476 — 1100.
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Dänen und Friesen, ein Schrecken der nördlichen Gränz-
länder; von der Elbe aus, nach Norden und Osten verbreiteten
sich unter verschiedenen Namen die slavischen Völker, welche
gegen das Ende der großen Völkerwanderung (im 5ten und 6ten
Jahrhundert) ihre zahllosen Massen vom Osten vorwärts ge-
walzt und in Mähren ein mächtiges Reich errichtet hatten.
Obwohl Frankreich und Deutschland, jedes für sich
die Oberherrschaft eines Königs anerkannte, war doch die Ge-
walt in den einzelnen Landestheilen in den Händen der Her-
zöge , Bischöfe, Grafen und der übrigen mächtigen Vasallen,
welche die unruhigen Zeiten benutzt hatten, um ihre Macht, der
Krone gegenüber, zu befestigen. Denn in den großen Gefahren,
welche von allen Seiten das Reich bedrohten, waren die mäch-
tigen Vasallen an den Gränzen, des Landes natürliche Verthei-
diger; sie bauten, trotz dem Verbote der Könige, befestigte Bur-
gen, welche einerseits ihnen und ihren Unterthanen zum Schutz
gegen feindliche Einfälle, allein andrerseits ebenfalls zur Sicher-
heit gegen die Eingriffe der Krone in ihre Macht dienten. Auf
diese Weise wurden die einzelnen Landestheile fast ganz unab-
hängig von der Krone.
Frankreich von 88^—1108.
Einer der mächtigsten Vasallen Frankreichs, Graf
Bofo von Provence, ließ sich zum König des cisjuranischen
Burgunds," welches die Provence, Dauphine, Lyo-
nais und Savoyen in sich faßte, erwählen (876). Ungefähr
zur selbigen Zeit bemächtigte Herzog Rudolf Welff sich mit
dem Königsnamen des transjuranischen Burgunds (888). Diese
Reiche, welche (930) durch den Sohn Rudolfs, Rudolf Ii.
unter dem Namen des Königsreichs Are lat (nach der Stadt
Arles benannt) vereinigt wurden, bildeten einen Zwischenstaat
zwischen Frankreich und Deutschland, eine Vormauer für Frank-
reich gegen die Angriffe der Araber vom Süden. Am Fuße
Dohrs Lehrb. der Gesch. des Mittelalters. 2
TM Hauptwörter (50): [T46: [Heinrich König Otto Kaiser Sohn Herzog Karl Ludwig Sachsen Jahr], T48: [Land Rhein Reich Volk Sachsen Römer Franken Jahr Karl Gallien], T34: [Krieg Frankreich England Deutschland Preußen Frieden Rußland Napoleon Kaiser Jahr]]
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Extrahierte Personennamen: Graf
Bofo Rudolf_Welff Rudolf Rudolfs Rudolf_Ii Rudolf Dohrs_Lehrb
Extrahierte Ortsnamen: Frankreich Deutschland Frankreich Frankreichs Burgunds Burgunds Rudolfs Arles Frankreich Deutschland
476 — 1100.
