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weise Nomaden sind auch die mongolischen Völker Turans (Turkmenen), die Kirgisen und Kalmücken, die Tibetaner. Am deutlichsten findet man die körperlichen Merkmale der gelben Rasse bei den sogenannten echten Mongolen der Gobi ausgeprägt. Eine höhere Kulturstufe als die genannten Völkerschaften nehmen ein in Westasien die Osmanen, in Ost- und Südasien die Chinesen, die Koreaner, die Bewohner von Annam, Siam und Barma und vor allem die Japaner. Als mongolenähnliche Völker bezeichnet man die Ainos, die Kamtschadalen und die Tschuktschen (die mit den Eskimos Amerikas die arktische Rasse bilden).
Aus der Vermischung indischer und mongolischer Stämme ist die malaiische Rasse hervorgegangen, die Malaka und die südostasiatischen Inseln bewohnt. Am höchsten stehen die Javaner und die Tagalen auf den Philippinen; europäischen Kultureinflüssen haben sich bisher die Dajak auf Borneo und die Batta (Atschinesen) auf Sumatra unzugänglich erwiesen.
Der indogermanischen (oder indo-europäischen) Rasse gehören die Hindu, die Jranier (Perser, Afghanen und Belutschen), die Armenier und viele Stämme des Kaukasusgebietes an.
Semiten sind die Araber und die aus ihnen hervorgegangene Bevölkerung Syriens und Mesopotamiens.
Einer der ältesten Rassen Asiens entstammen die Dravida, die vor den Hindu in das Dekan zurückwichen. Reste älterer Bevölkerung sind auch die tiefstehenden Bergstämme Ceylons, Hinterindiens und der Philippinen (die Negritos).
3. Die religiösen Verhältnisse der Bewohner Asiens.
Von zwei Gegenden Asiens aus haben sich Religionen über einen großen Teil der Erde verbreitet: von Westasien aus die drei monotheistischen Lehren des Judentums, des Christentums und des Islam, von Vorderindien aus der Brahmaismus und der Buddhismus. Die Brahmanenlehre ist jetzt auf Vorderindien beschränkt; der Buddhismus, der im 7. Jahrhundert v. Chr. eine Reform der Brahmanenlehre herbeiführen wollte, hat zahlreiche Anhänger in Tibet, in der Mongolei, in Ceylon (Singhalesen), Hinterindien, China und Japan gefunden. Mohammedaner wohnen in Vorderindien, namentlich im Nw, auf Java, in Iran, Turkestau. Mesopotamien, Syrien, Arabien, Kleinasien. Unter den Chinesen ist die Sittenlehre des Kongsntse weitverbreitet. Ein christliches Volk sind die Armenier. Als Heiden müssen viele Völker von Sibirien bezeichnet werden; namentlich ist bei ihnen die Form des Schamanismus vertreten; d. h. sie glauben, daß ihren Priestern, den Schamanen, eine geheimnisvolle Zauberkraft innewohne.
4. Verkehrsverhältnisse.
Daß schon in vorgeschichtlicher Zeit Verkehr zwischen Asien und den europäischen Ländern stattgefunden hat, kann man aus der Tatsache ersehen, daß unsere Getreidearten, der Wein, verschiedene Obstsorten und säst alle unsere Haustiere in Asien ihre Heimat haben. In historischer Zeit sind nach Europa eingeführt worden unter andern die Seidenraupe und die Apfelsine Apfel ans China).
Heutzutage findet von den europäischen Ländern aus namentlich mit Südasien, Südostasien, China und Japan reger Handelsverkehr statt; lebhaft sind auch die Handelsbeziehungen der letztgenannten Gebiete mit der nordamerikanischen Union.
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Extrahierte Personennamen: Chr
Extrahierte Ortsnamen: Westasien Borneo Sumatra Syriens Mesopotamiens Asiens Hinterindiens Asiens Asiens Westasien Tibet Mongolei Ceylon Hinterindien China Japan Iran Mesopotamien Syrien Kleinasien Sibirien Asien Asien Europa China China Japan
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Extrahierte Personennamen: Norbgrenze Pola
Extrahierte Ortsnamen: Tarent Syrakus Italien Eritrea Europas Ungarn Donau Italiens Europa Asien Istrien Fiume
48 Wirtschaftsgeographie des Deutschen Reiches
Über all der glänzenden Entwicklung des deutschen Wirtschaftslebens ist aber
nicht zu vergessen, daß das deutsche Volk als größter Bestandteil der
germanischen Rasse in der Welt auch eine deutsche Kulturaufgabe zu
erfüllen hat. Die Pflege deutscher Art und deutschen Wesens, deutscher Sprache
und deutschen Selbstbewußtseins soll nicht Halt machen an den Grenzen des engeren
Vaterlandes; hat doch ketn Volk der Menschheit größere Kulturgüter geschenkt als
das deutsche. Darum muß es das Bestreben aller Deutschen sein, durch das Deutsch-
tum allerorten Einfluß auf die künftige Entwicklung der Welt zu üben und dem
deutschen Volke jene Stellung zu sichern, auf die es vermöge der ihm innewohnenden
Kräfte und Fähigkeiten Anspruch zu erheben berechtigt ist.
