334
Prosaheft Vii.
wickeln sich die Völker schließlich immer in der Richtung, die ihnen
durch ihre Begabung und die natürlich wirkenden Ursachen vor-
geschrieben sind.
Und so hat denn die Verbindung mit Rom und dem Imperium
Romanum seit den Tagen der Varusschlacht bei den eigenwilligen und
trotzköpfigen Germanen Widerspruch gefunden, sobald sie darauf hinaus
lief, einen universalen und absoluten Staat verkörpern zu wollen. Sie
hat stets einen ftorfeu Reiz auch auf die germanischen Völker aus-
geübt, insofern sie zugleich eine Kulturgemeinschaft in sich schloß,
zu der sich diese Völker, auch schon seit den Tagen der Varusschlacht,
immer hingezogen fühlten. Die Fähigkeit der Begeisterung, die die
Germanen allem Großen entgegenbringen, das warme Verständnis, das
ihre auserlesenen Geister dem erhabenen Gedanken der Weltreligion und
später dem Geiste der Antike überhaupt entgegenbrachten, hat sie immer
aus sich herausgeführt, allein eine aus dieser Kulturgemeinschaft hervor-
wachsende staatliche Gemeinschaft blieb regelmäßig ohne Dauer, sie führte
immer zu einem Rückstoß.
37. Das Kaisertum und die deutsche Mation.
®. Kaufmann, Ullsteins Weltgeschichte, Hrsg- von I. v. Pflugk-Harttung. Bd. 2.
(Berlin, Verl, von Ullstein u. Co., 1909.)
Unter den Staaten der lateinischen Christenheit überragte das
deutsche Königtum im zehnten Jahrhundert alle anderen, gewann und
behauptete in der Ehre des Kaisertums die Führung der Christenheit.
Eine wirkliche Herrschaft über die ganze abendländische Christenheit haben
die Kaiser freilich nie ausgeübt, sondern außer in Deutschland nur in
Burgund und Italien, die dem deutschen Reiche angegliedert waren, und
auch in diesen beiden Nebenreichen immer nur vorübergehend; meist
nur solange sie dort überlegene Mannschaften hielten. Das Kaisertum
war kein Gebiet mit festen Grenzen und Rechten, kein geographischer
Begriff, sondern ein ideeller. Es war mehr nur ein die Völker freilich
stark ergreifender Nachklang des römischen Reiches, eine die Menschen
beherrschende Erinnerung an die von den Mängeln der Wirklichkeit ge-
reinigte Herrlichkeit dieses Weltreiches, nicht eine Erneuerung dieses
Reiches.
Aber die historische Bedeutung des Kaisertums deutscher Nation
war darum nicht gering, sie ist vielmehr sehr groß gewesen, sie ist
kaum zu überschätzen. Diese Bedeutung liegt einmal darin, daß sich
die Staaten des Abendlandes in ihm doch als eine Gemeinschaft fühlten,
daß dieses Gefühl auch erhalten blieb, nachdem die Erinnerung an die
einstige Zugehörigkeit zu der karolingischen Monarchie ihre Wirksamkeit
verlor, sodann darin, daß der Gedanke des Weltreiches den Gedanken
TM Hauptwörter (50): [T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte]]
TM Hauptwörter (100): [T43: [Zeit Volk Jahrhundert Geschichte Reich Staat Leben Kultur Deutschland Mittelalter], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele]]
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Extrahierte Ortsnamen: Rom Ullsteins_Weltgeschichte Berlin Ullstein Deutschland Burgund Italien
D. Schäfer, Das Zeitalter der Entdeckungen und die Hanse.
339
tigten Stolz, daß das deutsche Bolk in jener Periode an der Spitze der
abendländischen Welt stand, ihr das weltliche Haupt gab und das kirchliche
beschützte, Italien, das Mutterland der christlichen Kultur, aus innerer
Zerrüttung erlöste, ihm die Griechen und Sarazenen abwehrte und endlich
diese Kultur über die Völker und Gebiete des Ostens und Nordens
verbreitet hat.