71
Nach der Ermordung Osmanns (656) kam endlich Ali,
der Schwiegersohn des Propheten, zu seinem ihm lange vorent-
haltenen Rechte. Allein er wurde 660 getödtet und sein Sohn
mußte das Chalifat dem Statthalter in Syrien, Moawyah
(660—680) aus dem Hause Ommyah überlassen. Die Haupt-
stadt wurde von Mekka nach Damaskus verlegt, welches an-
zeigtc, daß das Chalisat nicht mehr seinen Mittelpunkt im heili-
gen Boden Arabiens hatte. Allein die Eroberungen hatten
ihren Fortgang, und Nordafrika wurde bis zum Oceane bezwun-
gen. Der Chalif Al Walid (705—715) eroberte einen großen
Thcil von Indien. .Der Statthalter in Afrika, Musa, benutzte
die inneren Unruhen im Reiche der Westgothcn in Spanien, um
sich dieses schönen Landes zu bemächtigen. Der letzte König
der Wcstgothen, Roderich, hatte sich die Unzufriedenheit seiner
mächtigen Vasallen und Geistlichen zugezogcu. Um sich zu
rächen, riefen sie die Araber in's Land. Der arabische Feldherr
Tarik stieg am Fuße des Felsens an's Land, welcher nun eine
englische Festung trägt, die nach ihm benannt ist (Gibraltar
»: Gebet al Tarik, Tariks Felsen). Sehnsuchtsvoll sah er
von Sierra Nevada über das warme schöne Thal hin, welches vom
Flusse Guadalquivir durchströmt, von Myrrhen und duftenden Man-
delbäumen beschattet wird. Roderich sammelte das Heer der Chri-
sten, um Widerstand zu leisten. Bei Xeres de la Frontera,
der weinreichen Stadt in Andalusien, wurde im Jahre 711 die blu-
tige Schlacht geliefert, welche nach dreitägigem Kampfe Spanien unter
die Herrschaft der Araber brachte. Das christliche Heer wurde ver-
nichtet, König Roderich ertrank auf der Flucht im Guadalqui-
vir, der Strom der Araber wälzte sich über Spanien hin, durch
die Pässe der Pyrenäen in Gallien hinein, wo Karl Märtel
(p. 9) in der Schlacht bei Poitiers (732) die Pyrenäen zu
einer Scheidewand zwischen der muhamedanischen und christlichen
Welt machte. Das Haus Ommyah wurde im Jahre 750
von den Abbassiden gestürzt; allein cs rettete sich aus dem
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Extrahierte Personennamen: Walid_( Musa Roderich Tarik Roderich Roderich Karl_Märtel Karl
367
beschäftigende Arbeit auf die Bevölkerung Ägyptens und Europas aus-
üben mußte, hat sich die Wüste belebt und mit Gärten und Oasen ge-
schmückt. Zwei ansehnliche Städte, Port Said und Jsmai'la, sind aus
dem Sande erstanden, und über 40000 Menschen haben sich in diesen
Ebenen niedergelassen, in die sich sonst der Wanderer nur zagend wagte.
Nach Ule.
162. vor Libanon.
Für uns sind die beiden Namen „Libanon“ und „Cedern“
unzertrennlich. Seit Menschengedenken aber finden sich Cedern
nur noch an einer Stelle, tief im Gebirge, die zu erreichen mit
vielen Mühsalen verknüpft ist. — Der Charakter des Gebirges
ist sehr mannigfaltig. Die ersten Erhebungen sind mit jungem
Pinienwald bepflanzt, in den Mulden dazwischen wachsen Maul-
beer- und Feigenbäume. In einer tiefen Schlucht, die einem
wilden Alpenthal gleicht, zwängt sich der Beirutfluss durch das
harte Gestein. Ode und tot sind die grauen Abhänge; aber auf
der Höhe stehen rings blühende Dörfer. Jeder Fleck anbau-
fähiger Erde, auch an den steilsten Halden, ist durch Anlegen
von Terrassen ausgenutzt und mit Feigen und Heben bepflanzt,
das Ganze ein lachendes Bild der Fruchtbarkeit und des Fleisses.
Darüber breiten sich, bis weit herunter von Schnee bedeckt, die
Häupter des Gebirges, in langen Linien feierlich aufsteigend.
Die zackigen Vorberge sind meist mit Klöstern gekrönt.
