Xxv. §. 6. Joseph Ii. und die völkerbeglückende Aufklärerei. 385
und Böhmen und Belgier über einen Kamm geschoren; da wurden
auf gut türkisch die höchstgestellten Officiere und Beamten, Barone
und Grafen mit den rohesten Vagabunden zusammen zum Straßenkeh-
ren oder Schiffsziehen verurtheilt, da wurden die Leibeignen nicht
bloß der Gewaltthätigkeit, sondern auch der schützenden Fürsorge ihrer
Gutsherren entzogen, die Juden den Christen gleichgestellt, kurz die
ganze bestehende Ordnung der Dinge umgeftürzt. Und nicht bloß
die bürgerliche, sondern auch die kirchliche. Keine Klöster mehr, keine
Jesuiten mehr, keine Inquisition, kein Gehorsam unter dem Papst.
Vergebens reiste Pius Vi. selbst nach Wien, um durch seine persön-
liche Erscheinung den radicalen Kaiser umzustimmen. Obgleich Jo-
seph gegen das Ende seines Lebens viele seiner Verordnungen zu-
rücknehmen mußte, so ward er doch nicht günstiger gegen die katho-
lische Kirche gestimmt. Mit herzlicher Wehmuth steht man den edlen
aber völlig bethörten Kaiser aus Gram über das Scheitern aller sei-
ner Plane in's Grab sinken.
Und wie viele andere katholische und protestantische Fürsten oder Mini-
ster gruben sich durch gleiche Bethörung selbst ihr Grab und brachten den
Staat in heillose Verwirrung. Die beiden südlichen Halbinseln, die italieni-
schen Staaten, besonders Neapel unter Tanucci, Spanien unter
Wall und S quillace, Portug al unter Carvalho, waren in dersel-
den unheilvollen Bewegung. Alle Rechte, Lebensgewohnheiten, Beschäfti-
gungen, Trachten der Unterthanen wurden mit rücksichtslosester Mmister-
willkür umgestürzt. Mit Gewalt sollten die Leute durch Handel und Indu-
strie reich werden, durch französische Weisheit und unvernünftige Freiheits-
ideen aufgeklärt werden. Vergebens donnerte der Herr diesen verblendeten
Umfturzmenschen durch das furchtbare Erdbeben 1755 und die Zer-
störung des prachtvollen Lissabon ein warnendes Halt zu. Nach kur-
zer Unterbrechung trieb der fieberhafte Wahn sie weiter und weiter
auf dem betretenen Wege bis zum Untergang. Am Ende erreichte
sie alle der Arm des göttlichen Strafgerichts. Tanucci ward ge-
stürzt, Carvalho zum Tode verurtheilt (später jedoch begnadigt),
Squillace durch einen Pöbelaufstand verjagt, Ar and a in den Ker-
ker geworfen — aber mit ihrer Entfernung war das Unheil nicht wie-
der gut gemacht. Erst die Erschütterungen, welche die französische
Revolution auch in diesen Ländern hervorbrachte, offenbarte die Tiefe
und den Umfang der sittlichen Verwüstung, welche sie über ihr Land
gebracht. Und wenden wir uns von dem katholischen Süden zu dem
äußersten protestantischen Norden, so finden wir da dasselbe jammer-
volle Schauspiel. Auf dem schwedischen Königsthron saß ein fein-
TM Hauptwörter (50): [T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht]]
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Iv. §. 4. Cananiter inmitten Jsrael's.
35
der sie zur Ruhe bringt, ist das Vorspiel des rechten und wahren
Frievebringers Jesus. Auch der Name ist gleichlautend. Muß doch
auch das neutestamentliche Volk Gottes erst unter dem Zuchtmeister
Dioses gestanden, erst unter Furcht und Zittern die Gebote des Herrn
am Sinai gehört haben, erst tausendfach in der Wüste geprüft, geläutert
und gereinigt sein, ehe der rechte Josua es zur Ruhe bringen kann.
Ueberhaupt ist die Geschichte Israel ein vollständiger Abriß der zukünftigen,
nun auch schon zum größten Theil verlaufenen Geschichte der Kirche Christi.
