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freistehen, einen gewerblichen Beruf zu wählen, ein Geschäft zu
gründen und zu betreiben, ohne dazu der Erlaubnis einer Zunft
zu bedürfen. Nicht Gewerbeschutz durch veraltete Zünfte, sondern
Gewerbefreiheit! Freiheit wird das heimische Gewerbe wieder heben!
Die Zünftler hörten diese zuversichtlichen Rufe nach Gewerbe-
freiheit allerdings mit Unlust. Sie ahnten, daß ihre künstlich er-
haltene Herrschaft über das Gewerbe gleich wie das Königtum in
Frankreich fallen werde. Aber sie konnten die Armut und die
Ungeschicklichkeit mancher Handwerker nicht ableugnen. Sie konnten
auch die Verwendung von Maschinen und den Aufschwung des
Verkehrs nicht hemmen. Sie mußten deshalb ihre allmähliche
Entthronung geschehen lassen.
Das 19. Jahrhundert kann das Jahrhundert der Gewerbe- ^-^ntwick-
freiheit genannt werden. In Frankreich waren die Zünfte schon freien Hand-
während der Revolution gänzlich abgeschafft worden. Das deutsche Dauern.
Gewerbe hingegen nahm die Zunftordnung ins 19. Jahrhundert,
um sie erst im 7. Jahrzent vollständig zu beseitigen. Für Bayern a) öon
war das Gewerbegesetz vom 11. September 1825 wichtig. Durch
dieses Gesetz wurden die Rechte der Zünfte eingeschränkt. Es
bestimmte, daß zur selbständigen Ausübung eines Gewerbes die
Erlaubnis der Obrigkeit notwendig sei. Die Genehmigung wurde
nur erteilt, wenn der Handwerker nachweisen konnte, daß er sein
Gewerbe erlernt hatte. Dem gelernten Handwerker durfte nicht
verweigert werden sich selbständig zu machen. Den Zünften war
damit das Recht entzogen, die Zahl der Handwerker eines Ortes
zu bestimmen. Als Aufgabe der Zünfte bezeichnete das genannte
Gesetz: 1. Verbreitung nützlicher Gewerbekenntnisse, 2. Erleichterung
der Ausbildung in den Gewerben, 3. Aufsicht über Lehrlinge
und Gesellen, 4. geordnete Verwaltung und nützliche Verwendung
des Vereinsvermögens, 5. Unterstützung dürftiger Gewerbe-
angehöriger.
Die Gewerbeordnung von 1825 konnte jedoch den Wohlstand
der Kleinmeister nicht heben. Im Gegenteil! Mancher Meister
hatte wenig Arbeit und mußte seinen Gehilfen entlassen. Der
Gehilfe hatte nachgewiesen, daß er sein Handwerk erlernt hatte;
er konnte sich also nach der neuen Bestimmung als Meister nieder-
lassen. Er hatte nichts zu verlieren; also versuchte er wenigstens
sein Glück und wurde Meister. Fanden er und gleich ihm ver-
schiedene Kameraden Beschäftigung, so jammerten die bisherigen
Meister über „Übersetzung des Handwerks"; hatte er keine Arbeit,
so klagte auch er.über „die schlechten Zeiten".
Für alles Übel machten die Handwerker die Gewerbefreiheit ^Zw^ng-
verantwortlich; sie erwarteten daher eine Besserung nur von der Handwerker
Aufhebung derselben und der Wiederherstellung der mittelalter- ls4s
iichen Zunfteinrichtungen. 116 Handwerksmeister aus 24 deutschen
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Publikum weiß jedoch „Handarbeit" im Gegensatze zu „Fabrik-
ware" Wohl zu schätzen.
Zur Zeit König Ludwigs I. gab es Wohl eine Münchener,
eine deutsche Kunst, aber kein deutsches Kunstgewerbe. Ludwigs
große Baumeister Ziebland, Klenze, Gärtner re. mußten sich die
Männer für feinere Holz-, Stein- und Metallarbeiten, Ornamente,
Wandmalerei, Stuckdekoration re. erst heranbilden. Von einem
Kunstgewerbe wußte man nichts, nicht einmal den Namen. Denk
deutschen Handwerker fehlte alles: künstlerische Anregung, Geschick-
lichkeit der Hand und ein kauflustiges Publikum. Diese Mängel
hatte der bayerische Oberbaurat A. b. Voit richtig erkannt.
Auf seine Anregung entstand in München im Herbste 1850 der
„Verein zur Ausbildung der Gewerke", der später „Kunstgewerbe-
verein" genannt wurde. Der Verein wollte die Kunst mit dem
Handwerk verbinden und so dem heimischen Gewerbe Hilfe und
Unterstützung bieten. Er wollte dies erreichen durch Unterricht
der gewerblichen Jugend, Übung im Zeichnen, Preisaufgaben,
Herausgabe einer Zeitschrift, Einrichtung einer Bibliothek und
krmstgewerblicher Ausstellungen sowie durch belehrende Vorträge.
