1876 -
Königsberg
: Bon
- Autor: Preuß, August Eduard, Vetter, J. A.
- Auflagennummer (WdK): 100
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Regionen (OPAC): Preußen
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
162
d. Bildung der Erdoberfläche.
Wenn man mit einem Male das Meer ablassen könnte, würde es ans seinem
Grunde nicht viel anders aussehen, als auf vielen Stellen unserer Erdoberfläche.
Wir würden da große, lange Sandflächen und Berge von Kalk und Gips sehen,
die sich aus dem Meerwasser gebildet haben, alle untermischt mit häufigen Mu-
scheln und anderen Seethierüberresten. Denn wenn man unsere meisten Berge
ansieht, bemerkt man gar leicht, dass sie in einem großen Meere und unter einem
großen Meere gebildet sind. Denn viele von ihnen sind ganz erfüllt von Muschel-
und Seethierüberresten, und auf manchen Bergen von Neu holl and, die sehr hoch
sind und jetzt viele Meilen weit vom Meere landeinwärts liegen, sieht man noch
jetzt Korallenbäumchen aufrecht stehen, und der ganze Boden sieht so aus, als wenn
er plötzlich wäre vom Meere verlassen worden, von dem er einmal Jahrhunderte
lang bedeckt gewesen war? Aber man braucht nicht so weit zu reisen, um etwas
Aehnliches zu beobachten. Auch in und auf unseren Kalkbergen findet man Ko-
rallenarten und Muscheln, die nur im Meere gelebt haben und gewachsen sein
können. Man sieht es manchen unserer Sandgegenden an, dass da einmal lange
Zeit hindurch Wasser darüber gefluthet haben muss; und das Salz, das manche
unserer Berge und Ebenen in sich führen, muss auch noch aus jener Zeit herrühren,
wo ein salziges Meer dastand.
Gründliche Naturforscher haben bewiesen, dass das Meer seit Jahrtausenden
weder um ein Merkliches angewachsen sei, noch auch abgenommen habe. Es muss
also jene große Veränderung, wodurch viele unserer Länder und Berge vom Meere,
unter dem sie vorher standen, verlassen und nun zum festen Lande wurden, auf
einmal gekommen sein. Uebrigens ist dies nicht die einzige Veränderung, die mit
unserem Erdboden vorgegangen sein muss. Im Würtembergischen, in Thü-
ringen, in Braun schweig und an anderen Orten Deutschlands, ferner in
Frankreich und sogar in dem kalten Sibirien hat man Knochen ausgcgraben,
die von Elephanten, Nashörnern und anderen solchen Thieren waren, welche
nur in sehr heißen Ländern leben können; dabei auch an den nämlichen Orten
Palmen, Bambusröhre und andere Gewächse aus warmen Ländern. Diese
Thiere und Pflanzen, die oft mit einander, wie noch in ihrem jetzigen Vaterlande,
vorkommen, müssen einmal in jenen jetzt so kalten Ländern gelebt haben. Es muss
also einmal da viel wärmer gewesen sein, als es jetzt ist.
Wie es nun damit zugegangen, und wodurch eine solche Veränderung entstan-
den sei, das wisien die Gelehrten selber nicht so recht. Die heilige Schrift aber
und die Sagen vieler Völker in Europa, Asien und Amerika erzählen uns von
einer großen Fluth, von der Sündfluth, die über den ganzen Erdboden kam
und seine höchsten Berge bedeckte, und wobei fast alle auf der Erde lebenden Wesen
untergingen. Ein Theil des damaligen festen Landes scheint, wie es noch jetzt bei
einzelnen Inseln geschieht, im Meere versunken zu sein, und ein Theil des Meeres-
grundes ist dabei zum trockenen Lande geworden.
Zwar führen nicht alle Berge solche Muscheln und Seegewächse oder Salz
bei sich, woraus man schließen könnte, dass sie ehemals Meeresgrund gewesen
wären, aber alle, auch die, bei denen das nicht der Fall ist, sind offenbar, bis auf
die wenigen aus vulkanischem Feuer erzeugten, aus dem Wasser und im Wasser
gebildet.
Die Gebir-ge, welche keine Muscheln, keine Steinkohlen und keine Salze ent-
halten und zugleich die höchsten Berge der Erde bilden, nennt man Urgebirge.
Sie bestehen entweder aus Thonschiefer, woraus unsere Schiefertafeln gemacht
werden, oder aus Glimmer, einem Schiefer, der viel glänzende dünne Blättchen
bildet, oder ausgranit. Die Urgebirge haben die meisten Erze: Gold, Sil-
der, Blei, Zinn, Kupfer und Eisen in sich.
Die Gebirge, welche hauptsächlich aus Kalk, Sandstein und Gips be-
stehen und viel Muscheln, Steinkohlen und Salz in sich führen, nennt
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Höhlung drei unterirdische Bergspitzen, aus denen oben Feuer und Rauch
herausdrang. Auch im Aetna sieht man, wenn er ganz ruhig ist, in der
Tiefe unten das Feuer beständig aufwallen, die Lavamasie wie ein siedendes
Wasser immer heraufkochen und wieder niedersinken.
