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„Wer bist du, daß du mir solches rätst?"
„Ich bin das Verbrechen."
„Weiche von mir!" rief der Jüngling und warf sich ans die Erde.
Nur ein teuflisches Lachen hörte er noch und dann war er wieder allein.—
Als er die Angen aufschlug, standen zwei Männer vor ihm.
„Was machst du hier?"
„Ich sterbe, habt Erbarmen mit mir!"
„Womit sollen wir dir helfen?"
„O führt mich, daß ich so bald als möglich aus diesem schrecklichen
Walde hinauskomme!"
„^Lo wähle einen von uns, der dich geleite!"
Der Jüngling überlegte; dann sagte er zu jenem mit dem schwarzen
Kleide und dem roten Gürtel:
„Ich wähle dich!"
Ohne ein Wort zu sprechen, reichte ihm der Fremde die Hand und
führte ihn fort. Nach langer Reise kamen sie an den Rand eines Ab-
grundes, aus dem Seufzer und Klagen herauftönten.
„Bei Gott, ich kann nicht weiter", stöhnte der Jüngling.
„Darum brachte ich dich auch hierher," gab die schwarze Gestalt zur
Antwort. „Nur auf diesem Wege kannst du aus dem Walde hinauskommen.
Hier unten wohnt der Tod, er wird dich von deinen Leiden erlösen."
„Wehe mir," rief der Jüngling, „wer bist du, daß du mir dieser:
Rat gibst?"
„Ich bin die Verzweiflung."
„O weiche von hinnen!" schrie der Jüngling in tiefstem Schmerze
und sank wieder zu Boden. —
Als er die Augen zum dritten Male aufschlug, stand jener Mann
in dem blauen Hemde mit der großen Axt vor ihm und sprach:
„Komm mit mir, mein Sohn! Es ist wahr, dein Weg ist weit und
voll Beschwerden; aber wer duldet, dem hilft Gott."
Der Jüngling reichte ihm die Hand und der Fremde ging vor ihm
her. Mit der Axt fällte er die Stämme und bahnte einen Weg durch das
dichte Gesträuch.
„Nimm diesen Kloß ans deinen Rücken!" befahl der Fremde.
Der Jüngling gehorchte, obwohl Hunger und Müdigkeit ihn quälten.
Doch je weiter sie vordrangen, desto besser und heiterer wurde der Wald
und die Last dünkte ihm von Schritt zu Schritt leichter, weil ihn jetzt die
Hoffnung auf ihren Flügeln trug.
Endlich standen sie am Rande des Waldes und vor seinem frende
trunkenen Auge ergoß sich eine weite, grüne Ebene im Glanze der Morgen-
sonne.
„Wir sind am Ziel," sprach der Fremde; „der Wald, durch den du
gegangen bist, ist der Wald des Elends. Vergiß dies niemals! Und jetzt
wirf die Last von dir!"
Der Jüngling ließ den Klotz von seiner Schulter gleiten und fragte:
„Wer bist du, guter Freund, der mich so trefflich führte?"
„Ich bin die Arbeit", anwortete der Fremde und verschwand.
Lub b.
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T43: [König Held Sohn Mann Schwert Ritter Hand Tod Vater Feind]]
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Schulformen (OPAC): Höhere Schule, Mittlere Schule
Regionen (OPAC): Westfalen
Noch vermögen die Römer am Abend des ersten Tages ein festes Lager aufzuschlagen; am nächsten Morgen geht unter fortwährenden Verlusten und Kämpfen der gefährliche Zug weiter. Am Abend gelingt nochmals die Errichtung eines regelrechten Lagers. Doch es sollte das letzte Mal sein. Am Morgen des dritten Tages giebt Arminius das Zeichen zum Hauptangriss, zum Vernichtung stampf. Alle Tapferkeit der Römer ist vergebens. Bald wird Varus selbst verwundet, zwei seiner Unterseldherren fallen, der dritte macht einen vergeblichen Versuch, sich mit der Reiterei durchzuschlagen. Varus stürzt sich verzweifelnd in sein Schwert, seine drei Legionen sind vernichtet, der Rest ergiebt sich schließlich auf Gnade und Ungnade. Viele vornehme Römer fallen als Opfer an den Altären der Germanengötter; die erbeuteten Adler werden an geweihter Stelle eingegraben. — Ungeheuer war der Eindruck, den die Unglücksbotschaft in Rom machte. Augustus selbst brach in die verzweiflungsvollen Worte aus: „Varus, Varus, gieb mir meine Legionen wieder!"
Den Römern gelang es nicht, ihre Herrschaft in jenen Gegenden wieder herzustellen. Zwar gewann des Drusus tapferer Sohn Germanicus in den Jahren 14—16 auf seinen drei Zügen bis nach dem Innern Deutschlands erhebliche Vorteile. Aber ehe er etwas Dauerndes erreicht hatte, wurde er abberufen und nach dem Orient gesandt. Auf seinem zweiten Zuge (15 n. Chr.) hat der junge Held auch die Stätte der Unglücksschlacht besucht. Der römische Geschichtsschreiber Tacitus schildert uns diesen.vorgang mit all der Anschaulichkeit, die ihm eigen ist. Zahlreich fand man noch die bleichenden Gebeine. Einzelne Soldaten des Germaniens, die unter Varus gedient hatten und dem Verderben entronnen waren, konnten genau über den Verlaus der Unglücksschlacht berichten. Die verlorenen Adler wurden wieder ausgegraben.
Schon vorher war Thusnelda, die in des Segestes Hände geraten war, von diesem dem Germanicus als Gefangene überliefert worden. Sie gebar in der Gefangenschaft einen Sohn, über dessen Schicksale nur die Sage zu berichten weiß. Arminius selbst besiegle später noch den mächtigen Markomannensürsten Marbod; aber schon im Jahre 21 oder 22 fiel er von Mörderhand, angeblich, weil er nach der Königsherrschaft gestrebt hatte. Doch wie dem auch sei, er hat die ehrenvollen Worte verdient, mit denen ihm Tacitus ein Denkmal setzt: „Unzweifelhaft Deutschlands Befreier und ein Mann, der nicht gegen die beginnende Macht des römischen Volkes, wie andere Könige und Feldherren, sondern gegen das
TM Hauptwörter (50): [T48: [Land Rhein Reich Volk Sachsen Römer Franken Jahr Karl Gallien], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T43: [König Held Sohn Mann Schwert Ritter Hand Tod Vater Feind]]
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Extrahierte Personennamen: Varus Varus Augustus Varus Germanicus Varus Germanicus
Extrahierte Ortsnamen: Rom Deutschlands Germaniens Deutschlands