38. Das Zeitalter der Entdeckungen und die Kante.
Dietr. Schäfer, Vortrag, gehalten zu Bremen 1896 (Hansische Geschichts-
' blätter Xxv).
Wer sich mit der hansischen Geschichte des sechzehnten Jahrhunderts
beschäftigt, dem kommt leicht der Gedanke, daß es für die Erkenntnis
dieser Geschichte fruchtbringender sein möchte, sich mit dem zu befassen,
was die Hanse nicht, als mit dem, was sie getan hat. Unwillkürlich
drängt sich die Vorstellung ans, daß das sechzehnte Jahrhundert, das Zeit-
alter der großen Entdeckungen, das Jahrhundert, in dem der Blick des
Europäers anfing, die Welt zu umspannen, dem Verkehr nicht nur neue
Bahnen gewiesen, sondern ihn auch auf ganz neue Grundlagen gestellt
haben müsse. Der Mensch des ausgehenden neunzehnten Jahrhunderts,
dem die Erde wirklich ein Wirtschaftsgebiet geworden ist, kann es sich kaum
anders denken, als daß Weltverkehr interozeanisch, transatlantisch sein
müsse. Der Anteil an derartigem Verkehr erscheint ihm entscheidend für
die Stellung der Völker in Handel und Schiffahrt, und leicht überträgt
er diese Auffassung auf frühere Jahrhunderte. Der heutige Vortrag soll
sich mit der Frage beschäftigen, wie weit das richtig ist, und vor allem
wie weit die im sechzehnten Jahrhundert eröffneten neuen Beziehungen
europäischer Völker zu transozeanischen Gebieten Einfluß gewonnen haben
auf die Stellung der Hanse.
Man pflegt zu sagen, die Hanse sei vor allen Dingen deshalb zu-
rückgegangen, weil sie sich an dem neuen Verkehr mit den beiden Indien
nicht beteiligt habe. Erklärend fügt man hinzu, daß die westeuropäischen
Völker durch ihre Lage gleichsam einen Vorsprung gehabt Hütten, daß
es ganz natürlich sei, daß sie in einem Handel, der sich überwiegend auf
den Weltmeeren bewegt habe, vor den binnenwürts gelegenen deutschen
Städten den Vorsprung gewannen. Nicht nur in populären, sondern
auch in fachwissenschaftlichen Büchern und Schriften kann man diese
Auffassung in den verschiedensten Wendungen wiederholt finden.
Auch wer den Dingen gar nicht tiefer nachforscht, wird sich leicht
zu Zweifeln an der Richtigkeit dieser Auffassung bewogen fühlen. Denn
noch in unseren Tagen spielt sich der Handel der europäischen Völker
ganz überwiegend innerhalb des Erdteils ab, wenn auch der Verkehr mit
TM Hauptwörter (50): [T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
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G. Schmoller, Entstehung und Entwickelung des Handels.
455
nach dem Königreich Sachsen 326 200, nach der Rheinprovinz 343 000,
nach Westfalen 246 100. In der Hauptsache hat sich diese Wander-
bewegung, durch welche die Jndustriebezirke und Hafenstädte einen großen
Teil der Bevölkerungszunahme des platten Landes und namentlich des
Ostens an sich zogen, erst seit dem Ende der siebziger Jahre abgespielt,
und sie war eine wichtige Voraussetzung für die rasche Entfaltung der
deutschen Industrie in diesem Zeitraum.
