TM Hauptwörter (50): [T17: [Meer Fluß Gebirge Land Hochland See Halbinsel Osten Norden Süden], T49: [Land Klima Europa Meer Lage Asien Winter Insel Afrika Zone]]
TM Hauptwörter (100): [T99: [Frankreich Loire Stadt Rhone Gebirge Pyrenäen Paris Meer Garonne Lyon], T0: [Meer Insel Halbinsel Küste Ozean Afrika Land Europa Kap Straße], T50: [Klima Land Meer Gebirge Europa Zone Norden Küste Süden Winter], T43: [Zeit Volk Jahrhundert Geschichte Reich Staat Leben Kultur Deutschland Mittelalter], T95: [Bewohner Sprache Volk Land Bevölkerung deutsche Stamm Religion Neger Einwohner]]
TM Hauptwörter (200): [T193: [Meer Halbinsel Gebirge Norden Süden Osten Westen Küste Insel Europa], T138: [Meer Insel Stadt Küste Halbinsel Kleinasien Griechenland Name Bosporus Land], T126: [Land Handel Europa Meer Osten Zeit Westen Volk Deutschland Jahrhundert], T153: [Donau Ungarn Land Hauptstadt Böhmen Königreich Wien Stadt Galizien Siebenbürgen], T127: [Volk Sprache Land Zeit Sitte Kultur Bildung Geschichte Bewohner Stamm]]
Extrahierte Personennamen: Norbgrenze Pola
Extrahierte Ortsnamen: Tarent Syrakus Italien Eritrea Europas Ungarn Donau Italiens Europa Asien Istrien Fiume
— 79 —
licken Europäern, bewohnten 33orst:äbteu Pera und Galata und bett zahlreichen, am herrlichen Bosporus gelegenen Vororten. (Astatischer Vorort: Skutari.) Wichtige Lage an der Berührung zweier Erbteile und an der leicht zu verteibigenben Ver-binbung zwischen Schwarzem und Ägaischem Meere; Kreuzungspunkt des von No nach Sw gerichteten Seeverkehrs und des nach Nw und So verlaufenben Lanb-hanbels.
5. Übersicht über die Bevölkerungsverhältnisse und die Staaten:
Der älteste Volksstamm der Halbinsel sinb die Albanesen, die Nachkommen der alten Illyrer, die in den wenig zugänglichen Gebirgen viel von den alten Sitten bewahrt haben. Die ihnen tierwanbten Griechen bewohnen außer Griechen* lanb und den Inseln des Ägäischen und Jonischen Meeres die Küsten Maceboniens und Thraciens und das Gestabe des Schwarzen Meeres; besonbers viele wohnen in den Seehanbelsstäbten Konstantinopel und Saloniki.
Zu den slawischen Völkern gehören die Serben (in Dalmatien, in der Herzegowina, in Bosnien, Montenegro und Serbien). Mit den Slawen verwanbt sinb die Bulgaren, Hervorgegangen aus der Vermischung eines finnisch-tatarischen Stammes mit Slawen. Die Zahl der aus Asien eingewanberten Türken (Os-manli) nimmt ab.
Zum griechisch-orthoboxen Glauben bekennen sich die Griechen, die meisten Serben und Bulgaren, zum Islam die Türken und viele Bosniaken und Albanesen. Anwerbern gibt es römisch-katholische Christen (im Nw).
Daß die doch so fruchtbare Halbinsel so dünn bevölkert ist, erklärt sich aus den verheerenden Kriegszügen des Mittelalters, den Aufständen der letzten Jahrhunderte und der bedrückenden Regierungsweise der türkischen Herrscher, die eine Verödung wohlhabender Gebiete zur Folge hatte.
Das Gebiet der Türkei, bereu Herrscher zugleich geistliches Oberhaupt der Mohammebaner ist, hat einst alle Sauber der Halbinsel mit Ausnahme von Dalmatien und Montenegro (Gebirgsschutz gegen östliche Angriffe!) umfaßt. Heute gehören nur noch die Lanbschasten Albanien, Macebonien und Thracien dazu; außerbem einige Inseln, barunter Kreta (— 1/2 Sachsen), besten christliche Bewohner (= 3/4 der Bevölkerung) aber die Vereinigung mit Griechenlanb erstreben. In jüngster Zeit hat die Türkei eine Verfassung erhalten, durch welche die Rechte des Sultans eingeschränkt worben sinb. — Die Hauptmasse der türkischen Besitzungen liegt in Asien (§ 32); in Afrika kann nur Tripoli als türkisches Land bezeichnet werben; Ägypten, das allerbings an die Psorte, b. i. die Regierung der Türkei, einen jährlichen Tribut zu zahlen hat, steht unter britischer Verwaltung.
Bulgarien, Griechenland, Serbien und Montenegro stnb konstitutionelle Königreiche. Der Herrscher von Bulgarien führt den Titel Zar. Istrien, Dalmatien, Bosnien und die Herzegowina sinb österreichische Kronlänber.