Dasi der eigentliche Heerd der Vulkane gar tief und weit entfernt sein
müsie, zeigen noch die öfters über 30 Meilen weit gehenden Erdbeben, die
bei solchen Ausbrüchen stattfinden. Ueberhaupt sind alle die Erscheinungen,
die bei großen vulkanischen Ausbrüchen vorkommen, sehr gewaltig und merk-
würdig. Die Luft wird oft, bei denen auf Island, auf 30 Meilen weit
umher so finster, dasi man bei Tage Licht anzünden musi: auf das unterir-
dische Brüllen und auf das Beben der Erde folgen dann berghohe Rauch- und
Feuersäulen. Dabei scheint auch der Himmel in der Gegend des feuerspeien-
den Berges in Feuer zu stehen; Blitze fahren aus den Wolken hinunter nach
dem brennenden Schlunde, und Blitze fahren aus diesem hinauf. Regengüsse
stürzen nieder und machen die ausgeworfene Asche zu einem Schlammstrome,
welcher im Jahre 79 nach Christo in der Nähe des Vesuv zwei Städte begrub,
die man erst im vorigen Jahrhundert wieder zum Theil ausgegraben hat.
1-1. Die Bewohner der Erde.
Man unterscheidet auf der Oberfläche der Erde 5 Erdtheile. Die schon
lange bekannten Erdtheile der alten Welt heissen Europa, Asien und Afrika,
die neuentdeckten Amerika und Australien. Auf diesen Erdräumen wohnen
mehr als 1000 Millionen Menschen, aber in ungleicher Dichtigkeit. In dem Raume
einer Geviertmeile leben durchschnittlich in Europa über 1500, in Asien über
700, in Afrika kaum 300, in Amerika noch nicht einmal 100 und in Australien
nur 16 Menschen. Gegen die Pole und unter dem heissen Erdgürtel, so wie in
Wüsten, Steppen und Haiden ist die Bevölkerung nur gering, dagegen in ge-
mässigten Zonen, und wo in denselben die natürliche Fruchtbarkeit zur Bebauung
einladet, oder buchtige Küsten zum Handel locken, ist sie sehr dicht. Damit
hängt wieder der Bildungszustand der Bewohner zusammen. Man unterscheidet
unter ihnen Wilde, Hirtenvölker und Kulturvölker. Wilde sind ungesellig ;
sie säen und pflanzen nicht und sorgen überhaupt nicht für die Zukunft. Jagd
und Fischerei giebt ihnen ihre Nahrung. Ohne Gesetze und Obrigkeit folgen sie,
in Hoffnung auf Beute, nur einem starken oder klugen Häuptling zu Jagd und
Krieg. Es gibt ihrer, Europa ausgenommen, noch in allen Welttheilen. — Hir-
tenvölker (Nomaden) leben von der Pflege ihrer Yiehheerden, mit welchen sie aus
einer Gegend in die andere ziehen; sie wohnen in beweglichen Hütten oder Zelten.
In Europa finden wir nur noch in Russland s südlichen Steppen an der Wolga
Nomaden. — Der Ackerbau ist so alt wie die Welt und die Grundlage des
Fortschrittes der Völker. Er nöthigte zu festen Wohnsitzen allmählig auch in
Dörfern und Städten, vermehrte und veredelte die Bedürfnisse und führte zu Hand-
werken, Kunst und Wissenschaft. Ackerbauende Völker erkannten auch bald die
Nothwendigkeit guter Ordnungen und gesetzlicher Aufsicht. So entstanden Staaten
unter bürgerlichen oder fürstlichen Oberhäuptern.
Aber auch nach Rassenunterschieden haben wir die Bewohner der Erde zu
betrachten. Das ganze Menschengeschlecht ist nämlich, wie uns die Bibel lehrt,
einem Menschenpaare entsprossen. Aber es ist, als seien aus dieser Wurzel ein-
ander ganz ungleichartige Stämme für den spätern Nachwuchs der Geschlechter
hervorgewachsen, so verschieden sind die Menschen nach Gestalt, Hautfarbe,
Schädel- und Gesichtsbildung und anderer Körperbeschaffenheit. Man unterschei-
det 5 Rassen: 1. Die kaukasische, mit weisser Hautfarbe — der schönste und
bildungsfähigste Stamm — geht durch Europa, Nordafrika und Westasien. 2. Die
mongolische Rasse mit gelber Hautfarbe, schiefliegenden Augen, h rvorste-
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noch des Landes alte Eintheilung in Altmark (jetzt zu Sachsen), Mittel-
mark, Priegnitz, Uckermark und Neumark.
Unter den Städten muss Berlin, als die Hauptstadt des Staats und
Residenz des Königs, der Sitz der höchsten Landesbehörden, am meisten unsere
Aufmerksamkeit auf sich richten. Sie ist eine der größten und schönsten Städte
Europa's mit 650,000 Einwohnern. Man findet hier die schönsten Gebäude,
wie das königliche Schloss, das Zeughaus, das Museum, das Opern-
haus, die Paläste der Prinzen und Ministerien, die größte Universität des
Staats und andere zahlreiche Anstalten für Wissenschaft, Kunst und Lebens-
verkehr. Auch drängen sich noch zur Betrachtung in die Reihe des Guten
und Schönen: das Brandenburger Thor mit seinem Triumphwagen
und Viergespann, die Statuen zur Verherrlichung des großen Kurfürsten
und der Helden des siebenjährigen so wie des Freiheitskrieges,
unter welchen die des großen Königs Friedrich Ii. einzig ist, wie er selbst.
Doch wo fänden wir das Ende des Schönen, wodurch alljährlich, ja oft
täglich Tausende von Fremden angelockt und gefesselt werden, und durch welche
Stadt und Land wieder der reichste Gewinn zufließt.
