ist Nacht. Wir können einen Tag, der nimmer endet, noch nicht leben.
Für Gott ist keine Nacht. Denn auch Finsterniß ist nicht finster bei
ihm. Die Nacht leuchtet, wie der Tag; Finsterniß ist, wie das Licht. Und
was ist, wenn ihr wähnet, es ruhe Alles auf der nachtumschatteten Erde?
Feiert nun die gesammte Thätigkeit? Werdet ihr nun keine Spur des Lebens
gewahr? Hat er nun weggenommen seinen Odem und zurückgezogen seine
Hand, der allwaltende Weltgeist? — Durchwandert die Finsterniß! Hört ihr
die Gesänge und den Reigen? Es ist eine fröhliche Schar, die den Tanzsaal
lieber hat, als den Schlaf. Seht ihr den weitherstrahlenden Kerzenschein?
Er umglänzt eine festliche Tafel, die noch lang nicht aufgehoben sein wird.
Bemerkt ihr das matte, einsame Licht dort? Es leuchtet einem stillen Denker,
der in Nachforschungen sich vertieft hat; einem fleißigen Arbeiter, dem der
Tag zu kurz ist für das lange Bedürfniß; einem armen Kranken, der die
Stunden der Ruhe unter folternden Schmerzen durchkämpfen muß.
Gehet in einer Sommernacht über Feld! Hier zirpt eine Grille. Da
schlägt eine Wachtel. Dort summt ein Küfer. Da ruft es im Schilfrohr.
Hier rauscht ein Wild aus dem Dickicht. Dort schallt es herüber, wie Wächter-
horn, ovn den Hütten der Menschen. Ueber euch hin schwirrt im ungewissen
Flug die Eule, und im Gebüsche flüstern auf euch hernieder die Träume der
schlafenden Vöglein. — Könntet ihr vollends sehen, was ihr nicht seht, und
1*
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stillstandes abgelaufen war! Angstvoll sah man der Mitternachtsstunde des
5. Januars entgegen; denn da war dieser Waffenstillstand zu Ende. Da
wohnte nun am Eingänge der Stadt, nach der Seite hin, wo der Feind
stand, eine alte, fromme Frau, Großmutter von einem zwanzigjährigen
Enkel, der nebst seiner schon ziemlich bejahrten Mutter mit der alten Frau in
einem Hause wohnte. Betete sie in guten Tagen, was sollte sie nicht in
bösen beten! Ja, ja, die Zeit der Noth ist just die Zeit, wo man nur ganz
dreist zu Gott kommen darf, wenn man auch sonst nicht zu ihm gekommen ist;
denn die Noth ist sein gewöhnliches Einladungsschreiben an harte Herzen, daß
sie weich werden sollen und ihn suchen. Die gute Frau betete nun in diesen
Tagen ganz einfältiglich mit Inbrunst den Vers eines alten Kirchenliedes:
„Eine Mauer um uns bau',
Daß dem Feinde davor grau'!"
§. 3. Das hörte der Enkel. „Ei, Großmutter," sagte er, „wie
mögt ihr doch um ein so unmögliches Ding bitten, daß der liebe Gott gerade
um euer Haus eine Mauer bauen soll, daß der Feind nicht dazu kommt?" —
„Das wilk ich damit auch nicht gesagt haben," versetzte sie, „sondern ich
hab's anders gemeint, nämlich der Herr wolle gnädiglich uns und unsere
Stadt vor dem Feinde beschützen und bewahren; das habe ich mit dem Gebete
sagen wollen. Aber was Lenkst du denn? Wenn's nun Gott eben auch ge-
fiele, so eine Mauer um uns her zu bauen, meinst du, daß er das nicht
könnte?"
§. 4. Nun kam denn jene gefürchtete Stunde. Die feindlichen Vor-
posten rückten von allen Seiten in Schleswig ein; die dänischen Truppen
hatten sich schon Tags vorher zurückgezogen, und immer mehr kleine Ab-
theilungen kamen nach. Das Haus der alten Frau lag ziemlich hervorstechend
vor anderen Häusern an der Heerstraße; desto eher und desto häufiger hätte
sie also von den Soldaten besucht werden sollen; wohl sah sie, daß sie zu den
Häusern ihrer Nachbarn ritten und da Allerlei verlangten; aber zu ihr kam
keiner: Alles ritt vor ihr vorbei.