Ja sie ist auch ein Spiegel für den Kreislauf jedes einzelnen Christen-
lebens; insonderheit der bisher besprochene Abschnitt der heiligen Ge-
schichte. Von der Taufe tm rothen Meere an, bis zur bewußten Bund-
schließung mit dem Herrn am Sinai, begleitet von dein mitfolgenden
Fels, welcher Christus ist, gespeist mit Himmelsbrod und getränkt mit
Lebenswasser, durch tausend Kämpfe und Gefahren hindurchgerettet,
schwer gezüchtiget für die wiederholten Ausbrüche der Sünde, neugebo-
ren in der Wüste, da das alte Geschlecht ausstarb und das neue her-
anwuchs, so kamen sie endlich, so kommt der müde Christenpilger nach
mühevoller Irrfahrt zu den Grenzen des heiligen Canaan, da sie ru-
hen sollten.
§. 4. Cananiter inmitten Jsrael's.
Wie sich wunderbar das Meer vor ihnen getheilt hatte beim
Auszug aus Aegypten, so theilte sich wunderbar der Strom vor
Israel beim Eingang in's Land Canaan. Derselbe Gott, der damals
ihnen eine Rettungslhür geöffnet vor ihren Feinden, öffnete ihnen jetzt
die verschlossene Eingangspforte in das Herz des verheißenen Lan-
des, stürzte die Mauern der Stadt Jericho, die als Schlüssel des
Gebirges Ephraim gelten konnte, und machte die Kinder Israel zu
Meistern dieser wichtigsten militärischen Position. Durch sie war die
feindliche Macht von vorn herein in zwei Hälften getrennt. Da ward
es ihnen leicht, erst nach Süden hin die fünf vereinigten Könige der
Amoriter im Thal Gibeon zu schlagen und steh das Gebirge Juda
zu unterwerfen; dann sich nach Norden kehrend auch die Macht des
gefürchteten Cananiterkönigs zu Hazor zu brechen und somit den
Norden wie den Süden des Landes sich zu öffnen. Aber man sieht
leicht, daß durch diese Feldzüge und Schlachten die Aufgabe des
Josua bei Weitem noch nicht gelöst war. Er sollte das ganze Ca-
naan, von der Meeresküste an bis an den Jordan, nicht bloß über-
wältigen, sondern auch einnehmen, die heidnischen Völker nicht bloß
schlagen und schwächen, sondern auch ausrotten. Bisher aber war
nur das Erste geschehen. Ausgerottet waren die Cananiter und
Amoriter noch keineswegs. Sie wohnten noch überall in ihren festen
Städten, besonders in den Niederungen des Landes. Die eigentliche
3'
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T11: [Reich König Land Stadt Jerusalem Jahr Syrien Sohn Aegypten Zeit], T17: [Meer Fluß Gebirge Land Hochland See Halbinsel Osten Norden Süden]]
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Extrahierte Personennamen: Cananiter Frievebringers_Jesus Josua Christus Christenpilger Cananiter Jordan
Extrahierte Ortsnamen: Gottes Israel Christi Israel Jericho Israel Gibeon Juda
Iv. §. 5. Die Eqnanitcr cun Meer (Phönizier). 37
Eigentümer zurückfällt, unmöglich gemacht. Die Abgaben, welche
Jeder zu geben hat, sind Dankopfer, welche dazu dienen sollen, das
Nationalheiligthum und die Diener desselben, die Priester und Leviten,
zu unterhalten. Diese letzteren aber haben die Verpflichtung, nicht
bloß den Tempeldiensi zu besorgen, sondern auch die Kenntniß des Ge-
setzes im Volke lebendig zu erhalten. So sollte das Volk ohne mensch-
lische Herrscher, lediglich durch die natürliche Autorität der Aeltesten
und Priester in der Befolgung der göttlichen Gesetze und in sittlicher
Reinheit erhalten werden — ein Musterstaat, nicht bloß für alle Nach-
barn, sondern auch für die gcsammte Nachwelt. Aber dieser Muster-
staat ist nie zu Stande gekommen. Mit den Cananitern in seiner
Mitte konnte er nicht bestehen. Die Reinheit war dahin; das Gottes-
volk hatte die gottvergessene und abgefallene Welt unter sich zugelassen,
und lebte mit ihr in vertraulichem Verkehr — ein trauriges Zeichen,
daß die Aufrichtung und Erhaltung eines reinen und heiligen Staa-
tes in dieser sündigen Welt nicht ausführbar ist. Aber an die Ein-
zelnen im Staate ergeht nichts desto minder die unabweisliche Forde-
rung, heilig zu sein, gleich wie Gott heilig ist, und seinen Geboten
zu folgen.
