322
Nach diesem Gebete wuschen die Opfernden sich die
Hände. Nun besprengte man das Thier mit
Weihwasser, und zog ihm die Haare oben zwischen
den Hörnern aus, welche man sodann auf den Al-
tar warf. Nun goß der Priester oder einer dersel-
den einige Tropfen Wein auf die Stelle, wo die
Haare gestanden hatten, und rief: „durch diesen
hingegossenen Wein soll es der Gottheit (oder den
Gottheiten) angenehm seyn!" Hiernachst nahm
der Opferschlachter sein scharfes Messer und schnitt
dem Thiere alle Haare längs des Rückens hinweg.
Nun wurde gedörrtes und mit Salz vermengtes
Gerstcnmehl oder Dünkelkorn unter einem Gebete
der Opfernden dein Thiere auf den Kopf geschüttet,
und nun rief, nachdem es geschehen war, der Opfer-
schlachter dem Opfernden zu: „soll ich es schla-
gen?" „Thue es!" erhielt er zur Antwort, und
er schlug nunmehr mittelst eines Beiles, Ham-
mers oder einer Keule das Thier, .daß es stürzte.
Gleich alsdann aber kehlte er dasselbe mit seinem
Messer ab. Nun zog er ihm die Haut ab und öff-
nete Brust und Unterleib, wo man Beobachtun-
gen anstellte rind daraus mancherlei Deutungen zog;
geschah dieß schon beim Schlagen und Abkehlen
des Thieres (bei den Römern von beit Haru-
spices): alsdann wurde das Opferthier gliederweise
getheilt. Das Beste wurde abgesondert, mit Salz,
Mehl und Weihrauch bestreut, mit Schmeer um-
wickelt, und Nun von den Opfernden Stückweise
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323
aufs Feuer gelegt und Weihrauch darauf gestreut.
Auch gossen sie Wein darauf. Während dieser
ganzen Handlung wurde gebetet, auch bliesen meh-
rere Personen oder deren eine, die Kneme oder Ti-
bia (ein der Schalmeye ähnliches Instrument). Von
dem übriggcbliebenen Fleische bekamen die Prie-
ster einen Thcil, der andere ward an Spießen ge-
braten und diente nun zum Mahle, welches der
Opfernde den Priestern und seinen Freunden gab.
Nicht selten tanzte man auch, und zwar bei den
Griechen, während des Opferns, und sang dabei
Hymnen. Nach vollendetem Opfermahle aber
wurde der Gottheit oder den Gottheiten, für wel-
che das Opfer gebracht worden war, gedankt.
Sitten, Gebrauche und Gewohn-
heiten in Athen und Sparta.
In Athen wurde jedesmal vor dem Hause,
wenn ein Knabe geboren war, ein Kranz vonoli-
venzweigen, und wenn ein Mädchen zur Welt ge-
kommen war, ein wollncs Band aufgehängt. Der
Olivenkranz war Sinnbild der männlichen, das
wollene Band aber der stillen weiblichen Beschäf-
tigung. Da in Athen ein Bürger das Recht über
Leben und Tod seiner Kinder hatte, so wurde je-
des neugeborne Kind dem Vater zu Füßen gelegt;
hob er es, wie meist geschah, auf, so verpflichtete
er sich stillschweigend zu dessen Erziehung. Nicht
so war' es in Sparta. Hier machte man bei der
21 *
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324
Geburt eines Kindes wenig Umstände. Dasselbe
gehörte, war es Knabe oder Mädchen, Sparta's
Volke, als aller spartanischen Kinder gemeinschaft-
liche Mutter an, und wie grausam cs den zur
Welt gekonrmenen schwächlichen oder verkrüppelten
Kindern erging, ist bereits unter der Ueberschrift:
Lykurgos, Sparta's Gesetzgeber, erzählt worden.
Die rechtmäßige Frau eines Atheners bewohn-
te einen eigenen Theil des Hauses; war es zwei-
stöckig, das obere Stockwerk, wohin kein fremder
Mann kommen durfte. Hier lag ihr die Haus-
haltung und die Erziehung ihrer noch kleinen Kin-
der ob; hier beschäftigte sie sich, so viel ihr nur
die Zeit erlaubte, mit der Spindel und der Na-
del. Sie nahm an den gesellschaftlichen Freuden
des Mannes nicht Antheil, war immer von ihren
Sklavinnen umgeben, und durfte auch ohne diese
oder deren eine sich nicht aus dem Hause begeben.
