hinrichten und das Meer mit Geißeln züchtigen, ja goldene Fesseln hinein-
werfen lassen. Endlich kam mit Hülfe vieler hundert Schiffe eine neue
Brücke zu Stande. Ehe der Uebergang geschah, goß er der aufgehenden
Sonne zu Ehren ein Trankopfer aus goldener Schale aus, betete und warf
die Schale nebst einem goldenen Becher und einem persischen Säbel in das
Meer. Voraus ging ein unzähliger Troß von Lastträgern und Packknechten,
Marketendern, Lastvieh und Hunden; dann folgte eine auserlesene Schaar
von 1000 Reitern und 1000 Fußgängern nebst den heiligen Sonneurossen,
dem Himmelswagen, mit acht weißen Rossen bespannt, und dem Wagen des
Königs; dann wieder eben so viel auserlesene Reiter und Fußgänger; zuletzt
das Hauptheer nach den verschiedenen Völkerschaften, jede in ihrer eigen-
thümlichen Tracht und Waffenrüstung. Der ganze Zug dauerte sieben Tage
und sieben Nächte, ohne jemals innezuhalten. Am Flusse Hebrus in
Thracien hielt der Perserkönig noch einmal über Heer und Flotte Heerschau
und batte die Freude, mehrere vou seinen Herolden mit Erde und Wasser
zurückkehren zu sehen. Mit den übrigen griechischen Staaten, welche dieses
verweigert hatten, schien der Kampf nun um so leichter zu sein.
Werfen wir nun einen Blick auf Griechenland zurück. Natürlich waren
die Rüstungen und die von Persien her drohenden Gefahren den Griechen
nicht unbekannt geblieben. Der glorreiche Sieg von Marathon hatte in den
Spartanern, welche erst nach der gewonnenen Schlacht auf dem Wahlplatze
angekommen waren, einen scharfen Stachel der Eifersucht zurückgelassen, den
Athenern aber einen kühnen Aufschwung gegeben. In Athen lebte damals
der kühn aufstrebende Themistocles, welcher die Pläne des Miltiades,
seine Vaterstadt zum ersten Staate Griechenlands zu machen, weiter verfolgte.
Schon als Knabe war er stolz, feurig, klug und dem Ernst zugewandt.
Beim Unterricht zog ihn nichts so sehr an, als was auf Staat und Krieg
Bezug hatte. Die Gunst seiner Mitbürger erwarb er sich durch Freundlich-
keit und Gefälligkeit, und wie groß sein Ehrgeiz war, zeigte seine Aeußerung
nach der Schlacht von Marathon, daß die Siegestrophäen des Miltiades
ihn nicht mehr schlafen ließen. Weise und rastlos ordnete er die Mittel
zum kraftvollen Widerstände gegen einen zu fürchtenden neuen Einfall der
Perser, indem er seine Mitbürger zur eifrigsten Vermehrung der Seemacht
bewog und durch seine kraftvolle Beredtsamkeit mehrere griechische Staaten,
insbesondere Sparta zur angestrengtesten Rüstung anfeuerte. Selbst von
dem Orakel zu Delphi wußte er den Spruch zu erhalten, daß man sich
hinter hölzernen Mauern vertheidigen sollte.
Unterdessen wälzten sich die ungezählten Schaaren des Terxes immer
näher heran. Durch Thracier und Macedonier verstärkt, ergoß sich der
Strom langsam, aber unwiderstehlich über die Ebenen Thessaliens, bis wo
zwischen dem Oetagebirge und dem Meere ein schwieriger Engpaß, Ther-
mo pvlä, in das eigentliche Griechenland führte. Hier lagerte Spartaks
heldenmüthiger König Leonidas mit einem Heer von 8000 Mann Hülfs-
truppen und 300 auserlesenen Spartanern, um den Barbaren den Eintritt
in Hellas zu wehren. Einer Gesandtschaft des Terxes, welche dem spar-
tanischen Könige die Waffen abforderte, soll er mit lakonischer Kürze ge-
antwortet haben: „Komm' und hole sie!" ■—- Von einem andern Spartaner
erzählt man, daß, als Jemand ihm sagte, der Feinde wären so viele, daß
TM Hauptwörter (50): [T14: [Athen Stadt Athener Sparta Spartaner Griechenland Krieg Perser Flotte König], T43: [König Held Sohn Mann Schwert Ritter Hand Tod Vater Feind]]
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Extrahierte Personennamen: Marathon Ernst Leonidas
alle übrigen Bewohner Attica's, dcis eine Bevölkerung von einer halben
Million ernährte, waren leibeigene Sclaven. Diese versammelte Volksge-
meinde hatte die höchste Gewalt d. h. das Recht der Gesetzgebung und die
Wabl der Magistrate, das Recht der Entscheidung über Krieg, Frieden,
Bündnisse, das Recht der Besteuerung. Dagegen hatte die Volksversamm-
lung nicht das Recht, Gesetze in Vorschlag zu bringen (die Jniative),
sondern durste nur solche Vorschläge berathen oder zu Gesetzen erheben,
welche schon im Senate oder großen Rathe durchgegangen waren.