§. 5. Die Cananiter am Meer (Phönizier).
Lassen wir zunächst die weitere Führung des Volkes Israel aus
den Augen, und fragen nach den ferneren Schicksalen der Cananiter.
Ein furchtbares Strafgericht war über sie ergangen, wenn auch nicht
in der ganzen Ausdehnung, wie der Herr es angekündigt hatte.
Zwar nicht die sündliche und strafwürdige Nachlässigkeit der Israeliten
brachte dem Ueberrest noch eine Gnadenfrist, denn der Herr hätte ja viel
andere Mittel in Händen gehabt, sie vollends zu vertilgen. Aber „sein
Erbarmen ist zu groß und reuet ihn bald der Strafe." Die canani-
tischen und amoritischen Stämme am Jordan, in Gilead und Basan
waren wirklich ausgerottet. Im eigentlichen Canaan waren sie
besiegt und zinspflichtig geworden, unzählige waren getödtet, andere
geflüchtet. Eben damals begannen die massenhaften Auswanderungen
der Cananiter über's Meer. Im nördlichen Afrika soll sich noch in
später Zeit eine Denksäule erhalten haben mit der Inschrift: daß
ihre Vorfahren dorthin geflüchtet seien vor Josua, dem Räuber ih-
res Landes. Aber durch alle diese Einbußen wurde doch der Lebensnerv
der cananitischen Macht und ihre Bedeutsamkeit für die Weltgeschichte
keineswegs berührt. Auch da sie durch spätere Erstarkung des Vol-
kes Israel noch tiefer gedemüthigt wurden, da ihr wieder erneuertes
Reich im nördlichen Canaan durch Barak und Debora vernichtet,
da das ganze Gebirgsland ihnen verschlossen ward und nur noch der
schmale Küstenstreif am Libanon hin ihnen übrig blieb, waren sie
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Extrahierte Personennamen: Josua Barak Debora
Extrahierte Ortsnamen: Jordan Gilead Afrika Israel
14
Ii. §. 3. Das Hervortreten der geschichtlichen Völker.
§. 3. Das Hervortreten der geschichtlichen Völker.
Von nun an bekommt die Geschichte der Menschheit einen be-
stimmten Kern und Mittelpunkt, um den sich Alles, wenn auch unbe-
wußt, wie um seine Sonne dreht — das ist das Volk Gottes, zu-
nächst Abraham's Same. In dem Maße, wie die übrigen Völker
mit diesem Volk Gottes in Berührung kommen, gewinnen sie Bedeu-
tung für die allgemeine Geschichte. Je weiter sie von ihm entfernt
liegen, desto mehr bleibt über ihre Entwickelung und Geschichte tiefe
Nacht und Nebel ausgebreitet; und die allgemeine Weltgeschichte
übergeht sie mit Stillschweigen. So scheiden sich sofort von selber
aus: die meisten Völker Japhet's im hintern, östlichen und nörd-
lichen Asien, auch das indische und chinesische, nicht minder die alten
Völker des nördlichen Europa, und fast alle Nachkommen Ham's.
Nur diejenigen Völker und Staaten, welche zwischen dem k a spi scheu
und persischen Meer, und in den Uferländern des mittelländi-
schen Meeres wohnen, also die um das Land Canaan wie um
ihren geographischen Mittelpunkt herumliegen, kommen demnächst für
die Weltgeschichte in Betracht, und zwar bis auf die Aufrichtung
des Reiches Christi ausschließlich nur diese: also Aegypten und
Syrien, die Länder und Völker am Eufrat und Tigris und in
Persien, und die griechischen Völker in Asien und Europa, zu
denen erst ganz zuletzt auch noch die Römer sich gesellen.