Der Athener heirathete meist nach Geld oder Ver-
mögen, die Tochter selbst wurde von ihm wenig
gefragt, wenn nur die Eltern mit ihin einig wa-
ren. Viele solcher Frauen waren denn auch nicht
die eigentlichen Vertrauten ihrer Männer; diesen
Vorzug genossen die sogenannten Hetären, die
nicht in der Zurückgezogenheit, sondern öffentlich
lebten, sich viele Ausbildung verschafft hatten und
sich nicht selten bei vieler Schönheit großen Reiz
im Anzuge zu geben wußten. Es war aber keinem
Athener, der ein freier Bürger war, erlaubt, eine
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1'
325
solche Hetäre zu heiratheu, oder zu seiner gesetzmä-
ßigen Frau zu machen. Nicht so verhielt es sich
in Sparta. Hier lebten Frauen und Mädchen
ohne Ausnahme mit vieler Freiheit. Die sitzende,
so wie jede andere stille häusliche Beschäftigung
mit der Spindel und Nadel meidend, übten sie
sich, wie die Männer und in Gesellschaft der
Männer, im Laufen, Ringen und Werfen der Wurf-
scheibe und des Spießes, damit sie so, wie Lykur-
gos es wollte, wenig im Hause lebten, fern von
jener Weichlichkeit, durch welche die Frauen ge-
wöhnlich so verzärtelt und unbehülflich wurden.
Jeder Spartaner konnte daher auch jede Sparta-
nerin heirathen, wenn sie nicht schon in der Che
war, und er mit ihr glücklich zu werden hoffte.
Bis zu ihrem sechsten, auch wohl zum sie-
benten Jahre hielt man in Athen die Kinder noch
zu keiner anstrengenden Beschäftigung an. Dann
aber schickte man sie in die öffentlichen Schulen,
waren es Knaben, auch auf die gymnastischen Ue-
bungsplaße, da auf Gymnastik gar viel gehalten
wurde. Wohlhabende oder vornehme Eltern hiel-
ten dem Knaben einen sogenannten Pa i da go-
gò s (Hofmeister), zu welchem man einen Skla-
ven von guter Herkunft und Erziehung wählte.
Dieser führte ihn auch in die öffentlichen Unterrichts-
anstalten und in die Gymnasia oder auf die gym-
nastischen Ucbungsplatze, und beförderte, soviel wie
möglich, seine sittliche Ausbildung. In den so
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326
genannten Gynaikeien wurden die Mädchen znnr
Spinnen, Weben, Nahen und andern weiblichen
Handarbeiten angehalten #). Mädchen wohlha-
bender und vornehmer Aeltern aber wurden sorgfäl-
tiger erzogen. Cs wurden ihnen Lehrer im Sin-
gen und feierlichem Tanze gehalten, weil sie vom
siebenten oder zehnten Jahre an bei den religiösen
Feierlichkeiten Loblieder singen oder Tanze ausfüh-
ren oder mit den heiligen Körben auf ihren Kö-
pfen in Proccssion einhergehcn mußten. Wie gar an-
ders aber die Erziehung der Knaben und der Mäd-
chen in Sparta war, ist bereits in der Erzählung,
den Lykurgoö und seine Gesetzgebung betreffend,
bemerkt worden.
Griechische Feste.
Deren gab es eine große Menge. Sie un-
terscheiden sich als Familien - und als Nationalfe-
ste. Ein Familienfest war es z. B., wenn die
Kinder in die Klaffe der Bürger aufgenommen wur-
den, oder, wenn sie in gewissem Alter öffentliche
Proben ihrer geistigen Fortschritte und der gymna- *)
*) Die öffentliche Anstalt, woselbst die Knaben und
Jünglinge in der Gymnastik geübt wurden, nannte
man Gymnasien, dagegen die öffentliche Anstalt,
woselbst die Mädchen das Spinnen, Weben, Nahen
u. d. gl- erlernten, Gynaikeion. Letzteres bedeutete
aber auch die Abtheilung des Hauses, welches die
Frauen bewohnten, und woselbst demnach erwähn-
te Beschäftigungen auch vorgenommen wurden.