§. 5. Das ging nun so zu: Bisher hatte es fast gar nicht geschneit;
erst am 5. Januar war ein großes Schneegestöber, und an: Abende dieses
Tages kam Sturm dazu, und das Gestöber wurde so heftig, als man es
selten sieht. Vier Pulk Kosaken fanden den Weg um die Stadt, den sie ziehen
sollten, verschneit und warfen sich nun in die Stadt hinein, blieben aber alle
in dem Theile derselben, der ihnen am nächsten war, und der ziemlich weit
von dem größern entfernt liegt. Darum wurden dort die Häuser mit Sol-
daten überladen, so daß wohl 60—70 Mann sich in mehrere der Wohnungen
ein quarrten, die um das Haus der alten, frommen Frau lagen. Schreck-
lich ging's da zu; aber zu der alten Frau wollte keiner der wilden Fremdlinge
kommen, nicht einmal an ihr Fenster klopfte einer.
§. 6. Deß' wunderten sich denn Großmutter, Tochter und Enkel gar
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sehr, und wie war's denn auch nur zugegangen? — Das fand sich gleich am
andern Morgen. Der Glaube hatte der guten Frau geholfen. Wer glaubt,
dem hält der Herr oft ganz wörtlich Wort, und das that er auch hier. Denn
in der Nacht hatte er wirklich eine Mauer um das Haus gebaut: ein manns-
hoher Schnecbcrg zog sich vor dem Hause her, daß die Kosaken wohl hatten
von ihm wegbleiben müssen. „Siehst du mm," sagte die Großmutter zum
Enkel, daß Gott auch eine Mauer um uns bauen kann!" Der Enkel
staunte den Schneeberg an und schämte sich seines Unglaubens.
6. Die G ott es m au er.
Drauß vor S ch l e s w i g an der Pforte
Wohnen armer Leute viel.
Ach! des Feindes wilder Horde
Werden sie das erste Ziel.
Waffenstillstand ist gekündet;
Dänen ziehen aus zur Nacht;
Russen, Schweden sind verbündet,
Brechen ein mit wilder Macht.
Drauß vor Schleswig, weit vor allen
Liegt ein Hüttlein ausgesetzt.
Drauß vor Schleswig in der Hütte
Singt ein frommes Mütterlein:
„Herr! in deinen Schoß ich schütte
Alle meine Sorg' und Pein!"
Doch ihr Enkel, ohn' Vertrauen,
Zwanzigjährig, neu'ster Zeit,
Hat, den Bräutigam zu schauen,
Seine Lampe nicht bereit.
Drauß vor Schleswig in der Hütte
Singt das fromme Mütterlein.
„Eine Mauer um uns baue!"
Singt das fromme Mütterlein;
„Daß dem Feinde vor uns graue,
Nimm in deine Burg uns ein!"
„Mütter!" spricht der Weltgesinnte.
„Eine Mauer uns um's Hans
Kriegt fürwahr nicht so geschwinde
Euer lieber Gott heraus."
„Eine Mauer um.uns baue!"
Singt das fromme Mütterlein.
„Enkel, fest ist mein Vertrauen;
Wenn's dem lieben Gott gefüllt,
Kann er uns die Mauer bauen;
Was er will, ist wohl bestellt."
Trommeln rumdidum rings prasseln;
Die Trompeten schmettern drein;
Rosse wiehern; Wagen rasseln;
Ach! nun bricht der Feind herein!
„Eine Mauer um uns baue!"
Singt das fromme Mütterlein.
Rings in alle Hütten brechen
Schweb' und Russe mit Geschrei,
Fluchen, lärmen, toben, zechen;
Doch dies Haus geh'n sie vorbei.
Und der Enkel spricht in Sorgen:
„Mutter, uns verräth das Lied!"