Nachdem aber Christus der Herr auf Erden erschienen und von
den Juden verworfen ist, versetzt sich die Weltgeschichte auf einen
ganz andern Schauplatz, von Osten nach Westen und Norden. Statt
Jerusalem wird Rom der Mittelpunkt des Königreichs Christi
und damit auch zugleich den Mittelpunkt, um welchen die Geschichte der
fünfzehn folgenden Jahrhunderte nach Christo sich dreht. Deutsch-
land aber ist es, und die germanischen Völker, welche dieses Rom
mit ihrem Herzblut nähren, und da der aus Aberglaube und Herrsch-
sucht aufgebaute Papstthron endlich erschüttert wird und das Papst-
reich zerbricht, bleibt Deutschland das Herz, von dem die näh-
renden Säfte in alle Glieder der europäischen Christenheit überströ-
men, und das deutsche Volk daö Volk der Wahl aus Japhet's
Stamme; gleichwie Israel, das nun zersprengte und zertretene, aber
zu einer herrlichen Wiederherstellung aufbewahrte Israel das Volk
der Wahl aus Sem's Geschlechtern war und als solches auch der-
einst noch wiederum erscheinen wird. Um Deutschland her lagern
sich die übrigen losgerissenen Theile des alten Papstreichs. Nach
TM Hauptwörter (50): [T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte], T11: [Reich König Land Stadt Jerusalem Jahr Syrien Sohn Aegypten Zeit], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
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Extrahierte Personennamen: Christus
Extrahierte Ortsnamen: Gottes Gottes Europa Christi Syrien Persien Asien Europa Christi Christo Deutschland Israel Israel Deutschland
170 Xiii. §. 2. Natur der Völker, denen die neue Aufgabe zufiel.
miteinander wetteifernd, saßen auf den Gebirgen und indem eigentlichen
Mittelpunkte Italiens die oökischen und sabellischen Stämme, inson-
derheit die Sabiner und Samniter, mit denen es die römische
Geschichte am meisten zu thun hat. Ihre Gottesverehrung giebt
Zeugniß zugleich von ihrer praktischen Tüchtigkeit (Erde, Feuer, Ehe,
Krieg waren ihre Getter), und nicht minder von ihrer sittlichen Strenge,
denn auch die abstrakten Begriffe Mitleid, Treue, Barmherzigkeit, Jugend,
Rechtschaffenheit, Eintracht u. s. w- wandelten sich ihnen in Gottheiten um.
Das italische Volk, mit welchem wir es bei der römischen Ge-
schichte zunächst zu thun haben, gehört dem großen semitischen Urstamm
au, und zwar dem weitverzweigten indogermanischen oder arischen
Geschlecht, aus welchem nicht bloß die Inder und Perser, sondern auch
die Griechen und die Italiker, nicht minder auch die Kelten, Germa-
nen und Slaven hervorgegangen sind. Während die drei letzteren
Völkerstämme das mittlere Europa in Besitz nehmen, die Inder dage-
gen und die Perser in der Nähe ihrer asiatischen Heimath blieben,
haben sich die Griechen und die Italiker auf den zwei schönen Halb-
inseln des Mittelmeeres niedergelassen, welche die Geschichte des classi-
schen Alterthums noch heute stets in engster Verbindung zu nennen ge-
wohnt ist. Die Zusammengehörigkeit der beiden Völker ist so augen-
fällig, daß man gern nach einem Punkte sucht vor dem Anfang der
griechischen und italischen Geschichte, wo beide Völker noch ein Ganzes
ausmachten. Vielleicht daß man sie in grauer Vorzeit sich in dem
vorder« Theile Klein-Asiens noch als ein einiges Volk zusammenwoh-
nend denken darf. Von dort zogen sie, „da ihre Lippen zertheilt
wurden," auf verschiedenen Pfaden nachdem Westen ab, die einen um
in der Nähe des ägäischen Meeres zu bleiben, die anderen um jenseit des
adriatischen Meeres sich eine neue Heimath zu suchen. Dort theilte sich
dann der italische Hauptstamm wieder in eine Menge einzelner Zweige,
unter deren Namen uns besonders die der Umbrer, Samniter, Latiner und
Sabiner entgegentreten. Die Sabiner, die nebst den Latinern bei
der Gründung Rom's vorzugsweise betheiligt waren, gehörten zu den
kräftigsten und unverdorbensten unter den italischen Stämmen. Sie
führten ein einfaches, nüchternes, arbeitsames Leben, standen unter der
Leitung von Aeltesten oder Stammfürsten, und die schwächeren und unter-
geordneten Familien pflegten sich als Clienten unter den Schutz und die
Bevormundung der hervorragenden Bürger und Volksgenossen zu stellen.