Dieser bestand aus 400 durchs Loos und zwar auf ein Jahr erwählten
Volksvertretern, welche wenigstens 30 Jahre alt und durchaus unbescholten
sein mußten. Von diesem Senate und seinen der Reihe nach amtirenden
Ausschüssen (Prytauen) wurden die Regierungsgeschäfte besorgt und die
Gesetzesvorlagen für die Volksversammlung vorbereitet. Die Senatoren führ-
ten auch den Vorsitz in den Volksversammlungen, wo Reden für und ge-
gen die Vorschläge gehalten und durch förmliche Stimmgebung oder durch
Aufheben der Hände abgestimmt wurde. Was aber vom Volke beschlossen
war, bedurfte noch der Genehmigung des Areopags, um Gesetzeskraft
zu erhalten. Dieses war ein uralter, ursprünglich blos peinlicher Gerichts-
hof, dessen Mitglieder aus den jährlich abgehenden Archonten bestanden und
durch Solon die wichtige Aussicht über die Religion, die Gesetze und die
Sitten der Einwohner erhielten. Auch die Archonten ließ Solon fortbe-
stehn als Werkzeuge der Vollziehung der Gesetze und als richterliche Be-
hörde. In außerordentlichen Fällen stand auch dem Volke die richterliche
Gewalt zu, durch den Ostracismus (Scherbengericht, weil die Abstim-
menden auf kleine Scherben oder Muschelschalen schrieben) solche Mitbürger
auf zehn Jahre zu verbannen, welche das republikanische Gleichgewicht be-
drohten. So konnte Solon Senat und Areopag mit zwei Ankern verglei-
chen, an welchen er das bewegte und unruhige Staatsschiff befestigte.
Auch für strenge Ausrechthaltung der Zucht und Sitte, für die körper-
liche und geistige Ausbildung der Jugend, für Hebung des Ackerbaus und
der Gewerbe sorgte der weise Gesetzgeber. Allen Bürgern erlaubte er Hand-
werke zu treiben, und nur der Sohn war verpflichtet seinen Vater im Alter
zu ernähren, den er eine Kunst oder ein Handwerk hatte lernen lassen.
Selbst in den Armen, Kindern, Weibern und Sclaven erkannte Solon die
Menschenwürde an.
Nachdem er das Volk von Athen durch einen Eid verpflichtet hatte,
binnen zehn Jahren nichts an seinen Gesetzen zu ändern, trat er eine
große Reise nach Asien und Aegypten an, fand aber bei seiner Rückkehr
den Staat durch Parteihaß zerrüttet und bald durch Pisistratus in sei-
ner Freiheit bedroht. Ehe dieser jedoch sich mit Hülfe der niedern Volks-
klassen zum Tyrannen von Athen (so nannten die Griechen einen Jeden,
der sieh wider die bestehende Verfassung zum Oberherrn eines Freistaats
auswarf) machte, verließ Solon dasselbe für immer und starb um 501 v.
Chr. llebrigens herrschte Pisistratus unangefochten bis an seinen Tod (528
v. Chr.) mit Mäßigung und Gerechtigkeit, durch Begünstigung des Han-
dels , der Gewerbe und Künste viel Wohlstand und Bildung über Athen
verbreitend. Er gab den Athenern prächtige öffentliche Gebäude, legte die
erste öffentliche Bibliothek an und sammelte Homer's Gesänge, die bis da-
bin nur durch mündliche Ueberlieferung (durch Rhapsoden oder herum-
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die Zeit!" 4) Bi as von Priene: „Mehrere machen es schlecht!" 5)
Thales von Milet: „Bürgschaft bringet Leid!" 6) Chiton von Lace-
dämon: „Kenne dich selbst!" 7) Solon von Athen: Nimmer zu sehr!"
Ferner eine Anzahl von Männern der ionischen Schule, welche nach
dem Vorgänge des Thales von Milet (630 v. Chr.) in der Natur oder
in einem der s. g. vier Elemente den Urgrund aller Dinge zu finden wähn-
ten, während der im ganzen Alterthum hochgefeierte Pythagoras aus
Samos (geb. 584 v. Chr.) das Räthsel vom Ursprünge der Welt durch
Maß und Zahl lösen wollte, den nach ihm benannten mathematischen Lehr-
satz erfand und zu Croton in Unteritalien eine moralisch-politische Schule,
den pythagoräischen Bund stiftete, dessen Eingeweihete zur Reinigung
ihrer Seelen einer streng geregelten Lebensweise sich unterwerfen mußten.
Des Pythagoras jüngerer Zeitgenosse, Xenophanes zu Elea in Unter-
italien wurde Stifter der elea tischen Schule und Urheber des Pan-
theismus d. i. derjenigen Lehre, welche Gott und Welt als Eins nimmt
und die Welt, das Universum zu Gott macht. Man nannte alle diese
Leute Weise, während sie selbst nach des Pythagoras Vorgang sich nur
Liebhaber der Weisheit (Philosophen) genannt wissen wollten.
Ein solcher Mann war jener Anaxagoras gewesen, des Pericles und
Sócrates Freund und Lehrer, der für seine Zeit ganz ungewöhnliche Natur-
kenntnisse besaß und das Durchdrungensein der Welt von einem ewigen,
vernünftigen Geiste lehrte. Dagegen gab es auch eine andere Art von
Gelehrten, Sophisten genannt, welche von dem Grundsätze ausgingen,
daß man die Wahrheit eigentlich nicht erkennen könne, und darum nicht
nach Wahrheit, sondern nur nach einem Schein von Wahrheit strebten und
alles Falsche und Irrige, wenn es nur den Sinnen schmeichelte und Vor-
theil gewährte, vermöge ihrer Redekunst mit einem schönen Mäntelchen um-
gaben. Diese Leute übten auf die griechischen Jünglinge einen höchst ver-
derblichen Einfluß aus, indem sie alle edleren Empfindungen in ihnen
erstickten und ihnen Weltklugheit und Lebensgenuß als die höchsten Güter
darstellten.