Aber sieh', das Heer vom Morgen
Bis zur Nacht vorüberzieht.
„Eine Mauer um uns baue!"
Singt das fromme Mütterlein.
Und ani Abend tobt der Winter;
Um die Fenster stürmt der Nord;
„Schließt die Laden, liebe Kinder!"
Spricht die Alte und singt fort.
Aber mit den Flocken stiegen
Nur Kosakenpulke 'ran;
Rings in allen Hütten liegen
Sechszig, auch wohl achtzig Mann.
„Eine Mauer um uns baue!"
Singt das fromme Mütterlein.
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eine Thalschlucht das Wirthshaus vor sich, einsam, an einem über Granit-
gestein rauschenden Bache gelegen.
Die Wirthsleute blickten ganz besonders auf die Reisenden; der Hund,
den der eine der Reisenden bei sich hatte, wollte nicht über die Schwelle gehen,
sondern lief winselird und heulend vor der Thüre herum, bis ihn der Wirth
mit den Worten: „Das kleine Hündchen fürchtet sich vor unsenn großen
Hunde; der thut ihm aber Nichts," auf den Arm nahm und in's Haus trug.
Da wurde es den Reisenden ganz unheimlich zu Muthe; sie waren so ziemlich
still, bis das Abendessen kam und hernach beim Rauche des Tabaks und einem
Glase Bier die Gespräche der jugendlichen Redseligkeit wieder angesponnen
wurden.
In der Mitte des Zimmers stand eine dicke, hölzerne Säule, welche
vom Boden bis zur Decke hinausragte und diese zu stützen schien. Um diese
Säule herum ordnete jetzt die Hausmagd das Nachtlager von Stroh für die
jungen Reisenden so an, daß die Kopfkissen, die man auf die Lehnen der um-
gestürzten hölzernen Stühle gelegt hatte, an die Säule zu liegen kamen. Die
jungen Leute wunderten sich über diese Einrichtung ihres Nachtlagers und
fragten nach der Ursache derselben; die Hausmagd antwortete scherzend, es
geschehe deßhalb, damit die jungen Herren mit Händen und Füßen hübsch
weit und bequem aus einander liegen und bei Nacht keinen Streit anfangen
könnten. Die Jünglinge lachten und ließen sich die Anordnung gefallen.
Sie waren alle von dem schlechten Wege ziemlich ermüdet; als daher
in dem Wirthshause, wo außer ihnen kein einziger Gast übernachtete, Alles
still geworden war, beschlossen sie, sich zur Ruhe zu begeben. Vorher aber
verriegelten sie die Thüre und nahmen ihre guten Waffen zur Hand. Die
Jünglinge der damaligen Zeit pflegten aber stets auf mehr als eine Weise ge-
waffnet zu gehen. Man schämte sich weder zu Hause, noch auf Reisen des
gemeinsamen, lauten Gebetes am Morgen und bei Tische oder des Abends
vor dem Schlafengehen, und selbst die Fuhrleute jener Zeit sah man niemals der
ersehnten Ruhe sich überlassen, bevor sie nicht aus ihrem Reisegebetbuche oder
aus dem Gedächtnisse und Herzen ein christliches Gebet gesprochen hatten.
Unter jenen acht Jünglingen waren überdies einige, welche die Lehren der
damaligen ernsten Gottesgelehrten in Halle und Jena nicht bloß mit den Ohren,
sondern mit dem Herzen erfaßt hatten. Unsere Jünglinge beteten daher mit
einander das kindlich kräftige, herrliche Abendgebet aus Arndts Paradies-
gärtlein, das Gebet, das an Ernst und Innigkeit nie von einem anderen
Abendgebete übertroffen worden ist, und dann das alte, gute Lied: „Herr,
es ist von meinem Leben wiederum ein Tag dahin." Der Großoheim erzählte,
da der Vers gebetet worden sei: „Steure den gottlosen Leuten, die im Fin-
steren Böses thun," da habe ihn ein Schauer, aber auch ein Gefühl des
festen Vertrauens auf Gottes Schutz ergriffen.