Ein Volk von so großer Zahl und so hochentwickelter Kultur wie das
deutsche, hat das Recht und die Pflicht, seine Trieb- und Lebenskraft auch
auf außereuropäischem Boden zu betätigen. „Ein Volk, das darauf verzichtet,
den eigenen Geist und die eigene Art zur Geltung zu bringen in dem viel-
farbigen Bilde menschlicher Kultur, versäumt seine Pflicht nicht nur gegen sich
selbst sondern auch gegen die Menschheit." (Dietrich Schäfer.)
Die einzelnen deutschen Landschaften.
1. Das Norddeutsche Tiefland.
Gliederung. Die Bodenbeschaffenheit des Tieflandes ist sehr verschieden. Es
lassen sich drei Zonen unterscheiden:
/f. d i e südliche, fast ebene Zone des Lehms, das Land des
Zuckerrüben- und Getreidebaues.
d i e mittlere, hügelige Zone der (jüngeren) Moränen-
l a n d s ch a f t, das Gebiet der großen Flußtäler und Seen, der Moränen,
der Moore und Heiden (f. S. 50) und endlich
ö i e Küstenzone, ein Anschwemmungsgebiet der Flüsse und des
Meeres, der M a r s ch e u s a u m, ein Gebiet der Rinderzucht, des Ge-
treide- und Gemüsebaues.
a) Die südliche Lößzone. Dieses Fruchtgebiet umfaßt das nördliche Sachsen,
Niederschlesien, Anhalt, die Gegend um den Harz bis nach Braunschweig und Hau-
nover. Am Rhein, an der Saale und Mulde, dann an der Oder dringt dieses ge-
segnete Frnchiland noch tief in die deutsche Mittelgebirgsschwelle ein und bildet die
kölnische, westfälische, Leipziger und schlesische Bucht.
Da sich hier zu dem Bodenreichtum der Landschaft noch eine äußerst gün-
stige Verkehrslaae gesellt, so sind in diesen Buchten mächtige Handels-
Plätze entstanden, im W. die Königin der Rheinlande, Köln, im Herzen Deutsch-
lands Leipzig, im O. Breslau. Eine ähnliche günstige Randlage besitzen
ferner die Städte Aachen, Münster, Osnabrück, Minden, H a n -
nover, Braun schweig, Magdeburg, Halle, Dresden und
Görlitz. ,
b) Tie mittlere Zone der Seen, der Heiden und Moore. Stellenweise
wechselt in diesem Teile der Niederung mit dem dürren Sand t o n r e i ch e r
TM Hauptwörter (50): [T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte], T13: [Stadt Elbe Hamburg Berlin Provinz Bremen Land Lübeck Hannover Weser], T38: [Boden Wald Land Wiese Wasser Berg Fluß Feld See Dorf]]
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68
Gesamtüberblick über die deutschen Kolonien.
Handel. Der Gesamthandelsverkehr der deutschen Kolonien stellt im
Außenhandel Deutschlands mit seinen 21 Milliarden Mark freilich noch eine sehr
1896: Gesamthandel 32600000 M.
Einfuhr: 21 000 000 M.
«Ml Ausfuhr: 11500 000 M.
1912: Gesamthandel 263559 000 M. Einfuhr: 142 679 000 M.
Ausfuhr: 120880000 M.
Handel.
bescheidene Summe dar; er bezifferte sich 1912 (ohne Kiautschou) auf 263 Mill. Mark,
mit Kiautschou (über 220 Mill. Mark) auf rd. y2 Milliarde Mark. Im Vergleich zu
den ersten Anfängen dieses Handels bedeutet dieser Betrag immerhin einen ansehn-
lichen Fortschritt. Das Deutsche Reich ist an dem Handel der Kolonien (ohne Kiautschou)
mit rd. 2/s beteiligt. Die Steigerung des Handels zwischen dem Mutterland und
den Kolonien zeigt sich auch im Anwachsen des Schiffsverkehrs (f. S. 67).
Geldanlage. Tie Gelder, die in den Kolonien von Einzelnen oder Gesell-
schaften angelegt sind, betragen rd. % Milliarde Mark. Leider ist hieran auslän-
disches, besonders englisches Geld ziemlich stark (Im Mill. Mark) beteiligt.
1896: 62 000 000 M.
1912: 505 000 000 M.
Geldanlagen der Erwerbsgesellschaften.