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327
stischen Hebungen ablegten. Die Nationalfeste wa-
ren theils solche, die alle Jahre gefeiert, theils
solche, die nach gewissen Jahren vorgenommen wur-
den. Sie hatten viel Gutes. Von einander ent-
fernt lebende Menschen und Familien wurden mit
einander bekannt; sic besprachen sich über mancher-
lei Gegenstände, und verbreiteten so Erfindungen
und Entdeckungen. Auch boten sie entzweiten Ge-
rn üthern Gelegenheit dar, sich mit einander wieder
auszusöhnen, und beförderten fromme Gesinnungen.
Es gab solcher Nationalfeste große und kleine.
Bei ersteren waren vornehmlich feierliche Prozes-
sionen mit Chortanz und Gesang und die öffent-
lichen Spiele. In den Processionen sah man ein
Chor von Knaben und Mädchen, ein Chor von
Frauen und Männern, ein Chor der Magistrate
und Vornehmen, dann das Chor der Priester, wel-
che bei dem Feste dienten. Diese Chöre zogen mit
den heiligen Schätzen und Weihgeschenken, allen
Opfcrgeräthen und was nur Kostbares in und um
dem Tempel war, Göttcrstatüen und Vasen, umher
und zu dem Tempel. Wie der prächtige Aufzug,
die ganze Procession, so zeichnete sich der Chortanz
und der Chorgesang mit den Pantomimen beson-
ders aus.
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3'28
Die feierlichen oder öffentlichen
Spiele der Griechen.
Sie bestanden in gymnastischen Hebungen, und
man nannte sie — so große Achtung hegte man
für sie — auch die heiligen Spiele. Vornehmlich
feierte man sie zuolympia (inelis) seit 888
v. Ch., zu Delphi (in Lekris) seit 582 v. Ch.,
bei Korinth (am Isthmos) seit 582 v.ch., und
zu Nemea (in Argolis), besonders seit 566 v.
Chr. Daher gab es olympische, pythische, isthmi-
sche und nemeische heilige Spiele. Der gymna-
stischen Hebungen an sich waren' aber insgemein
fünf: das Wettrennen zu Fuße, zu Pferde und zu
Wagen mit vorgespannten Pferden, das Springen,
das Diskoswerfen (Wurfscheibcwerfen) und das
Ringen. Der Platz, auf welchem diese Hebungen
gehalten wurden, bestand in einer langen geebne-
ten sandigen Bahn, die der Lange nach in zwei
Hälften gethcilt war. Die rechte Abtheilung war
für das Wettrennen oder den Wcttlauf zu Fuß,
und die anderen, nicht im Rennen bestehenden Ue-
bringen; die linke und viel längere dagegerr für
das Wettrennen zu Pferde und zu Wagen bestimmt.
Erstere Abtheilung war an 300 Schritte oder 600
Friß lang, und hieß Stadion; die andere viel
längere aber nannte man Hippodromos. Hoch
um diesen Platz befanden sich in äußerst vielen
Reihen sitzend die Zuschauer, an dem einen Ende
der Bahn aber die Kampfrichter.
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329
Das Wettrennen zu Fuße geschah entweder
nur bis zumziele, oder bis zumorte des Anfangs
des Laufs zurück; im erstem, Falle hieß die Bahn
die einfache, im andern dagegen die doppelte Lauf-
bahn. Wurde aber die Bahn hin und zurück we-
nigstens siebenmal durchlaufen, so nannte man sie
die lange Laufbahn. Wohl zu erwägen ist hierbei,
daß das Laufen auf tiefem und weichem Sande
geschah. — Das Wettrennen zu Pferde geschah
mit einem oder zwei Pferden. Im letzteren Falle
ritt man das eine, und auf das andere sprang man,
wenn man dem Ziele nahe war. Das Wettren-
nen zu Wagen war sehr gefährlich. Der Wagen-
lenker stand in dem Wagen, de< zweirädrig war,
und seine vier neben einander gespannten wilden
Rosse stürzten sich mit denen seiner Mitkämpfer
mit Ungestüm in die Bahn. Nicht selten stürzte
denn auch der eine oder der andere dieser Wagen
um oder fuhr so an, daß er auf halbem Wege ste-
hen bleiben mußte. Am Ziele standen zwei Säu-
len, durch welche der Wagen im vollen Nennen
. hindurch und nahe herum, und so die Bahn zwölf-
mal durchrennen mußte.