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TM Hauptwörter (200): [T159: [Bewohner deutsche Bevölkerung Sprache Neger Volk Jude Einwohner Stamm Land], T138: [Meer Insel Stadt Küste Halbinsel Kleinasien Griechenland Name Bosporus Land], T88: [Türke Ungarn Krieg Rußland Kaiser Sultan Wien Jahr Frieden Polen], T153: [Donau Ungarn Land Hauptstadt Böhmen Königreich Wien Stadt Galizien Siebenbürgen], T151: [König Volk Kaiser Reich Fürst Land Gott Wilhelm Deutschland Frieden]]
Extrahierte Personennamen: Pera
Extrahierte Ortsnamen: Galata Konstantinopel Saloniki Dalmatien Bosnien Montenegro Serbien Asien Dalmatien Montenegro Albanien Kreta Sachsen Asien Afrika Tripoli Bulgarien Griechenland Serbien Montenegro Bulgarien Istrien Dalmatien Bosnien
48 Wirtschaftsgeographie des Deutschen Reiches
Über all der glänzenden Entwicklung des deutschen Wirtschaftslebens ist aber
nicht zu vergessen, daß das deutsche Volk als größter Bestandteil der
germanischen Rasse in der Welt auch eine deutsche Kulturaufgabe zu
erfüllen hat. Die Pflege deutscher Art und deutschen Wesens, deutscher Sprache
und deutschen Selbstbewußtseins soll nicht Halt machen an den Grenzen des engeren
Vaterlandes; hat doch ketn Volk der Menschheit größere Kulturgüter geschenkt als
das deutsche. Darum muß es das Bestreben aller Deutschen sein, durch das Deutsch-
tum allerorten Einfluß auf die künftige Entwicklung der Welt zu üben und dem
deutschen Volke jene Stellung zu sichern, auf die es vermöge der ihm innewohnenden
Kräfte und Fähigkeiten Anspruch zu erheben berechtigt ist.
Ein Volk von so großer Zahl und so hochentwickelter Kultur wie das
deutsche, hat das Recht und die Pflicht, seine Trieb- und Lebenskraft auch
auf außereuropäischem Boden zu betätigen. „Ein Volk, das darauf verzichtet,
den eigenen Geist und die eigene Art zur Geltung zu bringen in dem viel-
farbigen Bilde menschlicher Kultur, versäumt seine Pflicht nicht nur gegen sich
selbst sondern auch gegen die Menschheit." (Dietrich Schäfer.)
Die einzelnen deutschen Landschaften.
1. Das Norddeutsche Tiefland.
Gliederung. Die Bodenbeschaffenheit des Tieflandes ist sehr verschieden. Es
lassen sich drei Zonen unterscheiden:
/f. d i e südliche, fast ebene Zone des Lehms, das Land des
Zuckerrüben- und Getreidebaues.
d i e mittlere, hügelige Zone der (jüngeren) Moränen-
l a n d s ch a f t, das Gebiet der großen Flußtäler und Seen, der Moränen,
der Moore und Heiden (f. S. 50) und endlich
ö i e Küstenzone, ein Anschwemmungsgebiet der Flüsse und des
Meeres, der M a r s ch e u s a u m, ein Gebiet der Rinderzucht, des Ge-
treide- und Gemüsebaues.
a) Die südliche Lößzone. Dieses Fruchtgebiet umfaßt das nördliche Sachsen,
Niederschlesien, Anhalt, die Gegend um den Harz bis nach Braunschweig und Hau-
nover. Am Rhein, an der Saale und Mulde, dann an der Oder dringt dieses ge-
segnete Frnchiland noch tief in die deutsche Mittelgebirgsschwelle ein und bildet die
kölnische, westfälische, Leipziger und schlesische Bucht.
Da sich hier zu dem Bodenreichtum der Landschaft noch eine äußerst gün-
stige Verkehrslaae gesellt, so sind in diesen Buchten mächtige Handels-
Plätze entstanden, im W. die Königin der Rheinlande, Köln, im Herzen Deutsch-
lands Leipzig, im O. Breslau. Eine ähnliche günstige Randlage besitzen
ferner die Städte Aachen, Münster, Osnabrück, Minden, H a n -
nover, Braun schweig, Magdeburg, Halle, Dresden und
Görlitz. ,
b) Tie mittlere Zone der Seen, der Heiden und Moore. Stellenweise
wechselt in diesem Teile der Niederung mit dem dürren Sand t o n r e i ch e r
TM Hauptwörter (50): [T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte], T13: [Stadt Elbe Hamburg Berlin Provinz Bremen Land Lübeck Hannover Weser], T38: [Boden Wald Land Wiese Wasser Berg Fluß Feld See Dorf]]
TM Hauptwörter (100): [T70: [Boden Teil Land Wald Gebirge Ebene Gebiet See Klima Tiefland], T43: [Zeit Volk Jahrhundert Geschichte Reich Staat Leben Kultur Deutschland Mittelalter], T61: [Mill Staat Deutschland Reich Europa deutsch Million Land England Einwohner], T10: [Stadt Berlin Hamburg Elbe Einw. Magdeburg Stettin Festung Lübeck Provinz], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele]]
TM Hauptwörter (200): [T127: [Volk Sprache Land Zeit Sitte Kultur Bildung Geschichte Bewohner Stamm], T130: [Elbe Stadt Sachsen Provinz Saale Kreis Schlesien Elster Neiße Magdeburg], T133: [Boden Land Ackerbau Klima Wald Viehzucht Teil Wiese Anbau Fruchtbarkeit], T19: [Reich deutsch Kaiser Reiche Zeit Karl Jahr Ende Konstantin groß], T109: [Europa Asien Afrika Amerika Australien Insel Erdteil Land Zone Klima]]
68
Gesamtüberblick über die deutschen Kolonien.
