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Blütezeit des mittelalterlichen Kaisertums.
Einfluß auf das Kriegswesen.
freier und unfreier Leute vollzog sich ein segensreicher sozialer Fortschritt vom Sklavenstaate. Die alten unfreien Klassen gelangten zu gesicherterer Stellung, also zu menschenwürdigerem Lose, während die alten Freien ihre wirtschaftliche Selbständigkeit behaupteten. Tie Abhängigkeit von der Rechtsordnung des Fronhofs milderte sich allmählich, schließlich befanden sich die meisten im Verhältnis der freien Erbpacht. Wenn die Grundholden auch politisch abhängig blieben, wirtschaftlich kamen sie doch in immer bessere Lage. Die Gebundenheit des Lehnswesens war die Grundlage des sozialen Friedens: Ungleichmäßigkeit in Produktion und Absatz und Arbeitslosigkeit konnte nicht Platz greisen. Unter Leitung der Grundherren widmete sich die vom Kriegsdienste ganz befreite ländliche Bevölkerung ausschließlich der Urbarmachung und Besiedelung des Landes, bethätigte dabei eine staunenswerte Kraft und sicherte dem Volke die Grundlage wirtschaftlichen Gedeihens. Besonders für die der Knechtung durch die weltlichen Großen entzogenen Bauern galt das Wort: Unter dem Krummstab ist gut wohnen. So schroffe soziale Gegensätze, wie sie das ausschließliche Sondereigentum im Gefolge zu haben pflegt, waren zur Zeit des Lehnswesens während der Machthöhe des römischen Kaisertums deutscher Nation ausgeschlossen: alle widmeten sich entweder der bäuerlichen Beschäftigung oder der kriegerischen Thätigkeit.
Hand in Hand mit der Ausbildung des Lehnswesens ging nämlich die des Kriegswesens. Nährstand und Wehrstand schieden sich bald völlig. Der Heerbannsdienst hörte schließlich ganz auf. Die Reichsheere bestanden nun aus Dienstmannen des Königs (Reichsministerialen), aus den von den Städten zu stellenden Truppen, besonders aber aus den Scharen der großen und kleinen Vasallen, die von den geistlichen und weltlichen Großen nach dem Lehnsrechte aufgeboten werden mußten. Die Reichsvasallen aber nahmen ihre Kriegsmacht besonders aus den Ministerialen. So wurde die schwer-
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Vorteile des Lehnswesens. Einfluß auf das Kriegswesen. Ritterstand. 29
gepanzerte Reiterei zum eigentlichen Kern des Heeres: auf ihr beruhte die Wehrkraft des Volkes. Die bäuerlichen Fußtruppen schienen entbehrlich.
Wenigstens auf dem Gebiete des Heerwesens, das für den mittelalterlichen Staat von besonderer Wichtigkeit war, gelang es dem Könige, mit den nicht zahlreichen Alt- oder Vollfreien, die mit bedeutendem zins- und dienstfreiem Grundbesitz ritterliches Leben verbanden und großes Ansehen genossen, in unmittelbarer Berührung zu bleiben. Denn sie wurden als zweite Klasse der Heeresordnung (des Heerschildes) aufgeboten: der hohe Adel, d. h. geistliche und weltliche Fürsten als unmittelbare Vasallen des Königs, bildeten die erste Klasse, während die Ministerialen zur dritten, die sog. unfreien Ritter zur vierten gerechnet wurden. In Bezug auf die drei letzten Heerschilde — es waren sieben im ganzen — bestanden zwischen Süd- und Norddeutschland manche Unterschiede.
Diese im Zusammenhange mit den sonstigen Standesverhältnissen stehende Abstufung der Heeresordnung je nach der näheren oder weiteren Abhängigkeit der einzelnen vom Könige als obersten Kriegsherrn machte es in der Mitte des 12. Jahrhunderts den Staufern nochmals möglich, die kriegerischen Kräfte des Volkes in ihrem unmittelbaren Dienste zu verwenden. Das Rittertum beherrschte damals das soziale Leben.