So, mit den Waffen in der Hand und im Herzen, legten sich denn
unsere acht Reisenden nieder. Aber einen unter ihnen lies; eine unerklärliche
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V
21. Dem Mordgewühl entrafft sich
kaum
Das Wild mit immer schwächermlauf.
Mit Blut besprengt, bedeckt mitschaum,
Nimmt jetzt des Waldes Nacht es auf.
Tief birgt sich's in des Waldes Mitte
In eines Klausners Gotteshütte.
22. Risch ohne Rast mit Peitschen-
knall,
Mit Horridoh und Hussasa
Und Kliff und Klaff und Hörnerschall
Verfolgt's der wilde Schwarm auch da.
Entgegen tritt mit sanfter Bitte
Der fromme Klausner vor die Hütte.
- 23. „Laß ab, laß ab vvn dieser
Spur I
Entweihe Gottes Freistatt nicht!
Zum Himmel ächzt die Kreatur
Und heischt von Gott dein Strafgericht.
Zum letzten Male laß dich warnen;
Sonst wird Verderben dich umgarnen."
24. Der Rechte sprengt besorgt
heran
Und warnt den Grafen sanft und gut.
Doch daß hetzt ihn der linke Mann
Zu schadenfrohem Frevelmuth.
Und wehe! Trotz des Rechten Warnen
Läßt er vom Linken sich umgarnen!
25. „Verderben hin, Verderben
her!
Das," ruft er, „macht mir wenig
Graus,
Und wenn's im dritten Himmel wär',
So acht' ich's keine Fledermaus.
Mag's Gott und dich, du Narr, ver-
drießen,
So will ich meine Lust doch büßen!"
26. Er schwingt die Peitsche, stößt
in's Horn:
„Halloh, Gesellen, drauf und dran!"
Hui, schwinden Mann und Hüte vorn,
Und hinten schwinden Roß und Mann;
Und Knall und Schall und Jagdge-
brülle
Verschlingt auf einmal Todtenstille.
27. Erschrocken,blickt der Graf um-
her;
Er stößt in's Horn; es tönet nicht;
Er ruft und hört sich selbst nicht mehr;
Der Schwung der Peitsche sauset nicht;
Er spornt sein Roß in beide Seiten
Und kann nicht vor-, nicht rückwärts
reiten.
28. D'rauf wird es düster um ihn
her
Und immer düstrer, wie ein Grab.
Dumpf rauscht es wie ein fernes Meer.
Hoch über seinem Haupt herab
Ruft furchtbar mit Gewittergrimme:
Dies Urtheil eine Donnerstimme:
29. „Du Wüthrich, teuflischer Na-
tur,
Frech gegen Gott und Mensch und
Thier,
Das Ach und Weh der Kreatur
Und deine Missethat an ihr
Hat laut dich vor Gericht gefordert,
Wo hoch der Rache Fackel lodert.
29. Fleuch, Unhold, fleuch, und
werde jetzt
Von nun an bis in Ewigkeit
Von Höll' und Teufel selbst gehetzt
Zum Schreck der Fürsten jederzeit.
Die, um verruchter Lust zu fröhnen,
Nicht Schöpfer, noch Geschöpf ver-
schonen!"
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31. Ein schwefelgelber Wetter-
schein
Umzieht hierauf des Waldes Laub.
Angst rieselt ihm durch Mark und
Bein;
Ihm wird so schwül, so dumpf und
taub.
Entgegen weht ihm kaltes Grausen;
Dem Nacken folgt Gewittersausen.
32. Das Grausen weht; das Wetter
saust,
Und aus der Erd' empor, huhu!
Fährt eine schwarze Niesenfaust;
Sie spannt sich auf; sie krallt sich zu;
Hui! will sie ihm beiin Wirbel packen;
Hui! steht sein Angesicht ini Nacken.
33. Es stimmt und flammt rund
um ihn her
Mit grüner, blauer, rother Gluth;
Es wallt um ihn ein Feuermeer,
Darinnen wimmelt Höllenbrut.
Hoch fahren tausend Höllenhunde,
Laut angehetzt, empor vom Schlunde.