Wir fuhren — erzählt ein Reisender — von Beirut aus auf
gut gepflegter Gebirgsstrafse in unzähligen Windungen zur Höhe
hinauf. Alle Dörfer sind christlich, die Menschen grüfsen freund-
lich. Es war Sonntag, und wir glaubten, ein Sonntagsbild aus
den deutschen Bergen vor uns zu haben. Plaudernd, von spielenden
Kindern umgeben, safsen sie vor ihren steinernen Häusern,
Männer und Frauen, jung und alt im Sonntagsstaat, ein schöner
Menschenschlag mit hübsch geschnittenen, ernsten Gesichtern. Alles
zeugte von Wohlstand, Bettler sah ich nirgends. All diesen
Avohlstand und den Reichtum seiner Thäler und Hügel dankt
der Libanon seinen christlichen Bewohnern und dem Umstande,
dass die Türken nach dem Christengemetzel von 1860 eine christ-
liche V erwaltung in dieser Provinz einsetzen mussten.
v. Soden.
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368
163. Der See Genezareth.
Der See Genezareth ist ein freundlicher Landsee, welcher auch das
Galiläische Meer oder der See von Tiberias genannt wird. Er ist
22 km lang und bis zu 11 km breit und bildet eine der anmutigsten
Gegenden des Heiligen Landes. Der runde Spiegel eines dunkelblauen
Gewässers blickt klar und glanzend zwischen den Bergen hervor; darum
nennt ihn der bildersinnige Morgenländer das Auge der Gegend. Im
Süden wie im Norden begrenzen ihn fruchtbare Ebenen; im Osten
und Westen dagegen umschließen ihn Hiigel und Berge von schönen
Formen. Aus ihren steilen, malerischen Schluchten treten rasche Bäche
hervor und ergießen sich in das Becken des „Meeres von Galiläa".
Zuweilen bringen jäh aus diesen Bergen hervorbrechende Zugwinde und
Windwirbel das friedliche Gewässer mit der Gewalt des schweizerischen
Föhns in wilden Aufruhr, der aber gewöhnlich sehr bald zur früheren
Stille sich besänftigt. Der Reichtum des Galiläischen Sees an treff-
lichen Fischen ist sehr groß, sein Wasser rein, kühl und süß, sein Grund
und Ufer sandig. Klima und Erdreich der umliegenden Landschaft
begünstigen die Pflege der trefflichsten Südfrüchte, der Datteln, Citronen,
Pomeranzen, der Trauben und Melonen, wie den Anbau des Getreides
und des Indigo; und bei größerer Betriebsamkeit der Menschen würde
der tiefe Bergkessel dieses Sees ein natürliches Treibhaus sein, in welchem
die edlen Gewächse Ägyptens und selbst Arabiens gedeihen könnten.
Dichter Baumwuchs und Buschwerk, mit Saatfeldern wechselnd, um-
kränzt das nordwestliche Ufer; „wie ein Morgenrot der Tiefe" ergießt
sich das rosenfarbige Blütenmeer der Oleanderbäume über Hügel und
Thal; aus den Gebüschen ertönt das Lied der Blaudrossel und der
Nachtigall und aus den Felsenhöhlen von Magdala die Stimme der
wilden Taube, die hier in Scharen von Hunderten umherfliegt und an
den stechapfelförmigen Früchten der Lotosbäume gute Kost hat.
In diesem gesegneten Seethale drängte sich sonst eine unermeßliche
Volksmenge im rührigsten Verkehre. Blühende Städte und gewerbreiche
Flecken samt ihren reizvollen Gärten, Feldern und Obsthainen, welche
zu jeder Zeit des Jahres reiche Früchte lieferten, umgürteten im lieb-
lichsten Wechsel den See. Gegen zwölfhundert Fischer fanden hier ihre
Nahrung; zahlreiche Fahrzeuge, Fischerkähne, lustfahrende Gondeln und
Lastschiffe durchkreuzten den Wasserspiegel nach allen Richtungen und
machten ihn zum gemeinsamen Tummelplätze aller umliegenden Städte
und Dörfer.
Jetzt trauert die reizvolle Landschaft wie eine Witwe. Von
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369
Kapernaum, „das bis an den Himmel erhoben war", von Chorazin
und Bethsaida ist keine Spur zu finden.