Handel. Der Gesamthandelsverkehr der deutschen Kolonien stellt im
Außenhandel Deutschlands mit seinen 21 Milliarden Mark freilich noch eine sehr
1896: Gesamthandel 32600000 M.
Einfuhr: 21 000 000 M.
«Ml Ausfuhr: 11500 000 M.
1912: Gesamthandel 263559 000 M. Einfuhr: 142 679 000 M.
Ausfuhr: 120880000 M.
Handel.
bescheidene Summe dar; er bezifferte sich 1912 (ohne Kiautschou) auf 263 Mill. Mark,
mit Kiautschou (über 220 Mill. Mark) auf rd. y2 Milliarde Mark. Im Vergleich zu
den ersten Anfängen dieses Handels bedeutet dieser Betrag immerhin einen ansehn-
lichen Fortschritt. Das Deutsche Reich ist an dem Handel der Kolonien (ohne Kiautschou)
mit rd. 2/s beteiligt. Die Steigerung des Handels zwischen dem Mutterland und
den Kolonien zeigt sich auch im Anwachsen des Schiffsverkehrs (f. S. 67).
Geldanlage. Tie Gelder, die in den Kolonien von Einzelnen oder Gesell-
schaften angelegt sind, betragen rd. % Milliarde Mark. Leider ist hieran auslän-
disches, besonders englisches Geld ziemlich stark (Im Mill. Mark) beteiligt.
1896: 62 000 000 M.
1912: 505 000 000 M.
Geldanlagen der Erwerbsgesellschaften.
Die Gesamtentwicklung unserer afrikanischen Kolonien bewegt sich in stark auf- .
steigender Linie.
Jede Kolonie ist ein Ausstrahlungspunkt für deutsche Kultur und
deutsches Ansehen. Indem wir jungfräuliches Land urbar machen und niedrig
stehende Völker zu höherer Kultur erziehen, betätigen wir uns erst als Weltvolk
und helfen den Ruhm von deutscher Tüchtigkeit über alle Erdteile verbreiten.
Damit wächst unser Einfluß auf die Völkerschicksale, auf die Weltpolitik; denn
nur dem Tüchtigen gehört die Welt. Die Anteilnahme an der Wirtschaft-
lichen Weltherrschaft muß Deutschlands Ziel sein. Wie der Brite ruft:
Rule Britannia, rule the waves; mit dem gleichen Stolze darf das Weltvolk
der Deutschen ausrufen: „Unser Feld die Welt!"
TM Hauptwörter (50): [T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte], T29: [Handel Industrie Land Ackerbau Fabrik Stadt Deutschland Mill Viehzucht Gewerbe], T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler]]
TM Hauptwörter (100): [T61: [Mill Staat Deutschland Reich Europa deutsch Million Land England Einwohner], T4: [Handel Land Industrie Stadt Verkehr Gewerbe Ackerbau Viehzucht Deutschland Zeit], T36: [Million Mark Jahr Geld Thaler Mill Summe Wert Gulden Pfund]]
TM Hauptwörter (200): [T78: [Mill Staat Million Deutschland Reich Europa Einwohner Land Jahr deutsch], T86: [Insel England Irland Schottland Kolonie Hafen Stadt Küste Hauptstadt Kamerun], T127: [Volk Sprache Land Zeit Sitte Kultur Bildung Geschichte Bewohner Stamm], T39: [Million Mark Geld Jahr Summe Steuer Thaler Staat Ausgabe Einnahme]]
58
Prosahest Vii.
Anschluß an die orthodoxeste Formulierung der reformierten Lehre war
mehr philosophischer als theologischer Natur, nicht die Wirkung des
Religionsunterrichtes, sondern die Frucht des Grübelns und der Lektüre
von Büchern, wie Bossnets „Wandlungen der reformierten Kirche". Dann
hatte der Prinz seinen Widerruf leisten müssen. Seitdem wußte er aus
eigener Erfahrung und vergaß es nicht, was Gewissenszwang heißt.