Sócrates war nun zu der Ueberzeugung gekommen, daß die Betrach-
tung des Menschen und seiner sittlichen Natur für den Menschen die wich-
tigste, und daß Uebung der Gerechtigkeit und Tugend, lebendiger Glaube
an eine gerecht waltende Gottheit das höchste Gut sei, gegen dessen Besitz
alle andern Güter als nichtig verschwänden. Dabei glaubte er von der
Gottheit einen besondern Beruf zu haben, diese Wahrheit seinen Mitmen-
schen eindringlich zu verkündigen, und er machte dies zum Hauptgeschäft
seines Lebens. Auch war er bescheiden genug einzugestehen, daß er von
dem Uebersinnlichen eigentlich nichts wüßte, und daß Niemand, als ein
Gott, das Dunkel aufhellen könnte, welches vor dem sterblichen Auge liegt,
sobald es sich der Betrachtung des Uebersinnlichen zuwendet. Es war ge-
wöhnlich, daß die griechischen Jünglinge in den Gymnasien d. h. weit-
läufigen Gebäuden, welche von Gärten und einem heiligen Hain umgeben
waren, sich in körperlichen Geschicklichkeiten übten. In den Hallen^ dieser
Gebäude (des Lyceums, der Academie) versammelten die Philoso-
phen, die Sophisten und die Redner ihre Schüler. Hier und an andern
öffentlichen Orten war es denn auch, wo Sócrates mit Solchen, welche
Empfänglichkeit dafür zu haben schienen, Gespräche anknüpfte, in welchen er
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
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101
Jetzt stand Cäsar auf den Gipfel seiner Macht: der Senat ernannte
ihn zum Dictator auf Lebenszeit und verlieh ihm den Titel Imperator,
aber nicht in dem bisherigen Sinne als Ehrentitel für einen Feldherrn nach
dem Siege, sondern als Bezeichnung fortwährenden Oberbefehls. Allein
die Macht genügte dem großen Imperator nicht mehr, er begehrte zu der
königlichen Macht auch noch den königlichen Namen und das Zeichen. Um
diesem Ziele näher zu kommen, verbreitete man als eine Weissagung der
sibvllinischen Bücher, daß nur ein König die Parther, die gefährlichsten
Feinde des römischen Namens im Osten, sollte besiegen können.
Die Sachen waren schon so weit gediehen, daß die eifrigsten Republikaner
verzweifelten anders als durch den Mord des Dictators die Freiheit zu
retten. Marcus Innrus Brutus, sonst ein geistvoller Mann, der
durch reine Sitten, strenge Grundsätze und ehrenwerthe Thaten die Achtung
aller Gutgesinnten erworben hatte und der von jenem alten Brutus, dem
Stifter der Republik, sein Geschlecht ableitete, und Casus Cassius stell-
ten sich au die Spitze einer Verschwörung. Die Verschworenen wählten
den 15. März (44 v. Chr.), an welchem Tage der Senat in einer feier-
lichen Sitzung dem Cäsar vor seinem Aufbruche gegen die Parther die
Königswürde ertheilen sollte, zur Ausführung ihres Vorhabens. Kaum war
Cäsar, ungeachtet seines Unwohlseins und der Abmahnungen seiner durch
böse Träume beunruhigten Gemahlin Calpurnia, in der Versammlung erschie-
nen, so umringten ihn die Verschworuen und drangen von allen Seiten mit
Dolchen auf ihn ein. Als er auch den Brutus, den er wie seinen Sohn
geliebt hatte, unter den Verschwornen erblickte, rief er: „Auch du, mein
Sohn Brutus!" — hüllte sich, von der Gewalt übermannt, in seine Toga
und sank, von dreiuudzwanzig Wunden bedeckt, zu den Füßen der Bildsäule
des Pompejus todt nieder. Der Senat war ein stummer Zeuge dieser
Vorgänge und stob, von Entsetzen ergriffen, aus einander.
§ 30. Das zweite Triumvirat: Antonius, Octavianus, Lepidus.
Schlacht von Actium (31 v. Chr.).
Der Zweck, um desseutwilleu der Frevel unternommen worden war, wurde
nicht erreicht, Rom konnte die Freiheit nicht mehr ertragen, neue Bürger-
kriege flammten empor und nur eine neue Alleinherrschaft schien vor den
Greueln der Anarchie bewahren zu können.
