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§. 7. Die Inder.
Geschichte theils großartige religiöse Bauwerke, theils eine
reiche alte Literatur vielfache Andeutungen geben.
Zu jenen Bauwerken gehören die unterirdischen Grot-
tentempel mit ihren Bildwerken und Inschriften (z. B.
auf der Insel Elephante im Meerbusen von Bombay,
auf S a l se t t e bei Bombay, und vorzüglich zu E l l o r e
in der Mitte Vorderindiens, wo ein ganzer Porphyrberg
stockwerkartig ausgehöhlt und mit unzähligen, aus Felfen ge-
hauenen Tempeln angefüllt ist, an deren Vollendung Jahr-
hunderte gearbeitet haben); — ferner die über der Erde
in Felsen gehauenen Bauten, besonders die Palast-
und Tempel-Trümmer von Mavalipuram, einer ganz
in Felsen gehauenen Königsstadt auf der Küste Koromandel,
in der Nähe von Madras, die durch ein plötzliches Austreten
des Meeres verödet worden zu seyn scheint; — endlich gewisse
freistehende Pagoden, d. i. dunkle, von Lampen erhellte
Tempel mit mannigfaltigen, zur Bequemlichkeit der Wall-
fahrer eingerichteten Nebengebäuden (wie z.b. diemahadeva-
Pagode zu Benares).
Zu jener Literatur gehören vorzüglich die in der
Sanskritsprache geschriebenen heiligen und profanen Schrift-
werke. Die Sanskrit (deren ältere Mundarten Prakrit
und Pali heißen) ist zwar keine lebende Sprache mehr,
wird aber, wie bei uns das Latein, von den dortigen Priestern
noch heute studiert und verstanden, und hat in ihrem Baue
eine große Vollendung. In ihr sind besonders die vier ältesten
Religionsurkunden der Inder, die Vedas geschrieben, deren
Anlegung neuere Forscher in's 14. Jahrhundert v. Ehr., die
Inder selbst aber in eine noch höhere Zeit verlegen.
Die in diesen heiligen Büchern vorkommenden Gottheiten
sind Naturkräfte, und der ganzen Religion liegen, wie beim
Zendvolke, astronomische und astrologische Ideen zum Grunde.
Das höchste körperlose Urwesen ist Brahma (zu deutsch:
das Große), in welchem alle Dinge, als Ausflüsse von
ihm, ihren Grund und Bestand haben. Als der durch „sich selbst
Seyende" (parsisch: Choda) und nicht Darstellbare tritt er nie
TM Hauptwörter (50): [T9: [Tempel Stadt Kirche Säule Zeit Gebäude Bau Mauer Haus Dom], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
TM Hauptwörter (100): [T76: [Stadt Straße Haus Schloß Kirche Gebäude Mauer Platz Garten Dorf], T25: [Wissenschaft Kunst Zeit Sprache Geschichte Schrift Buch Werk Jahrhundert Erfindung], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T13: [Kirche Dom Zeit Bau Denkmal Kunst Tempel Bild Werk Stadt], T97: [Stadt Hauptstadt China Reich Land Handel Meer Einw. Türkei Sultan]]
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Extrahierte Ortsnamen: Bombay Bombay Madras Benares Prakrit
§. 5. Die ältesten Staaten des Heidenthums. 13
einrichteten und ausbauten, soll zunächst an den wichtigsten
und einflußreichsten derselben gezeigt werden.
Die gesellschaftliche Verbindung, welche man Staat nennt,
wurzelt zutiefst in der allerersten und einfachsten Form des
Zusammenlebens der Menschen, welche man Familie heißt,
deren Haupt der Hausvater ist, welcher sämmtliche Familien-
glieder durch die von seinem Willen ausgehende Hausordnung
und Haussitte zusammenhält und als Versorger und Erzieher
der Seinigen zugleich ihr Regent und häuslicher Priester ist.
In weiterer Entwicklung erwuchs aus der Familie, und zwar
aus den herangewachsenen, neue Familien bildenden Gliedern,
welche beisammenblieben und die im Vaterhaus geübte Lebens-
art fortführten,— ein Geschlecht oder Stamm, an dessen
Spitze der Geschlechts- odep Stammälteste steht.