Die Latiner scheinen nicht ganz ungemischten Ursprungs, sondern aus
der Verschmelzung des Sika n er oder Sikuler mit einem uralten, in
der Mitte Italiens ansässigen Volk, den Kaskern, erwachsen zu sein.
Es soll später noch ein dritter Bestandtheil hinzugekommen sein
und die Mischung vollständig gemacht haben, nämlich eine Flücht-
lingsschaar aus Klein-Asien, die sich aus den Trümmern Troja's
unter Leitung des Aeneas gerettet, und etwa 1200 Jahr v. Chr. an
der Küste von Latium gelandet sein soll. Das von ihnen erbaute Alba
TM Hauptwörter (50): [T22: [Volk Bewohner Sprache Land Bevölkerung Einwohner deutsche Religion Million Stamm], T23: [Rom Römer Krieg Italien Stadt Jahr Heer König Rmer Hannibal], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
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Extrahierte Ortsnamen: Italiens Europa Italiens Latium
33s Xix. §. 8. Karl der Große und die Slaven.
hätten sich da nicht alle tieferen Gemüther nach einem neuen, bessern
Halt, nach einem ewigen Evangelium sehnen sollen? Und konnte es
ihnen denn verborgen bleiben, daß sie selbst an ihrem Verderben Schuld
seien? Hatte nicht das Blut der ermordeten Friedensboten, wie der beiden
Ewalds in Westfalen, das Blut der unzähligen geschlachteten Ge-
fangenen längst wider sie um Rache gen Himmel geschrieen? War ihnen
denn in der schrecklichen Verwüstung ihres Landes etwas Anderes
geschehen, als was sie selbst seit Jahrhunderten, fast Jahr für Jahr an
ihren Nachbarn begangen? Sie haben es erkannt und sich gedemüthigt
und Buße gethan und haben sich willig zu den Füßen gesetzt eines
Liudger, eines Willehad und wie sonst die theuren Gottesmänner
weiter hießen, und haben mit Staunen und wachsender Begeisterung
die Kunde vernommen von dem Leben und Sterben des großen Her-
zogs unserer Seligkeit. Und mit welcher Innigkeit, mit welcher reli-
giösen Hingebung sie sich ihm anschlossen als ihrem himmlischen Ge-
folgsherrn, dem sie nachsolgen wollten in Noth und Tod, das ist
mit unvergleichlicher Klarheit zu ersehen aus der berühmten sächsischen
Evangelienharmonie „der Heliand", welche bald nach dem Tode Karl's
des Großen verfaßt ist, eins der Meisterwerke christlicher Kunst und
altdeutscher Poesie.
§. 8. Karl der Große und die Slaven.
Das Volk der Sachsen bildete nur einen vorgeschobenen gewal-
tigen Kerl der ungeheuren Heidenmasse, die noch den ganzen Norden
und Osten Europa's bedeckte. Die Dänen und Normannen, die un-
gezählten Stämme der slavrschen und finnischen und tatarischen Völ-
kerschaften, welche von den Oftufern der Elbe und Saale und von
den Ostgrenzen Bayerns, bis an das schwarze und weiße Meer und
bis in die Steppen Asiens hinein, die früheren Wohnsitze der altger-
manischen gothischen Stämme eingenommen hatten, sie saßen alle
noch im finstersten Heidenthum. Wie gern hätte Karl's christlicher
Eifer auch in diese tiefe Nacht hinein das Licht der Wahrheit getra-
gen. Aber dazu reichte der Wille und die Kraft auch des mächtig-
sten Sterblichen nicht aus. Gleichwohl griff der rastlose Karl soweit,
als nur irgend der Herr es ihm verstattete. Die Lage des neuero-
berten Sachsenlandes brachte es schon mit sich, daß er dessen Grenzen
gegen Norden und Osten gegen Dänen und Slaven zu sichern suchte.