Die Wälder und Weingärten sind von den Hügeln verschwunden,
Palmen-, Feigen- und Olivenbäume stehen nur noch vereinzelt umher;
die Balsamstaude, welche vormals die feinsandigen, kiesreichen Ufer
des Sees umgrünte, findet sich nirgends mehr, und statt jener Hunderte
von Fahrzeugen zieht jetzt ein einziges Boot mit weißem Segel von
Zeit zu Zeit seine Furche durch den Spiegel des stillen Gewässers, um
von dem östlichen Gestade Holz nach Tiberias herüberzuholen.
Bäßler.
164. Kronprinz Friedrich Wilhelm in Jerusalem.
Als der Suezkanal nach zehnjähriger Arbeit vollendet war, sollte
er am 16. November 1869 in Gegenwart hoher Gäste feierlich eröffnet
werden. Der Vizekönig von Ägypten hatte sich entschlossen, die vor-
nehmsten und willkommensten Gäste selbst zum Feste einzuladen. So
überbrachte er auch dem Kronprinzen Friedrich Wilhelm persönlich die
Einladung, Suez zu besuchen, nach Berlin. Und der Kronprinz nahm
sie um so lieber an, als ihm die Reise nach Ägypten die längst er-
wünschte Gelegenheit bot, auch Palästina zu besuchen und die geweihten
Stätten zu betreten, von welchen ans das Licht des Heils sich über
die Welt ergossen hat. Rechtzeitig verließ der Kronprinz Deutschland,
um noch vor Einweihung des Suezkanals mit Muße Palästina bereisen
zu können.
In Jaffa angelangt, wurde der hohe Reisende von einer Abteilung
Kavallerie nach Jerusalem geleitet. Eine nicht unfreundliche Straße
führt von dem alten Hafenplatz zur Heiligen Stadt. Der Weg ist besät
mit größeren und kleineren Ortschaften, deren manche geschichtliche Er-
innerungen aufzuweisen haben. In einem Thale unweit von Jerusalem
übernachtete der Kronprinz unter einem Zelte. Bei Morgengrauen
setzte er die Reise fort. Die Straße steigt hier bald zu einem Hügel
hinan, bald senkt sie sich wieder ins Thal. Abermals folgen Berg und
Thal, — in diesem soll David gegen Goliath gekämpft haben — bis
plötzlich eine mächtige Kirche mit fünf Kuppeln und dahinter der Öl-
berg sichtbar werden. Noch sieht man aber Jerusalem selbst nicht.
Man durchreitet eine bewohnte Gegend zwischen kleinen Häusern mit
den flachen orientalischen Dächern — bei ist man schon an der Ring-
mauer angelangt. Das Jaffathor ist offen; man steht ans heiligem
Boden.
Der Einzug des Kronprinzen ging freilich nicht so einfach von
B. V. R. 24
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Extrahierte Personennamen: Friedrich_Wilhelm Friedrich Wilhelm Friedrich_Wilhelm Friedrich Wilhelm David David
Extrahierte Ortsnamen: Kapernaum Bethsaida Tiberias Jerusalem Suez Berlin Deutschland Palästina Jaffa Jerusalem Jerusalem Jerusalem
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gleicher Höhe mit der Stirn hält und sie dann wagerecht auf
die Theetasse legt. Dergleichen hat, wie bemerkt, für den
Europäer etwas sehr Auffallendes. Dagegen ist aber auch das
Erstaunen der Chinesen nicht gering, wenn sie sehen, wie
Europäer zu speisen pflegen. Sie fragen, wie es nur möglich
sei, dass wir die Getränke kalt zu uns nehmen; wie wir wohl
auf den höchst sonderbaren und ausschweifenden Gedanken ge-
kommen seien, unsere Nahrung vermittelst eines Dreizacks in
den Mund zu bringen , obendrein auf die Gefahr hin, uns die
Lippen zu beschädigen oder gar die Augen auszustechen. Auch
finden sie es ausser der Ordnung, dass wir Nüsse und Mandeln
mit der Schale auf den Tisch bringen und den Dienern die
Arbeit ersparen, die Obstfrüchte zu schälen und das Fleisch zu
zerlegen. Ja es ist nicht bloss ein Witzwort, welches man von
einem Chinesen erzählt, der darüber erstaunte, die Europäer
Billard spielen, Kegel schieben und tanzen zu sehen, und dazu
die Bemerkung machte, warum doch wohlhabende Leute eine
solche Arbeit nicht lieber ihren Dienern überliessen.