In Frankreich zuerst bildete sich ein förmlicher Ritterstand Ritterstand, aus. Bedeutenden Einfluß daraus übten die Wasfenspiele, Turniere (eigentlich Wendungen), in denen man auf Betreiben der Kirche im 11. Jahrhundert Ersatz für die früheren rohen Raubfahrten suchte.
Bald wurden bestimmte Gebräuche für den Ritterstand allgemein verbindlich; äußerlich ward besonders wichtig die Umgürtung mit dem Schwerte (Schwertleite) und das Tragen des Rittergurtes, das als Abzeichen des vollen Waffenrechts galt. Bestimmte rittermäßige Erziehung und besondere Begriffe von Standesehre und
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Extrahierte Ortsnamen: Süd- Norddeutschland Frankreich
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Inhaltsübersicht.
Ix
Neunter Abschnitt. Die Einwirkungen der französischen Revolution auf Deutschland im allgemeinen und Preußen im besonderen . . .
Gang der französischen Revolution 110. Erster Eindruck in Deutschland. Revolutionäre Stimmung 111. Umgestaltungen im Westen Deutschlands 112. Stimmung in Norddeutschland 114. Zustände in Preußen 115. Zusammenbruch des Staates 116. Neubildung Preußens 117. Stein 118. Bauernbefreiung 120. Städteordnung 123. Aufschwung des geistigen und sittlichen Lebens 126. Der Befreiungskrieg ein Volkskrieg nach Umbildung des Heerwesens 127.
Zehnter Abschnitt. Das Aufkommen des vierten oder
Arbeiterstandes...........................................
Arbeit im allgemeinen 128. Arbeitslosigkeit 130. Arbeitsteilung 131. Fabrikarbeiter und Kapitalisten 133. Der vierte Stand. Lage der Fabrikarbeiter 135. Arbeiterbewegung in England 138. Arbeiterbewegung in Frankreich 139. Sozialismus 140. Kommunismus 141. Industrie, Handel und Verkehr in Deutschland 142. Arbeiterbewegung in den ersten Anfängen 145.
Elfter Abschnitt. Der Bauernstand und der Eintritt des Bürgertums ins Staatsleben in der ersten
Hälfte des 19. Jahrhunderts...............................
Allgemeines 146. Der Bauernstand im Südwesten und Nordosten 147. Umgestaltung der Landwirtschaft 149. Adel 150. Mittelstand im allgemeinen 151. Bürger 152. Einwirkung der Julirevolution 1830. Anfänge Friedrich Wilhelms Iv. 156. Die Revolution 1848 157. Anteil der Bauern an der Bewegung 158. Arbeiterbewegung 159. Marx 160. Kommunistisches Manifest 161. Die Neue Rheinische Zeitung 162. Ergebnis. Wirken des Bürgertums 164. Preußen wird Verfassungsstaat 165. Reaktion. Hauptergebnis bis 1850 166. Allgemeine Entwicklung bis 1870. Handel und Industrie. Vereinsleben 167. Neue Gesellschaftsordnung 168. Litterarisches 169. Neue Ära in Preußen 170. Reichsverfassung und ihre Freiheitsrechte 172.
Zwölfter Abschnitt. Die Arbeiterbewegung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und die Entwicklung der Sozialdemokratie...............................
Arbeiterbewegung 1850—1863 175. Lassalle 176. Das sogenannte eherne Lohngesetz 177. Produktivgenossenschaften. Agitation Lasalles 178. Allgemeiner deutscher Arbeiterverein. Bedeutung Lasalles 180. Gegensätze unter den Arbeitern 181. Internationaler Sozialismus. Marxens Mehrwertlehre 182. Die „industrielle Reservearmee". Schließliche Enteignung der wenigen Großkapitalisten durch die Masse 184. Klassenkampf. Marxens Bedeutung für die soziale Bewegung. Einseitigkeit des Marxismus 185. Kommunistische Geschichtsauffassung 186. Gründung der sozialdemokratischen Arbeiterpartei 187. Arbeiterbewegung 1870 bis 1874 189. Vereinigung der beiden Richtungen und Ausbreitung
Seite 110 — 128
128 — 146 146 — 174
175 — 211
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Extrahierte Personennamen: Friedrich_Wilhelms Friedrich Wilhelms Marx
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Deutschland Deutschlands Norddeutschland England Frankreich Deutschland Marxens Marxens
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Dreizehntes und vierzehntes Jahrhundert.