Die Gesamtentwicklung unserer afrikanischen Kolonien bewegt sich in stark auf- .
steigender Linie.
Jede Kolonie ist ein Ausstrahlungspunkt für deutsche Kultur und
deutsches Ansehen. Indem wir jungfräuliches Land urbar machen und niedrig
stehende Völker zu höherer Kultur erziehen, betätigen wir uns erst als Weltvolk
und helfen den Ruhm von deutscher Tüchtigkeit über alle Erdteile verbreiten.
Damit wächst unser Einfluß auf die Völkerschicksale, auf die Weltpolitik; denn
nur dem Tüchtigen gehört die Welt. Die Anteilnahme an der Wirtschaft-
lichen Weltherrschaft muß Deutschlands Ziel sein. Wie der Brite ruft:
Rule Britannia, rule the waves; mit dem gleichen Stolze darf das Weltvolk
der Deutschen ausrufen: „Unser Feld die Welt!"
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I. Geffcken, Der Eintritt des Christentums in die griechisch-römische Welt. 51
Und doch steht er schon auf der Wende zweier Zeitalter, auch in ihm
gewinnt der schon lange keimende Trieb seiner Epoche nach dem My-
stischen, dem Enthusiasmus Ausdruck. Er beobachtete scharf die Einzel-
erscheinungen, aber wenn er die Ergebnisse zum Gesamtbilde zusammen-
faßte, so ging ihm vor der Herrlichkeit der Welt das Auge über; wenn
er den ewigen Wandel der Himmelskörper beobachtete, die Kräfte der
Erde erkannte, so faßte ihn die heiligste Ehrfurcht vor dem Künstler
des Werkes, und in begeisterter Rhetorik, die durch die ganze Zeit,
auch in den Schriften des jungen Christentums widerhallte, gab er
seinen Gefühlen Ausdruck.
Es war ein erhabener Pantheismus, der das Herz auch des Leicht-
sinnigsten aus den Banden der Lüste, ans dem Strudel der Nichtigkeit
emporzureißen vermochte; er bot nun auch Raum für die Götter und ihre
Vielheit. Wir haben gesehen, daß die philosophische Skepsis nicht daran
dachte, vollen, praktischen Ernst mit der Bekämpfung der griechischen
Götter zu machen. So sehr ferner Vertreter aller Sekten — freilich
nicht ohne beredten Widerspruch ihrer Zunftgenossen — in der Ver-
werfung des Bilderdienstes übereinstimmend ins Menschenherz den Sitz
der Gottheit verlegen, so laut einzelne Stimmen die blutigen Opfer
verdammen, so hat es im Altertum doch nie einen heidnischen Bilder-
stürmer, einen Zerstörer der Altäre gegeben. Vollends entthronte ja
die Stoa, wie schon bemerkt, die Götter, deren Mythen sie nur im
wörtlichen Sinne verwarf, nicht, sondern setzte sie um in Naturgewalten
und Abstraktionen. Aber damit nicht genug: im Verfolg dieses Denkens
gelangte man dazu, die Religionen aller Völker deuten zu wollen. Er-
gab sich aus dem allgemeinen Glauben die Existenz Gottes überhaupt,
so lag diesen polytheistischen Religionen ein Wahrheitsgehalt zugrunde,
eine alte Offenbarung, die, jetzt in Mythen und Symbolen zum Aus-
drucke kommend, nur dem Sinn des Frommen und religiös Strebenden
sich erschließen. So greift denn auch bei den Philosophen der Trieb
immer weiter um sich, diese Symbole, diese Bräuche, diese Kultgestalten,
sei es nun Ägyptens oder des Orients bis nach Indien, würdigen zu
lernen. Apollonios von Tyana unternimmt seine große religiöse Wan-
derung nach dem Osten, um dessen göttliche Weisheitswunder zu er-
gründen: so wird der Philosoph zum Theosophen. Von der gläubigen
Menge trennt ihn nicht mehr viel; mag sie vor wunderlichen Götzen
knien, in wilden Orgien toben: er blickt verständnisinnig dieses Wesen
mit an und kann in höherem, reiferem Sinne sich daran beteiligen. Er
verehrt Gott im letzten Grunde auf andere Weise, er betet ihn am
Altar des Innern an, aber dem Volk rät er, am väterlichen Brauche,
der Ausdrucksform uralt-heiliger Offenbarung, festzuhalten. So bilden
die heidnische „Kirche" und die Gemeinde der Denker eine Einheit,
Glauben und Wissen gehen ineinander über.