Das erschrockene Rom wollte von Cäsar's Mördern, die sich wenigstens
des Capitols bemächtigt hatten, nichts wissen. Der schlaue Cónsul Mar-
cus Antonius, der des Dictators Rolle gern für sich selbst fortspielen
wollte, ließ Cäsar's Testament öffnen, um die den Mördern ungünstige
Stimmung des Volks zu erhöhen. In diesem Testamente wurde Cäsar's
Schwesterenkel Casus Octavius von ihm an Sohnes Statt angenommen
und zum Haupterben eingesetzt, der meisten seiner Mörder mit Wohlwollen
gedacht und jedem Einzelnen aus dem Volke ein ansehnliches Geldgeschenk
vermacht. Cäsar erschien daher dem Volke nicht als ein Tyrann, sondern
als ein Wohlthäter und seine Ermordung als eine verruchte That. Ja,
als des Ermordeten Leichnam auf einem ungeheuern Scheiterhaufen ver-
brannt wurde, steigerte Antonius durch eine Lobrede die Entrüstung des
TM Hauptwörter (50): [T20: [Rom Jahr Cäsar Senat Kaiser Pompejus Antonius Tod Krieg Sohn], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
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Extrahierte Personennamen: Cäsar Marcus_Innrus_Brutus Brutus Brutus Cäsar Cäsar Calpurnia Brutus Brutus Antonius Cónsul_Mar-
cus_Antonius Antonius Cäsar's
Schwesterenkel_Casus_Octavius Cäsar Antonius
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Schlichtung ihrer Bürgerkriege den Feind selbst in das Land riefen und
daß die einflußreichsten Männer sich zur Förderung seiner Absichten von
ihm bestechen ließen. So wurde er von den Thebanern gegen die Phocier
zu Hülfe gerufen, beendete den ersten s. g. heiligen Krieg und erhielt durch
die Aufnahme in den Rath der Amphiktyonen (eine Art griechischer
Bundestag und Bundesgericht) gesetzlichen Einfluß auf die Angelegenheiten
Griechenlands (344). Im bald darauf beginnenden zweiten heiligen Kriege
fand er die Gelegenheit, mit seinem längst gehegten Plane der Unter-
drückung Griechenlands offen hervorzutreten. Am meisten mußte er noch
Athen fürchten, das wiederum eine Flotte bekommen hatte und einen Theil
der Küstenstädte Macedoniens beherrschte. Allein einen Theil der Männer,
welche in der Volksversammlung daselbst am meisten galten, erkaufte er
mit Geld, die andern wiegte er durch seine Schmeicheleien so lange in
Schlummer ein, bis er sich endlich für stark genug hielt, die Maske abzu-
werfen. Indessen hatte Athen noch zwei große Männer, deren Augen we-
der vom Goldschimmer geblendet, noch vom Schmeicheldunst umnebelt wur-
den. Dies waren der Feldherr Phocion und der Redner Demost-
henes, von welchen der erstere durch ein bedeutendes Feldherrntalent
und altgriechische Tugend sich auszeichnete, und der letztere von der Redner-
bühne herab durch seine feurigen Reden das Volk zum Kampfe für seine
Freibeit und gegen den gemeinsamen Feind zu begeistern verstand. Es
gelang auch dem Demosthenes, die Griechen durch seine gewaltige Bered-
samkeit aus ihrem Schlafe auszudonnern: Theben und Athen vereinigten
sich, trotz ihres gegenseitigen Hasses, zu einem Bunde gegen Philipp, die
Korinther und andere griechische Völkerschaften schlossen sich demselben an.
Es war ein schönes Aufflammen der alten griechischen Vaterlandsliebe; aber
der entscheidende Tag von Chäronea in Böotien (338), an welchem
Philipp den Athenern und sein Sohn Alexander den Thebanern gegen-
überstand, vernichtete die Unabhängigkeit Griechenlands.
Durch alle wohlgesinnten Griechen, welche sich der alten Zeiten er-
innerten, ging ein tiefer Schmerz über des Vaterlandes Fall und den Un-
tergang der Freiheit. Aber zum Glücke Griechenlands verfuhr der König
mit Schonung, mit Achtung für griechische Art und Bildung und weiser
Mäßigung. Die Abgeordneten aller griechischen Staaten entbot er nach
Korinth, um dort die Anträge des Siegers zu vernehmen. Alle Staaten,
mit Ausnahme von Sparta, das mit verbissenem Schmerze dem Gang der
Dinge zusah, schickten ihre Gesandten. Philipp selbst erschien, wagte es
aber, aus Schonung für die republikanischen Regierungsformen der grie-
chischen Staaten, nicht, sich König von Griechenland zu nennen, sondern
stellte hier die Unterjochung Persiens, des Erbfeindes der Griechen, als
das wahre Ziel seiner bisherigen Schritte dar, forderte, zur Ausführung
dieses Zweckes und als Unterpfand ihrer Treue, Beiträge von Mannschaft
und Schiffen und ließ sich zum Oberansührer der Griechen ernennen. Schon
wurden großartige Rüstungen vorbereitet, und Philipp, von den Griechen
mit unerhörten Huldigungen gefeiert, schien eine Stufe der irdischen Hoheit
und des Ruhms nach der andern erklimmend, das Höchste erreichen zu
können; schon ging die Schmeichelei soweit, daß bei der Vermählung seiner
Tochter Kleopatra mit dem Könige von Epirus bei einem feierlichen Auf-
zuge den vorausgetragenen Bildnissen der zwölf großen Götter das des
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Extrahierte Personennamen: Philipp Philipp Chäronea Philipp Philipp Alexander Alexander Philipp Philipp Philipp Philipp
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steht zu Rom bis auf den heutigen Tag der große steinerne Triumphbogen,
der für diesen feierlichen Siegeszug gebaut worden ist, und auf der Gedächt-
nißmünze, welche zu Ehren dieses Siegs geschlagen wurde, sieht man die
Tochter Zions trauernd unter einem Palmbaume sitzen, und die Umschrift
lautet: Judæa victa (das besiegte Judäa). — Wohl mögen Einzelne, von
dem tieferschütternden Gottesgerichte über die heilige Stadt und den Tempel
betroffen, im Glauben den Herrn erkannt haben, dessen Blut über Die,
welche ihn an das Kreuz geschlagen hatten, und über ihre Kinder gekommen
war; allein die Masse des übriggebliebenen Volkes blieb ungebeugt und
ungebrochen, und durch dasselbe ging fort und fort ein tiefes Gefühl der
Rache und des bittersten Ingrimms, das bald wieder in den Flammen neuer
Empörungen aufschlug. So gegen das Ende der Regierung Kaiser Hadrian's,
als ans den Trümmern Jerusalems eine dem Jupiter geweihte römische
Coloniestadt (Aelia Capitolina) gegründet worden war und ein vorgeblicher
Messias Bar Kochba (Sohn des Sterns) durch seine Helden- und Greucl-
thaten bis nach Syrien hin Schrecken verbreitete. Erst nach drei Jahren
konnte der Aufstand gedämpft werden, Bar Kochba fiel in der Schlacht
(135 n. Ehr.). Abermals war eine unzählbare Menge Juden durch Hun-
ger, Pest, Feuer und Schwert umgekommen, Palästina schrecklich verwüstet
und den Juden bei Todesstrafe verboten, die Stadt Jerusalem zu betreten;
nur am Jahrestage ihrer Zerstörung durften sie von den fernen Bergen sie
sehen und beweinen.