51. Entstehung und Entwickelung des Kandels.
Gustav Schmoller, Grundriß der allgemeiueu Volkswirtschaftslehre I. 7- bis
10. Tausend. (Leipzig, Duncker & Humblot, 1908.)
Ein gewisser Handel und Tauschverkehr hat sich sehr frühe ent-
wickelt. Wir kennen kaum Stämme und Völker, die nicht irgendwie
durch ihn berührt würden. Die verschiedene technische und kulturelle
Entwickelung schuf in der allerfrühesten Zeit bei einzelnen Stämmen
bessere Waren- und Werkzeuge. Die Natur gab verschiedene Produkte,
welche bei den Nachbarn bekannt und begehrt wurden. Und überall hat
sich die Tatsache wiederholt, daß der Wunsch nach solchen Waren und
Produkten Jahrhunderte, oft Jahrtausende früher lebendig wurde als
die Kunst sie herzustellen. Für viele war dies ja an sich durch die
Natur ausgeschlossen.
Der erste Handel und Tauschverkehr war nun aber lange ein
solcher ohne Händler. Schon in der Epoche der durchbohrten Steine
gelangen Werkzeuge und Schmucksachen von Stamm zu Stamm auf
Tausende von Meilen. Ein sprachloser, stummer Handel besteht noch
heute am Niger: auf den Stammgrenzen kommt man zusammen, legt
einzelnes zum Austausch hin, zieht sich zurück, um die Fremden eine
Gegengabe hinlegen zu lassen, und holt dann letztere. Innerhalb des-
selben Stammes hindert lange die Gleichheit der persönlichen Eigen-
schaften und des Besitzes jedes Bedürfnis des Tausches. Auch auf
viel höherer/Kulturstufe finden wir noch einen Handel ohne Händler,
wie z. B. zwischen dem Bauern des platten Landes und dem Handwerker
der mittelalterlichen Stadt lange ein solcher Austausch der Erzeugnisse
stattfindet, ein Handel zwischen dem Produzenten und dem Konsumenten.
Zwischen verschiedenen Stämmen geben die Häuptlinge und Fürsten am
ehesten die Möglichkeit und den Anlaß zum Tausch; daher sind lange diese
Spitzen der Gesellschaft die wesentlich Handeltreibenden. In Mikronesien
ist heute noch dem Adel Schiffahrt und Handel allein vorbehalten; die
kleinen Negerkönige Afrikas suchen noch möglichst den Handel für sich
zu monopolisieren. Ähnliches wird von den älteren russischen Teil-
fürsten berichtet. Die Haupthündler in Tyrus, Sidon und Israel waren
die Häuptlinge und Könige.
TM Hauptwörter (50): [T29: [Handel Industrie Land Ackerbau Fabrik Stadt Deutschland Mill Viehzucht Gewerbe], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte], T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler]]
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TM Hauptwörter (200): [T52: [Arbeiter Arbeit Zeit Betrieb Jahr Fabrik Maschine Staat Preis Kapital], T188: [Handel Industrie Ackerbau Land Viehzucht Bewohner Gewerbe Bevölkerung Stadt Bergbau], T127: [Volk Sprache Land Zeit Sitte Kultur Bildung Geschichte Bewohner Stamm], T145: [Bauer Adel Land Stadt Bürger Herr Stand Recht Gut König], T29: [Geschichte Geographie Nr. Erdkunde Lesebuch Bild Iii allgemein Lehrbuch deutsch]]
Extrahierte Personennamen: G._Schmoller Gustav_Schmoller Gustav
Extrahierte Ortsnamen: Sachsen Westfalen Leipzig Niger Mikronesien Afrikas Tyrus Israel
462
Prosaheft Vii.
wichtige Funktionen der Volkswirtschaft versieht. Aber ihre einseitige
Herrschaft wird, wo sie besteht oder droht, mehr und mehr durch ent-
gegenwirkende Einrichtungen und Organisationen zurückgedrängt und be-
schränkt werden.
53. Das Geld.
Theodor Mommsen, Gesammelte Reden und Aufsätze. (Berlin, Weidmannsche
Buchhandlung. 1905.)
