Geschichte der Römer. 187
Krieges (195 —190) wurden die Ansprüche Antio-
chus des Großen auf die thracische Chersonnesus, die
Nom streitig machte, wahrend es die den europäischen
Griechen versprochene Freiheit auch auf die asiatischen,
Unterthanen jenes Königs, ausdehnen wollte. Dieser
hatte an den Ätolern und an Nabis in Sparta Verbün-
dete, die jedoch sein nach Griechenland übergesetztes
Heer nicht unterstützten. Es wurde von Glabrio
bei Thermopylä (191) geschlagen, und mußte Grie-
chenland verlassen. Nach drei gewonnenen Seeschlach-
ten landeten die Römer, die Hannibal in Italien an-
zugreifen vergeblich gerathen hatte, in Vorderasicn,'und
sogleich entscheidet L. Cornelius Scipio (Asia-
tieus) durch die Schlacht bei Maanesia (190) den
Krieg, der dem Antiochus ganz Vorderasien bis an
den Tauruß, und Geldsummen kostete, die sein Reich
auf immer ohnmächtig und von Rom abhängig mach-
ten. Die Römer aber bewiesen nach dem Kriege eine
auffallende Mäßigung. Sie machten das ero
Land nicht zur Provinz, sondern belohnten damit
Bundesgenossen, den König von Pergamuw uni
Republik Rhodus. Hart aber büßten die Ätoler den
Abfall.
204. Noch dauerten zwei andere Kriege der Rö-
mer, in Spanien und in Oberitalien gegen die Gallier
und Ligurer, ununterbrochen fort. Der erstere berei-
cherte Nom mit vielem Golde, war aber von unabseh-
licher Länge; der andere gab Anlaß zu Anlegung von
Colonien (Aquileja), wodurch das Land mit der Zeit
in Gehorsam erhalten werden konnte. In Rom selbst
aber begann ein demokratischer Geist überwiegend
zu werden, und das cinschleichcnde Sittenverderben
berte
) die 7
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266
cs erheischt, finden sich in den Homerischen Gesängen immer nur als
Beiwerk die anmutigsten Szenen des Naturlebens. „Der Hirte freut sich
der Windstille der Nacht, des reinen Äthers und des Sternenglanzes am
Himmelsgewölbe; er vernimmt aus der Ferne das Toben des plötzlich
angeschwollenen, Eichenstämme und trüben Schlamm fortreißenden
Waldstroms." Mit der großartigen Schilderung der Waldeinsamkeit des
Parnassos und seiner dunkeln, dichtbelaubten Felstäler kontrastieren die
heiter lieblichen Bilder des quellenreichen Pappelhaines auf der Phäaken-
insel Scheria und vor allem das Land der Kyklopen, „wo schwellend
von saftreichem, wogendem Grase die Auen den ungepflegten Rcbenhügel
umgrenzen." Pindaros besingt in einem Frühlingsdithyrambus, den er
zu Athen hat ausführen lassen, „die mit neuen Blüten bedeckte Erde,
wenn in der Argeischen Nemca der sich zuerst entwickelnde Sprößling
des Palmbaums dem Seher den anbrechenden duftenden Frühling ver-
kündigt"; er besingt den Ätna, „die Säule des Himmels, Nährerin
dauernden Schnees"; aber eilend wendet er sich ab von der toten Natur
und ihren Schauern, um Hieron von Syrakus zu feiern und die sieg-
reichen Kämpfe der Hellenen gegen das mächtige Volk der Perser.
Vergessen wir nicht, daß die griechische Landschaft den eigen-
tümlichen Reiz einer innigeren Verschmelzung des Starren und Flüssigen,
des mit Pflanzen geschmückten oder malerisch felsigen, lustgefärbten Ufers
und des wellenschlagenden, lichtwechselnden, klangvollen Meeres darbietet.