Seit jener Zeit lebt Israel unter allen Völkern der Erde zerstreut und
wandelt durch die Jahrhunderte der Geschichte als ein lauter Zeuge von der
Gerechtigkeit und der Wahrhaftigkeit Gottes wie in seinen Verheißungen, so
in seinen Drohungen, zugleich allen Völkern zum Denkmal, daß sie ein um
so unbarmherzigeres Gericht erfahren werden, je größere Gnadengüter sie
verscherzt haben.
§ 34. Herculannm's und Pompeji's Untergang (79 n. Chr.).
Kaiser Vespasian der Strenge führte zehn Jahre lang das
Staatsrudcr mit kräftiger Hand. Er war als Privatmann mäßig, als Rich-
ter gerecht, als Feldherr glücklich. Von ihm rührt das große Colosseum
in Rom hei, ein steinernes Theater, in welchem 80,000 Menschen Platz
hatten, und das noch jetzt zu sehen ist. Ihm folgte sein Sohn Titus
der Menschenfreund, der von seinen Zeitgenossen die Wonne des
Menschengeschlechts genannt wurde, und der jeden Tag für verloren hielt,
an dem er nicht Jemandem eine Wohlthat erwiesen hätte. Unter seiner nur
dreijährigen Regierung (79 — 81 n. Chr.) ereigneten sich viele schwere Un-
glücksfälle, besonders ein schreckliches Erdbeben, welches, während der Vesuv
seine feurigen Fluthen ausströmte, die blühenden Städte Herculanum,
P o m p e j i und S t a b i ä in Campanien, in der Gegend des heutigen Nea-
pels, verschlang.
Das letztere große Naturereigniß, bei dem der wißbegierige Naturforscher
Plinius der Aeltere seinen Tod fand, ist uns von einem Augenzeugen,
seinem Neffen, Plinius dem Jüngern, in zwei Briefen an den Ge-
schichtschreiber Tacitus näher beschrieben worden. Der Vesuv hatte, schreibt
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70
nenne der Lucretia die königliche Würde für abgeschafft und setzte eine
republikanische Regierungsform mit zwei jährlich wechselnden Consuln an
der Spitze ein (509). Die beiden ersten Consuln waren Brutus und
C o l l a t i n u s.
§ 20. Kämpfe für die Behauptung der Republik (509 v. Chr.).
Horatius Cocles. Mucius Scavola. Clölia.
Die Geschichte Rom's von der Einführung der Republik bis zum
ersten punischen Kriege zeigt uns im Innern der Stadt die unter viel-
fachen Kämpfen sich ausbildende republikanische Verfassung und eine Fülle
republikanischer Tugenden, nach Außen erst den Kamps um die Freiheit
gegen den verbannten König nebst seinen Verbündeten, und sodann die mit
römischer Zähigkeit erfolgende Unterwerfung Italiens. An die Stelle der
Könige traten, zur Ausübung der höchsten Gewalt im Krieg und Frieden,
zwei patrizische Consuln, deren bescheidener Name (eigentlich soviel
als Rathmänner) und nur einjährige Amtsdauer keinen Mißbrauch ihrer
Macht besorgen ließ. Sie genossen indessen königliche Auszeichnung bis
auf die Krone, indem ihnen zwölf Gerichtsdiener (Victoren) mit Stabbün-
deln und Beilen voranschritten, welche der Cónsul vor der Volksgemeinde
senken ließ. Die Römer mußten aber lange um die Behauptung der neu-
errungenen Freiheit kämpfen; denn der vertriebene Tarquinius versuchte
dreizehn Jahre lang durch List und Gewalt die Wiedererlangung der Herr-
schaft. Unter Anderen wandte er sich an Porsena, König der etrus-
kischen Stadt Clusium, welcher mit einem großen Heere den Verbannten
zurückführen wollte. Damals (507 v. Chr.) war es, wo der heldenmü-
thige Horatius Co eles die unter Porsena auf Rom eindringenden
Etrusker so lange kämpfend auf der Tiberbrücke zurückhielt, bis diese hinter
ihm abgebrochen war, und darauf mit voller Rüstung sich in den Strom
stürzend, mit Wunden bedeckt, den Geschossen der Gegner glücklich entkam.