Dort in Küstrin sollte er nach des Königs Gebot des Sonntags
dreimal die Kirche besuchen. Außerdem schickte ihm der Vater die
Predigten, die er selbst gehört hatte, in Niederschriften zur Lektüre.
Die gezwungenen Andachtsübungen riefen die entgegengesetzte Wirkung
hervor. Bald nach der Rückkehr aus Küstrin ließ sich der Kronprinz
ein unvorsichtiges Wort entfahren, das bei dem Vater vieles wieder
hätte verderben können. Er äußerte im Gespräch mit einem Berliner
Geistlichen, man dürfe den Predigern nicht einen blinden Glauben
schenken, sondern jeder müsse seines eigenen Glaubens leben. Grumbkow,
der die Strenggläubigkeit stark betonte, machte ihn bei diesem Anlaß
auf seine fortdauernd sehr prekäre Lage aufmerksam, und Friedrich
antwortete (27. April 1732): „Ich werde Ihren Rat befolgen und es
mir gesagt sein lassen, daß es ziemlich tollkühn von mir war, über
Religion zu sprechen."
Wenn er nun jedes Wort genau abwägen mußte und wenn das
wenige, was er äußerte, meist auf einen bestimmten Zweck berechnet
war, so wird jede dieser Äußerungen, ehe man Schlüsse daraus ziehen
mag, der genauesten Prüfung bedürfen. Selbst in den anscheinend
vertraulichsten Briefen an Grumbkow glaubte der durch seine traurigen
Erfahrungen Gewitzigte mitunter Versteck spielen zu müssen. Von
heiligen Dingen spricht er bisweilen, gleichsam plötzlich, mit einer
Salbung, die Grumbkow kaum als ans dem Herzen kommend betrachtet
haben wird.
Das ist gewiß, daß sich Friedrich den Katholischen gegenüber sehr
lebhaft als Protestant und den Lutheranern gegenüber als Reformierter
fühlte. Wenn er in Küstrin in der Verzweiflung daran gedacht hat,
durch den Verzicht auf die Erbfolge und die Verheiratung mit einer
Erzherzogin sich die Freiheit zu erkaufen, so machte er die Beibehaltung
seines Glaubens unter allen Umstünden zur Bedingung. So wenig
wie von dem römischen wollte er -von einem lutherischen Papsttum
etwas wissen, uiib seine lutherische Braut hätte er gern zur reformierten
Lehre übertreten sehen. Aber mit den armen flüchtenden Lutheranern
aus dem Salzburgischen möchte er 1732 Hab und Gut bis aufs Hemd
teilen. Als er zwei Jahre darauf nach Heidelberg kommt, blutet ihm das
Herz, daß er die Stadt, „die vordem ganz zu unserer Religion gehörte",
mit Jesuitenseminaren und katholischen Klöstern übersät sieht; er hätte
nicht übel Lust, diese Verräter, welche Unschuldige verfolgen, gründlich
TM Hauptwörter (50): [T27: [Kirche Luther Lehre Kloster Jahr Bischof Schrift Papst Reformation Wittenberg], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
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TM Hauptwörter (200): [T40: [Protestant Kaiser Kirche Katholik Reichstag Jahr Lehre Reformation Augsburger Land], T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte], T196: [Tisch Tag König Hand Wein Herr Haus Gast Abend Frau], T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen], T61: [Wilhelm Friedrich Prinz König Luise Jahr Königin Gemahlin Prinzessin Kaiser]]
Extrahierte Personennamen: Bossnets Grumbkow Friedrich Friedrich Grumbkow Friedrich Friedrich
72
Prosaheft Vii.
Das epische Gedicht erzählt uns daher keine vereinzelte Tat, sondern die
Bewegung, die Züge und Kämpfe nationaler Massen; in ihm herrscht
nicht eine einzelne Empfindung oder Leidenschaft oder eine begrenzte
Herzens- und Lebenssituation, wie im lyrischen Gedicht oder im Drama,
sondern es umschließt die volle Totalität einer Nation und einer Zeit.