Der ursprüngliche Verkehr ist Tausch, das heißt die Auswechselung
zweier Waren, von denen jede dem gegenwärtigen Besitzer entbehrlich ist
und das Bedürfnis des anderen Teils unmittelbar befriedigt. Ein Ver-
kehr dieser Art ist notwendig in sehr enge Grenzen eingeschlossen. Im
Kleinverkehr mag es auf dem Dorfe vorkommen, daß der Schneider dem
Schuster den Rock und dieser dafür jenem die Stiefel macht; in der
Stadt reicht man damit nicht aus. Im Großverkehr ist der Tausch
besser angebracht; es ist angemessen, daß wir unser Korn nach England
und von da Kohlen zurückbringen. Aber auch der Kaufmann kann mit
dem Tausch allein nicht bestehen; denn er ist dadurch gezwungen, immer
soviel Ware zu kaufen, wie er verkauft, und nie mehr zu verkaufen, als
er einkauft. Die Bedingung jedes ausgedehnten Warenaustausches, die
Bedingung des freien Handels ist die Feststellung eines Gegenstandes,
der zur allgemeinen Vermittelung geeignet ist. Der ältesten Zeit, wo
die grüne Erde noch ungeteilt und die Weide frei und grenzenlos war,
lag dafür nichts so nahe wie das Handwerk, dessen Mehrung jedem
Haushalt unmittelbar nützlich war. Noch heutzutage ist bei den so-
genannten wilden Völkern die übrige Habe wesentlich dieselbe, und auch
jetzt noch unterscheidet sich bei ihnen der Reiche vom Armen allein durch
die Zahl der Rinder, der Stuten oder der Kamele. So ist es in der
Urzeit der Römer und Griechen, so in der germanischen Urzeit gewesen:
man rechnet nach Rindern und Schafen, und das Rind ist sozusagen
das Großgeld, das Schaf das Kleingeld: zehn oder zwölf Schafe gelten
soviel wie ein Rind.
Aber dies Verkehrsmittel reicht bald nicht mehr; der steigende Ver-
kehr bedarf eines festeren und feineren Vermittlers und findet diesen
einzig im Metall. Das Metall ist dauernder als fast alle übrigen Waren.
Viele Ursachen, die andere Waren verderben, haben dem Metall nichts
an. Ebendaher ist es auch beweglicher, sein Transport mit verhält-
nismäßig geringen Kosten und Gefahren verbunden; besonders seit die
Seeschiffahrt beginnt und der überseeische Handel, muß das Metall als
Tauschmittel an die Stelle des Herdenviehs getreten sein. Es ist all-
gemein gültiger: die Brauchbarkeit des Metalles ist weniger als die der
meisten anderen Waren von klimatischen und sonstigen örtlichen Ver-
schiedenheiten abhängig. Es ist einer scharfen Wertbestimmnng mit
TM Hauptwörter (50): [T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
TM Hauptwörter (100): [T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T36: [Million Mark Jahr Geld Thaler Mill Summe Wert Gulden Pfund], T4: [Handel Land Industrie Stadt Verkehr Gewerbe Ackerbau Viehzucht Deutschland Zeit], T54: [Haus Feld Bauer Dorf Pferd Stadt Vieh Land Wald Mensch], T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit]]
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Th. Mommsen, Das Geld.
465
Altertum zu der Bilduug sich selbst regierender Großstaaten und zu der
eines wahrhaft international geordneten Staatensystems nicht gelangt
ist, so ist es auch im Geldwesen durchaus über das Metall nicht hin-
ausgekommen. Zu fester und selbständiger Entwickelung ist das Metall
als allgemeiner und ausschließlicher Wertmesser im Altertum an zwei
verschiedenen Punkten gelangt, deren Gegensatz bedeutsam ist. Es gibt
zwei gleich uralte und gleich selbständige Festsetzungen dieser Art; die
eine gehört dem asiatischen Osten an, die andere der italischen Halb-
insel. Seit es eine Geschichte gibt, finden wir im inneren Asien Gold
und Silber nebeneinander als allgemein vermittelnde Waren verwendet,
in Italien dagegen in gleicher Stellung das Kupfer. Jene Ordnung,
die auf der gesetzlichen Feststellung des Wertverhültnisses der beiden
edlen Metalle zueinander ruht, tritt uns mit historischer Bestimmtheit
zuerst entgegen im Persischen Reich; sicher aber hat sie im Orient ge-
golten, seit die Despotie, namentlich das Großkönigtum daselbst über-
haupt zu fester Form gelangt ist. Einfacher war die italische Ordnung;
man kaufte und verkaufte hier gegen Kupfer nach dem Gewichte.