Stellung des Die Städte versuchten auch das umliegende flache Land sich St botmäßig zu machen. In weiterem Umfange aber wurden zunächst Gescllschaftskl. roeber Adel noch Bauern den Bürgern unterworfen. Deshalb verschärften sich seit Mitte des 13. Jahrhunderts die ständischen Gegensätze. Während früher nur die Großgrundherren — der weltliche und geistliche Adel — sich den Rang streitig machten, so traten jetzt geistliche und weltliche Fürsten (die irrt Kurfürstenkollegium völlig gleich berechtigt nebeneinander standen), niederer Adel — es gehörten alle, die auf dein Reichstage nicht Sitz und Stimme hatten, dazu —, Bürger und Bauern einander gegenüber und suchten ihre Sonderinteressen zu behaupten. Es ist gleichsam ein beständiges Aus - und Niederwogen verschiedener sozialer Strömungen. Bald erscheinen die Städte an der Oberfläche, bald die bäuerlichen Massen, bald geistlicher und weltlicher Adel. Dieser verschiedenen sozialen Mächte Herr zu werden war das Königtum viel zu schwach. Gerade die Bürger aber mußten das Schwinden einer starken Reichsgewalt, die den Frieden allein aufrecht erhalten konnte, schmerzlich empfinden. Hing doch ihr Gedeihen durch Handel und Gewerbe besonders von Ruhe und Sicherheit im Innern ab! Daher griffen sie zur Selbsthilfe, und schort 1254 schlossen etwa 70 rheinische Städte einen Bund unter sich und mit einzelnen Fürsten, um den Landfrieden zu schirmen. So gab das Bürgertum das erste Beispiel einer selbständigen Einigung und wurde damit neben den adligen Großgrundherren eine Macht im Reiche. Wegen der Königswahl unterhandelten die Fürsten mit den Bürgern. Ihr Bund zerfiel zwar bald wieder, aber der einmal mit Erfolg betretene Weg der Einigungen ward immer wieder eingeschlagen. Und immer handelte es sich um Sicherung des Landfriedens. Danach strebten alle Gefellschaftsklassen. „Verbunden werden auch die Schwachen mächtig" — das beherzigten in der Folgezeit zu diesem Zwecke Bürger, Ritter und Bauern.
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Einleitung.
3rt einem „goldenen" Zeitalter lebten ursprünglich die Menschen, frei und gleich und glücklich, und wußten nichts von Sorge und Qual. Tenn alles, was sie nötig hatten, erhielten sie von der gütigen Natur, ohne selbst arbeiten zu brauchen. So wähnten und wähnen manche. Längst aber hat die Wissenschaft diesen Irrglauben zerstört und nachgewiesen, daß die Menschen aus der ältesten Entwicklungsstufe eine aus unterschiedslosen Elementen bestehende Masse und aller uns jetzt geläufigen sittlichen Anschauungen völlig bar waren, und daß sie einen harten, oft blutigen Kampf weniger gegen die Mitmenschen, als vielmehr gegen die wilden Tiere bestehen mußten, um die zum Unterhalt erforderlichen Nahrungsmittel zu gewinnen. Und darauf war anfangs ihr einziges Streben gerichtet. Sie erreichten nun größere Ernährungssicherheit und konnten leichter ihr Dasein fristen, wenn sie keine zusammenhangslose Masse bildeten, sondern sich zu Gemeinschaften zusammenschlossen. Das geschah auch schon in den Anfängen der Menschheitsentwicklung. Nirgends steht jeder für sich selber da, ganz allein; die einzelnen leben nicht nur neben-, sondern auch miteinander. Gesellschaftliche Vereinigung ist ein uraltes, weil durch die Verhältnisse bedingtes Gesetz schon in der frühesten Geschichte der Menschheit. Offenbar sind wir von Natur „gesellschaftliche Wesen", wie der griechische Philosoph
Stutzer, Sozialgeschichte. 1
Das „goldene" Zeitalter.