Wenn anderen Völkern Meer und Land, das Erd- und Seeleben wie
zwei getrennte Sphären der Natur erschienen sind, so ward dagegen den
Hellenen, und nicht etwa bloß den Inselbewohnern, sondern auch den
Stämmen des südlichen Festlandes, fast überall gleichzeitig der Anblick
dessen, was im Kontakt und durch Wechselwirkung der Elemente dem
Naturbilde seinen Reichtum und seine erhabene Größe verleiht. Wie
hätten auch jene sinnigen, glücklich gestimmten Völker nicht sollen angeregt
werden von der Gestalt waldbekränzter Felsrippen an den tief einge-
schnittenen Ufern des Mittelmeeres, von dem stillen, nach Jahreszeit
und Tagesstunden wechselnden Verkehr der Erdfläche mit den unteren
Schichten des Luftkreises, von der Verteilung der vegetabilischen Ge-
stalten? Wie sollte im dem Zeitalter, wo die dichterische Stimmung die
höchste war, sich nicht jegliche Art lebendiger, sinnlicher Regung des
Gemütes in idealische Anschauung auflösen? Der Grieche dachte sich die
Pflanzenwelt in mehrfacher mythischer Beziehung mit den Heroen und
Göttern. Diese rächten strafend eine Verletzung geheiligter Bäume und
Kräuter. Die Einbildungskraft belebte gleichsam die vegetabilischen
Gestalten; aber die Formen der Dichtungsarten, auf welche bei der Eigen-
tümlichkeit griechischer Geistesentwicklung das Altertum sich beschränkte,
gestatteten dem naturbeschreibenden Teile nur eine mäßige Entfaltung.
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209
die fortdauernde Stärke der nationalen Strömung nach dem Sieben-
jährigen Kriege bezeugten. Noch immer war diese Strömung mit der
Abneigung gegen die französische und mit einer gewissen Anlehnung an
die englische Literatur verbunden. Sie wurde rascher und brausender
und schwoll bedenklich über die Ufer. Die Tendenzen Klopstocks und
Lessings erschienen gesteigert, übertrieben und mit neuen Impulsen ver-
mischt. Die Reformbcwegung verwandelte sich in eine Revolution, welche
eine Zeitlang die ganze Jugend erregte. Sie war national und volks-
tümlich. Sie ward unternommen im Geiste Rousscaus gegen den Geist
Voltaires, im Namen der Natur gegen die Kultur, im Namen der
Leidenschaft gegen den Verstand, im Namen der Geschichte gegen das
konstruierte Ideal, im Namen des Glaubens gegen den Zweifel, im
Namen des Genies gegen die ästhetische Regel. Goethes Götz war die
eigentlich revolutionäre Tat, die am meisten in die Augen fiel. Aber
die Blätter von deutscher Art und Kunst gingen ihr vorher wie ein
Programm, wie ein Manifest.
Auch Herder opponierte gegen den Geist seines Jahrhunderts; auch
er wurde von der historischen Auffassung beherrscht; will man all sein
Denken und Dichten in eins fassen, so muß es heißen: Geschichte des
menschlichen Geistes. Wunderlich sind die Wege, die ihn auf die Höhe
führten. Der Sohn eines armen ostpreußischcn Schullehrers dient er
dem Geistlichen des Orts und darf dessen Bücher benutzen; ein russischer
Regimentschirurg nimmt ihn mit nach Königsberg, und unter den härtesten
Entbehrungen studiert er dort anfänglich Medizin, dann Theologie. Durch
Unterrichtgeben verdient er sich seinen Lebensunterhalt, die Not vermag
nichts über den feurigen Willen des Jünglings, der als Schüler zu
Kants Füßen sitzt und Studiengenosse des merkwürdigen Hamann wird.