Diese Volkseinrichtung heißt die patriarchalische, und
findet lange Zeit besonders bei Stämmen statt, die unbeengt
und unbehindert auf größerem Raume, vorzüglich auf Hoch-
ebenen und in Gebirgsthälern, nomadisch leben können. Der-
gleichen Völker mit patriarchalischer Verfassung haben (wie
noch heute die Beduinen in Arabien, die Horden der In-
dianer in Amerika :c.) keine eigentliche Geschichte.
Diese beginnt erst, wenn solche Nomadenstämme, frei-
willig oder gezwungen, auf kleinerem Raume zusammenge-
drängt, vorzüglich in fruchtbaren Niederungen und Fluß-
thälern, sich ansiedeln. Denn von da an erst tritt der Mensch
mit der Natur in thätigen Kampf, um ihr seinen
Unterhalt abzuzwingen, und zugleich mit seinem Nach-
bar in Verein, um mit seiner Hülfe die Hemmnisse der
Natur, z. B. Regen und Kälte (durch schützendes Obdach),
ausgetretene Flüsse (durch Eindämmung), ausgedürrten Boden
(durch Bewässerung) und ähnliche Übel, denen er vorher
bei seinem Wanderleben mehr hatte ausweichen können, leichter
zu besiegen, theils um Beeinträchtigungen anderer, feindlicher
Stämme kräftiger abzuweisen.
Mit der Entstehung einer Niederlassung ergab sich eine
TM Hauptwörter (50): [T22: [Volk Bewohner Sprache Land Bevölkerung Einwohner deutsche Religion Million Stamm], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte]]
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väterlicher, göttlicher Güte und Barmherzigkeit, ohne all' gl
Almosen zu erflehen; oder nicht das Glück hatten, so viel zu be-
kommen, wie der kleine Bergmannsknabe.
Auf jene Weise erhielt sich und Andere der verirrte Knabe
während der ganzen Zeit der großen Theurung, die indessen im
höheren Erzgebirge von Monat zu Monat so heftig zugenommen
hatte, daß an der aus dieser Noth entstehenden Seuche ungemein
viele arme Familien ganz ausstarben und viele arme Hütten
ihre ganzen Bewohner verloren. Nachdem er lange in der Stadt
und dann auch, da er aus Liebe zur Veränderung sie verließ,
außer ihr seinen täglichen Unterhalt gefunden, reichlicher als je-
mals in der armen Hütte seiner Aeltern, kommt er einmal an
einem Herbstabend, da eben die Sonne über den Thürmen einer
auf der nahen Anhöhe liegenden Stadt untergehen wollte, ans
eine Berghöhe, von der er unten im Thale ein Dorf mit einer
kleinen Kirche liegen sieht. Das Dorf und die Kirche kommen
ihm so bekannt vor und, nun schon dreister geworden, fragt er
einen Bauer, der auf der Anhöhe ackert, wie der Ort heiße. Der
antwortet: Ober-S. Da läuft der Kleine, vor Freude außer sich,
den Berg hinunter und kommt noch in der Dämmerung in'ö Dorf
Er sindet gar bald die wohlbekannte, liebe Hütte seiner Aeltern,
klopft an die Thüre an, aber die ist und bleibt verschlossen. Aber
an der hintern Seite des Hänschens, nach oben, befand sich ein
Laden, der gewöhnlich (denn Diebe fürchtet ein armer, guter Berg-
mann nicht) immer offen staub. Auch jetzt war er geöffnet, und
der Kleine klettert hinauf, wie er sonst öfters seine älteren Brüder
hatte hinauf klettern sehen. Aber innen im Hause war Alles still,
und der Knabe, der glaubt, es schlafe schon Alles, legt sich auch
ganz still in einen oben auf dem Boden stehenden offnen Kasten,
worin alte Kleider und Lumpen lagen. Zum ersten Male wieder
in dem Hause seiner lieben Mutter, erwacht er am andern Morgen
überaus froh und heiter, springt herunter, öffnet Hausthüre und
Fensterläden und sieht sich nun im ganzen Hanse um. Aber das
ist still und leer. Das Bette, worin sonst seine Aeltern schliefen,
war nicht mehr da, auf sein Rufen antwortet Niemand. Endlich
kommt ein Nachbar, verwundert, wer in dem einsamen Hanse sei.