Forschen wir nach der Entstehung dieser Systeme, so liegt die des
letzteren auf der Hand. In ältester Zeit, wo man das Eisen noch nicht
zu bearbeiten, namentlich nicht gehörig zu stählen verstand, war das
Kupfer alles in allem, war nicht nur der Kessel und der Harnisch von
Kupfer, sondern auch die Pflugschar, das Messer, das Schwert; und
Italien selbst erzeugte von diesem Metall nur eine äußerst geringe
Quantität. Große und reiche Landschaften, wie namentlich Latium,
waren dafür durchaus auf die Einfuhr von außen her angewiesen;
überhaupt aber verbrauchte Italien weit mehr Kupfer, als es hervor-
brachte. Unter solchen Verhältnissen war es wohl natürlich, daß jeder
Käufer für seine Ware bereitwillig Kupfer nahm; und damit erhielt
dieses Metall in Italien als höchst nötige und immer knapp vorhandene,
deshalb stets begehrte Ware den Charakter des allgemein gültigen Tausch-
mittels, zuerst gewohnheitsmäßig und dann auch durch gesetzliche Ordnung.
Ganz anders im Orient. Wenn dort seit frühester Zeit Gold und
Silber in festem Verhältnis zueinander als allgemeiner Wertmesser gelten,
also eben das System besteht, das im wesentlichen noch in den heutigen
Münzordnnngen herrscht, so beruht dies ohne Zweifel aus der uns
Occidentalen seltsam erscheinenden, aber mit dem Wesen des Orients
und der Orientalen aufs engste und innigste verwachsenen Neigung des
Schätzesammelns, wie sie poetisch niedergelegt ist in dem indischen
Märchen von den goldgrabenden Ameisen, in der arabischen Legende
von der Höhle Aladdins voll ungezählter Goldstücke und herrlichsten
Geschmeides; wie sie in ernsterer Weise sich ausdrückt in dem orientalischen
Staat, dessen Ideal für die Untertanen jene goldgrabenden Ameisen sind,
für den Herrscher jener Besitzer des Feenhortes. Das Aufhäufen des
Lorentzen-Rode-Weise, Prosahest Vii. 30
TM Hauptwörter (50): [T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T19: [Wasser Luft Eisen Körper Silber Gold Kupfer Metall Stein Erde]]
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Th. Mommsen, Das Geld.
467
gerichtete öffentliche Zusicherung des konventionellen Wertes; welche Zu-
sage innerhalb der Grenzen des prägenden Staates selbst dann auf
Geltung Anspruch hat, wo sie nachweislich der Wahrheit widerstreitet.
Insofern ist die Münze ein mächtiger Faktor in der staatlichen Ent-
wickelung. Eine wichtige Tätigkeit, die eigentlich privater Natur und
ursprünglich den Privaten überlassen war, wird diesen entzogen und von
dem Gemeinwesen übernommen. Die folgerichtige und pflichtmäßige
Handhabung der neuen Institution bringt den Mitgliedern des Gemein-
wesens ebenso unermeßlichen Vorteil als die willkürliche und gewissenlose
ungeheuren Schaden, wie denn das Emporkommen besonders der großen
griechischen Handelsstädte, vor allem Athens, in erster Reihe auf ihren
Münzordnungen ruht. So zieht die Landesmünze die Bande des Ge-
meinwesens fester zusammen; sie steigert, wenn der Ausdruck erlaubt ist,
das zentripetale, das kommunistische Element, das jedem Staatswesen
ebenso notwendig ist wie sein Gegensatz. Von Haus aus ist mit der
Münze der Begriff der Staatshoheit verknüpft und findet in ihr seinen
sinnlichen Ausdruck: nur der Staat ist ein vollfreier, der Münzen jeden
Wertes mit eigenem Bild und eigener Schrift zu schlagen befugt ist;
von Haus aus bezeichnet das Wappen den Freistaat, das Bild des
Herrschers das monarchisch regierte Reich. So ist die Münze, indem
sie den ganzen menschlichen Verkehr durchdringt, das lebendige Abbild
der Allgegenwart des Staates und jedes einzelne Geldstück ein Ver-
kündiger, ein wandelnder Zeuge von den politischen Institutionen seiner
Heimat.