Das Springen geschah, wie man glaubt, auf
die Weise, daß die Athleten (Wettkämpfer)
von ihrem Standplätze eine gewisse Strecke so
lange ihre Sprünge machten, bis sie einen aufge-
worfenen Graben erreichten oder gar über denselben
hinwegsprangen. Cs geschah aber nicht allein auf
TM Hauptwörter (50): [T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T43: [König Held Sohn Mann Schwert Ritter Hand Tod Vater Feind]]
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330
freier Ebene, sondern auf einer Höhe hinauf und
herunter. Einige hüpften, als wenn sie liefen, und
blieben doch auf ihrer Stelle, sprangen in die
Höhe und schlugen mit den Füßen hintenaus.
Die Springer trugen des Schwunges wegen eine
Art von Gewichten an den Füßen oder auf dem
Kopfe oder Schultern oder, und zwar besonders,
in den Händen.
Das Ringen: Die ringenden Kampfer hatten
eigne bedeckte Gänge, woselbst sie sich entkleideten
und ihren Körper mit Oel einrieben, damit er ge-
schmeidiger, gegen äußere Zufälle weniger empfäng-
lich und gegen Verrenkungen geschont werde. Sie
bestreuten sich aber doch auch wieder mit Sand
oder wälzten sich gar im Sande, damit ihr Kör-
per weniger schlüpfrig sei. Des Ringens gab es
nur zwei Arten. Bei der einen Art umschlangen
sich die Kämpfer mit den Armen, stemmten Stirn
gegen Stirn, erschütterten sich durch heftige Stö-
ße, dehnten sich lange aus, zogen sich kurz zusam-
men, hoben einander in die Höhe, bogen sich vor-
wärts, rückwärts, seitwärts, und bedienten sich jedes
Kunstgriffes, um einander zu bemächtigen und
niederzuwerfen. Bei der zweiten Art warfen beide
Athleten sich geflissentlich zu Boden und setzten
hier den Kampf so lange fort, bis der eine von
ihnen vor Entkräftung nicht weiter konnte, und
der andere durch Worte oder durch Aufhebung des
Fingers ihm den Sieg zuerkannte. —
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331
Der Faustkampf: Auch hierbei waren die
Kämpfer ganz nackt. Anfänglich schlugen sie ein-
ander aus allen Kräften mit bloßen Fäusten, wo
jeder, so gut er konnte, dem Schlag auszuweichen
suchte. Nachher aber band man geschmeidige und
in einander geflochtene Niemen von rohem Rinds-
leder unter die hohle Hand, so daß die Finger
frei blieben, und dann, daß man den Vorderarm
mittelst des Kestos bewaffnete, d. h. einen mit
Blei und Eisenstücken gefüllten Riemen umwickel-
te, der aus roh getrockneter Ochsenhaut geschnitten
war. Diese suchten sich einander an den Kopf,
auf die Brust und an den Hals Schläge beizu-
bringen, insbesondere aber Augen 'und Ohren zu
treffen. Sie sprangen daher um einander herum und
suchten den Schlägen durch allerlei Wendungen
auszuweichen. Wenn der eine von ihnen, völlig
entkräftet, die Hände sinken ließ oder zu Boden
stürzte, so war der Kampf zu Ende.
Das Diskoswerfen war eine der schwersten
Uebungen. Der Diskos bestand in einer runden
Scheibe aus Eisen, Blei, Kupfer oder Stein, wel-
che in der Mitte durchbohrt war und mittelst ei-
nes Riemens geworfen wurde. Die Kunst, diesen
Diskos zu werfen, bestand eigentlich darin, daß
man die Hand an die Brust anlegte, den Arm
unterwärts zurückzog, und die Scheibe in einen
Bogen in die Höhe oder Weite schleuderte, da dann
derjenige Sieger war, welcher den Diskos am hoch-
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