Als Lehrer und Prediger wird der 20jährige nach Riga berufen, und von
dort aus tritt er zuerst als Schriftsteller auf. Die „Fragmente zur
deutschen Literatur" und die „Kritischen Wälder" bezeichnen den Anfang
einer überaus reichen literarischen Tätigkeit. Nach einer nur vierjährigen
Tätigkeit in Riga legt er seine Ämter nieder und geht auf Reisen. Ein
Aufenthalt in Paris, bei dem er in die Kreise Diderots und der Enzy-
klopädisten eintrat, bestärkt ihn in seiner Abneigung gegen die Franzosen.
Als Begleiter eines deutschen Prinzen soll er Italien, die Welt sehen,
aber schon in Straßburg bleibt er zurück, um sich von einem Augenübcl
heilen zu lassen, und hier trat er in Beziehungen zu dem Straßburger
Studenten Goethe, die für beide so bedeutungsvoll wurden. Hier entstand
seine Abhandlung über den Ursprung der Sprache, die ihm den Preis
der Berliner Akademie erwarb, hier begannen die Studien über Ossian
und Shakespeare, mit denen er nicht bloß Goethe, sondern eine ganze
Generation von Dichtern beeinflußte. Ein sicherer Hafen eröffnete sich
14
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34. Theodor Storm.
Geb. 1817 in Husum, Jurist, gest. 1888 in Hademarschen bei Hanerau. (Gedichte 1853.)
1. Die Stadt.
1. Am grauen Strand, am grauen Meer
Und seitab liegt die Stadt;
Der Nebel drückt die Dächer schwer.
Und durch die Stille braust das Meer
Eintönig um die Stadt.
2. Es rauscht kein Wald, es schlägt im Mai
Kein Vogel ohn Unterlaß;
Die Wandcrgans mit hartem Schrei
Nur fliegt in Herbstesnacht vorbei,
Am Strande weht das Gras.
3. Doch hängt mein ganzes Herz an dir,
Du graue Stadt am Meer;
Der Jugend Zauber für und für
Ruht lächelnd doch auf dir, ans dir,
Du graue Stadt am Meer.
2. Meeresstrand.
1. Ans Haff nun fliegt die Möwe,
Und Dämmrnng bricht herein;
Über die feuchten Watten
Spiegelt der Abendschein.
2. Graues Geflügel huschet
Neben dem Wasser her;
Wie Träume liegen die Inseln
Im Nebel auf dem Meer.
3. Ich höre des gärenden
Geheimnisvollen Ton, ^Schlammes
Einsames Vogelrnsen —
So war es immer schon.
4. Noch einmal schauert leise
Und schweiget dann der Wind;
Vernehmlich werden die Stimmen,
Die über der Tiefe sind.
3. Schließe mir die Augen beide.
Schließe mir die Angen beide
Mit den lieben Händen zu!
Geht doch alles, was ich leide,
Unter deiner Hand zur Ruh.
Und wie leise sich der Schmerz
Well um Welle schlafen leget,
Wie der letzte Schlag sich reget,
Füllest du mein ganzes Herz.
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101
2. Wenn überm Meer.
1. Wenn überm Meer das Frührot brennt
Und alle Küsten rauchen,
Wie lieb ich dann, ins Element
Befreit hinabzutauchen.
2. Tiefpurpurn schwillt um mich die Flut
Und zittert, Well an Welle;
Mir deucht, ich bad in Drachenblut
Wie Siegfried einst, der Schnelle.
3. Mein Herz wird fest, und wie es lauscht.
Von junger Kraft durchdrungen,
Verstehts, was Wind und Woge rauscht,
Und aller Vögel Zungen.
3. Nun kommt der Sturm.
1. Nun kommt der Sturm ge-
Der heulende Nordost, [flogen,
Daß hoch in Niesenwogen
Die See ans Ufer tost.
2. Das ist ein rasend Gischen,
Ein Donnern und ein Schwall,
Gewölk und Abgrund mischen
All ihrer Stimmen Schall.
3. Und in der Winde Sausen
Und in der Möve Schrein,
In Schaum und Wellenbrausen
Jauchz ich berauscht hinein.