Bei den Dänen genügten schon Karl's Drohungen und Kriegs-
rüstungen, um sie von ernstlicher Beunruhigung der Grenzen zurück-
zuschrecken. Aber die Slaven hinter der Elbe, die zum Theil mit
den Sachsen im engen Bundesverhältniß standen und ihnen zu neuen
Aufstandsversuchen immer neuen Anhalt und Aufmunterung boten,
machten mehrfache Heereszüge nöthig. Karl soll bis dahin vorge-
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Extrahierte Personennamen: Karl_der_Große Karl Karl_der_Große Karl Karl Karl
70 Vii. §. 2. Die einzelnen Bestandteile des Weltreichs und deren Mischung.
den und der Nachwelt zu bezeichnen. Daher hüllt sich Alles, was wir
außer der kurzen Andeutung in der heiligen Offenbarung 1 Mos. 10 über
die Anfänge jenes Reichs und Völkerlebens besitzen, in tiefe Nacht der
Sagen und Mythen. Persische und griechische Schriftsteller haben dar-
über berichtet, aber in höchst ungenügender Weise, und ihre Berichte
widersprechen einander. Erst den gelehrten und mühevollen Forschun-
gen unserer Tage scheint es aufbehalten zu sein, die uralten Denkmäler,
Paläste, Tempel, Inschriften und Documente des seit Jahrtausenden
begrabenen Ninive und Babylon aus ihrem fast vergessenen Grabe wie-
der an's Licht zu ziehen. Aber es werden noch Zeiten vergehen, bis
alle diese Schätze und Erkenntnißmittel gehörig verglichen, geordnet,
gesichtet, die Inschriften verstanden und beurtheilt sind, ehe man aus
dem, was jetzt noch da ist, auf seinen Ursprung und aus die früheste
Geschichte des Reichs zurückschließen darf.
§. 2. Die einzelnen Bestandtheile des Weltreichs und
deren Mischung.
Hinter dem Eufrat wohnten zunächst drei semitische Stämme,
nämlich Elam, Assur, Arphachsad. Auch das Gebiet des Aram
(Syrer) reichte im obern Mesopotamien noch über den Eufrat hin-
über, doch ist von dem hier vorerst nicht die Rede. Wenn man un-
ter Arphachsad nicht, wie Etliche wollen, die Landschaft Arrapachitis,
sondern das Volk und Land der Chaldäer versteht, so lag dasselbe
am untern Eufrat. Weiter nordostwärts wohnte Assur am Tigris
und den dahinter sich erhebenden Gebirgen, und südwärts von letz-
teren, auch mit dem Chaldäergebiet zusammengrenzend, in der später
Elymais genannten Provinz Persiens hat man vermuthlich Elam
zu suchen. In nächster Verbindung mit diesen semitischen Völker-
schaften stand auch noch das unmittelbar dahinter liegende, südwärts
vom kaspischen Meer sich erstreckende Reich deö Madai, der von
Japhet stammte, gewöhnlich Medien genannt. Die noch weiter
nordwärts und ostwärts wohnenden Brüder Madai's, nämlich Me-
sech und Thubal, kommen für unsere Geschichte zunächst nicht in
Betracht. Sie lagen schon über den Kreis der mit Israel in Ver-
bindung tretenden Völker hinaus (Ps. 120, 5). Während also die
Masse der Bevölkerung in der Nähe deö kaspischen Meereö von
Japhet, und in der Nähe des persischen Busenö am Eufrat und
Tigris vom Sem abstammte, war von Süden her, wie die alten
Sagen erzählen, aus Schiffen vom persischen Meerbusen hereinkom-
mend, eine Colonie von Ham's Söhnen, Kuschiten, in's Land ge-
drungen und hatte sich nicht bloß zum Lehrmeister der noch in
patriarchalischer Einfachheit lebenden Stämme, sondern auch zu ihrem
TM Hauptwörter (50): [T11: [Reich König Land Stadt Jerusalem Jahr Syrien Sohn Aegypten Zeit], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T17: [Meer Fluß Gebirge Land Hochland See Halbinsel Osten Norden Süden]]