Die zweite Residenz des Königs ist Potsdam an der Havel mit
42,000 Einwohnern, dem großen Militärwaisenhause und schönen Palästen:
nahebei denkwürdige Lustschlösser.
Wir merken noch die Festung Spandau; Charlottenburg mit
königl. Schlosse und der Todtengruft der Königin Luise; Brandenburg,
Neustadt mit Spiegelfabrik, Fehrbellin und Iüterbogk, sowie Frank-
furt an der Oder mit seinen besuchten Messen, Landsberg an der Warthe
und die Festung Küstrin.
59. Kalk. — Kalklager.
Der Kalkstein gehört zu den Gebirgsarten, die in dem ersten Bil-
dungszeitraume der Erde entstanden, daher man diesen Kalk Urkalk oder
körnigen Kalk nennt, zu dem man besonders den Marmor zählt. Als
jedoch in einer spätern Zeit diese festen Massen zerklüftet wurden, entstanden
durch große Fluthen neue Bildungen, die sich in mächtigen Schichten ab-
lagerten, welche Flötze heißen, woher dieses neue Gebilde Flötzgebirge
genannt wird. Diesem gehört unser gemeine Kalkstein an, den man
auch seines dichteren Gefüges wegen dichten Kalkstein nennt. Er ist ein
Mittel, unser Bausteine fest zu verbinden. Aber, wie hat man es anzu-
stellen, um den festen Stein, der dauernd im Wasser liegen kann, ohne auf-
gelöst zu werden, in den bekannten Brei zu verwandeln? Man bringt den
Kalkstein in Kalköfen, in denen die große Hitze ihm einen Bestandtheil,
(die flüchtige Kohlensäure), nimmt und ihn leichter und mürber macht. Dieser
gebrannte Kalk heißt auch Aetzkalk wegen seiner ätzenden Eigenschaft, wes-
halb ihn die Gerber brauchen, um die Thierhäute leichter von den Haaren
zu befreien. Da der gebrannte Kalk das Bestreben hat, die Kohlensäure
wieder zu gewinnen, so muss man ihn vor feuchter Lust schützen, weil er
aus ihr das Master aufnimmt und nicht nur zerfällt, sondern dadurch eine
Wärme entwickelt, die einen Brand herbeiführen kann. Den gebrannten
Kalk löscht man, d. h., man setzt ihm Wasser zu, wodurch er sich unter
großer Hitzeentwickelung in einen Brei verwandelt, der, mit grobem Sande
versetzt, den Mörtel bildet, mit welchem wir mauern, und welcher aus der
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Luft die Kohlensäure zurück nimmt, bis er wieder ein fester Stein geworden
ist, wie es die alten Bauten zeigen. Aber nicht alle Kalksteine verwandelt
man in Mörtel, sondern viele werden zu Bausteine verwendet oder je
nach der Beschaffenheit vom Steinmetz zu Treppenstufen oder Grabplatten rc.
verarbeitet. — Andere Kalksteine unterscheiden sich von diesen dadurch, daß
sie Schwefelsäure enthalten, woher man sie Gyps nennt, der bekanntlich
zu Gypsfiguren, Gypsdecken, aber auch, gleich dem Kalk, zu Bodendüngung
benutzt wird. Die feinste Gipsart ist der A l a b a st e r.
Große Kalkslötze, welche bergmännisch bearbeitet werden, giebt es
viele, allein die für uns wichtigsten sind doch die im Vaterlande. Schlesien
erfreut sich großer Kalksteinlager bei Schweidnitz und Jauer, be-
sonders in Kogolin, dessen Steinbrüche große Landungen in die Ferne
senden. Löwenberg und andere Orte liefern Gyps. — Auch die Provinz
Brandenburg hat ihren ergiebigen Kalksteinbruch bei Rüdersdorf
im Potsdamer Bezirk. Bereits seit dem Jahre 1254 hebt man den bläu-
lichen und gelblichen Kalkstein, der in großen Massen nach B erlin und auch
bis Hamburg und Königsberg versendet wird. Sehenswerth sind die An-
lagen zur Bearbeitung der Brüche und zur Fortschaffung der Steine. —
Auch an der Ostsee werden, besonders nach Stürmen, viele ganz vortreff-
liche Kalksteine gesammelt. Nach En-m.
60. Pommern.
Die Provinz Pommern enthält einen Flächenraum von 576v« O. M.
mit 1,500,000 Bewohnern und zerfällt in die Regierungsbezirke: Stettin,
Köslin und Stralsund. Viele Küstengegenden der Ostsee haben uner-
giebigen Boden, aber das Pommerland hat auch viel fruchtbare Felder mit
vortrefflichem Getreide und aus den schöuen Wiesen Ochsen, Kühe, Pferde
und Schafe. Trocken gelegenes Weideland wird überrieselt und giebt auch
in dürrer Zeit gutes Futter. Tiefliegendes nasses Land wird dagegen mittels
thönerner Röhren entwässert und dadurch reiches Aernteland gewonnen.
Der Hauptsluß ist die Oder, welche das P o m m e r s ch e oder Stettiner
Haff bildet und in drei Mündungen, die P e e n e, Swine und D i v e n o w,
durch die Inseln Usedom und A)ollin von einander getrennt, sich in die
Ostsee ergießt. Außerdem finden sich noch die Küstenslüsse Rega, Per-
sante, Wipper, Stolpe u. a. und eine Menge See'n. In alter Zeit
stand auf Wollin die große Stadt I u l i n, die aber im Kriege zerstört ward.