4. Schon mein ich, daß der Reigen
Des Meergotts mich umhallt,
Die Wogen seh ich steigen
In grüner Roßgestalt,
5. Und drüber hoch im Wagen,
Vom Nixenschwarm umringt.
Ihn selbst, den Alten, ragen,
Wie er den Dreizack schwingt.
4. Zuflucht. (Por 1814.)
1. Der du mit Tau und Sonnenschein ernährst die Lilien auf dem Feld,
Der du die jungen Raben nicht vergissest unterm Himmelszelt,
Der du zu Wasserbächen führst den Hirsch, der durstig auf den Tod,
O gib, du Allbarmherziger, auch unsrer Zeit, was ihr so not!
2. Um Frieden, Frieden flehen wir, nicht jenen, der des Sturms entbehrt,
Der sicher in der Scheide Haft gefesselt hält das scharfe Schwert,
Nein, um den Frieden in der Brust, dems mitten in der Schlacht nicht graut
Weil auf den Felsen deines Worts mit festen Pfeilern er gebaut.
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105
3. Doch vor dem Haus, wo uns vor Jahren
Die Mutter stets empfing, dort sah
Ich fremde Menschen fremd gebaren;
Wie weh, wie weh mir da geschah!
4. Mir war, als rief' es aus den Wogen:
Flieh, flieh, und ohne Wiederkehr!
Die du geliebt, sind fortgezogen,
Sie kehren nimmer, nimmermehr.
38. Annette v. Troste-Hülshoff.
Geb. 1797 auf dem Gute ihrer Eltern bei Münster in Westfalen, starb unvermählt
auf Schloß Meersburg am Bodensce 1848. („Gedichte" 1838.)
1. Der
Er liegt so still im Morgenlicht,
So friedlich wie ein fromm Ge-
wissen ;
Wenn Weste seinen Spiegel küssen,
Des Ufers Blume fühlt es nicht;
Libellen zittern über ihn,
Blaugoldne Stäbchen und Karmin,
Und auf des Sonnenbildes Glanz
Weiher.
Die Wasserspinne führt den Tanz;
Schwertlilienkranz am Ufer steht
Und horcht des Schilfes Schlummer-
liede ;
Ein lindes Säuseln kommt und geht,
Als flüstr' es: Friede! Friede!
Friede!
2. Der Knabe im Moor.
1. O, schaurig ists, übers Moor zu gehn,
Wenn es wimmelt vom Heiderauche,
Sich wie Phantome die Dünste drehn
Und die Ranke häkelt am Strauche,
Unter jedem Schritt ein Quellchen springt,
Wenn aus der Spalte es zischt und singt!
O, schaurig ists, übers Moor zu gehn,
Wenn das Röhricht knistert im Hauche!
2. Fest hält die Fibel das zitternde Kind
Und rennt, als ob man es jage;
Hohl über die Fläche sauset der Wind —
Was raschelt drüben am Hage?
Das ist der gespenstige Gräberknecht,
Der dem Meister die besten Torfe verzecht;
Hu, hu, es bricht wie ein irres Rind!
Hinducket das Knäblein zage.
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63
Das, als er het zu Mer gestritten
Vnd sehr grasen vertust gelitten,
Da ward er so ergrimmet sehr,
Das er ließ geyselen das Mer
Vnd wnrsf satten drein, es zu stillen
Vnd es zu fässeln nach seim willen.
Aber was half in diser hon?
So vil als nichts: er stoch davon.
Desgleichen hört man von Venedig,
Das sie, zu schaffen das Mer gnädig,
Järlich werfen hinein ein Ring,
Das es sie wie ein Braut vmbfing.
Aber wie oft hats sich crwiscn
Gantz feindtlich mit den Vbergüsserü)?
Auch,wan sic jrer Gmahl wol trauten,
Was dorffts, das sie vil Dämm
vmbbanten?
Deshalb ein andre weiß ist gwiß,
Zu zämcn die Wasser und Fluß,
Das sie geschlacht") und solgigwerden
Vnd die Leut fälligen3) on bschwerden.