v. Scherzer.
166. Bilder aus Japan.
1. Japan ist für den Europäer ein Land, das reich ist an ab-
sonderlichen Schönheiten, ein Land, das man lieb gewinnt und in der
Erinnerung lieb behält. Wie ragt majestätisch über die Riesenbucht
von Jeddo der mächtige, prächtige Fusiyama, jener 4100 m hohe Vulkan
in seinem weißen, glitzernden Schneemantel, der ihm wie ein fürstlich
Gewand über die platten Schultern wallt! Wie rauschen in den Berg-
klüften die Bäche zu Thal mit schaumigem, grünlich schillerndem Wasser;
wie wunderbar schön bekleiden jene herrlichen japanischen Riesentannen,
untermischt mit stolzen, ernsthaften Cypressen, die Bergwände in lücken-
losem Forst! Und im Frühlinge, unten im Süden, wie geht sichs da
gut unter den Kamelienbäumen — nicht etwa 60 — 90 cm hohe Bäumchen
in Töpfen oder Kübeln, nein, es sind wirkliche Bäume bis zu 13 m
hoch, mit starken Ästen, dicht verzweigt; und zwischen den blanken,
dunklen, lederartigen Blättern leuchtet und glüht es von unzähligen
oft handgroßen Purpnrblüten, während der Fuß des Wanderers auf
einen dichten Teppich abgefallener Blumen tritt. Nicht weit davon
schaut über die sauber geflochtene Bambushecke eine lange Reihe von
Orangenbäumen her, mit großen goldenen Früchten beladen, und hinter
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383
steigt aus dem Meere der herrliche und schön geformte Pie von
Fernando Po, auf der anderen ragen, mit üppigem Grün bekleidet, die
vulkanischen Gebirge von Kamerun empor, über deren gewaltiger Kette
die kahlen Spitzen des „Götterberges" thronen.
Das Kamerungebirge bildet die höchste Erhebung in Westafrika,
und seine höchste Spitze, die wir den großen Kamerunberg und die
Eingebornen Mongo-ma-Loba, d. h. den „Götterberg" nennen, über-
ragt alle Berge unserer Heimat. Er ist dagegen niedriger als der
Montblanc; denn seine Höhe beträgt etwa 4000 Meter. Das ganze
Gebirge ist vulkanischen Ursprunges und besteht aus einer Reihe von
etwa 70 Kraterkegeln, die alle wohl schon seit langer Zeit nicht mehr
als Vulkane thätig find.
Die Hauptschwierigkeiten, mit denen der Reisende zu kämpfen hat,
der den großen Kamerunberg besteigen will, bestehen in dem plötzlichen
Übergange aus der Treibhaustemperatur des Thales in die Kalte der
Berghöhen, in dem Mangel an Führern, in der Unwegsamkeit des Ur-
waldes, der zu durchschreiten ist, und in dem Umstande, daß Nahrungs-
mittel und Wasser für die ganze Zeit der Besteigung mitgeführt werden
müssen. Der erste, dem es gelang, allen diesen Hindernissen zum Trotz
die höchste Spitze zu erklimmen, war der englische Reisende Burton.
Er bestieg, begleitet von dem deutschen Botaniker Mann und dem
Spanier Calvo, im Januar 1862 den Gipfel des Götterberges.