Da der den Kleinen erkennt, sagt er: ,,Du böses Kind, wo bist
Du gewesen? Deine Aeltern und Deine Geschwister, bis auf eine
Schwester, sind alle an der Noth und an der Seuche gestorben,
und die Sorge um Dich hat Deine Mutter noch in ihren letzten
Stunden bekümmert."
Da fängt der arme Junge bitterlich an zu weinen, daß er
seine Mutter, von der er ja gar nicht gerne weggelaufen war,
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T33: [Kind Vater Mutter Frau Mann Jahr Sohn Gott Haus Eltern]]
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180
Bäume.
Er ist der höchste von allen, und seine Gestalt ist voll Majestät.
Er wächst auf der Höhe des Gebirges, aus den Wolken trinkt'
er, und bedarf nicht des Baches, der seinen Fuß netze. — Seine
Wurzel umfasset die Felsen der Erde, und er tauchet sein Haupt
in die Bläue des Himmels. Jahrhunderte hat der Sturm um
diese Wipfel getobt, und der Donner um die Stirn des ernsten
Waldes gerollt. Aber er stehet unerschiittert, frei wie ein Gott,
und ohne die Bedürfnisse des niedern Thales. Darum heißt er
auch ein Baum Gottes, den Iehovah gepflanzt hat — und stehet ein
Bild des Gesalbten des Höchsten." „Eins nur fehlet ihm," sagte
Hiram, — „die duftende Blüthe und die nährende, erquickende
Frucht." Da lächelte Salomo und sprach: „Redest Du im Scherz,
Hiram, oder als der Beherrscher des gewinnenden Volkes? Duftet
denn nicht die ganze Ceder? — Und wozu der hochragenden Königin
des Gebirges die erquickliche Frucht? Trägt sie nicht den kühnen
Seefahrer durch die schäumende Woge? Wölbt sie nicht die Paläste
der Fürsten? Und bald, Hiram, wird sie auf Sion stehen, ein
Tempel Iehovah's. — Mein Freund, es gibt edlere Früchte, als
welche der Gaumen verlangt."
Indem sie also redeten, rollte plötzlich ein Gewitter hinauf
gen Libanon, und es donnerte gewaltig. Die Könige aber standen
im Dickicht des Waldes schweigend und voll Ehrfurcht. Da kam
ein Strahl aus dem Gewölk und zerriß eine Eeder von dem
Gipfel bis an die Wurzel und krachend stürzte sie am Abhang
des Gebirges hernieder. Das Gewölk aber zog brausend vorüber.
Da traten die Könige zu der gefallenen Ceder und sprachen unter
einander: „Was ist alle irdische Größe vor dem Angesicht des
Erhabenen? — Er rollt die Himmel zusammen, wie ein Gewand,
und die Erde ist vor ihm, wie ein Tropfen am Eimer. — Wer
mag bestehen vor dem König der Könige?"
Nach einem langen, stillen Nachdenken, während sie vor der
zerschmetterten Ceder standen, sprach Hiram: „Wenn man die
Natur iu ihrer furchtbaren Größe gesehen hat, dünkt es beinahe
thöricht, dem Herrn der Schöpfung einen Tempel bauen zu wollen.
Wozu bedürfte er des Tempels von Menschenhänden gemacht?"
„Nicht Er," antwortete Salomo, „aber der Mensch bedarf dessen.
Das unermeßliche Werk der Schöpfung beugt ihn nieder und
gesellt ihn zu dem Staube, aus welchem sein Leib gebildet ward.
Sein eigenes Werk — als ob es den Unsichtbaren, Allgegenwär-
tigen umschlösse und begrenze — soll ihn erheben. — Nicht das
beinerne und fleischerne Gewölbe der Brust ist der Geist des
Menschen. Hiram, auch wir sind göttlichen Geschlechts!"
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Heinrich, der Vogelsteller.
267
sich nun erst langsam ein Haufe deutscher Krieger wider sie und
sing an, sich in Marsch zu setzen, daun waren sie sammt ihren
Leuten schon lange wieder fort, weit, weit! über alle Berge. —■
Und von Nordosten her kamen zu Zeiten die Wenden und
machten's eben so. Das war eine traurige Zeit. — Was that
da der weise, der bedächtige Heinrich? ■
Zunächst schloß er einen neunjährigen Waffenstillstand mit
den gefährlichen Ungarn und gelobte ihnen einen jährlichen Tribut.