34. Er rafft sich auf durch Wald
und Feld
Und flieht laut heulend Weh und
Ach;
Doch durch die ganze weite Welt
Rauscht bellend ihm die Hölle nach,
Bei Tag tief durch der Erde Klüfte,
Um Mitternacht hoch durch die Lüfte.
35. Fm Nacken bleibt sein Antlitz
stch'n.
So rasch die Flucht ihn vorwärts reißt,
Er muß die Ungeheuer seh'n,
Laut angehetzt vom bösen Geist;
Muß sehen das Knirschen und das
Zappen
Der Rachen, welche nach ihm schnap-
pen. —
36. Das ist des wilden Heeres
Jagd,
Die bis zum jüngsten Tage währt
Und oft den Wüstling noch bei Nacht
Zu Schreck und Graus vorüberfährt.
Das könnte, müßt' er sonst nicht
schweigen,
Wohl manches Jägers Mund bezeugen.
Bürger.
20. Fragment aus einer Predigt.
Die Wahrheit sollen wir reden; nicht bloß nach der Wahrheit, sondern
auch für die Wahrheit sollen wir sprechen. Sprechen wir nach der Wahrheit:
so drücken wir nichts Anderes aus, als was in unserer Seele ist; so herrscht
zwischen unsern Worten und Gedanken, zwischen unsern Reden und Empfin-
dungen die genaueste Uebereinstimmung; so erklären wir uns selbst dann nicht,
anders, wenn es Ueberwindung kostet, redlich zu sein, wenn wir unserer Frei-
müthigkeit wegen Verdruß und Schaden zu fürchten hahen. — Und sprechen'
wir für die Wahrheit: so heben wir jeden Mißverstand, widerlegen jeden Irr-
thum, vertilgen jeden Wahn, theilen jede nützliche Kenntniß mit, verbreiten
jede heilsame Entdeckung , befördern jede wohlthätige Kunst und Wissenschaft
und verkündigen, vertheidigen jede Lehre, jedes Gebot der Vernunft und
Religion.
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9. Die Kreuz sch au.
Der Pilger, der die Höhen überstiegen,
Sah jenseits schon das ausgespannte Thal
In Abendgluth vor seinen Füssen liegen.
Auf duft’ges Gras, im milden Sonnenstrahl,
Streck’t er ermattet sieh zur Ruhe nieder,
Indem er seinem Schöpfer lieh befahl.
Ihm sielen zu die matten Augenlider;
Doch seinen wachen Geist enthob ein Traum
Der ird sehen Hülle seiner trägen Glieder.
Der Schild der Sonne ward im Himmelsraum
Zu Gottes Angesicht, das Firmament
Zu seinem Kleid, das Fand zu dessen Saum.
„Du wirst dem, dessen Herz dich Vater nennt,
Nicht, Herr! im Zorn entziehen deinen Frieden,
Wenn seine Schwächen er vor dir bekennt.
Dass, wer auf Erden lebt, fein Kreuz hienieden
Auch duldend tragen muss, ich weiss es lange;
Doch sind der Menschen Last und Leid verschieden.
Mein Kreuz ist allzu schwer; lieh’! ich verlange
Die Last nur angemessen meiner Kraft;
Ich unterliege, Herr! zu hartem Zwange.“
Wie so er sprach zum Höchsten kinderhast,
Kam brausend her der Sturm, und es geschah,
Dass aufwärts er lieh fühlte hingerafft.
Und wie er Roden fasste, fand er da
Sich einsam in der Mitte räum’ger Hallen,
Wo ringsum, sonder Zahl, er Kreuze sah.
Und eine Stimme hört er dröhnend schallen:
„Hier aufgespeichert ilt das Leid; du haft
Zu wählen unter diesen Kreuzen allen!“
Versuchend ging er da, unschlüssig fast,
Von einem Kreuz’ zum anderen umher,
Sich auszuprüsen die bequem’re Last.
Dies Kreuz war ihm zu gross und das zu schwer;
So schwer und gross war jenes andre nicht,
Doch, scharf von Kanten, drückt es desto mehr.