Auf Usedom lag dieweil berühmte Stadt Wi net a, welche von den Wellen
verschlungen sein soll. Die Fischer erzählen, dass man bei klarem Wetter
unten die Stadt sehen und ein Geräusch wie von großem Getümmel ver-
nehmen könne. — Die Provinz liefert neben ausreichendem Getreide, Holz
und Torf im Ueberfluss. Die Hauptbeschäftigungen der Bewohner sind Acker-
bau, Viehzucht, Fischerei, Schifffahrt und Handel. Des Landes östlichen
Theil nennt man Hinterpommern, den westlichen Vorpommern.
Stettin mit etwa 76,000 Einw., die Hauptstadt der Provinz und starke
Festung, nimmt durch den großen Seehandel immer mehr das Wesen einer Groß-
stadt an. Bedeutenden Handel treiben auch Stralsund, Greifswalde,
Kolberg, Regenwalde und andere Hafenstädte. — Stralsunds brave
Bürger nöthigten einst den stolzzürenden W a l l e n st e i n zum Abzüge von ihren
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Lübecker angebaut. In andern Kreisen findet man eine Verschmelzung verschie-
dener Mundarten, welche die Abstammung nicht mehr erkenne» lassen- Die alt-
preußischen Namen der meisten ländlichen Ortschaften mancher Gegenden, z. B.
Powunden, Pxvwehren, Kumehncn, Beidritten sind das allein Fremdartige
iin Lande, was nicht so anspricht, wie in Deutschland die heimathlich-klingenden Endun-
gen der Ortsnamen auf -fels, -stein, -bnrg -berg, -stadt, -städt, -dorf, -Hausen,
-leben, -born, -bronn, -beck, -bach, -weiter, -rode, -reuth, -Wyk, u. a.
Auch fehlt es nicht an mannichfaltigen geschichtlichen Erinnerungsmalen im
Lande; freilich können diese nicht so zahlreich vorhanden sein und so vielseitig an-
sprechen wie in Deutschland die Male und Denkstätten durch zehn bis zwanzig
Jahrhunderte seiner thatenreichen Vergangenheit.
62. Der Bernstein.
„Wenn Menschen schweigen, werden Steine reden." Aber wie kann ein
Stein zu uns reden? fragst du. Sieh und erwäge. Merkwürdig ist der
Bernstein — den die Griechen, weil er elektrisch ist, Elektron nannten —
durch die in ihn eingeschlossenen Naturkörper. Außer Sand, Stückchen Holz
und Rinde findet man eine Menge Gliederthiere in ihm vergraben, besonders
Schlupfwespen, Ameisen, Fliegen, Mücken, Spinnen, Motten, verschiedene
Käfer, auch Heuschrecken und andere. Oft fehlen den Thierchen einige Füße,
oder ihre Flügel sind durch einander gewirrt und beschädigt; oft aber sind
sie auch ganz unbeschädigt und breiten ihre Flügel aus, strecken Füße oder
Fühlhörner, als ob sie noch lebten. Da sieht inan Springkäfer im Fort-
schnellen, Spinnen, wie sie den Fliegen nachsetzen u. a. m. Wer mit Nach-
denken ein solches Stückchen Bernstein in die Hand nimmt, der muss sich doch
fragen, wie ist so ein Thierchen in den Stein hineingekommen? Da fällt ihm
ein, was ihm der Tannenwald zeigt. Die aus den Bäumen fließende
Harzmasse ist für ntanches Thierlein, das sich darauf setzte, die Fessel ge-
worden, die es nicht mehr entweichen ließ, und das nachfließende Harz be-
deckte den Gefangenen, so dafl er nun, von der klaren Masse ganz eingehüllt,
dauernd ein Zeuge blieb für die den Wald durchschwärmenden Flügler. Das
ist freilich nun ganz klar; allein der Bernstein ist doch kein Harz, sondern ein
fester Stein, was hat ihn denn so umgewandelt? Höre und vernimm. Das
lehrt uns der Erdboden mit seinen verschiedenen Lagern. Die Steinkohlen-
und Braunkohlen-Lager sagen dem aufmerksamen Beobachter, dass große Wald-
dungen der Vorzeit niedergeworfen und von mächtigen Erdmaflen überdeckt
wurden, unter deren Druck, in Verbindung mit andern Einflüssen, die Um-
wandlung vor sich ging, dass wir die jetzigen Funde nicht mehr Pflanzen, son-
dern Mineralien nennen. Große Nadelholz-Waldungen mit ihren bedeutenden
Harzmassen wurden aber auch vergraben und erlitten gleiche Umwandlungen.
So ist aus deni weichen, klebenden Harz ein fester, gelber, glänzender Stein
geworden. In seinem Lager ruht derselbe, bis ihn der Mensch aus der Tiefe
des Bodens hervorhebt, oder das Bteer ihn aus dem Uferland spült, um ihn
als Geschenk für die Strandbewohner wieder an's Land zu werfen.