Welchs ist dieselb? Reinlich nur die,
Welche wir Han erfaren hie,
Das neulich sie gebrauchet hat
Die jung Mannschaft auß Zürch,
der Statt,
Das ist: hantfest Arbeitsamkeyt
Vnd standhafft vnuerdrossenheit,
Durch Rudernz, Rimen^), stoscn,
schalten^)
Vngeacht müh ernsthasft anhalten,
Richt schewen hiz, schweis, gfärligkeit
Roch der Wasser vngstümmigkeit,
Richt erschrecken ab wirbeln, wällen,
Sonder sich herzhasft gcgenstellen,
Je meh die Fluß Laut rauschend
trutzen,
Je kräsftiger Hinwider stutzen3),
' Inn summa, durch standhafft gemüt
Vnd strenge Hand, die nicht ermüd.
Dann nichts ist also schwer und
scharst,
Das nicht die arbeit vnderwarff;
Nichts mag kaum sein so vngelegen,
Welchs nicht die Arbeit bring zu-
wegen.
Was die saulkeit halt für vnmüglich,
Das vberwind die Arbeit füglich.
Die Arbeit hat die Berg durchgrnben
Vnd das Thal inn die höh erhaben,
Hats Land mit Stätten wonhaft
gmacht
Vnd die Ström zwischen Dämm
gbracht,
Hat Schis gebaut, das Mer zu
zwingen,
Das es die Leut muß vberbringen
Vnd die Leut über flnß muß dragen
Vnd sich mit Rudern lassen schlagen,
Das es die Schiff so gschwind
muß füren,
Als die vögel der Luft thut rürench.
Derwegen, dieweil durch solch weiß,
Reinlich durch arbeitsamen fleiß,
Die Zürcher haben vorgedrosien9)
Vilen, die auch dergleichen hoffen,
Vnd han ein bessern weg gesunden,
Wie die slüß werden vberwunden,
Vnd also Han geschafft ein Ram,
Der bleibt, so lang der Limmatstram
Zn jrem Vater laufst inn Rein
Vnd der Rein kert im Meerkreiß ein:
So wer es ie ein vnnerstand,
Die Gschicht zu machen nicht bekant,
Dieweil es ie kein Fabel ist,
Wie man vom Triptolemo lißt,
®er in kurtzer Zeit hat durchgangen
Die gantze Welt auff fliegend schlan-
gen,
Roch ein gedicht von fügend brachen,
. l) Überschwemmungen 2) artig 3) befördern 4) steuern 5) rudern 6 7) fortbewegen
7) sich entgegenstemmen 8) forttragen 9) übertroffen
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127
druck eines fröhlichen Gelages in der germanischen Fürstenhalle; und
wenn der Heiland die wilden Wasser des Sees von Genezareth beruhigt,
dann tritt das Bild so lebendig vor die Seele des Berichtenden, daß er
den Sturm in markiger Zeichnung darstellt: „Da begann des Wetters
Kraft, im Wirbelwinde stiegen die Wolken; Nacht schwang sich hinab, die
See kam in Aufruhr; Wind und Wasser kämpften; doch dem Gebot
gehorsam und des Waltenden Wort stillten die Wetter sich; heiter floß
die Flut."
Hier führt die Liebe zu der Natur, die sich in die Elemente hinein-
sühlt, zur wirkungsvollen Beseelung, und zugleich rauscht hier in deutscher
Dichtung zuerst das Meer.