Dafür sollten sie dann nicht mehr nach Deutschland kommen und das
Vieh wegtreiben. Sie waren das auch zufrieden. Und nun begann
im ganzen deutschen Reiche eine bessere Zeit, überall ein reges
und thätiges Leben, lleberall sing man an, Häuser zu bauen und
hie und da einen Haufen derselben mit einer Mauer zu umziehen
und mit einem Wassergraben. Solch eine ummauerte Stätte
nannte man Stadt oder Burg und ihre Bewohner Bürger.
Aber die Städte waren noch leichter zu bauen als Bewohner darein
zu finden; beim die Deutschen liebten das Wohnen ans dem Lande
und sagten: „Sollen wir uns lebendig begraben lassen? Die
Städte sind. nichts Anderes als Gräber." Da befahl Heinrich:
Die Leute,sollten loosen und je Einer aus Rennen, den das Loos
treffe, sollte vom Lande in die Stadt ziehen Damit sie das aber
um so lieber thun möchten, gab er den Städten viele Vorrechte,
so daß die Bürger hinter ihren Mauern nach und nach viel freier
wurden als die Bauern, welche damals ihren Edelleuten oder den
Klöstern als Leibeigene dienen mußten. Nun sing auch in den
Städten Einer an, und machte für Alle die Kleider; ein Anderer
für Alle die Schuhe; ein Dritter bauete Häuser für die Andern; —
natürlich aber das Alles nicht umsonst! Mit einem Worte: cs
entstanden-die verschiedenen Ha n dw e r ker. Bis dahin hatte näm
lich jeder sein eigner Schneider, Schuster, Maurer, also alles
Mögliche selbst sein müssen. Und das ging gerade nicht sehr
gut. In den Städten ging'ö nun natürlich besser. Und doch
merkten es die Städter noch immer nicht, daß sie es besser hatten.
Als aber nach 9 Jahren die Ungarn wieder kamen, und die
Bauern nun ihr Vieh und ihre sonstigen Habseligkeiten in die
ummauerten Städte flüchten konnten, wo die Ungarn nicht hinein-
zudringen vermochten; und als Heinrich mit (Lottes Hülfe diese
Räuber bei Merseburg dermaßen besiegte, daß sie, so lange er
lebte, nicht wiederkamen: da jubelte Alles „dem Städtecrbaner"
entgegen und freute sich seines Königs. — Nicht lange darnach
brachte Heinrich auch die Wenden zur Ruhe. Mitten im Winter
nahete er sich ihrer Hauptstadt B r e n n a b o r. Sie zagten aber
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Extrahierte Personennamen: Heinrich Heinrich Heinrich Heinrich Heinrich Schneider Schuster Maurer Heinrich Heinrich Lottes Heinrich Heinrich
Extrahierte Ortsnamen: Ungarn Deutschland Ungarn Ungarn Merseburg
332
Das Erdbeben von Lissabon.
zeichen von irgend einem Naturereignisse zu spüren, das eine so blü-
hende , reiche, bevölkerte Stadt zu einem Schauplatze der furchtbarsten
Schrecknisse, der iirgbten Verwüstung machen sollte. Zwischen 9 und
10 Uhr dieses schönen Morgens sass Braddock am Schreibtische, eben
einen Brief beendigend, als sein Papier, sein Tisch eine Bewegung
machte, die ihn ziemlich überraschte. Indem er noch nachsann, was
denn wohl die Ursache davon wäre, erzitterte das Haus von oben
bis unten, unter der Erde bebte ein Donner, als ob sich ein Gewitter
in grosser Ferne entlüde; es liess sich ein furchtbares Geprassel hören,
als ob alle Gebäude in der Stadt zusammenstürzten. Auch das Haus
des Engländers ward so erschüttert, dass die obersten Stockwerke ein-
stürzten, und die Zimmer, welche er bewohnte, hin und her schwank-
ten, so dass alles Geräth umfiel und es Mühe kostete, sich auf den
Füssen zu erhalten. Die Mauern wankten hin und her, borsten an
mehreren Stellen, und aus den Eugen stürzten grosse Steine heraus,
ln derselben Zeit verfinsterte sich der vorher so heitere Himmel,
so dass sich kein Gegenstand mehr genau erkennen liess. Endlich
erhellte sich die Nacht wieder, die Gewalt der Stösse liess nach, der Eng-
länder blickte umher, und das Erste, was ihm in die Augen fiel, war
eine Mutter, die mit einem Kinde auf dem Boden sass, bleich, mit Staub
bedeckt, zitternd wie Espenlaub. Er fragte sie, wie sie hierher gekom-
men, allein die furchtbare Bestürzung gestattete ihr keine Antwort.