Dieses Mineral ist von jeher so werth gehalten, dass schon Phönizier
darum nach Preußen kamen; desshalb hat man sich auch stets bemüht,
so viel als möglich davon zu erlangen. Da das Meer den Bernstein aus-
wirft, aber auch schnell wieder im Sande vergräbt, so gehen die Strand-
bewohner bei geeignetem Winde mit Käschern (Netzen an kurzer Stange)
an's Ufer und fischen mit denselben das von den Wellen hergetragene See-
kraut auf. Die leichten Bernsteinstücken werden von den verworrenen Pflanzen-
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unten in einen Irrgarten von Gängen, die Stollen, und mein freundlicher Mei-
ster ward nicht müde, meine neugierigen Fragen zubeantwortenundmichüber seine
Kunst zu belehren. Ich fühlte mich nun in vollem Besitz dessen, was von jeher mein
sehnlichster Wunsch gewesen war. Das Rauschen des Wassers, die Entfernung
von der bewohnten Oberfläche, die Dunkelheit und Verschlungenheit der Gänge
und das entfernte Geräusch der arbeitendenbergleute ergetzte mich ungemein. Mit
welcher Andacht sah ich zum ersten Mal in meinem Leben den König der Metalle
in zarten Blättchen zwischen den Spalten des Gesteins. Es kam mir vor, als
sei er hier wie in festen Gefängniflen eingesperrt und glänze freundlich dem Berg-
mann entgegen, der mit so vielen Gefahren und Mühseligkeiten sich den Weg
zu ihm durch starke Mauern gebrochen, um ihn an das Licht des Tages zu för-
dern, damit er an königlichen Kronen und Gefäßen zu Ehren gelange und in
geachteten Münzen, mit Bildnissen geziert, die Welt beherrschen und leiten möge.
öl. Steinkohlen, Brannkohlen, Torf, Schwefel und Bernstein.
In manchen Gegenden, die vor 40 Jahren noch weit und breit mit Wald
bestanden waren, zieht heute der Pflug seine Furche, und es klingt Kindern wie
ein Märchen, wenn der Vater erzählt, er habe da einst sein Bauholz gefällt.
Der Pflug stürzt die Wälder und breitet immer mehr seine Herrschaft aus.
Darum würden bald ganze Landstriche von den Menschen verlassen werden müssen,
wenn sie nichts als Holz zur Feuerung hätten. Allein der weise und gütige
Schöpfer hat für anderes Brennmaterial gesorgt, das nur aus den dunkeln Kam-
mern der Berge und aus den Gründen an das Tageslicht zu fördern ist, um
uns für das mangelnde Holz Ersatz zu bieten; dazu gehören Steinkohlen,
Braunkohlen und Torf.
Steinkohlen bilden mächtige Lager in der Erde; gewöhnlich liegen mehrere
derselben übereinander. Von den Bergleuten werden sie losgehauen und durch
Stollen und Schachte zu Tage gefördert. Sie dienen nicht nur zur Feuerung in
Oefen aller Art, sondern werden auch in den Hüttenwerken, in Kalkbrennereien,
Fabriken u. s. w. verbraucht. Wie aber sind solche ungeheure Massen Kohlen
entstanden? Die Braunkohlenlager lassen deutlich Baumstämme und Jahr-
ringe erkennen und liefern somit den Beweis, dass sie aus Pflanzen entstanden
sind. Derselbe Fall ist es mit den Steinkohlen, nur lässt sich bei ihnen
nicht mehr die Holzfaser unterscheiden, weil sie durch das sehr hohe Altar und die
bedeutende Zusammenpressung durch aufliegendes Erdreich allmählig ein steinar-
tiges Ansehen erhalten haben. In den Kohlenschichten erblicken wir also die
Pflanzendecken, eigentliche Urwälder, welche unsere Erde seit uralten Zeiten der
Reihe nach verschönert haben, die von Wasserflächen umgestürzt und mit Erde
überdeckt, ans Mangel an Luft nur verkohlen aber nicht verwesen konnten.
Der Torf ist das jüngste kohlenartige Gebilde, welches fortwährend unter
unsern Augen aus dem Torfmoose entsteht. Indem der untere Theil dieses Moo-
ses abstirbt, erhebt sich auf demselben eine neue Moosdecke, und so wächst Jahr für
Jahr ein Lager kohlenartiger Stoffe zusammen, das in 30 bis 100 Jahren eine
beträchtliche Tiefe gewinnt. Mit der Zeit werden die untern Schichten immer
kohlenreicher, schwärzer und durch den Druck der oberhalb sich ablagernden dichter.
Daher ist der beste Torf der älteste, dessen schwarzes Ansehen und große Schwere
kaum erkennen lässt, dass Pflanzenstoffe ihn bildeten. Der jüngere Torf dagegen ist
braun, locker, und die leicht erkennbaren Moosstengel schließen allerlei auf dem
Torfgrunde vorhandene Wurzeln ein. — Dertorf enthält mehr oder weniger erdige
Beimischungen, oft 3 bis 5 Zehntheile seines Gewichts; die größere Schwere des-
selben ist darum kein sicheres Zeichen seiner Güte. Desshalb ist beim Beurtheilen
des Torfes besonders auf seinen Aschengehalt zu achten.
Von den übrigen brennbaren Mineralien ist der Schwefel am bekanntesten.
Beim Entzünden desselben entwickelt die bläuliche Flamme eine Lust, welche uns
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man Flötzgebirge. Diese Steinmassen liegen in großen Lagen über einander,
die man Schichten nennt, und die dem Gebirge das Aussehen geben, das etwa
eine Mauer hat, in der recht große Quaderplatten von verschiedener Form eine
über die andere gelegt sind. Solche Lagen nennt der Bergmann Flötze. Diese
Gebirge enthalten zwar nicht so viele Erze, als die Urgebirge, doch an manchen
Orten einen sehr kupferreichen Schiefer, auch etwas Blei und Galmei und
sehr viel Eisen.