Das Volk dankte ihm mit einem Standbilde und dem Namen: „Retter des
Vaterlandes." Ein anderer kühner römischer Jüngling, Mueius Scä-
vola, drang, um den Etruskerkönig zu ermorden, verkleidet in das feind-
liche Lager.' Statt des Königs durchbohrte er aber den reichgekleideten
Schreiber desselben und streckte, vor den König geführt und mit dem Tode
bedroht, zum Beweis seiner Todesverachtung seine rechte Hand über ein
Kohlenbecken und ließ sie ruhig abbrennen. Betroffen über die That und
erschrocken durch das Geständniß des Mueius, daß noch 300 andere rö-
mische Jünglinge sieh verschworen hätten, den König umzubringen, stand
Porsena von der Belagerung Rom's ab. Auch den Mueius ehrte eine
Bildsäule und der Beiname: Scävola d. h. der Linkarm. Selbst eine
kühne Jungfrau, Namens Clölia, verdiente sich dadurch eine Reiterbild-
säule, daß sie an der Spitze der patrizischen Jungfrauen, welche von Rom
zur Sicherstellung des Friedens mit Porsena als Geißeln gegeben worden
waren, aus dem Feindeslager zu Pferde über die Tiber entkam und ihre
Gefährtinnen zurückführte. Tarquinius machte noch einen letzten Versuch
zur Wiedergewinnung der Königsmacht und bewog die Latiner, für ihn die
Waffen zu ergreifen. Allein nach der entscheidenden Schlacht am See
TM Hauptwörter (50): [T20: [Rom Jahr Cäsar Senat Kaiser Pompejus Antonius Tod Krieg Sohn], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T23: [Rom Römer Krieg Italien Stadt Jahr Heer König Rmer Hannibal]]
TM Hauptwörter (100): [T55: [Rom Krieg Römer Jahr Heer Cäsar Hannibal Pompejus Marius Schlacht], T98: [Volk Land König Krieg Zeit Feind Mann Macht Freiheit Kaiser], T88: [Sohn Vater König Tod Kaiser Tochter Bruder Jahr Mutter Gemahlin], T63: [Jahr Senat Plebejer Gesetz Volk Recht Staat Bürger Gewalt Rom], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel]]
TM Hauptwörter (200): [T146: [Rom Römer Stadt Krieg Gallier Rmer Italien Heer Jahr Schlacht], T33: [Gott Liebe Mensch Herz Leben Volk Ehre Vaterland gute Zeit], T98: [König Jahr Mitglied Verfassung Regierung Republik Präsident Kammer Gewalt Staat], T112: [Schwert Ritter Schild Waffe Lanze Pferd Speer Hand Helm Pfeil], T177: [Volk Recht Gesetz Freiheit Land Strafe Mensch Gewalt Leben Staat]]
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leidenschaftliche Konsul Terentius Varro ließ sich (216 v. Chr.) zu
einer neuen Schlacht bei Cannä in Apulien verleiten, in welcher die Römer
eine so gräßliche, wie fast beispiellose Niederlage erlitten. Hannibal, Wind
und Sonne klug benutzend, lockte die Römer durch verstellte Flucht zwischen
die beiden Flügel seines Heeres und erfocht, durch seine überlegene Reiterei
unterstützt, den glänzendsten Sieg, indem der andere Konsul, Aemilius
Paulus, nebst 45,000 Mann zu Fuß, 3000 Reitern, der Blüthe der
römischen Jugend, und 80 Senatoren fiel. Nur etwa 14,000 Römer sam-
melten sich nach und nach um den geflüchteten Vaxro, welchem der Senat
sogar entgegenging und dafür dankte, daß er am Heil des Vaterlandes
nicht verzweifelt hätte.
Hannibal stand fetzt auf dem Gipfel seines Glücks und seines Ruhms.
Aber der Ausgang des großen Kampfes konnte dennoch nicht zweifelhaft sein,
wenn man das Verhalten Karthago's und Nom's zu dieser Zeit näher be-
trachtet. In Karthago stand der alte Hanno an der Spitze der Geschäfte
und schaute mit Eifersucht auf die Fortschritte von Hannibal's Waffen, und
gemeiner Krämergeist scheute neue Opfer. Daher blieb der durch die Schlacht
von Cannä sehr geschwächte Hannibal fast nur auf sich selbst und die un-
sichern italischen Völkerschaften beschränkt. Auch die Bündnisse mit Syra-
cus und Philipp Ii. von Makedonien hatten wenig Erfolg, und sein Heer
verweichlichte in Campaniens üppiger Hauptstadt Capua. So ohne Unter-
stützung von Außen, gerieth Hannibal in eine immer schwierigere Lage; den-
noch hielt er sich noch Jahre lang in Italien auf eine fast unbegreifliche
Weise, unter den schwierigsten Verhältnissen, unter beständigen Hin- und
Herzügen, oft furchtbar und niemals besiegt. Ganz anders entwickelte Rom
zur Zeit des Unglücks seine größte Kraft, als es nach der Niederlage bei
Cannä selbst die Gesandten des Siegers abzuweisen wagte und zur Aufrecht-
haltung seiner Herrschaft selbst Sclaven bewaffnete. Durch die Siege bei
Nola und Beneventuln wuchs den Römern der Muth so, daß Claudius
Marcellus, Roms Schwert genannt, nach Sieilien hinüberging, trotz des
großen Mathematikers Archimedes künstlichen Maschinen die herrliche,
stark befestigte Stadt Syracus eroberte und ganz Sieilien zur römischen
Provinz machte (212 v. Chr.). Ein kühner Marsch Hannibal's auf Rom
(211 v. Chr.) konnte wohl die Stadt schrecken, aber keine wesentliche Ver-
änderung seiner bedrängten Lage herbeiführen. Der entscheidende Schlag
auf Hannibal sollte aber von Spanien aus geführt werden.