Doch vor allen versenkt sich der Dichter mit inniger Anteilnahme in
die Seclenvorgänge, die er schildert. An kleinen Zügen läßt sich dies
erkennen. Wir spüren, es greift ihm selbst ans Herz, wenn er an die
Mutter des Jünglings zu Nain denkt, und so fügt er dem Bilde der
Evangelien ein paar Striche hinzu; aber sie sind bezeichnend: „Die
Mutter ging dahinter, im Herzen betrübt und die Hände ringend, klagend
und jammernd; sie war Witwe, der Wonne sonst entblößt." Und ein
rührendes Bild wech er uns zu entwerfen, wie dann Leid in Freude
sich wandelt und der Jüngling seiner Mutter wiedergegeben wird. Auch
fühlen wir, wie der Dichter selbst erschüttert ist, wenn er uns den Herrn
in seiner Betrübnis in Gethsemane vorführt, wie Geist und Leib dem
Gotteskindc in Widerstreit geraten, da jener gern bereit ist, den Heimweg
zu gehen zu Gottes Reich, dieser aber so trauert, daß die Tränen und
der Schweiß wie Blutstropfen hernicderfallen. Und die gesunde Lebens-
freude des trefflichen Sachsen bricht durch in den Worten: „Dies Licht
ließ er nicht gern". Auch sonst ist er weit entfernt, das Diesseits vor dem
Jenseits zu verachten; die Daseinslust kommt kräftig zum Ausdruck. So
bitten die Blinden den Heiligen, daß er ihnen die Augen wieder öffne,
auf daß sie der Leute Lust, den hellen Sonnenschein, die wunderschöne
Welt erschauen möchten; auch von Lazarus heißt es, daß er „wonnig
erstand zu diesem Licht"; und als der Herr gleich einem Fürsten vor-
dem Thinge auf dem Ölberg zu den Seinen vom Weltuntergänge spricht,
da fragen die Jünger besorgt: „Wie lauge steht noch diese Welt in Wonne?
Ach, die Wende kommt, daß der letzte Tag des Lichtes scheint durch den
Wolkenhimmel". Mit düsteren Farben malt ihnen dann Jesus das Er-
löschen des Lichtes, das Leben der Erde, die Wut der Wasser — denn
der Weltuntergang, die „Götterdämmerung", war den Germanen eine ganz
geläufige, sie tief ergreifende Vorstellung.
Vor allem aber wirkt der fromme Sänger durch seine Treuherzigkeit:
mag er nun schildern, wie die Gottcsmagd liebreich den lieben kleinen
Mann — das Kind, das doch Gottes Kraft besaß, — in eine Krippe
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93
2. An Venedig.
i.
1. Mein Auge ließ das hohe Meer zurücke,
Als aus der Flut Palladios Tempel stiegen,
An deren Staffeln sich die Wellen schmiegen,
Die uns getragen ohne Falsch und Tücke.
2. Wir landen an, wir danken es dem Glücke,
Und die Lagune scheint zurückzufliegen.
Der Dogen alte Säulengänge liegen
Vor uns gigantisch mit der Seufzerbrücke.
3. Venedigs Löwen, sonst Venedigs Wonne,
Mit ehrnen Flügeln sehen wir ihn ragen
Auf seiner kolossalischen Kolonne.
4. Ich steig ans Land, nicht ohne Furcht und Zagen,
Da glänzt der Markusplatz im Licht der Sonne:
Soll ich ihn wirklich zu betreten wagen?
Ii.
1. Es scheint ein langes, ewges Ach zu wohnen
In diesen Lüsten, die sich leise regen,
Ans jenen Hallen weht es mir entgegen,
Wo Scherz und Jubel sonst gepflegt zu thronen.
2. Venedig fiel, wiewohl's getrotzt Äonen,
Das Rad des Glücks kann nichts znrückbewegen:
Öd ist der Hafen, wcn'ge Schiffe legen
Sich an die schöne Riva der Sklavonen.
3. Wie hast du sonst, Venetia, geprahlct
Als stolzes Weib mit goldenen Gewändern,
So wie dich Paolo Veronese malet!
4. Nun steht ein Dichter an den Prachtgeländern
Der Riesentreppe staunend und bezahlet
Den Tränenzoll, der nichts vermag zu ändern!