Das dort, das warf, wie Gold, ein gleissend’ Licht;
Das lockt ihn, unversucht es nicht zu lassen;
Dem goldnen Glanz entsprach auch das Gewicht.
Er mochte dieses heben, jenes fallen,
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TM Hauptwörter (100): [T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel]]
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erschienen nämlich Abgeordnete von dem türkischen Fürsten Mähm ud, in
dessen Gebiet der Kaiser eingefallen war, und meldeten ihm: die beiden Kna-
den befänden sich zwar in der Gefangenschaft ihres Herrn, es wolle derselbe sie
aber dein Kaiser zurückgeben, da er wohl erfahren, wie lieb ihm diese Kinder
wären, sobald der Kaiser auf der Stelle das Gebiet Mahmuds zu verlassen
und die gemachte Eroberung und Beute zurückzugeben verspreche. Wenn der
Kaiser diese Bedingungen aber nicht annehmen wolle, so werde sich Fürst
Mahmud mit den beiden Knaben auf seine feste Burg am Meere zurückziehen,
und ob er dort sich gleich für unbesiegbar halte, so werde er doch die Knaben
auf der Stelle umbringen lassen, sobald der Kaiser einen Angriff auf die Burg
wage. Er habe daher keine Hoffnung, seine Lieblinge jemals wieder zu sehen,
im Fall er diesen Vertrag nicht eingehen wolle.
Wie schmerzlich der Kaiser auch durch diese Nachricht überrascht war, so
empörte sich dennoch sein ritterlicher Sinn gegen ein solches Anerbieten.
„Sagt eurem Fürsten," rief er den Gesandten zu, „ich verachte seinen Vor-
schlag; denn cs läuft meiner kaiserlichen Ehre zuwider, die Knaben durch solche
Mittel zu befreien. Sagt ihm, ich würde mit Gott wohl einen andern Weg
dazu ausfinden, der eines Helden und Kaisers würdig ist; er aber haste mir
mit seinem Kopfe für das Leben meiner Kinder!"
Mit dieser Antwort ließ er die Gesandten zurückkehren. Mahmud that
hierauf, wie er gesagt hatte; er begab sich mit den beiden Knaben auf das
Schloß am Meere, das für eine unbesiegbare Feste galt. Von der Landseite
führte ein schmaler, leicht zu vertheidigender Damm, dessen Brücken überdies
augenblicklich abgebrochen werden konnten, nach dem Schlosse.und auf der Seite
nach dem Meere zu war ein großer Zwinger angelegt, in w schein eine Anzahl
reißender Thiere als die sichersten, furchtbarsten Wächter des Schlosses gehalten
wurden. Hier nun beschloß Mahmud zu erwarten, was der Kaiser unterneh-
men werde. Er kannte die Kühnheit dieses Helden und glaubte, ihr nur auf
diese Weise Schranken setzen zu können. Bisher hatte Mahmud die beiden
Knaben in der strengsten Gefangenschaft und entfernt von sich gehalten; hier
aber in dieser einsamen Feste sah er sie täglich und fühlte sich nach und nach
zu ihnen hingezogen. — Die Knaben waren anfangs wohl sehr niederge-
schlagen und besonders durch den Tod ihres Lehrers innig betrübt gewesen;
bald aber, nachdem sie bemerkten, daß die Feinde einen hohen Werth auf ihren
Besitz legten, hatten sie sich in ihr Schicksal gefunden; denn sie achteten sich
nunmehr den übrigen Kriegern gleich und wollten nach Rittersitte und mit
männlichem Muthe ihre Gefangenschaft ertragen, bis sie ihr väterlicher Freund,
der Kaiser, wieder befreien werde. Es kam keine Klage mehr über ihre Lippen;
sie sprachen sich gegenseitig Geduld und Muth zu, und selbst keine Bitte um
Linderung ihrer schweren Gefangenschaft konnte ihnen «erpreßt werden. — Als
sie unter sicherer Begleitung in die feste Burg am Meere gebracht worden
waren, ließ ihnen Mahmud die Fesseln abnehmen und sie vor sich führen. Er