Dadurch nun wird auch das Epos zum Hauptbuche, zur allgemeinen
Quelle der Erziehung und Bildung oder, wie Hegel treffend sagt, zur
Bibel des Volkes. So blieb Homer für immer der heilige Lehrer der
Griechen, dessen Aussprüche wie Entscheidungen eines Gottes galten,
auf den sich jeder berief, der das Fundament wurde, ans welches sich
die gesamte poetische, religiöse und sittliche Bildung der Griechen auf-
baute. Homer schuf nach Herodot den Griechen ihre Götter, die
Tragiker entnahmen ihm die Fabel ihrer Stücke, die Philosophen maßen
ihre Ansichten an ihm, Grenzstreitigkeiten wurden nach seinen Aus-
sprüchen geschlichtet; Lykurg legte ihn der altdorischen Ordnung, die er
befestigte, zugrunde; in Athen war Homer das Erziehungsbuch der
Jugend. Eine ähnliche epische Bibel hat fast jede bedeutende Nation
in einem gewissen Stadium ihrer Geschichte hervorgebracht; die Inder
haben ihre großen Epen wie die Griechen ihren Homer; so erzeugten
die Italiener gleichfalls am Anfangsgrunde ihres nationalen Werdens
ihren Dante, für dessen Erklärung sogar eigene Lehrstühle an den Uni-
versitäten errichtet wurden; so die Portugiesen ihren Camoens, der eben-
falls in einer Periode des Aufschwungs der portugiesischen Volksmacht
lebte und diesen Aufschwung, nämlich die Entdeckungsfahrten nach Indien,
in seine Lusiaden aufnahm; und nicht anders wurde im deutschen Mittel-
alter Wolfram von Eschenbachs Parzival der treue und vollständige
Spiegel des damals herrschenden mystischen Rittertums und wurde da-
her auch das am allgemeinsten verbreitete Buch, Genuß und Vorbildung
für alle. Manchen Bibeln fehlt die epische Form, z. B. dem Alten
Testament, wo auch niedergelegt ist, was das jüdische Volk an Sage
und Geschichte, an Poesie und Nachdenken besaß, obgleich im Alten
Testament das Religiöse zu sehr vorherrscht, als daß wir es für ein
wirkliches Epos erklären könnten. Ebenso verhält es sich mit den
religiösen Grundbüchern der Perser und Araber, dem Zendavesta und dem
Koran. Eben aber weil das Epos auf diese Weise den ganzen geistigen
Schatz eines Volkes in sich schließt, rührt es in seiner reinsten Gestalt
auch uicht von einem einzelnen Dichter her, sondern ist aus Rhapsodien,
Volksgesängen, epischen Bruchstücken aller Art zusammengesiossen. Wie
Homer sind auch die Nibelungen und Gudrun, auch das finnische Epos
auf diese Weise entstanden.
Hegel widersetzt sich zwar mit Nachdruck der Wölfischen Hypo-
these, wonach die Ilias und Odyssee aus gesonderten Teilen erst später
zusammengesetzt worden seien, aber er tut dies nicht aus Gründen
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T1: [Geschichte Dichter Zeit Buch Werk Jahr Gedicht Nr. Bild Geographie]]
TM Hauptwörter (100): [T35: [Dichter Zeit Gedicht Lied Dichtung Schiller Poesie Werk Goethe Sprache], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T43: [Zeit Volk Jahrhundert Geschichte Reich Staat Leben Kultur Deutschland Mittelalter], T25: [Wissenschaft Kunst Zeit Sprache Geschichte Schrift Buch Werk Jahrhundert Erfindung], T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit]]
TM Hauptwörter (200): [T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen], T172: [Dichter Zeit Gedicht Schiller Werk Goethe Maler Dichtung Lied Hans], T173: [Sprache Wort Name Schrift Zeit Buch Form Kunst Art Werk], T74: [Zeit Wissenschaft Philosophie Geschichte Philosoph Werk Lehrer Schrift Sokrat Schüler], T127: [Volk Sprache Land Zeit Sitte Kultur Bildung Geschichte Bewohner Stamm]]
188
Prosaheft Vil
Drang", Guelfo in den „Zwillingen" wollen gleichfalls Einsiedler
werden; Erwin in Goethes Singspiel nimmt wenigstens die Maske des
Einsiedlers vor. Der Einsiedler gehört zum Apparat des Ritterdramas.
In Goethes „Satyros" wird er verherrlicht, Klinger deckt im „Faust"
auch in einer solchen Menschenseele die verborgene Schlechtigkeit ans.
Das Leben als Land- oder Gartenbebauer, als Schäfer gilt für
ein Ideal. Davon schwärmen La Feu und Katharine in „Sturm und
Drang", Strephon und Seraphine in Lenzens „Die Freunde machen
den Philosophen." Die letzte Szene in Klingers „Leidendem Weib"
zeigt uns den Gesandten auf einem Acker grabend, zwei Kinder in der
Furche spielend, Franz einen Baum pfropfend; es ist ihnen wohl; eine
Last ist ihnen abgenommen worden, da man ihnen Vermögen und Ehren-
stellen nahm; sie sind glücklich, sich leben zu dürfen. Julius von Tarent
verlangt ein Feld für sein Fürstentum und einen rauschenden Bach für
sein jauchzendes Volk! Einen Psiug für sich und einen Ball für
seine Kinder; Blanea schwärmt: „Ha — jetzt sind wir da — in dem
entferntesten Winkel der Erde! — Diese Hütte ist klein; Raum genug
zu einer Umarmung. — Dies Feldchen ist enge — Raun: genug für
Küchenkräuter und zwei Gräber; und dann, Julius, die Ewigkeit; —
Raum genug für die Liebe!" und der Dichter des Stückes malt sich in
einem Briefe ein ähnliches „poetisches Schüferleben" mit einer Freundin
und deren Manne aus. Der unglückliche Sprickmann schreibt: „Alles
ist verdreht und nirgends Genuß für den ganzen Menschen, wenn nicht
in Amerika Friede mit Freiheit kömmt — freier Bürger auf eigenem
Acker, das ist das Einzige! Da ist Beschäftigung für Körper, für Ge-
fühl und Verstand zugleich — alles andere, Wissenschaft und Ehre und,
was wir sonst noch für schöne Raritäten haben, ist alles einseitig und
barer Quark.