Der Verein veranstaltete 1876 eine Jubiläumsausstellung. Es
zeigte sich, welche Fortschritte das heimische Kunstgewerbe in
25 Jahren gemacht hatte. Das Publikum sah auf dieser Ausstellung,
daß es nicht notwendig sei, alles Geschmackvolle aus Paris zu
beziehen. Seit jener Ausstellung wurde es Mode deutsche
Stuben einzurichten, deutsche Vorbilder der Vergangenheit zu
beachten und zu betrachten, deutsch zu fühlen auch im Kunst-
handwerk. Maler, Bildhauer, Architekten, Zeichner und Handwerker,
der Hof und die Bürger waren von der freudigen Hoffnung
erfüllt, daß die schöne Zeit mittelalterlich-deutschen Kunstfleißes
wieder aufblühen werde. Auch im zweiten Vierteljahrhundert
des Kunstgewerbevereins machte das Münchener, das bayerische,
das deutsche Kunsthandwerk bedeutende Fortschritte. Den Beweis
hiefür lieferte die Pariser Weltausstellung 1900.
Auch das deutsche Volk gewinnt immer mehr Verständnis
für kunstgewerbliche Arbeiten. Das Kunsthandwerk ist nicht mehr
auf Fürstenschlösser angewiesen. Es hat seinen Weg von den
Prachtburgen zu den Wohnungen der wohlhabenden Bürger-
gesunden. Dort, „wo sich das Leben in Arbeit und Freude, in
Ringen und Streben, in Glück und Sorge abspielt", im eigenen
Heim, dort reicht die Kunst dem Handwerk die Hand.
6. Entstehung und Lage des Lohnarbeiterstandes.
Zum Bau und zur Einrichtung einer Fabrik ist viel Geld
notwendig. Dieses besitzt der Kapitalist, der Unternehmer, der
Ii. Teil. Bürgerkunde. 5
I. Kapital
und Aroeits
kraft.
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kann, der hat seine Sache wahrlich auf nichts gestellt. Der muß
befürchten, daß morgen an seine Stelle ein Kind gesetzt wird oder
ein Hebel oder ein mechanischer Aufzug ihn überflüssig, brotlos
macht. Da helfen weder höhere Löhne, noch kürzere Arbeitszeiten;
da bilft nur bessere Vorbildung des Geistes und der Hand.
Um dem jungen Handwerker Gelegenheit zu geben, sich
Fertigkeiten und nützliche Kenntnisse anzueignen, bestehen ver-
schiedene Anstalten. In allen größeren Orten ist man bemüht
Fortbildungsschulen einzurichten, welche dem Berufe der Lehrlinge
angepaßt sind; überall trachtet man, diese durch Übung im fach-
gewerblichen Zeichnen, in der Geschäftskorrespondenz, im Rechnen
und in der Buchführung, durch Belehrungen in Gewerbe- und
Bürgerkunde vorzubereiten für ihre Aufgabe: als Männer ihre
beruflichen, staatsbürgerlichen und sittlichen Pflichten zu erkennen
und zu erfüllen.
München bietet reiche Gelegenheit zu beruflicher Ausbildung
und geistiger Fortbildung: zunächst durch Lehrstellen bei tüchtigen
Meistern in allen Gewerben, ferner durch Fortbildungs-, Gewerbe-
und Jnnungsfachschulen, durch die K. Baugewerkschule und die
K. Kunstgewerbeschule.
In die Aufgabe strebsamen Arbeitern und Arbeiterinnen, 2. ,;u attge-
Bediensteten und Meistern Gelegenheit zu geben, sich wertvolle
Kenntnisse aneignen zu können, teilen sich menschenfreundliche
Männer und Frauen aus verschiedenen Ständen. Vor allem
sind es Arzte und Gelehrte, die ihre Erfahrungen in Vorträgen
und Zeitschriften den Volksmassen mitteilen, um deren Lebens-
führung zu verbessern und zu verschönern und deren Gemüt zu
veredeln. Es bestehen hiezu Volksbildungs-, Volksgesundheits-,
Volkshochschulvereine, Volksbibliotheken, Sanitätskurse, Volks-
konzerte, Unterhaltnngsabende für Mädchen re.
Von den zahlreichen Stiftungen zur Unterstützung von Lehr-^^dde-
lingen, Gehilfen und Meistern seien hier nur zwei erwähnt. Ge- Handwerks:
legentlich des 700jährigen Regierungsjubiläums der Wittelsbacher a)iseri5s
richtete König Ludwig Ii., der Freund des Handwerks und Kunst- Stiftung;
gewerbes, am 2. Februar 1880 folgendes Allerhöchste Handschreiben
an den Bürgermeister Or. E r h a r d t in München:
„H e r r Bürgermei st e r vr. E r h a r d t!