30. Heinrich Heine.
Geb. 1797 in Düsseldorf, gest. 1856 in Paris. („Buch der Lieder" 1827 u. a.)
1. Das Zauberland.
1. Ans alten Märchen winkt es 2. Wo große Blumen schmachten
Hervor mit.weißer Hand, Im goldnen Abendlicht
Da singt es und da klingt es Und zärtlich sich betrachten
Von einem Zauberland. Mit bräutlichem Gesicht; —
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T9: [Tempel Stadt Kirche Säule Zeit Gebäude Bau Mauer Haus Dom]]
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Extrahierte Personennamen: Palladios Venedigs Paolo_Veronese Heinrich_Heine Heinrich
8
I. Familie und Elternhaus.
9. Sieht alles, was ihr tut und denkt,
Hält euch in seiner Pflege,
Weiß, was euch freut und was euch kränkt,
Und liebt euch allewege.
10. Das Sternenheer hoch in der Höh',
Die Sonne, die dort glänzet,
Das Morgenrot, der Silbersee,
Mit Busch und Wald umkränzet;
11. Dies Veilchen, dieser Blütenbaum,
Der seine Arm' ausstrecket,
Sind, Kinder, seines Kleides Saum,
Das ihn vor uns bedecket;
12. Ein Herold, der uns weit und breit
Von ihm erzähl' und lehre;
Der Spiegel seiner Herrlichkeit,
Der Tempel seiner Ehre;
13. Ein mannigfaltig groß Gebäu,
Durch Meisterhand vereinet,
Wo seine Lieb' und seine Treu'
Uns durch die Fenster scheinet.
14. Er selbst wohnt unerkannt darin
Und ist schwer zu ergründen.
Seid fromm und sucht von Herzen ihn,
Ob ihr ihn möchtet finden.
Matth. Claudius.
13. Wunderbare Rettung aus Sturmesnot.
An einem eiskalten, stürmischen Januarmorgen des Jahres
1895 wurden die Bewohner eines schleswig-holsteinischen Fischer-
dorfes durch einen Kanonenschuß auf der See geweckt. Alle
wußten, was das zu bedeuten habe, und begaben sich in der
größten Eile an den Strand. Etwa ein Kilometer von der Küste
saß ein Schiff auf dem Riff, rettungslos verloren. Die Besatzung
war in die Masten geklettert und hatte sich an das Tauwerk
festgeklammert, um nicht von den Wellen weggespült zu werden.
„Rettungsboot klarl“ ertönte das Kommando. Das Boot wurde
ausgebracht, aber sein beherzter Führer Harro war nicht da; er
hatte sich frühmorgens in das Nachbardorf begeben. Es war un-
möglich, auf ihn zu warten; denn jede Minute konnte das ge-
fährdete Schiff in Trümmer zerschlagen werden. Acht Mann
ruderten hinaus in die tosende See. Sie erreichten das Wrack
und schafften die armen Schiffbrüchigen in das Boot. Aber einer
3. So scheint sie täglich weit und breit
In Schweden und in Schwaben,
Dann kalt, dann warm, zu seiner Zeit,
Wie wir es nötig haben.
4. Von ungefähr kann das nicht sein,
Das könnt ihr wohl gedenken;
Der Wagen da geht nicht allein,
Ihr müßt ihn ziehn und lenken.
5. So hat die Sonne nicht Verstand,
Weiß nicht, was sich gebühret;
's muß einer sein, der an der Hand
Gleich wie ein Lamm sie führet.
6. Und der hat Gutes nur im Sinn,
Das kann man bald verstehen;
Er schüttet seine Wohltat hin
Und lässet sich nicht sehen;
7. Und hilft und segnet für und für,
Gibt jedem seine Freude,
Gibt uns den Garten vor der Tür
Und unsrer Kuh die Weide;
8. Und hält euch Morgenbrot bereit
Und läßt euch Blumen pflücken
Und stehet, wann und wo ihr seid,
Euch heimlich hinterm Rücken;
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