Hier fließt schon anderes mit ein. Kehrte man zur Natur zurück,
so mußte mit dem Unterschied der Stände, mit den Vorschriften der
Mode und Konvenienz, mit der Bildung im engeren Sinne und weiter-
hin auch mit der gesellschaftlichen und staatlichen Ordnung gebrochen
werden.
Der Mensch wurde in echter angeborener Schönheit und Würde
wieder hergestellt, die durch den Unterschied der Stünde, durch die Kon-
venienz und Mode verdunkelt worden waren. Der Mensch wurde
dem Bürger, dem Freunde, dem Christen, dem Untertanen, dem Fürsten
gegenübergestellt. Nicht Mensch sein zu dürfen scheint Bruder Martin
in Goethes Götz das Beschwerlichste; König Philipp gibt dem Marquis
Posa als höchsten Beweis seiner Gunst die Erlaubnis, Mensch zu sein.
Die Würde der Menschheit wurde feierlich verkündet, der Mensch als
ein freies Individuum von jedem Zwang und Druck befreit.
Gegen alles Konventionelle eröffneten die Stürmer und Dränger
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
TM Hauptwörter (100): [T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T35: [Dichter Zeit Gedicht Lied Dichtung Schiller Poesie Werk Goethe Sprache], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T39: [Kind Vater Mutter Frau Mann Haus Jahr Eltern Sohn Knabe], T54: [Haus Feld Bauer Dorf Pferd Stadt Vieh Land Wald Mensch]]
TM Hauptwörter (200): [T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T33: [Gott Liebe Mensch Herz Leben Volk Ehre Vaterland gute Zeit], T172: [Dichter Zeit Gedicht Schiller Werk Goethe Maler Dichtung Lied Hans], T127: [Volk Sprache Land Zeit Sitte Kultur Bildung Geschichte Bewohner Stamm]]
Extrahierte Personennamen: Erwin Goethes Goethes Klinger Katharine Franz Franz Julius_von_Tarent Julius Martin
in_Goethes_Götz Philipp Philipp Marquis
Posa
Extrahierte Ortsnamen: La_Feu „Sturm Lenzens Klingers_„Leidendem_Weib" Amerika
114
Prosaheft Vii.
sehen, so werden wir durch den Dichter selbst auf die damals üppig
entwickelte Literatur unseres westlichen Nachbarlandes, aus Frankreich,
geführt. Frankreich, in dem das Rittertum zuerst sich entfaltet hatte,
entwickelte auch am frühesten die Blüte mittelalterlicher Kunstdichtung.
Durch den häufigen Verkehr der Nationen, der eine Folge der Kreuzzüge
war, wurde diese Literatur auch in Deutschland bekannt und verbreitet.
Es ist ein alter Zug des germanischen Wesens, dem fremdländischen
nur zu leicht sich anzuschließen. Die germanischen Völker haben, als
sie romanisches Gebiet einnahmen, sehr rasch ihre eigene Sprache auf-
gegeben und die der Besiegten angenommen. Freilich war es zunächst
nur das Abstreifeu eines Gewandes, das Anlegen eines fremden Kleides,
aber doch im Laufe der Jahrhunderte nicht ohne Einfluß auf die
Denkart.
Diese Nachgiebigkeit des deutschen Geistes, und nicht allein dem
französischen gegenüber, zeigt auch die Entwickelung unserer Literatur.
Es hat wenig Epochen gegeben, in denen der deutsche Genius ganz
sich selbst folgend sich entfaltet hat. Bis ins zwölfte Jahrhundert hat die
deutsche Poesie, wenn wir von der durch das Christentum vermittelten
antiken Welt absehen, sich frei von ausländischem Einflüsse gehalten:
die nationale Sage, auf alten Traditionen beruhend und durch neue
Stoffe wechselnd und sich erweiternd, bildet den Grundstock der, wenn
auch nicht geschriebenen, so doch gesungenen Poesie.
Die französische Literatur unterbrach und durchbrach diese gesunde
und natürliche Entwickelung; nicht zum Vorteil unserer Dichtung, denn
weder waren die Dichterstoffe, die aus Frankreich eindrangen, großartig
und bedeutend, noch war ihre dichterische Gestaltung von schöpferischer
und belebender Wirkung.