Einige Jahre später, am 14. Februar 1879, erreichte der deutsche
Naturforscher Flegel, dem sich der Engländer Kirk angeschlossen hatte,
dasselbe Ziel.
Beide traten ihre Wanderung von Viktoria, einer in sehr schöner,
aber höchst ungesunder Gegend gelegenen Niederlassung an der Amboise-
bai, an und verfolgten die von Burton früher eingeschlagene Richtung.
Die Führer folgten dabei so genau dem von den ersten Besteigern ge-
wählten Wege, daß Flegel unterwegs an einem Baume die Zeichen
„A. Mann" fand, welche dieser im Jahre 1862 in die Baumrinde ein-
geschnitten hatte. Am Fuße der meerumwogten, vielgestaltigen Felsen
bis zur Höhe von 800—1000 m zeigt sich das tropische Pflanzen-
wachstum in seiner ganzen üppigen Schönheit. Da erfreuen neben den
Riesen der tropischen Pflanzenwelt, an denen der Blick mit Staunen
emporstrebt, schlanke Palmen mit ihren Federkronen und das herrliche
Grün der Bananen und des Pisangs das Auge. Endlose Lianen mit
seltsam gefärbten und geformten Blumen und Früchten ranken sich von
Baum zu Baum. Hoch in den Zweigen lassen farbenprächtige Vögel
ihre Stimme erschallen, unter denen man leicht das Girren der schönen
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385
sich aus, als ob ein russischer Winter bevorstände. Das Thermometer
zeigt noch 12—14 0 C, aber es giebt auch kühlere Tage, und allen
Ernstes erzählt der Führer den Bergsteigern, daß hier in letzter Regen-
zeit ein alter Jäger vor Kälte umgekommen sei. Darum ziehen jetzt
die schwarzen Träger dicke wollene Strümpfe und Hosen an, setzen
Mützen mit Ohrklappen auf ihr krauses Haupt und vergessen nicht die
wollenen Decken. Der Weiße marschiert aber weiter in Flanellhemd
und Flanellhose, das zusammengerollte Plaid auf dem Rücken, den
Bergstock in der Rechten und eine Flasche Wasser aus der Mannsquelle
über der Schulter.
Die Graslandschaft ist hier und dort von schmalen Fußpfaden
durchkreuzt, es sind Jägerpfade, auf denen man wandert. Bon Zeit
zu Zeit springt eine Antilope auf und verschwindet hinter den höher
gelegenen Graten. Immer höher hinauf zieht sich diese Bergsteppe;
man wandert auf ihr weiter, bis der Abend naht, die Sonne untergeht
und neue Rast gehalten wird. In einer Bodenvertiefung, die einigen
Schutz gegen den kalten Wind gewährt, wird das Lager aufgeschlagen,
und mit Morgengrauen geht es wiederum vorwärts.
Nun hört das Gras auf, die Landschaft wird wilder; das Auge
erblickt nichts als Lavagerölle und Kraterhöhlen, tiefe Risse und Spalten
im Gestein, bedeckt mit Asche und den Wurzelresten der Büschelgräser.
An Lavasäulen, an mächtigen Blöcken von wunderlichsten Formen'
vorüber führt der Weg bald über Höhen, auf denen ein scharfer Ost-
wind weht, und wo es eisig kalt ist, bald durch Kessel und Mulden,
wo die Sonne brütet. Die wenigen Sträucher, die noch zu sehen sind,
werden immer krüppelhafter, auch die Blumen erscheinen spärlicher, bis
endlich nordisches Moos unter dem Äquator zur Herrschaft gelangt
und die Lavafelder mit viele Zoll hohem, weichem Polster überzieht.
Bald verschwindet der Gipfel des Berges hinter steil aufsteigenden
Graten, bald tritt er in den Einschnitten der Schluchten hervor näher
und näher.