Das arme Weib richtete nur die Frage an ihn: ob diese nicht das
Ende der Welt bedeute'? Zugleich klagte sie, dass ihr der Athem fohle
und bat um einen Trunk Wasser. Der Engländer ging in ein Nato-
zimmer, wo er ein grosses Gefäss mit Trinkwasser hielt, das in Liwa-
von ziemlich selten ist, allein es war zerbrochen, und so sagte er ihr,
dass sie jetzt nicht daran denken möchte, ihren Durst zu löschen, das
Haus würde über ihren Köpfen zusammenstürzen, sobald ein zweiter
Erdstoss käme, und sie beide unter den Trümmern begraben; sie sollte
sich an seinen Arm hängen, er würde suchen, sie an einen sichern Ort
zu geleiten. Sie gingen auf die Strasse, welche nach dem Tajo führt.
Ueberall war sie von Trümmern bedeckt und hier und da bis zum
zweiten Stockwerk gesperrt. Es war unmöglich, darüber fortzukom-
men, und so versuchte er einen andern Weg zu gewinnen, was unter
tausend Gefahren geschah. Er half erst dem Weibe über einen grossen
Haufen von Trümmern, dann bat er sie, ihn losszulassen, um mit Hän-
den und Füssen den Weg über einen zweiten zu finden, und kaum
hatte er einen Schritt vorwärts begonnen, als eine Steinmasse von oben
herab auf sie und das Kind stürzte, so dass Beide im Augenblicke
zerschmettert waren. Er hatte jetzt eine lange, enge Strasse zu durch-
eilen , zu deren beiden Seiten die Häuser vier bis fünf Stock hoch
waren. Die meisten stürzten oben zusammen, oder waren schon in
Trümmern, von denen bedeckt Todte, Sterbende, Verwundete überall
herumlagen. Es schien nicht möglich, hier mit dem Leben davonzu-
kommen, und er wünschte nur, gleich tödtlich getroffen zu werden.
Doch eilte er so schnell als möglich fort und kam glücklich durch den
Höllenpfad hindurch. Da stand er auf dem freien Kirchhofe der St. Pauls-
kirche und staunte den ungeheuren Haufen Trümmer an, zu welchem
sie zusammengesunken war. Noch vor wenig Minuten konnte sie für ein
Meisterstück der (Baukunst gelten, welches Maler.(und Bildhauer wett-
eifernd geschmückt hatten. Jetzt sah man eine ungeheure Steinmasse
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22
keinen Schaden noch Leid thun,
Herzog Leopold von .Braunschweig.
Am unglücklichen 27 April des Jahres 1785 durchbrach die
furchtbar angeschwollene Oder die Dämme bei Frankfurt, ititb über
fluthcte schon die Dammvorstadt, und bedrohte sic mit schnellem
Untergange. Ungeheure Eisblöcke zertrümmerten zwei Joche der
Brücke und schnitten hierdurch jene Vorstadt von aller Hülfe ab.
Ein Haus stürzte nach dem andern ein. Die Einwohner flüchteten
nach dem hohen und festen Gebäude der Seidenfabrik, dem letzten
Nettnngsorte. Man sah wohl von der Stadt aus die mit jedem
Augenblicke zunehmende Gefahr der Hülfeflehenden, wußte aber
nicht, wie man ihnen Hülfe senden sollte, da der wüthende, mit
Eisschollen treibende Strom nicht mehr durchrudert werden konnte.
Dennoch wollte der menschenfreundliche, unerschrockene Leopold, der
schon bei mancher Feuersnoth sein Leben daran gesetzt hatte, sich
durch eine Gefahr, wovor alle klebrigen zurückschauderten, nicht
aufhalten lassen. Zuerst wollte er von der Gubener Vorstadt ans
mit zwei Kähnen sich durcharbeiten. Nathshcrren, die ihn be-
gleiteten, boten Alles auf, ihn zurückzuhalten. Er antwortete:
„Bin ich nicht ein Mensch, wie jene? Wir müssen hier Menschen
retten!" Nun aber warfen sich zwei seiner Soldaten vor ihm ans
die Kniee, umfaßten die seinigcn und fleheten, er möchte doch sein
Allen so theures Leben hier nicht in den augenscheinlichen Tod
stürzen, sondern desselben zur Stütze und Freude so vieler Tausende
schonen.