Hier aber zeigt sich recht neben der Schattenseite, die in der leichten
Aneignung des Fremden vorliegt, die Glanzseite des deutschen Geistes,
seine ungleich tiefere, wir möchten sagen philosophische Anlage, die den
rohen Stoff zum Gefäße tiefer und bedeutender Gedanken macht. Den
fremden Dichtungen verstanden, wie Wilhelm Grimm es schön ausdrückt,
unsere Dichter die deutsche Seele einzuhauchen, sie verstanden sie umzu-
bilden und zu vergeistigen, die, Charaktere zu vertiefen, selbst die Platt-
heiten, so gut es ging, zu heben und zu beseitigen.
Auch die Franzosen sind nicht die Erfinder jener Stoffe, die aus
Frankreich nach Deutschland verpflanzt wurden: die eigentliche Heimat
jener Erzählungen ist die Bretagne, sie gehören dem keltischen Volks-
stamme an, dessen Reste auf den britischen Inseln fortlebten und von
denen ein Teil nach der Bretagne zurückgewandert war. Es sind
keltische Märchen und Sagen, die aus der Bretagne nach Frankreich
kamen und hier von französischen Dichtern die Gestaltung erhielten, in
welcher sie Deutschland überkam.
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte]]
TM Hauptwörter (100): [T43: [Zeit Volk Jahrhundert Geschichte Reich Staat Leben Kultur Deutschland Mittelalter], T35: [Dichter Zeit Gedicht Lied Dichtung Schiller Poesie Werk Goethe Sprache], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T3: [Lage Karte Land Europa Geographie Klima Größe Verhältnis Grenze Gliederung], T99: [Frankreich Loire Stadt Rhone Gebirge Pyrenäen Paris Meer Garonne Lyon]]
TM Hauptwörter (200): [T127: [Volk Sprache Land Zeit Sitte Kultur Bildung Geschichte Bewohner Stamm], T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen], T173: [Sprache Wort Name Schrift Zeit Buch Form Kunst Art Werk], T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte], T28: [Blatt Blüte Pflanze Baum Wurzel Frucht Stengel Zweig Erde Samen]]
Extrahierte Personennamen: Wilhelm_Grimm Wilhelm
Extrahierte Ortsnamen: Frankreich Frankreich Deutschland Frankreich Frankreich Deutschland Frankreich Deutschland
200
Prosaheft Vii
elender geworden wären. Darauf konnte niemand bessere Auskunft geben
als Götz von Berlichingen.
In diese Zeit nationaler Verwirrung und dennoch allgemeiner Blüte
sieht Goethe fremde Anschauungen Hineinbrechen und Zwiespalte im Herzen
des deutschen Volkes hervortreten, an denen, Goethes Ansicht nach, die
besten Männer zugrunde gehen. Sein Held, ein Deutscher vom reinsten
Gehalt und reinsten Gepräge, aus eigener edler Natur daran gewöhnt,
sich schuldlos auf deutschem Boden zu bewegen, so lange rein vater-
ländische Quellen ihn tränken, sieht plötzlich die verräterischen welschen
Gewässer zu uns herüberfließen und, von ihnen herausgelockt und ge-
nährt, eine giftige Saat rings um sich her aufsprießen.
Es wächst ihm über den Kopf. Seine Begriffe verwirren sich, er
wird zum Rebellen ohne es zu wollen und zum Verbrecher ohne zu wissen.
Was kümmerte sich das neue römische Recht um jene alte deutsche Ge-
setzgebung, in der jedes Dorf, womöglich jedes Haus seine eigenen
natürlichen Gesetze hatte, jedes vom anderen doch ebenso verschieden, als
der Horizont selber immer als ein anderer jedem, der vor die Türe trat,
vor Augen stand. Es geht einem durch Mark und Bein, wenn Götz
vor den Augsburger Bürgern im Gerichtssaal vor allen Dingen wissen
will, was aus seinen Knechten geworden sei. Götz weiß nicht mehr aus
und ein diesem Rechte gegenüber, das keinen Unterschied der Verhält-
nisse kennt. Weislingen wiederum geht zugrunde an einem Hofe, in den
welsche Feinheit und Verlogenheit eindringt.
Alles schließlich unterliegt den Ränken und den Reizen Adelheids,
der das deutsche Blut verderbt worden ist und die Goethe so ver-
führerisch schilderte, daß er, wie in Dichtung und Wahrheit erzählt wird,
sich am Ende selber in sie verliebt hatte. Überall scheint Redlichkeit
verloren Spiel zu haben gegen macchiavellistische Klugheit, und die roma-
nische unpersönliche Formel wird Herr über die individuellen Gedanken
des deutschen Rechtes. Aus der Einsamkeit des Lebens mit der Natur
drängt sich der deutsche Ritter, der eigentliche Repräsentant des Volkes
in Goethes Sinne, in die Städte und an die Höfe. Daher Goethes
Motto für sein Drama: Das Herz des Volkes ist in den Kot getreten
und keiner edlen Begierde mehr fähig.
Wie stellen wir uns zu diesen Anschauungen?