Ich habe mit Gefühlen der Freude und des Dankes gegen Gatt
das laufende Jahr angetreten, in welchem Mir und Meinem Volke die
erhebende Feier der siebenhnndertjährigen Regierung Meines Hauses
bevorsteht. . . Insoweit jedoch prunkvolle Festlichkeiten in Aussicht
genommen sind, kann sich Mein landesväterliches Herz die außerordent-
lichen Opfer nicht verhehlen, welche hieraus m wirtschaftlich ernsten
Leiten den einzelnen Bürgern erwachsen würden. Ich weiß Mich und
Ii. Teil. Bürgerkunde. 6
TM Hauptwörter (50): [T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T3: [Stadt Schloß Straße Berlin Kirche Haus Gebäude Platz Garten Universität]]
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§ 8 des Statuts bezeichnet als Mittel zur „Förderung des bayerischer:
Handwerks in Stadt und Land":
a) Prämiierungen 3 von Lehrlingen, welche sich während ihrer Lehrzeit
durch Talent, Strebsamkeit, Arbeitsleistung und Führung ausge-
zeichnet haben;
d) Stipendien* 2) an wohlerprobte Handwerksgehilfen zum Besuche von
Fachschulen, zur Erlangung von Arbeit in berühmten Werkstätten,
zum Besuche von Gewerbe- namentlich Fachausstellungen u. dergl.;
c) Auszeichnungen selbständiger Handwerker für hervorragende Leistungen
auf dem gewerblichen Gebiere, insbesondere für die Ausbildung
einer Mehrzahl tüchtiger Lehrlinge;
ä) Beiträge zur Errichtung und Unterhaltung von Handwerker-Fach-
schulen, zur Veranstaltung von Fachausstellungen und zur Förderung
sonstiger ersprießlicher Unternehmungen. —
Zur bleibenden Erinnerung an den 12. März 1891, den Regent-Luit
70. Geburtstag Sr. Kgl. Hoheit des Prinz-Regenten Luitpold ^pow-
von Bayern, beschlossen die Vertreter der Stadt München, eine
Stiftung zur.förderung der Kunst, des Kunstgewerbes und des
Handwerks zu errichten. Der Grundgedanke der Stiftung ist in fol-
gender Adresse ausgedrückt, welche Bürgermeister Dr. von Widen-
mayer am 12. Marz, nach dem Festzuge, Sr. Kgl. Hoheit
überreichte:
„Allerdurchlauchtig st er G r o ß m ä ch t i g st e r
Prinz-Regent!
Allerg näd igster Regent und Herr!
Zum 70. Geburtsfeste weiht die bayerische Hauptstadt
Eurer Königlichen Hoheit, dem Vater des Vaterlandes, dem könig-
lichen Beschützer, Führer und Freund der Stadt München, ehr-
furchtsvollen Glückwunsch, innigen Dank und das Gelübde un-
wandelbarer Treue.
Zur dauernden Erinnerung an diesen gottgesegneten Tag
haben beide Gemeindekollegien einstimmig beschlossen — den
geistigen Bahnen des hohen Jubilars folgend —, in einer den
Namen Eurer Königlichen Hoheit tragenden Stiftung ein Werk
zu schaffen, welches in Gegenwart und Zukunft die schaffende
Kraft des Künstlers und Handwerkers in München zu befruchten
und zu fördern bestimmt ist. -Mü-M
Nach diesen Beschlüssen sollen alljährlich 15000 Jí aus
Mitteln der Gemeinde als Rentenbetrag der Prinz-Rege nt-
Luitpold-Stiftung zum Ankauf von Werken der Kunst und
des Kunstgewerbes, zur Unterstützung tüchtigen gewerblichen
Schaffens sowie zur Gewährung von Stipendien an praktisch vor-
y Prämiierungen — Geldbelohnungen.
2) Stipendien = Unterstützungen.
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TM Hauptwörter (50): [T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler], T3: [Stadt Schloß Straße Berlin Kirche Haus Gebäude Platz Garten Universität]]
TM Hauptwörter (100): [T72: [Bauer Arbeiter Steuer Jahr Stadt Staat Abgabe Gemeinde Land Verwaltung], T71: [Mann Volk Leben Sitte Zeit Vater Liebe Frau König Jugend], T46: [Universität Berlin Jahr Schule Wissenschaft Leipzig Professor Akademie Hochschule Gymnasium], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T60: [Preußen Reich Staat Bund Kaiser deutsch Reichstag König Deutschland Regierung]]
TM Hauptwörter (200): [T154: [Meister Handwerker Geselle Arbeit Lehrling Handwerk Arbeiter Jahr Kaufleute Stadt], T52: [Arbeiter Arbeit Zeit Betrieb Jahr Fabrik Maschine Staat Preis Kapital], T199: [Universität Berlin Bibliothek Leipzig Schloß München Jahr Museum Schule Gymnasium], T151: [König Volk Kaiser Reich Fürst Land Gott Wilhelm Deutschland Frieden], T165: [Kunst Wissenschaft Handel Gewerbe Bildung Land Stadt Schule Zeit Volk]]