In Spanien hatten nämlich die Seipionen, Publius und Cnejus, fort
und fort mit Glück gestritten, fanden aber beide in demselben Jahre, in
welchem Syracus erobert wurde, einen traurigen Untergang. Schon wichen
die Römer in Spanien vor den Karthagern und kämpften nur noch mit dem
Muthe der Verzweiflung, als der Mann auftrat, welchen die Vorsehung
zum Retter Roms bestimmt hatte, dies war der dreiundzwanzigjährige P u b-
lius Cornelius Scipio, ein Sohn des gefallenen Publius, der zum
Feldherrn in Spanien ernannt wurde (210 v. Chr.), da kein Anderer sich
um die gefährliche Würde zu bewerben wagte. Schon als sechzehnjähriger
Jüngling hatte er seinem Vater in der Schlacht am Ticinus das Leben ge-
rettet und nach der Schlacht bei Cannä führte er einen Theil des zerspreng-
ten Heeres unversehrt nach Rom zurück, wo er die feigen Seelen vornehmer
Jugend, welche an dem Vaterlande verzweifelten, einschüchterte. Mit hohem
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Extrahierte Personennamen: Terentius_Varro Cannä Hannibal Aemilius
Paulus Hannibal Hanno Cannä Hannibal Philipp_Ii Philipp Hannibal Cannä Claudius
Marcellus Hannibal Cornelius_Scipio Scipio
Extrahierte Ortsnamen: Apulien Karthago Makedonien Campaniens Capua Italien Roms Rom Spanien Spanien Spanien Roms Spanien Ticinus Rom
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Durch den Sieg der Democratie, wie wir ihn oben geschildert haben,
hatten die Plebejer mit den Patriziern gleiche staatsbürgerliche Rechte errun-
gen. Aber nun erhob sich ein neuer Adel (Nobilität) aus den Nach-
kommen Derer, welche hohe Staatsämter bekleidet hatten, und suchte durch
alle Mittel, durch Bestechung der armen Bürger in der Volksversammlung
in den fast ausschließlichen Besitz aller hohen Staatsämter und Senator-
stellen zu kommen und den eroberten Grund und Boden zum alleinigen
Nutzeigenthum an sich zu reißen. Die meisten ärmern Bürger, denen bei
Bertheilung von Gemeinland kleine bäuerliche Gründstücke zugesallen waren,
wurden von den mächtigen Adligen (Nobiles) aus ihrem Besitz verdrängt
und dadurch in das Proletariat hinabgedrückt, an die Stelle der kleinen
freien Gutsbesitzer aber traten leibeigene Knechte, deren die Eroberungs-
kriege eine Menge lieferten. Dies brachte dem Staate große Gefahren:
allein auf Sicilien standen gegen 200,000 unzufriedene Sclaven auf, welche
die schöne Insel um die Wette verwüsteten und vier Jahre lang den rö-
mischen Heeren viel zu schaffen machten (134—131 v. Chr.). Zwar
wurden aus der großen Zahl der Sclaven von ihren Herren auch viele
freigelassen und diese Freigelassenen traten in eine besondere städtische
Tribus zusammen; allein diese Klasse von Bürgern aus Fremdlingen konnte
kein großes Vertrauen erwecken. Viel besser würde man dem Mangel an
Bürgern der mittleren Klasse abgeholfen haben, wenn man den Latinern
und andern italischen, mit den Römern durch Sitte und Sprache ver-
wandten Völkerschaften, welche ihnen mit ihrem Blute die Weltherrschaft
hatten erringen helfen, ihre gerechten Forderungen bewilligt und das volle
römische Bürgerrecht ertheilt, wenn man das Römerthum zum italischen
Volksthum erweitert hätte. Allein dem widersetzte sich patrizischer Stolz
und Starrsinn und plebejische Engherzigkeit.
Diesen jammervollen, durch das Uebermaß des Reichthums und der
Armuth hervorgebrachten Zustand in Rom und Italien gründlich zu ver-
bessern unternahmen zwei edelgesinnte Römer plebejischer Herkunft, Tibe-
rius Sempronius Gracchus und sein Bruder Casus S empro-
ll ius Gracchus, Söhne des Tiberius Sempronius Gracchus, der Cen-
sor und zwei Mal Consul gewesen war, und der edlen Cornelia, der
Tochter des ältern Scipio, einer vortrefflichen, durch griechische Wissen-
schaft hochgebildeten Frau, welche als Wittwe die Hand eines ägyptischen
Königs ausgeschlagen hatte, um die Erziehung ihrer beiden Söhne selbst
leiten zu können. Auf seiner Heimkehr aus dem numantinischen Kriege
durch das entvölkerte, einst so blühende Etrurien hatte Tiberitts Grac-
chus das Elend der in drückender Abhängigkeit von den Reichen lebenden
Bewohner Italiens wahrgenommen und fühlte inniges Mitleid mit dem
armen Volke, welches jetzt die Heere bildete: „Diese braven Römer," äu-
ßerte er sich darüber, „besitzen nichts, als Lust und Licht; denn diese kann
man ihnen nicht rauben. Sie fechten nur, um Anderen Pracht und Auf-
wand zu verschaffen und deren Reichthümer zu vermehren, und indem sie
Herren der Welt genannt werden, besitzen sie keinen Fuß breit Erde."