Wir sehen Goethe befangen in unvollkommener Kenntnis unserer
Geschichte. Wir wissen heute den Wert dessen, was wir fremden Nationen
schulden, anders zu schätzen. Wir haben die Gedanken autochthoner
Kunst, Dichtung und Sprache im Sinne früherer Generationen auf-
gegeben. Wir sehen die große, allgemeine Bewegung der Völker um
uns her und empfinden, daß die Deutschlands mit ihr aufs innigste
verbunden sei. Unsere Reformation verdanken wir dem Studium der
Griechen und Römer, unseren heutigen deutschen Stil dem Einflüsse der
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte]]
TM Hauptwörter (100): [T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T43: [Zeit Volk Jahrhundert Geschichte Reich Staat Leben Kultur Deutschland Mittelalter], T35: [Dichter Zeit Gedicht Lied Dichtung Schiller Poesie Werk Goethe Sprache], T98: [Volk Land König Krieg Zeit Feind Mann Macht Freiheit Kaiser], T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit]]
TM Hauptwörter (200): [T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen], T177: [Volk Recht Gesetz Freiheit Land Strafe Mensch Gewalt Leben Staat], T127: [Volk Sprache Land Zeit Sitte Kultur Bildung Geschichte Bewohner Stamm], T172: [Dichter Zeit Gedicht Schiller Werk Goethe Maler Dichtung Lied Hans], T47: [Karte Lage Länge Breite Größe Meile Linie Ort Grenze Höhe]]
248
Prosaheft Vii.
nämlich, der auf den höheren Schulen eine gelehrte Bildung erhält;
freilich ein wichtiger Bruchteil, es sind diejenigen, die zu Führern und
Lehrern des Volkes auf allen Lebensgebieten berufen find. Aber diese
Gruppe steht eben nicht ganz innerhalb des Volkslebens, sie steht als
eine besondere Schicht daneben oder, wenn man will, darüber: als
Gelehrtenstand, der besonders durch die sogenannte klassische Bildung von
der Gesamtheit mit scharfer Grenzlinie getrennt wird. Diese Kluft
zwischen Gelehrten und Ungelehrten hat sich eigentlich erst seit der
Renaissance aufgetan. Im Mittelalter gab es den Unterschied von
Klerikern und Laien; es war auch ein Unterschied der Bildung, doch
ging er nicht tief: der Kleriker verstand Latein, die Sprache der Kirche,
aber seine Lebens- und Weltanschauung war auf demselben Boden ge-
wachsen, wie die des Ritters und Bauern. Auch fand wegen des
Zölibats keine Erblichkeit der Bildungsunterschiede statt. Erst seit dem
sechzehnten Jahrhundert yat sich von dem Volk das Gelehrtentum inner-
lich losgelöst. Es ist von ihm nicht bloß durch gelehrte oder technische
Kenntnisse geschieden, es steht mit seiner ganzen Lebensanschanung nicht
auf dem Boden unseres Volkstums, und es ist stolz daraus; es sucht im
klassischen Altertum, was es daheim nicht findet: die vollkommene Bil-
dung des Menschen, die Humanität, die sonst nur in mehr oder minder
verkrüppelter Form vorkommt. Der Kultus des Altertums ist für die
Gelehrten wie eine Art zweiter Religion, einer vornehmeren Religion, an
der eben die Masse keinen Anteil hat. In der zweiten Renaissance, mit
der das achtzehnte Jahrhundert die durch die große religiöse Bewegung
des sechzehnten Jahrhunderts unterbrochene erste Renaissance wieder
aufnahm, erreichte dieser Kultus seinen Höhepunkt. Unsere Gymnasien
sind am Anfang des neunzehnten Jahrhunderts als Kultstätten dieser
„Religion der Gebildeten" neu gegründet worden, Homer ihr heiliges
Buch.
Was wir nun unsere Nationalliteratur und Kunst nennen, das
gehört wesentlich dieser Gruppe der klassisch Gebildeten an. Es hat
nicht in unserm Volksleben, sondern in der Gelehrtenschule seine Wurzeln.
Daher hat es überall gelehrten Charakter. Unsere sogenannte klassische
Literatur bedient sich zwar nicht mehr, wie die neulateinische und neu-
griechische Poesie des sechzehnten Jahrhunderts, der alten Sprachen, doch
lehnt sie sich gern in Form und Inhalt an altklassische Muster an. Man
kann es ja alle Tage mit großer Gelassenheit aussprechen hören: um
unsere Klassiker zu verstehen, sei die klassische Bildung, die das Gym-
nasium gebe, die notwendige Vorbedingung. Der gute Zweck läßt viel-
leicht hin und wieder die Sache übertreiben, aber wer wollte leugnen,
daß etwas Wahres daran ist?
Ebenso haben die übrigen Künste gelehrten Charakter. Man nehme
die Baukunst. Sie wächst nicht aus dem Handwerk hervor, sondern
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