Dieses herzliche Flehen, womit sich die Bitten aller Umstehenden
vereinigten, bewog endlich den Herzog, wieder aus dem Kahne zu
treten und sich in die (Stadt zu begeben, um dort Alles zur Mit-
hülfe aufzubieten. Während dessen — Mittags 12 Uhr — hatte
sich'ein Schiffer entschlossen, vom Fischerthore ans nach dem Damme
sich durchzuarbeiten. Da er aber hierzu die Hülfe zweier Knechte
nöthig hatte, deren einer ein Soldat war, so eilte dieser zu dem
Herzoge, um sich zu dem Wagstücke die Erlaubniß zu erbitten. Da
loderte in dem menschenfreundlichen Herzen plötzlich das edle Feuer
wieder ans; er eilte mit dem Soldaten ungesäumt zum Fischer-
thore, stieg, ohne ein Wort zu reden, rasch in den Kahn, und
stieß ihn, ehe noch der Schiffer selbst herankam, vom Lande ab.
kaum gewann dieser noch Zeit, nachzuspringen und wollte durch-
aus nicht einwilligen, daß sich der Herzog in diese schreckliche Gefahr
stürze, und versuchte — außer sich vor Bestürzung — die Ueber-
fahrt zu verhindern. „So werde ich, entgegnete Leopold mit fester
Stimme, ohne euch, mit euren beiden Knechten allein hinüber-
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T24: [Schiff Meer Insel Küste Land Fluß See Wasser Hafen Ufer]]
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Extrahierte Personennamen: Leopold_von_.Braunschweig Leopold Leopold Leopold Leopold Leopold
Jnfuflonsthiere.
191
stehen, sind steif, doch biegsam, nach unten breiter, nach oben in
schmale Aestlein zertheilt, die sich in noch kleinere, mit zwei Spitzen
enden. Die innere Fläche ist hohl, grün und zugleich ins Röth-
liche fallend, glatt, die hügliche Außenfläche ist bleichfarbig (weiß-
lich oder grünlich gelb). Am bitteren Geschmacke, der sehr stark
ist, kennt man aber das isländische Moos am besten. In Aus-
zehrungen und Brnstkrankheiten ist es ein vortreffliches Mittel,
welches oft noch Rettung verschafft. In Krain mästet man
Schweine damit; magere Pferde und Ochsen, so wie manche kranke
Schaafe werden, wenn mau sie isländisches Moos fressen läßt,
ganz feist davon. Die Isländer schätzen es fast so hoch als das
Mehl, indem sie Brod davon backen, oder es mit Milch gekocht
genießen. Jenes arme Volk könnte in seinem so wenig hervor-
bringenden Lande kaum leben ohne das isländische Moos, welches
daselbst alle nackten Felsen überzieht, auf denen sollst kein anderes
Kraut wachsen könnte, uild mit Recht von dem dortigen Landmann
höher geachtet wird, als alle Bäume und Kräuter seines Landes.
Wenn im Anfang, ehe Island von Pflanzen bewohnt war, die
Meereswellen, so wie sie es jetzt daselbst noch öfters thun, von
einer fernen Küstengegend einen edlen Baum, z. B. einen guten
Obstbaum, und auf seiner Rinde das arme unscheinbare isländische
Moos heran an die Iilsel getrieben hätten und beide hätten reden
können, da würde wohl der Baum großsprecherisch zu in kleinen
Moos gesagt habein „Da komme ich nun, geführt von den Wellen
des Oceans, als ein künftiger Wohlthäter an diese Insel und bald
werden meine schönen Blüthen und herrlichen Früchte von Allen,
die da wohnen, das gebührende Lob und Verehrung empfahen.
Aber was willst du, elendes, verächtliches Moos? Dich wird man
wegwerfen und mit Füßen treten!" Das arme kleine Moos
hätte sich dann geschämt und geschwiegen. Aber siehe, nach wenig
Jahren hätte die Sache schon ganz anders ausgesehen. Denn der
schöne Baum, den die Einwohner von Island vielleicht mit Jubel
in die Erde gepflanzt hatten, kam dort nicht fort, während das
von ihnen gar nicht beachtete Moos, das sich ungemein schnell
vermehrt, genügsam sich über alle dürre Felsen hinwegzog, und
nun den Tausenden, die dort wohnen, ihr tägliches Brot gab.
v. Schubert.