Daher forderte er, im Jahr 133 v. Chr. zum Volkstribun erwählt, der
immer zunehmenden Verarmung des Volks zu steuern, die Erneuerung des
Licinischen Ackcrgesetzes, nach welchem kein römischer Bürger von den
Staatsländereien mehr als 500 Morgen für sich und 250 Morgen für
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Extrahierte Personennamen: Gracchus Tiberius Cornelia Scipio Scipio
Extrahierte Ortsnamen: Rom Italien Etrurien Italiens
sten Kriege enthielt, welcher Italien jemals verwüstet hat. Glücklicher war
er mit einem andern tief gedachten Gesetzesvorschlage, nach welchem die
Gerichtshöfe nicht mehr mit Senatoren, welche ihre richterliche Ge-
walt zu Gunsten verbrecherischer Standesgenosfeu auffallend gemißbraucht
hatten, sondern allein mit Männern aus dem reichen und unabhängigen rit-
terlichen Stande besetzt werden sollten. Zwei Jahre lang behauptete Casus
Gracchus das Tribunat, bis der Senat einen seiner Mittribunen, Livius
Drusus, für sich gewann, der den Casus Gracchus an volksschmeichelnden
Vorschlägen noch überbot und ihm so die Volksgunst raubte. Als er dann,
hart bedrängt, sich mit seinen Anhängern auf dem aventinischen Berge ver-
sammelte, griff der Konsul Opimius, sein persönlicher Feind, der mit
diktatorischer Gewalt ausgerüstet war, sie an und vernichtete ihn nebst 3000
Bürgern seiner Partei in einem großen Aufstande. Sein Haupt wog Opi-
niius dem Mörder mit Golde auf und erbaute fast wie zum Hohn der Göt-
tis: der Eintracht einen Tempel. Das Volk aber errichtete den Gefallenen
Statuen und nannte sie Märtyrer der Freiheit.
In Rom selbst jedoch dauerte nach der Wiederaufhebung des Ackerge-
setzes die Ungewißheit und Zerrissenheit fort, schlaue Volkssührer (Dema-
gogen) hatten die Mittel kennen gelernt, durch welche sie Macht und Einfluß
bei dem Volke gewinnen konnten, und was der Patriotismus der Gracchen
zum Wohl des Vaterlandes hatte erreichen wollen, benutzten einzelne über-
mächtige Bürger zum Sturz der Verfassung, welche zwar dem Namen
und der Form nach noch fortbestand, deren Geist aber gänzlich geän-
dert war.
§ 28. Marius und Sulla. Die Kimbern und Teutonen. Der erste
Bürgerkrieg (88 v. Chr.).
Zu Rom war in der Person des ältern Gracchus die Heiligkeit des
Tribunats, und in seinen und seines Bruders Anhängern die Heiligkeit des
Lebens der Bürger verletzt worden, der Damm des Gesetzes war gebrochen
und jeglicher Gewaltthat Thür imb Thor geöffnet. Darum ging von nun
an die römische Republik, wiewohl nach Außen immer noch furchtbar und
triumphirend, aber durch innere Kriege schrecklich zerrissen, ihrem Untergänge
entgegen. An die Spitze der Parteien traten jetzt zwei durch ihre Thaten,
sowie durch ihre Schicksale ausgezeichnete Männer, der Plebejer Cajus
Marius und der Patrizier Lucius Cornelius Sulla. Cajus Marius
war zu Arpin um, einer Stadt der Volsker in Latium, welche das römische
Bürgerrecht hatte (Municipalstadt war), aus niederem Stande geboren, ohne
Vermögen, ohne Erziehung und wissenschaftliche Bildung, von rauhen Sit-
ten und unbeugsamem Willen. Schon als Jüngling erregte er im Lager
vor Numantia Scipio's Aufmerksamkeit und machte sich beim Heere durch
Tapferkeit, zu Rom durch volksfreundliche Gesinnung beliebt. Sein eigent-
licher Ruhm aber begann erst in dem Kriege, welchen die Römer (112—100
v. Chr.) mit Jugurtha, König von Nuinidien in Afrika, führten. ^ Dieser
talentvolle, aber schändliche Mensch hatte nach seines Onkels Micipsa,
des Nachfolgers von Massinissa, Tode (118 v. Chr.) das numidische Reich
geerbt, um es mit seinen beiden Vettern, des Micipsa Söhnen Hiempsal
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Extrahierte Personennamen: Casus
Gracchus Livius
Drusus Opimius Marius Marius Sulla Cajus
Marius Marius Lucius_Cornelius_Sulla Sulla Cajus_Marius Marius Micipsa Massinissa
Extrahierte Ortsnamen: Italien Rom Rom Latium Rom Afrika