Die ältesten Gemeinschaften unter den Menschen.
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Dreizehntes und vierzehntes Jahrhundert.
Demgegenüber erlangten die Städte des Nordens und Ostens (in denen im Unterschied von den südwestlichen auch die Macht der Geschlechter fast ungebrochen blieb) die Herrschaft über Nord- und Ostsee. Kaufleute aus derselben Stadt thaten sich hier schon früh zu gemeinsamer Fahrt und zur Erwerbung gemeinsamer Rechte im Auslande zusammen und schlossen einen Bund ober, wie man in Nieberbeutfchlanb sagte, eine Hansa, ohne sich aber bauernb schriftlich zu verpflichten. Den Handel verschobener beutscher Städte und Sänber als einen einheitlichen vertrat dann zuerst die Gemeinschaft der „geeinigten Gotlanbssahrer des römischen Reiches". Mit solchen Verbinbungen beutscher Kaufleute im Auslanbe wirkten ursprünglich bavon ganz unabhängige Einigungen norbbeutfcher Städte zusammen, und so lnlbete sich allmählich ein Bunb der „gemeinen Kaufleute aus dem römischen Reiche von Alemannien", sicherte die Verkehrsstraßen, legte neue an, traf gemeinsame Maßregeln in Bezug auf Hanbelsrecht und erreichte — das war die Hauptsache — manche Hanbelsvorteile im Auslanbe. Denn als europäische Han-belsmacht fühlten sich die deutschen Kaufleute boch in erster Linie. Währenb stänbische Gegensätze die Nation zerrissen, strebten sie — allen voran als Vorort der Hansa Lübeck; baneben waren Köln, Danzig und Braunschweig besonbers wichtig — mit glanzenber Thatkraft und Schaffensfreubigkeit, ohne Hilfe von Kaiser und Reich, nach der führenben Stellung im Norben. — Der rasche Machtzuwachs der Hansa hängt auch mit der Blüte des Orbensstaates zusammen, der eigenartigsten deutschen Schöpfung jenes Zeitalters, in der die alten und die neuen nationalen Kräfte, geistliche, ablege und bürgerliche Macht, aristokratisches und monarchisches Wesen, wunber-bar zusammenwirkten. Jmpreußenlanbe begannmitte bes13.Jahr-hunberts die Kolonisation besonbers mit Erbauung reger stäbtischer Verkehrspunkte inmitten eines verhältnismäßig biinn besiebelten flachen Landes. Deshalb blühten die Städte, benen der Orben aus-
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Zunftkämpfe. Gesellenbruderschaften.
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Gewalt in der Stadt, und schon im 13. Jahrhundert kam es überall zwischen Zünften und Geschlechtern zu Kämpfen, bei denen sich die Tuchmacher, als die bestgestellten Handwerker, stets hervorthaten. Gelegentlich wurden die Kämpfe äußerst erbittert; in Magdeburg z. B. wurden zehn Altermänner der Zünfte 1302 lebendig verbrannt.
Das Endergebnis war, daß entweder eine reine Zunftverfassung begründetward (z.b. in Braunschweig, Augsburg und Konstanz) oder in den Rat Mitglieder der Zünfte aufgenommen wurden (z. B. in Frankfurt und Nürnberg) oder aber Zünfte und Geschlechter in größeren, alle Bürger umfassenden Wahlkörpern für den Rat aufgingen (dies geschah in Köln, nachdem 1371 eine förmliche Schlacht, die sog. Weberschlacht, stattgefunden). Besonders in diesem Falle wurde die Stetigkeit der städtischen Verwaltung gesichert, der innere Friede gewährleistet und die ganze Bürgerschaft zu selbständigemhandeln erzogen.