Die Infusionsthiere.
Wenn man auf Pslanzensaamen etwas Wasser schüttet und dieß
einige Zeit stehen läßt, oder wenn man das verdorbene Wasser
aus dem Trinknäpfchen eines Vogels, und überhaupt jedes ver-
TM Hauptwörter (50): [T0: [Blatt Baum Pflanze Blüte Frucht Wurzel Blume Erde Zweig Stengel], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht]]
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Der Bruderkrieg.
285
sittenverderbende Druckschriften feil geboten ^und gekauft werden.
Der Freund Gottes und Jesu beklagt diesen Mißbrauch, freut sich
aber doch auch, daß es mit Hülfe der Buchdruckertunst möglich ge-
worden ist, das theure Wort Gottes um einen geringen Preis in
die Hände selbst der Armen zu bringen. Auch dürfen wir nicht
vergessen, daß diese Kunst in der Hand Gottes zugleich eilt Mittel
geworden ist, das große Werk der Neformation zu befördern.
. N a ch B r e d o w und Kappe.
Der Bruderkrieg.
Friedrich der S a nftmüthige und Wilhelm der Dritte
oder der Tapfere regierten die von ihrem Vater, Friedrich dem Streit
bare», geerbten Länder anfangs gemeinschaftlich. Dasselbe thaten sie auch
noch einige Zeit, als sie im Jahre 1440, nach dem Lode ihres Oheims,
Friedrich des Friedfertig e n, die Landgrafschaft Thüringen er-
hielten. Allein Wilhelm war ein unruhiger Fürst, der das Wohlleben liebte,
nicht aber die Friedfertigkeit. Er drang daher <415, in seinem Bruder, die
Länder zu theile», Friedrich willigte ein, und man kam dahin überein, daß
d'er jüngere Bruder die Besitzungen gleichmäßig theilen, der ältere aber
zwischen beiden Theilen zuerst wählen sollte. Wilhelm hatte die Theilung
jo vorgenommen, daß ans die eine Seite Meißen, und auf die andere ganz
.Thüringen fiel. Nun wählte Friedrich das schöne Meißnerland, wbriiber
Wilhelm, der dasselbe gern für sich gehabt hätte, höchst unzufrieden war.
Anstatt also dadurch die Einigkeit zu fördern, entstand gerade das Gegen
theil, und die Brüder blieben der väterlichen Ermahnnngen so wenig ein
gedenk, daß ein sechsjähriger Krieg von 1440 bis 1451 entstand, welcher in
der Geschichte der Bruderkrieg genannt wird und unerhörtes Unglück über
die Bewohner von Meißen und Thüringen brachte. Dazu kam, daß Wilhri»
der Tapfere an Apel von Vitzthum einen treulose» Rathgeber besaß,
der durch diesen Zwist immer mehr Güter zu gewinne» hoffte und auch
wirklich gewann. Ja, er brachte seinen Fürsten gegen de» Bruder so sehr.'
in Erbitterung, daß jener den Entschluß faßte, seine Besitzungen nn seinen'
Schwager Ladislaw, König von Böhme», zu verschenken, sobald er bei
seinem Tode keinen Erben hinterlassen sollt ' Friedrich erfuhr solche Bosheit,
und verlangte deshalb von seinem Bruder, den Unruhstifter Apel von Bitz
thun; zu entfernen. Allein Wilhelm gab ihm zur Antwort, daß er eher
selbst das Land räumen wolle, als seinen treuen Vitzthum entlassen, pinn
drang der Kurfürst Friedrich mit 18,000 Mann in Thüringen .ei». '
Soldaten ließen es an nichts fehlen, was den Krieg für die armen Tt/fi
ringer schrecklich machte; den» die Kirchen wurden geschändet, die Städ> "
und Dörfer in Asche gelegt und die Bewohner abscheulich gemißhandelt
Ein Ritter, Namens Herr mann von Harras, welcher auf Friedriche
Seite stand, lies; im feindlichen Lande 60 Dörfer an einem Tage anbrennen.
Man kann leicht denken, daß die Gegner ein Gleiches thaten, Bie steckte".