Den losen Sand, Lehm und Töpferthon, die in unseren Ebenen liegen,
und woraus auch die Hügel bestehen, die man da sieht, nennt man aufge-
schwemmtes Land. Da findet man außer dem Lehm und Töpferthon und
außer Braunkohlen nicht viel Besonderes. Ueber allen diesen Gebirgsarten
liegt dann die Damm- und Gartenerde.
io. Das Innere der Erde.'
Tief ist der Mensch freilich noch nicht in die feste Erdrinde eingedrun-
gen, die er bewohnt. Denn obgleich die tiefen Bergschächte in Tyrol und
Böhmen über 3000 Fuß hinunter in die Erde gehen, so ist das doch wie
gar nichts zu rechnen gegen die Dicke unseres Erdkörpers von seiner Oberfläche
bis zu seinem Mittelpunkte: denn diese Dicke beträgt über 10 Millionen Ellen.
Dagegen ist die Höhe, aus welche der Mensch hier auf seiner lieben Erdober-
fläche aus seinen Thälern und Ebenen hinaufgestiegen ist, schon ungleich be-
trächtlicher, denn der schöne Ortlesberg in Tyrol ist über 12,000 Fuß, der
Chimb orasso (Tschimborasso) in Amerika 20,000 Fuß und das Himalaya-
Gebirge in Asien 26,000 Fuß hoch.
Wenn man nun Alles das, was die Menschen bei ihrem Heruntergraben
in die Tiefe beobachten, zusammennimmt, und dann mit dem vergleicht,
was die Naturforscher beim Hinaufsteigen auf die höchsten Berge gefunden ha-
den, so hat man Alles beisammen, was wir über den Bau des festen Erd-
körpers bis jetzt wiflen. Dies besteht ungefähr in Folgendem:
Tief unter der Erdoberfläche, auf der wir wohnen, scheint es große
Höhlen zu geben, die wohl meistens mit Wasser angefüllt sein mögen. Denn
bei großen Erdbeben, wie sie zuweilen in Asien und auch bei uns in Europa
und Amerika zugleich waren, hat sich die Erschütterung öfters fast zu nämli-
cher Zeit über eine Strecke von mehreren tausend Meilen, z. B. im Jahre
1755 von Lissabon bis hinüber nach Amerika verbreitet.
In der Tiefe der Erde muff aber auch, wenigstens an manchen Orten,
Feuer oder sonst eine Ursache sein, welche große Wärme hervorbringt. Denn
wenn man in manche Bergschächte in England, die zum Theil unter den
Meeresgrund hinabreichen, oder in Bergschächte anderer Länder der Erde bin-
untersteigt, findet man da nicht bloß die gewöhnliche Wärme, die die Keller
im Winter haben, und die nur daher kommt, dass die Kälte der Lust dahin
nicht so eindringen kann, sondern eine andere selbständige Wärme, die immer
zunimmt, je tiefer man hinabkommt, und die ihre Ursache tief unter der Erd-
oberfläche haben muss.
Die feurigen und geschmolzenen Massen (Lava), welche die feuerspeienden
Berge auswerfen, muffen auch aus einer sehr großen Tiefe heraufkommen,
und wahrscheinlich wohl eben daher, wo jene von unten heraufdringende
Wärme herkommt. Der berühmte Reisende A. v. Humboldt hat in einen
gerade damals ganz ruhigen Schlund eines feuerspeienden Berges hinunter
gesehen. Da erblickte er in einer ungeheuren Tiefe, unten in einer weiten
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noch des Landes alte Eintheilung in Altmark (jetzt zu Sachsen), Mittel-
mark, Priegnitz, Uckermark und Neumark.
Unter den Städten muss Berlin, als die Hauptstadt des Staats und
Residenz des Königs, der Sitz der höchsten Landesbehörden, am meisten unsere
Aufmerksamkeit auf sich richten. Sie ist eine der größten und schönsten Städte
Europa's mit 650,000 Einwohnern. Man findet hier die schönsten Gebäude,
wie das königliche Schloss, das Zeughaus, das Museum, das Opern-
haus, die Paläste der Prinzen und Ministerien, die größte Universität des
Staats und andere zahlreiche Anstalten für Wisienschaft, Kunst und Lebens-
verkehr. Auch drängen sich noch zur'betrachtung in die Reihe des Guten
und Schönen: das Brandenburger Thor mit seinem Triumphwagen
und Viergespann, die Statuen zur Verherrlichung des großen Kurfürsten
und der Helden des siebenjährigen so wie des Freiheitskrieges,
unter welchen die des großen Königs Friedrich Ii. einzig ist, wie er selbst.
Doch wo fänden wir das Ende des Schönen, wodurch alljährlich, ja oft
täglich Tausende von Fremden angelockt und gefesselt werden, und durch welche
Stadt und Land wieder der reichste Gewinn zufließt.
Die zweite Residenz des Königs ist Potsdam an der Havel mit
42,000 Einwohnern, dem großen Militärwaisenhause und schönen Palästen:
nahebei denkwürdige Lustschlösser.
Wir merken noch die Festung Spandau; Charlottenburg mit
königl. Schlosse und der Todtengruft der Königin Luise; Brandenburg,
Neustadt mit Spiegelfabrik, Fehrbellin und Jüterbogk, sowie Frank-
furt an der Oder mit seinen besuchten Messen, Landsberg an der Warthe
und die Festung Küstrin.