Bald bildeten sich auch Ansänge eines eigentlichen Arbeiter- Gesellenstandes. Ursprünglich bestand kein sozialer Unterschied zwischen schäften. Meistern und Lehrlingen; diese wurden mit zur Familie gerechnet; war die Lehrzeit um (gewöhnlich nach 8 Jahren), so wurden sie in in der Regel unmittelbar Meister. Seit Mitte des 14. Jahrhunderts aber ward die Gesellenschaft immer häufiger Durchgangsstufe zur Erlangung der Meisterwürde. Einzelne Zunftgenossen wurden Arbeitsunternehmer, und bald gab es — und zwar zuerst bei den Tuchmachern — eine größere Zahl von Arbeitern, die nie zu völliger Selbständigkeit gelangten. Die später zur Verhinderung der Konkurrenz von den Zünften erlassene Bestimmung: wer fein Vermögen besitzt oder nicht Sohn bezw. Schwiegersohn eines Meisters ist, soll nicht Meister werden — verschärfte den Gegensatz zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmenden. Seit Ende des 14. Jahrhunderts bildeten sich deshalb Gesellenbruderschaften unter eigenen Vorstehern, deren Anzahl sich nach der Mitgliederzahl richtete. Sie wollten sich gegenseitig unterstützen und das Standesbewußtsein pflegen; bald
Stutzer, Sozialgeschichte. 4
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Einleitung.
Aufgabe der Sozialgeschichte
daraus, also nach der Arbeitsleistung, lassen sich Klassen und Stände scheiden. Beide Ausdrücke werden meist ohne bestimmte Abgrenzung gebraucht; doch spricht man nur von Berussständen, z. B. vom Lehr- und Wehrstande, vom geistlichen und Beamtenstande, vom Kaufmanns- und Handwerkerstande u. s. w.*)
Diese verschiedenen, besonders durch wirtschaftliche Interessen miteinander verknüpften Gruppen von Menschen bilden die Gesellschaft im engeren Sinne. Was darauf Bezug hat, heißt gesellschaftlich^*) oder sozial (während sozialistisch aus die erzwungene Unterordnung des einzelnen unter die Gesellschaft sich bezieht). Der Mensch lebt nun nicht vom Brot allein, vielmehr wirken auf die wirtschaftlichen Zustände geistige, staatliche und sittliche Verhältnisse, die sich ihrerseits wieder vielfach bedingen, mittelbar und unmittelbar ein. Bei den Beziehungen der verschiedenen Klassen oder Stände zueinander kommen also zwar in erster Linie wirtschaftliche, daneben aber auch manche andere Interessen in Betracht. Abkunft und Bildung spielen eine Rolle. Soziale Kämpfe drehen sich nicht nur um den Futteranteil der einzelnen Klassen, sondern auch um Ansehen und Wertschätzung überhaupt.
Tie geschichtliche Entwicklung der verschiedenen deutschen Gesellschaftsklassen nun besonders in der neuesten Zeit gemeinverständlich zu schildern, ist die Aufgabe der folgenden Blätter. Nicht um eine Geschichte der Gesellschaft im allgemeinen handelt es sich (dann wäre Sozialgeschichte ziemlich gleichbedeutend mit Volks- oder Kulturgeschichte), sondern es soll klargestellt werden, weshalb sich be-
*) Stände im engeren Sinne sind die Landstände, d.h. die zu einer Körperschaft vereinten Gewalten in den Einzelgebieten, die dem Landesherrn gegenüber gewisse Rechte ausüben. Adel, Geistlichkeit und Städte gehörten zu diesen Ständen, später anch die Bauern.
**) „Gesellig" wird nur von den Formen des persönlichen Umganges, der Geselligkeit, gebraucht.
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Anfänge der Germanen. Bedeutung des Geschlechts. Markgenossenschaft.
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Die christliche Lehre verbreitete sich allmählich im Römerreiche und kam so auch zu demjenigen Volke, das durch sein Vordringen gegen die römischen Grenzen den Anstoß zum Beginn einer neuen Zeit gab, zu den Germanen.
Erster Äö schnitt.
Die Gemeinfreiheit der Urzeit.