Städte und Dörfer in Brand; vorzüglich litten Naumburg und Ze;p.
Vor allem aber mußte die Stadt Gera das Elend des Krieges empsinden.
Mnthig vertheidigten sich die Bürger bei dem ersten Angriffe der Feinde;
allein als diese denselben wiederholten, so siel die Stadt den 30. Oktober 1400
in ihre -bände. Das war ein Jammer-tag für die Bürger zu Gera. Ohne
alles Erbarmen steckten die wilden Krieger die Stadt in Brand; mehr als
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Extrahierte Personennamen: Jesu Friedrich Wilhelm Friedrich_dem_Streit
bare» Friedrich Friedrich Friedrich Wilhelm Friedrich Friedrich Wilhelm Friedrich Friedrich Wilhelm Friedrich Friedrich Apel_von_Bitz Wilhelm Friedrich Friedrich Harras
Extrahierte Ortsnamen: Gottes Gottes Gottes Thüringen Naumburg Gera
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Die Zerstörung Jerusalems.
mit Glück führen. Sie feierten daher in aller Ruhe das Oster-
fest, zu dessen Feier sich, wie dieß gewöhnlich war, eine große
Menge Juden aus allen Gegenden eingefundcn hatte. Mit
Nahrungsmitteln war die Stadt nicht versehen; die Hungersuoth
nahm schon jetzt ihren Anfang. Da schloß Titus Jerusalem
plötzlich mit 60,000 Mann ein. Die Juden versuchten mehrmals,
sich durchzuschlagen; allein umsonst. Titus bot ihnen mehrmals
den Frieden an, sie verwarfen aber diese Anträge und wollten
lieber Alles daransetzen, um nur die Freiheit von dem Joche der
Römer zu erringen. Jetzt stieg die Hungersuoth immer höher;
Leder und andere unnatürliche Nahrungsmittel wurden von den
unglücklichen Belagerten genossen, aber an eiuo Uebergabe der Stadt
war nicht zu denken. Viele suchten sich in dieser Noth durch die
Flucht zu retten; allein sie fielen alle in die Hände der Römer
und wurden von denselben gekreuzigt; ja, man schnitt ihnen wohl
gar den Leib auf, weil im römischen Lager sich die Nachricht ver-
breitet hatte, die Juden hätten Gold verschluckt. In Jerusalem
selbst wüthete noch außerdem der Biirgerkrieg, weil sich unter den
Bewohnern mehrere Parteien gebildet hatten. Hunger und Pest
raubte Tausenden das Leben. Die Leichname konnten nicht mehr
begraben werden; mau warf sie zu der Stadtmauer herab. Ja,
eine vornehme Jüdin soll sogar in dieser Zeit ihr eigenes Kind
geschlachtet und gegessen haben. Als diese That Titus erfuhr,
erhob er die Hände zürn Himmel und rief Gott zum Zeugen an,
daß er nicht schuld sei an dieser großen Noth, entschloß sich nun
aber auch, Jerusalem mit Sturm einzunehmen, was aber große
Anstrengung kostete. War doch diese Stadt von der Natur schon
so stark befestigt und lag auf zwei hohen Bergen, welche erst
erstiegen werden mußten; außerdem war sie noch mit starken und
hohen Mauern umgeben. Jedoch es gelang dem Titus, am
12. Mai des Jahres 70 n. Chr zuerst den Theil der Stadt zu
erobern, welcher Antonia hieß und ebenfalls ziemlich befestigt
war. Jetzt ließ der menschenfreundliche Feldherr noch einmal
Gnade anbieten, — umsonst. Die Juden wagten im Gegentheil
noch mehrere Ausfälle auf die Römer, und nun bestürmte Titus
auch den Theil der Stadt, wo der Tempel stand. Dieses herr-
liche Gebäude zu schonen war sein fester Entschluß. Gott wollte
es aber anders. Ein römischer Soldat warf einen Feuerbrand
nach dem Tempel, und in wenigen Augenblicken stand ein be-
trächtlicher Theil dieses majestätischen Gebäudes in Flammen. Das
Feuer war nicht mehr zu löschen, so sehr auch von Seiten deö
Titus Anstalten dazu getroffen wurden. Von den Kostbarkeiten,
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Extrahierte Personennamen: Titus_Jerusalem Titus Antonia Titus