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Extrahierte Personennamen: Meereö_von
Japhet
Extrahierte Ortsnamen: Ninive Assur Arphachsad Mesopotamien Persiens Israel
Xiii. §. 8. Innere Entwicklung der römischen Republik. 181
und die Eroberung einzelner Städte, von denen z. B. die nur wenige
Meilen von Rom gelegene Stadt Veji erst nach zehnjähriger Bela-
gerung gewonnen werden konnte. In einzelnen großartigen Zügen
sieht man auch wahrend dieser langen Zeit des Stillstandes noch im-
mer die alte abstracte Römertugend wieder Hervorbrechen; so in der
vielbewunderten Selbstverleugnung des Quinctius Cincinnatus,
der, vom Pfluge weg zur Dictatur gewählt, nach ruhmvoll erfochte-
nem Sieg über die Feinde wieder zum Pfluge trat; oder in dem
stolzen Edelmuth des Camillus, der den Schulmeister der belager-
ten Stadt Falerii von den eignen Schülern, die jener verrätherisch dem
Feinde überliefern wollte, wieder in die Stadt zurückpeitschen ließ.
Aber auch solche einzelne Züge sind während der genannten Zeit doch
nur sehr sparsam. Dagegen finden wir im Innern der Stadt wäh-
rend dieser Zeit eine Reihe von Gewaltsamkeiten und Frevelthaten,
welche uns das wilde Wolfsgesicht des römischen Staates auf eine
erschreckende Weise wieder enthüllen. Sie stehen allesammt in Ver-
bindung mit dem hartnäckigen und wüthenden Kampf innerhalb der
römischen Ringmauern, dem Kampf der Plebejer gegen die Patricier,
um gleiche politische Rechte, um Theilnahme an den republikanischen
Remtern und Würden und an der ganzen Staatsleitung zu erlangen.
Die Plebejer haben ihr Ziel wirklich erreicht; aber nur Schritt vor
Schritt konnten sie von der zähen Weigerung der Patricier bald dies,
bald jenes kleine Zugeständniß sich erkämpfen; und das kaum Er-
kämpfte ward ihnen unablässig wieder bestritten und aus den Händen
zu winden versucht. Dennoch siegten sie, und zwar war der erste
Schritt zum Siege die Aufstellung besonderer plebejischer Schirmvögte
mit sehr ausgedehnten Befugnissen zur Abwendung allgemeiner Maß-
regeln und Gesetze, die den Plebejern nachtheilig wären, und zur Be-
schirmung jedes einzelnen Plebejers, der von etwelchem Patricier
beeinträchtigt würde. Diese Befugniß, sich ihre Schirmvögte, Tribu-
nen selber zu wählen, und zwar in Comitien, zu welchen die Patricier
keinen Zutritt hatten (comida tributa), hatten die Plebejer erst er-
langt, als sie mit einer völligen Trennung und Auswanderung droh-
ten und sich bereits kriegerisch gerüstet und in ihrem gesonderten
Lager auf dem heiligen Berge verschanzt hatten.
Die Tribunen hatten zunächst die Sorge, der immer mehr um
sich greifenden Verarmung und Verschuldung der Plebejer abzuhelfen
und vorzubeugen. Da die Verarmung besonders durch die Schmäle-
rung des römischen Gebiets seit der Vertreibung der Könige, durch
die Rückgabe der bisher von Plebejern bebauten Staatsländereien,
TM Hauptwörter (50): [T20: [Rom Jahr Cäsar Senat Kaiser Pompejus Antonius Tod Krieg Sohn], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte], T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger]]
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342 Xix. §. 10. Karl der Große und die Mohamedaner in Spanien.
nismus fränkischer Grafen mit ihren Unterbeamten, welche wiederum
durch außerordentliche Bevollmächtigte und königliche Kammerboten
beaufsichtigt, völlig unter den Wink und Willen des mächtigen Selbst-
herrschers aller Franken gefesselt waren.
§. 10. Karl der Große und die Mohamedaner in Spanien.