eröffnete ihnen hier mit strengen Worten, daß der geringste Versuch, den sie
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oder der Kaiser zu ihrer Befreiung unternehmen wollten, unausbleiblich ihren
Tod nach sich ziehen würde, und indem er ihnen die Bedingung nannte, unter
welcher er dem Kaiser ihre Freiheit versprochen, forderte er sie auf, einen Brief
an den Kaiser zu schreiben und ihn flehentlich zu bitten, das; er dies Alles er-
füllen möge, um sie zu retten, und so sein Wort zu lösen, das er ihrem ster-
benden Vater gegeben habe. — Aber die Knaben ließen sich durch keine Dro-
hung schrecken: sie verweigerten standhaft, was der türkische Fürst von ihnen
begehrte, und der älteste sagte: „Der Kaiser hat Recht, wenn er jene schimpf-
lichen Bedingungen verwirft; er tmiß recht gut, was er von uns fordern darf,
und daß wir für die heilige Sache eben so gern Freiheit und Leben opfern wer-
den, als es unser Vater that." Mahmud versuchte sie durch scheinbaren Zorn
zu schrecken und schilderte ihnen den qualvollen Tod, den er sie sterben lassen
werde. Aber der jüngere von den beiden Knaben sah ihm darauf in's Gesicht
und sagte: „Wir haben dich für einen edlen Feind gehalten, und als ein sol-
cher darfst und kannst du nicht also mit uns verfahren. Willst du dich jetzt vor
uns erniedrigen und uns glauben lassen, du seist grausamer, als ein wildes
Thier?" —. Mahmud erstaunte über diese Gesinnungen; er beschloß aber, die
Christenknaben noch härter zu versuchen. Er ließ sie in ihre Hast zurückführen,
sie strenger halten, als jemals, und ihnen kaum die dürftige Kost reichen. Als
sie mehrere Tage so zugebracht hatten, trat eines Abends der Gefangenwärter
zur ungewöhnlichen Stunde in ihren Kerker, brachte ihnen bessere Speisen,
gab ihnen sein Mitleid mit ihrem traurigen Schicksale zu erkennen, beklagte
sich selbst über die Grausamkeit und Härte seines unmenschlichen Gebieters und
forderte sie auf. ihm zu folgen. 'Er führte sie hieraus leise in ein Gemach, aus
welchem sie durch eine offene Thüre den Fürsten Mahmud ruhig auf seinen
Polstern schlummern sahen. Hier sagte er ihnen, daß er sie und auch sich selbst
zu rächen und zu retten bereit sei, daß der Nachen am Meere schon ihrer harre,
auf welchem er sie dem Kaiser wieder zuführen werde, daß sie, um ganz sicher
zu sein, jedoch erst dem schlummernden Tyrannen dort ihre Dolche in's Herz
stoßen müßten, wozu er einem jeden von ihnen einen Dolch in die Hand
drückte. Aber die Knaben wandten sich verachtend von dem Versucher und
wollten zurück in ihre Hast. Da sprach der Gefangenwärter: „Wenn ihr zu
einer kühnen That denn zu feig seid, so will ich allein für uns das Werk ver-
richten!" Hiermit schritt er mit erhobenem Dolche auf das Lager des Fürsten
zu. Aber so weit ließen es die ritterlichen Knaben nicht kommen; der älteste
fiel dem Sklaven in den Arm und hob seinen eigenen Dolch gegen ihn; der
jüngere aber sprang auf Mahmud zu, rüttelte ihn und rief: „Erwache! dein
Leben ist in Gefahr. Nimm diesen Dolch und vertheidige dich gegen einen
Meuchelmörder." — Da erhob sich der Türkenfürst, der nur scheinbar gcschlum-
nrert und Alles mit angehört hatte, von seinem Polster und sprach: „Behaltet
jene Dolche zum Andenken an mich! Ich werde diese Stunde auch nicht ver-
gessen." — Er ließ die Knaben nicht mehr in ihre Haft führen; sie mußten
fortan in seinernähe bleiben und wurden von ihm, wie Freunde, behandelt. —
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