Die schwarzen Träger bleiben zurück, sie fürchten sich vor den
Zaubermächten, die droben walten; die Weißen klettern allein empor
über Felder mit weichem Moose, über Geröll und Schluchten. Die
Geführten trennen sich, um den besten und bequemsten Anstieg zur
höchsten Höhe zu finden. Endlich setzt Flegel den Fuß auf die Spitze
des Berges. Welcher Rundblick bietet sich hier dem Auge! „Es war
ein Bild von mächtig die Seele packender Großartigkeit, das ich da
überschaute. Im Westen senkte sich eine ziegelrote Wand in einen tiefen
Abgrund, gegenüber lagen zwei gewaltige Kraterschlünde, schwarz und
L. V. R. 25
TM Hauptwörter (50): [T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T38: [Boden Wald Land Wiese Wasser Berg Fluß Feld See Dorf], T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust]]
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Inseln vorgelagert; unter letzteren ist Sansibar, die aber noch im
Besitz der Engländer ist. Der Küstensaum nebst den vorgelagerten
Inseln besteht aus Korallenkalk, der durch die Brandung zu einer
mächtigen Sandschicht zerrieben worden ist. Dürftiges Gras überzieht
die blendendweißen Sanddünen. Den schlammigen Ufersaum aber be-
deckt in unentwirrbarem Dickicht die auch im tropischen Westafrika
vorhandene Mangrove, eine sonderbar gestaltete baumartige Wasser-
pflanze. Auf den höheren Uferböschungen tritt an die Stelle der Sumpf-
pflanzen dichter Busch, untermischt mit hohen Bäumen, unter denen
besonders die Kokospalme den Vorrang behauptet.
3. Das Hinterland unserer afrikanischen Kolonieen erhebt sich fast
wellen- oder terrassenförmig bis zu dem ungeheuer ausgedehnten Tafel-
lande von Jnnerafrika. Steppen und Weideland, Urwälder mit dem
üppigsten Pflanzenwuchse und fruchtbare Getreidefelder, wüstenartige
Wildnisse und ungesunde Dschangeln wechseln miteinander ab.
Im Togolande bietet das Agomegebirge mit seinen bis 1000 na
ansteigenden, in den grünen Mantel prächtiger Wälder eingehüllten
Gipfeln dem in der Sonnenglut der Küste erschlafften Europäer Kühlung
und Erfrischung. In Kamerun erhebt sich bis zu einer Höhe von
4000 m der Götterberg.
Höher noch steigt der Kilima-Ndscharo in Ostafrika auf. Er ist
der höchste Berg des Erdteils, 6000 m hoch, um 1200 m höher als
die höchste Spitze Europas. Aber während der Montblanc inmitten der
vielen Riesen, die ihn umgeben, gar nicht so hoch erscheint, wie er in
der That ist, steigt der Kilima-Ndscharo ohne Vorberge und Übergänge
aus der Ebene auf, sichtbar vom Fuße bis zum Gipfel. Auf seinem
Haupte trügt er den Winter, zu seinen Füßen herrscht ewiger Sommer,
und seine Abhänge prangen im jungen Grün des Frühlings und im
reichen Segen des Herbstes.
Der ostafrikanischen Landschaft geben die drei großen Seen mit
ihrem hellgrünen oder lichtblauen Wasser einen besonderen Reiz. Ein
jeder dieser Seen hat seinen besonderen Reichtum: der Nyassa an
heftigen Stürmen, die ganz plötzlich aus den steilen Küstengebirgen
hervorbrechen, der Tanganjika an schmackhaften Fischen, der Ukerewe an
großen und kleinen Inseln.