59. Kalk. — Kalklager.
Der Kalkstein gehört zu den Gebirgsarten, die in dem ersten Bil-
dungszeitraume der Erde entstanden, daher man diesen Kalk Urkalk oder
körnigen Kalk nennt, zu dem man besonders den Marmor zählt. Als
jedoch in einer spätern Zeit diese festen Massen zerklüftet wurden, entstanden
durch große Fluthen neue Bildungen, die sich in mächtigen Schichten ab-
lagerten, welche Flötze heißen, woher dieses neue Gebilde Flötzgebirge
genannt wird. Diesem gehört unser gemeine Kalkstein an, den man
auch seines dichteren Gefüges wegen dichten Kalkstein nennt. Er ist ein
Mittel, unser Bausteine fest zu verbinden. Aber, wie hat man es anzu-
stellen, um den festen Stein, der dauernd im Wasser liegen kann, ohne auf-
gelöst zu werden, in den bekannten Brei zu verwandeln? Man bringt den
Kalkstein in Kalköfen, in denen die große Hitze ihm einen Bestandtheil,
(die flüchtige Kohlensäure), nimmt und ihn leichter und mürber macht. Dieser
gebrannte Kalk heißt auch Aetzkalk wegen seiner ätzenden Eigenschaft, wes-
halb ihn die Gerber brauchen, um die Thierhäute leichter von den Haaren
zu befreien. Da der gebrannte Kalk das Bestreben hat, die Kohlensäure
wieder zu gewinnen, so muss man ihn vor feuchter Luft schützen, weil er
aus ihr das Wasser aufnimmt und nicht nur zerfällt, sondern dadurch eine
Wärme entwickelt, die einen Brand herbeiführen kann. Den gebrannten
Kalk löscht man, d. h., man setzt ihm Wasser zu, wodurch er sich unter
großer Hitzeentwickelung in einen Brei verwandelt, der, mit grobem Sande
versetzt, den Mörtel bildet, mit welchem wir mauern, und welcher aus der
1876 -
Königsberg
: Bon
- Autor: Preuß, August Eduard, Vetter, J. A.
- Auflagennummer (WdK): 100
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Regionen (OPAC): Preußen
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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Lübecker angebaut. In andern Kreisen findet man eine Verschmelzung verschie-
dener Mundarten, welche die Abstammung nicht mehr erkennen lassen- Die alt-
preußischen Namen der meisten ländlichen Ortschaften mancher Gegenden, z. B.
Powunden, Prowehren, Kumehnen, Beidritten sind das allein Fremdartige
im Lande, was nicht so anspricht, wie in Deutschland die heimathlich-klingenden Endun-
gen der Ortsnamen auf -fels, -stein, -bnrg -berg, -stadt, -städt, -dorf, -Hausen,
-leben, -born, -bronn, -beck, -bach, -Weiler, -rode, -rrnth, -wfik, u. a.
Auch fehlt es nicht an mannichfaltigen geschichtlichen Erinncrungsmalen im
Lande; freilich können diese nicht so zahlreich vorhanden sein und so vielseitig an-
sprechen wie in Deutschland die Male und Denkstätten durch zehn bis zwanzig
Jahrhunderte seiner thatenreichen Vergangenheit.
62. Der Bernstein.
„Wenn Menschen schweigen, werden Steine reden." Aber wie kann ein
Stein zu uns reden? fragst du. Sieh und erwäge. Merkwürdig ist der
Bernstein — den die Griechen, weil er elektrisch ist, Elektron nannten —
durch die in ihn eingeschlossenen Naturkörper. Außer Sand, Stückchen Holz
und Rinde findet man eine Menge Gliederthiere in ihm vergraben, besonders
Schlupfwespen, Ameisen, Fliegen, Mücken, Spinnen, Motten, verschiedene
Käfer, auch Heuschrecken und andere. Oft fehlen den Thierchen einige Füße,
oder ihre Flügel sind durch einander gewirrt und beschädigt; oft aber sind
sie auch ganz unbeschädigt und breiten ihre Flügel aus, strecken Füße oder
Fühlhörner, als ob sie noch lebten. Da sieht man Springkäfer im Fort-
schnellen, Spinnen, wie sie den Fliegen nachsetzen u. a. m. Wer mit Nach-
denken ein solches Stückchen Bernstein in die Hand nimmt, der muss sich doch
fragen, wie ist so ein Thierchen in den Stein hineingekommen? Da fällt ihm
ein, was ihm der Tannenwald zeigt. Die aus den Bäumen fließende
Harzmasse ist für manches Thierlein, das sich darauf setzte, die Fessel ge-
worden, die es nicht mehr entweichen ließ, und das nachfließende Harz be-
deckte den Gefangenen, so dasi er nun, von der klaren Masse ganz eingehüllt,
dauernd ein Zeuge blieb für die den Wald durchschwärmenden Flügler. Das
ist freilich nun ganz klar; allein der Bernstein ist doch kein Harz, sondern win
fester Stein, was hat ihn denn so umgewandelt? Höre und vernimm. Das
lehrt uns der Erdboden mit seinen verschiedenen Lagern. Die Steinkohlen-
und Braunkohlen-Lager sagen dem aufmerksamen Beobachter, dass große Wald-
dungen der Vorzeit niedergeworfen und von mächtigen Erdmasien überdeckt
wurden, unter deren Druck, in Verbindung mit andern Einflüssen, die Um-
wandlung vor sich ging, dass wir die jetzigen Funde nicht mehr Pflanzen, son-
dern Mineralien nennen. Große Nadelholz-Waldungen mit ihren bedeutenden
Harzmassen wurden aber auch vergraben und erlitten gleiche Umwandlungen.