Noch nach einem andern Schauplatz seiner Thaten müssen wir
den ruhmgekrönten Helden begleiten. Denn seine Waffen und Reichs-
grenzen reichen nicht bloß von der Tiber bis zur Eider und von den
Strömen des Mittlern Ungarns bis zum atlantischen Meer, sondern
sie dringen auch tief nach Spanien hinein. Nach Spanien, dem seil
bald hundert Jahren mohamedanisch gewordenen Lande mit dem
kleinen Rest christlicher Bevölkerung in den nördlichen Gebirgen. Nur
als Karl das longobardische Reich in Italien stürzte, hatte er gegen
Christen gekämpft. Nach allen anderen Seiten hin standen ihm
Heiden gegenüber und der Sieg seiner Heere war zugleich ein
Sieg des Christenthums über heidnischen Götzendienst und Zauber-
wesen; und wir haben gesehen, mit welcher furchtbaren Härte Karl
die heidnischen Greuel ausrottete, besonders unter den Sachsen. Hier
nun, in Spanien, stand er den Sara eenen gegenüber und war
doch auch selber von Sara eenen herbeigerufcn. Wunderbare Ge-
nauigkeit der göttlichen Vergeltung! Durch innern Verfall und Bür-
gerkriege im spanischen Christenreich, durch verrätherisches Herbeirufen
des Saracenenheeres aus Afrika war es den Mohamedanern gelungen,
die schöne pyrenäische Halbinsel für ihren Afterpropheten Mohamed
zu erobern. Jetzt wiederholte sich derselbe Zug von Begebenheiten
umgekehrt. Durch innern Verfall und Bürgerkriege im spanischen
Saracenenreich, durch verrätherisches Herbeirufen des Frankenheeres
aus dem nördlichen Nachbarland gelingt es den Christen, wenigstens
die nördliche Hälfte der schönen pyrenäischen Halbinsel wieder für
den Herrn Christus zu gewinnen. Es war die Zeit des blutigen Unter-
ganges des ganzen blutbefleckten ommijadischen Khalifenhauses (S. 318).
Die Herrschaft der neuemporgekommenen Abassiden ward von et-
lichen Statthaltern (Wali) in Spanien anerkannt, von anderen nicht.
Das gab schon blutige Streitigkeiten. Dazwischen hinein kam nun
noch der einzig überlebende, aus dem allgemeinen Blutbad gerettete
Ommijadensprößling Abderrhaman, der sich zum Emir von Cor-
dova (später zum Khalif von Spanien) machte. Viele Statthalter
wollten sich ihm und seinem Nachfolger nicht unterwerfen. Da wurde
denn sogar der weite Weg von Saragossa nach Paderborn nicht ge-
scheut, um Karl zur Hülfe gegen die aufstrebenden Ommijaden her-
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Extrahierte Personennamen: Karl Karl Karl Karl Karl Karl Sara Sara Christenreich Mohamed Christus Karl
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Erstes Hauptstück.
Beschreibung der festen Theile der
Erdoberfläche.
Stereographie.
§. 6.
Gestalt derselben im Allgemeinen.
§)ie festen Theile der Erdoberfläche haben keine regel-
mäßige Gestalt, sondern bestehen aus zwey, von der Nähe
des Nordpols in die südliche gemäßigte Zone sich erstrecken-
den größeren, und aus sehr vielen zwischen jenen zerstreu-
ten kleineren Theilen.
§. 7.
Erklärungen,
1. ) Die größeren, aus der Wassermaste hervorragen-
den Theile, nennt man Continente oder Fe st lande;
die kleineren dagegen Inseln, oder Eilande; die klei-
nen Inseln in Flüssen heißen Werder.
2. ) Eine Anhäufung von Inseln, vorzüglich in der
Nähe eines Festlandes, heißt ein Archipel; z. B. der
griechische, der indische Archipel u. s. w.
In der Ostsee heißen solche Jnselhaufen Scheeren.
3. ) Ein nur auf einer Seite mit dem Fesilande zu-
sammenhängendes, übrigens ganz vom Wasser umstosseneö
Stück Land nennt man eine Halb-Insel; z. V. Mo-
rea, Californien, u. s. w.
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