4. Der Reim der deutschen Kinder: „Frühling, Sommer, Herbst und
Winter sind des guten Gottes Kinder" kann in Afrika nicht gesungen
werden; denn da hat der gute Gott nur zwei Kinder: die Regenzeit
und die trockene Zeit. Der Eintritt der einen oder der anderen fällt
in den verschiedenen Gegenden in verschiedene Monate; als Regel läßt
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Extrahierte Personennamen: Jnnerafrika
Extrahierte Ortsnamen: Sansibar Westafrika Kamerun Götterberg Kilima-Ndscharo Ostafrika Europas Gottes Afrika
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gestöber. Immer näher sahen sie ihr Ende heranrücken, und doch verließen
Mut und Gottvertrauen sie nicht. Man hatte ja noch die Boote; diese
wurden mit den geretteten Brettern und Segeln bedeckt, und darunter
lagerten sich die Vielgeprüften, nur auf das geringste Maß an Nahrung
beschränkt. Der Koch, welcher bei der ganzen Eisfahrt viel Mut bewies,
wagte es sogar, in das zerstörte Haus vorzudringen und dort an dem noch
stehengebliebenen Herde, neben dem die offene See wlitete, etwas Kaffee zu
kochen, welcher die gesunkenen Lebensgeister wieder auffrischte.
Die ganze Scholle, auf welcher die vierzehn Männer, die drei Boote
und der Rest des von der Hansa geretteten Materials Platz fanden, war
nicht größer als ein weiter Tanzsaal. Sie hatte nur noch einen Umfang
von etwa 300 Schritten. Aus diesem beschränkten Raume beschloß man,
aus den Ruinen des alten ein neues Haus zu bauen, da das Liegen in
den Booten, welches fünf Tage währte, allmählich unerträglich wurde.
Frisch ging man ans Werk, und allmählich erhoben sich in der Mitte der
Scholle die mit Eismörtel aneinandergefügten Kohlenwände. Da es an
Baustoff fehlte, siel das neue Haus bedeutend kleiner aus; es war nur
gegen 3 m breit und 5 m lang. In dieser Hütte konnten aber nur sechs
Personen eng aneinandergepreßt schlafen, die übrigen acht mußten immer
noch mit den Booten fürlieb nehmen.
Die Kleinheit der Scholle war in den Gegenden der schwimmenden
Eisberge übrigens ein entschiedener Vorteil, da sie sich leichter durch die
offenen Kanäle hindurchwand und mit nicht so großer Gewalt an ihre
Nachbarn anrannte, also auch weniger Gefahr lief, zertrümmert zu werden.
Manchmal lag sie zwischen Eisbergen, die sie umgaben wie die hohen
Gipfel eines Gebirges ein Thal; dann, wenn es schien, als wollten diese
mächtigen Berge über den Schiffbrüchigen zusammenstürzen, öffnete sich wieder
ein Kanal, sie glitt zwischen den Riesen hindurch, als würde sie von un-
sichtbarer Hand gesteuert; und weiter ging es nach Süden zu.
Die Küste war meistens ganz nahe und zwar in der Gegend, in
welcher frühere Forscher Eskimos in ziemlicher Anzahl gefunden hatten.
Keiner ließ sich indessen blicken, obgleich heute noch dort sicher diese Polar-
menschen wohnen, da sie von diesen Gegenden manchmal bis an die West-
küste nach den dänischen Niederlassungen hinüberwandern. Noch aber schien
der Zeitpunkt nicht gekommen, daß man in den Booten die Scholle hätte
verlassen können. Allein bald nahte er.
Am 7. Mai 1870 war man bis zum 61. Grade abwärts getrieben,
im ganzen 243 Meilen, eine Entfernung, die in gerader Linie etwa so
groß ist wie von Berlin nach Konstantinopel. Man wußte nun, daß die
Südspitze Grönlands, wo gebildete Menschen wohnen, nicht mehr fern war.
TM Hauptwörter (50): [T24: [Schiff Meer Insel Küste Land Fluß See Wasser Hafen Ufer], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd]]
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Extrahierte Ortsnamen: Berlin Konstantinopel Grönlands