Aus eben diesem Grunde ist es von vornherein gewiß, daß die
Münze nur im Occident entstanden sein kann; denn im Orient gibt es
nicht Politik, sondern nur Despotie, wohl Reiche, aber keine Gemein-
wesen. Und so zeigt es uns auch die Geschichte. Die Gold- und
Silberwährung ist im Orient zu Hause, die Münze in Griechenland.
In der Metallwührung sind die Griechen nicht selbständig wie die
Orientalen und die Italiker. Wohl wird in den Homerischen Liedern
zur Bestimmung der Werte neben dem Vieh auch in mannigfacher Art
das Metall, besonders Gold und Eisen verwendet; aber zu einer all-
gemein gültigen und selbständigen Metallwührung in der Epoche vor-
dem Auskommen der Münze sind die Griechen nicht gelangt; vielmehr
stehen sie im Westen, besonders in Sizilien, dafür unter dem Einfluß
der italischen Kupfer-, im Osten unter dem der asiatischen Gold- und
Silberwährung, nur daß bei diesen, besonders bei den europäischen
Griechen, die ihren beschränkteren ökonomischen Verhältnissen ange-
messenere Silberwährung von Haus ans überwogen hat und die Gold-
währung zurücktritt. Indes, ganz wie das Alphabet der Konsonanten-
reihe nach in Asien entstanden, in Griechenland aber die Vokale
demselben eingefügt worden sind, so haben Asien und Griechenland die
30*
TM Hauptwörter (50): [T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte], T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
TM Hauptwörter (100): [T43: [Zeit Volk Jahrhundert Geschichte Reich Staat Leben Kultur Deutschland Mittelalter], T36: [Million Mark Jahr Geld Thaler Mill Summe Wert Gulden Pfund], T41: [Staat Recht Volk Adel König Land Verfassung Gesetz Stand Verwaltung], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T3: [Lage Karte Land Europa Geographie Klima Größe Verhältnis Grenze Gliederung]]
TM Hauptwörter (200): [T127: [Volk Sprache Land Zeit Sitte Kultur Bildung Geschichte Bewohner Stamm], T54: [Staat Zeit Volk Deutschland Leben Reich Jahrhundert Macht Entwicklung Gebiet], T39: [Million Mark Geld Jahr Summe Steuer Thaler Staat Ausgabe Einnahme], T173: [Sprache Wort Name Schrift Zeit Buch Form Kunst Art Werk], T107: [Eisen Gold Silber Kupfer Blei Metall Salz Zinn Stein Mineral]]
Extrahierte Personennamen: Mommsen
Extrahierte Ortsnamen: Athens Griechenland Sizilien Asien Griechenland Griechenland
Th. Mommsen, Das Geld.
469
und doch schickt sich dieses alles recht wohl zusammen, sind es doch
vier der gewaltigsten irdischen Dinge, die in die Schöpfung der
Münze sich teilen: Staat, Handel, Kunst und Wissenschaft.