So ist aus dem weichen, klebenden Harz ein fester, gelber, glänzender Stein
geworden. In seinem Lager ruht derselbe, bis ihn der Mensch aus der Tiefe
des Bodens hervorhebt, oder das Meer ihn aus dem Uferland spült, um ihn
als Geschenk für die Strandbewohner wieder an's Land zu werfen.
Dieses Mineral ist von jeher so werth gehalten, dass schon Phönizier
darum nach Preußen kamen; deßhalb hat man sich auch stets bemüht,
so viel als möglich davon zu erlangen. Da das Meer den Bernstein aus-
wirft, aber auch schnell wieder im Sande vergräbt, so gehen die Strand-
bewohner bei geeignetem Winde mit Käschern (Netzen an kurzer Stange)
an's Ufer und fischen mit denselben das von den Wellen hergetragene See-
traut auf. Die leichten Bernsteinstücken werden von den verworrenen Pflanzen-
1876 -
Königsberg
: Bon
- Autor: Preuß, August Eduard, Vetter, J. A.
- Auflagennummer (WdK): 100
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Regionen (OPAC): Preußen
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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man Flöhgebirge. Diese Steinmassen liegen in grossen Lagen über einander,
die man Schichten nennt, und die dem Gebirge das Aussehen geben, das etwa
eine Mauer hat, in der recht große Quaderplatten von verschiedener Form eine
über die andere gelegt sind. Solche Lagen nennt der Bergmann Flötze. Diese
Gebirge enthalten zwar nicht so viele Erze, als die Urgebirge, doch an manchen
Orten einen sehr kupferreichen Schiefer, auch etwas Blei und Galmei und
sehr viel Eisen.
Den losen Sand, Lehm und Töpferthon, die in unseren Ebenen liegen,
und woraus auch die Hügel bestehen, die man da sieht, nennt man aufge-
schwemmtes Land. Da findet man außer dem Lehm und Töpferthon und
außer Braunkohlen nicht viel Besonderes. Ueber allen diesen Gebirgsartcn
liegt dann die Damm- und Gartenerde.
10. Das Innere der Erde.'
Tief ist der Mensch freilich noch nicht in die feste Erdrinde eingedrun-
gen, die er bewohnt. Denn obgleich die tiefen Bergschächte in Tyrol und
Böhmen über 3000 Fuß hinunter in die Erde gehen, so ist das doch wie
gar nichts zu rechnen gegen die Dicke unseres Erdkörpers von seiner Oberfläche
bis zu seinem Mittelpunkte; denn diese Dicke beträgt über 10 Millionen Ellen.
Dagegen ist die Höhe, auf welche der Mensch hier auf seiner lieben Erdober-
fläche aus seinen Thälern und Ebenen hinaufgestiegen ist, schon ungleich be-
trächtlicher, denn der schöne Ortlesberg in Tyrol ist über 12,000 Fuß, der
Chimborasso (Tschimborasso) in Amerika 20,000 Fuß und das Himalaya-
Gebirge in Asien 26,000 Fuß hoch.
Wenn man nun Alles das, was die Menschen bei ihrem Heruntergraben
in die Tiefe beobachten, zusammennimmt, und dann mit dem vergleicht,
was die Naturforscher beim Hinaufsteigen aus die höchsten Berge gefunden ha-
den, so hat man Alles beisammen, was wir über den Bau des festen Erd-
körpers bis jetzt wissen. Dies besteht ungefähr in Folgendem:
Tief unter der Erdoberfläche, auf der wir wohnen, scheint es große
Höhlen zu geben, die wohl meistens mit Wasser angefüllt sein mögen. Denn
bei großen Erdbeben, wie sie zuweilen in Asien und auch bei uns in Europa
und Amerika zugleich waren, hat sich die Erschütterung öfters fast zu nämli-
cher Zeit über eine Strecke von mehreren tausend Meilen, z. B. im Jahre
1755 von Lissabon bis hinüber nach Amerika verbreitet.
In der Tiefe der Erde muss aber auch, wenigstens an manchen Orten,
Feuer oder sonst eine Ursache sein, welche große Wärme hervorbringt. Denn
wenn man in manche Bergschächte in England, die zum Theil unter den
Meeresgrund hinabreichen, oder in Bergschächte anderer Länder der Erde hiu-
untersteigt, findet man da nicht bloß die gewöhnliche Wärme, die die Keller
im Winter haben, und die nur daher kommt, dass die Kälte der Luft dahin
nicht so eindringen kann, sondern eine andere selbständige Wärme, die immer
zunimmt, je tiefer man hinabkommt, und die ihre Ursache tief unter der Erd-
oberfläche haben muss.
Die feurigen und geschmolzenen Massen (Lava), welche die feuerspeienden
Berge auswerfen, müssen auch aus einer sehr großen Tiefe heraufkommen,
und wahrscheinlich wohl eben daher, wo jene von unten heraufdringende
Wärme herkommt. Der berühmte Reisende A. ».Humboldt hat in einen
gerade damals ganz ruhigen Schlund eines feuerspeienden Berges hinunter
gesehen. Da erblickte er in einer ungeheuren Tiefe, unten in einer weiten
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