Die Germanen sind ein Zweig der großen arischen oder indogermanischen Völkerfamilie, die wahrscheinlich im Innern Asiens ihre ursprüngliche Heimat hatte und schon hier (wie die Sprachvergleichung lehrt) seßhaft wurde. Weiter läßt sich aber das Dunkel, das über ihren Anfängen lagert, nicht lichten.
Über die germanische Urzeit nun find die Ansichten lange getrübt gewesen infolge der teilweis grundfalschen Anschauungen der Römer. Sie glaubten nämlich Züge des „goldenen" Zeitalters bei unseren Vorfahren zu finden. Diese besaßen aber in Wirklichkeit alle Vorzüge und alle Fehler eines Naturvolkes, das die erste Stufe der Entwicklung längst überwunden hat und Jagd und Viehzucht, daneben auch — allerdings noch in ziemlich roher Weise — Ackerbau treibt. Die Bedeutung des Geschlechts (der Sippe) tritt in diesen ältesten Zeiten auf allen Gebieten, besonders im Kriegswesen und bei der Rechtspflege, hervor. Im Kampfe halten Familien und Verwandtschaften zusammen, und die Rache für einen Mord oder Totfchlag wird als Sache des ganzen Geschlechts angesehen. In gewissen Beziehungen aber steht der einzelne schon völlig selbständig da.
Der Familienverband trat nämlich mit den Verhältnissen des Grundbesitzes in Verbindung, und diese bestimmten dann für sich das Leben. Ursprünglich herrschte völlige Gleichheit und Gemein-
Ansänge der Germanen.
Bedeutung
des
Geschlechts.
Markgenossenschaft mit Flurzwang.
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Allgemeine Notlage. Soziale und religiöse Bewegung berühren sich.
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Kaisers, Friedrichs Ii., der die Stände einigen und ein großes Friedensreich stiften werde. Allmählich mischte sich in solche Träume die Hoffnung, vom Kaiser würden alle alten Freiheitsrechte wieder hergestellt. Durch die Husitenbewegung im Anfang des 15. Jahrhunderts bekam diese Anschauung einen religiösen Charakter. Der erstrebte Ausgleich soll auch die Forderungen des religiösen Gewissens erfüllen. Die „Gerechtigkeit Gottes" wird verlangt. Auf solche Weise berührte sich die soziale Bewegung — ihrem Ursprünge nach nur eine (übrigens dem ganzen Westeuropa gemeinsame) wirtschaftlich-politische Erscheinung — mit der gleichzeitigen Kirchenreform. Der Haß gegen den leider oft unchristlich lebenden Klerus wurde durch die Husitenausstände verstärkt. Die Geistlichen müssen an Zahl und Einnahme vermindert werden, dann kann der Bauernstand wieder emporkommen — das war die allgemeine Anschauung. Dies Gefühl der Unbefriedigtheit äußerte sich von Zeit zu Zeit in seltsamem, einer geistigen Epidemie vergleichbarem Treiben. In Niklashausen bei Wertheim an der Tauber fand Hans Böhm, ein einfacher Hirt und „Pauker", gewaltigen Zulauf, als er auf eine Erscheinung der Jungfrau Maria hin seine Pauke verbrannte und zu predigen begann: die Zeit der Gleichheit ist nicht mehr fern; dann brauchen keine Zölle mehr entrichtet zu werden, alle Gewässer und Wälder sind frei für alle, bald müssen auch Könige und Fürsten um Tagelohn arbeiten. Wie ein Chronist berichtet, liefen die Handwerksgesellen aus ihren Werkstätten, die Knechte vom Pfluge, die Mägde von der Wiese herbei: 2 Monate lang fand eine förmliche Wallfahrt zum „Pfeifer von Niklashausen" statt, bis er auf Befehl des Würzburger Bischofs verbrannt wurde. Aber was half's? Im Schwarzwalde war schon ein neuer Apostel erschienen — wie manche behaupteten, der Kaiser Friedrich, der aus dem Berge gestiegen. Schweigend lagerten die Massen an der Versammlungsstätte bei Fackel- und Mondschein mitten im Walde und lauschten der Ver-
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Extrahierte Personennamen: Friedrichs Hans_Böhm Maria Maria Apostel Friedrich Friedrich