Wer über Münzen spricht, der hat ein Recht darauf, Zahlen vorzu-
bringen; und obwohl ich mich dieses Rechtes mit Bescheidenheit bedienen
werde, so würde ich doch dem Gegenstand nicht genügen, wenn ich ganz
schwiege von den Anfängen des Münzsystems. Die älteste asiatische Ordnung
von Maß und Gewicht ist erst vor wenigen Jahren uns genau bekannt
geworden durch die von Layard in Ninive gefundenen, mit Wertanf-
schriften in verschiedenen Sprachen versehenen uralten Königsgewichte.
Dieses System dreht sich durchaus um das Ganze von sechzig Teilen.
Manche Stücke dieses Systems sind uns allen wohlbekannt und heute
noch geläufig: wenn wir die Ekliptik in 360 Grade, wenn wir die
Stunde in 60 Minuten, die Minute wieder in 60 Sekunden teilen, wenn
unsere Zeitordnung, soviel irgend andere Rücksichten es zulassen, um die
Ziffer 12, 60 und 360 sich bewegt, so ist das eben altererbte Wissen-
schaft von den Ufern des Euphrat, die Weisheit der Chaldäer des alten
Testaments, die hierin heute noch die Welt regiert. Ganz ebenso war
einst auch das Gewicht geteilt: das große Gewicht — das Talent der
Griechen — zerfiel in 60 Manahs oder Minen, die Mine in 60 kleine
Einheiten; und diese letzte Einheit, von der 3600 auf das Talent gingen,
ist nichts anderes als jenes große Goldstück, der phoküische Stater vom
dreifachen Gewicht des früheren Friedrichdor. Es war also das Gulden-
system, das hier zugrunde lag; und ganz wie dem Gulden, der
Rechnung von sechzig Kleinmünzen ans die Großmünze, das Stück von
hundert Sons, der französische Fünffrankentaler Konkurrenz gemacht und
denselben bedrängt und verdrängt hat, ganz ebenso ist es im Altertum
gewesen. Aus die asiatische Mine gehen sechzig Münzstücke, auf die
griechische fünfzig Münzstücke oder hundert Münzeinheiten, hundert
Drachmen. Der Kampf des dezimalen Systems also mit dem duo-
dezimalen , wie er noch vor einigen Jahrzehnten bei uns geführt
wurde, ist bereits 3000 Jahre alt; und das Recht darin, soweit man
von einem solchen hier sprechen kann, möchte wohl sich finden aus
seiten der alten Chaldäer und ihrer späteren Nachfolger, unserer lieben
Brüder in Schwaben. Denn hinsichtlich der praktischen Bequemlichkeit
für den täglichen Verkehr kommt der Zahl 60 in der Tat keine andere
gleich, da sie für alle Zahlen bis 6 sowie für 10 und 12 gleiche
Teile ergibt.
Auch der Gedanke, der heute noch wesentlich unsere Münzordnungen
beherrscht und zerrüttet, der Versuch, zwischen Gold und Silber ein festes
Verhältnis zu finden und gesetzlich festzuhalten, schreibt sich her aus den
Steuerpatenten der uralten Sultane des Ostens. Die Goldmünze ist
älter als die silberne und steht darum auch zu dem Gewichtssystem in
TM Hauptwörter (50): [T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
TM Hauptwörter (100): [T36: [Million Mark Jahr Geld Thaler Mill Summe Wert Gulden Pfund], T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit], T25: [Wissenschaft Kunst Zeit Sprache Geschichte Schrift Buch Werk Jahrhundert Erfindung], T27: [Erde Linie Punkt Breite Länge Kreis Ort Meile Winkel Meridian], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel]]
TM Hauptwörter (200): [T39: [Million Mark Geld Jahr Summe Steuer Thaler Staat Ausgabe Einnahme], T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte], T127: [Volk Sprache Land Zeit Sitte Kultur Bildung Geschichte Bewohner Stamm], T164: [Sonne Erde Mond Tag Stern Planet Zeit Himmel Jahr Bewegung], T33: [Gott Liebe Mensch Herz Leben Volk Ehre Vaterland gute Zeit]]