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Extrahierte Personennamen: I._Geffcken Ernst Apollonios_von_Tyana
56
Prosahest Vii
oben bemerkt, nicht zu verallgemeinern. Es hat auch andere Kreise ge-
geben, die ihren eigenen Garten bestellen. Die vornehme römische
Literatur feiert nach ihrer goldenen Zeit in hochstrebenden, ernsten,
kraftvollen Geistern weitere Triumphe, ein Tacitus, Sueton, Juvenal
beweisen ihr Können. Und neben den Frommen und Bigotten stehen,
wenn auch etwas zurückgedrängt, die Skeptiker; die Bank der Spötter
ist nicht leer. Denen will dieses ganze gottselige, auf Märkten und
Gassen moralisch zeternde Wesen keineswegs gefallen, und sie lachen
laut über die Prediger und die Gemeinde, über die schimpfenden Kyniker
mit Bocksbart und Bettelranzen, wie über den Stoiker, der vor allem
Volke mit seinen landläufigen Beweisen der Existenz Gottes durch den epi-
kureischen Gegner so gründlich abgefertigt wird. Im zweiten Jahrhundert
n. Chr. wächst der Skeptizismus wieder; die Stoa scheint zwar in dem
edlen Philosophenkaiser M. Aurel die höchste offizielle Weihe zu em-
pfangen, aber bald danach ist es aus mit ihrer Herrlichkeit, ein neues
Wesen kommt auf, der Neuplatonismus und das streitbar gewordene
Christentum.
Unsere bisherige Betrachtung hatte uns im ganzen die Atmosphäre
kennen gelehrt, die das Christentum umgab und dieses selbst durchzieht.
Denn so falsch es einst war, jede Lehre Christi aus der hellenischen
Philosophie abzuleiten, so einseitig es noch bleibt, Christus zum jüdischen
Buddha zu machen, eine Lehre, die nichts vom Geiste der Zeit be-
saß, hätte niemals diesen Erfolg haben können, niemals auch so schnell
sich hellenischem Wesen anzugleichen vermocht, um dadurch ihr Bestehen
zu sichern. Und in dieser Hellenisierung trägt das Christentum den
Charakter der Zeit. Sobald man es in dieser Umgebung und nichr
nur, wie es so oft geschieht, ganz isoliert betrachtet, fallen zwei Vor-
würfe, die man noch immer gegen dieses werdende Christentum erhebt,
in sich zusammen: der Tadel gegen die Abkehr von der antiken Welt-
freudigkeit und der gegen den Bildungshaß, die Kulturfeindschaft. Die
obenstehenden Ausführungen haben gezeigt, was es mit der antiken
Weltfrendigkeit in jenen ersten Jahrhunderten unserer Zeitrechnung ans
sich hatte; wie kann man vollends von dem spezifisch christlichen Bildungs-
hasse reden, wo fast die ganze Zeit sich bewußt von der Wissenschaft
abwendet, wo sogenannte Naturforscher wie Plinius u. a. erbauliche
Betrachtungen anstellen. Als ferner neue Denkgebilde noch einmal die
alternde Welt erfüllen, als der Neuplatonismus einsetzt und in seinem
Gefolge die Mathematik ihre letzten Siege auf antikem Boden gewinnt,
weist der Christ Origenes sofort seine Schüler auf die Notwendigkeit
hin, sich mit dieser Wissenschaft zu beschäftigen. Daß das älteste
Christentum aber unliterarisch war, daß Paulus' Briefe wirkliche Briefe
sind, ist nur ein unvergleichlicher Vorzug der neuen Lehre innerhalb
einer Zeit, deren Originalität so oft durch die Stilmuster verschüttet
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Extrahierte Personennamen: Sueton Christi Christus
58
Prosahest Vii.
Anschluß an die orthodoxeste Formulierung der reformierten Lehre war
mehr philosophischer als theologischer Natur, nicht die Wirkung des
Religionsunterrichtes, sondern die Frucht des Grübelns und der Lektüre
von Büchern, wie Bossnets „Wandlungen der reformierten Kirche". Dann
hatte der Prinz seinen Widerruf leisten müssen. Seitdem wußte er aus
eigener Erfahrung und vergaß es nicht, was Gewissenszwang heißt.
Dort in Küstrin sollte er nach des Königs Gebot des Sonntags
dreimal die Kirche besuchen. Außerdem schickte ihm der Vater die
Predigten, die er selbst gehört hatte, in Niederschriften zur Lektüre.
Die gezwungenen Andachtsübungen riefen die entgegengesetzte Wirkung
hervor. Bald nach der Rückkehr aus Küstrin ließ sich der Kronprinz
ein unvorsichtiges Wort entfahren, das bei dem Vater vieles wieder
hätte verderben können. Er äußerte im Gespräch mit einem Berliner
Geistlichen, man dürfe den Predigern nicht einen blinden Glauben
schenken, sondern jeder müsse seines eigenen Glaubens leben. Grumbkow,
der die Strenggläubigkeit stark betonte, machte ihn bei diesem Anlaß
auf seine fortdauernd sehr prekäre Lage aufmerksam, und Friedrich
antwortete (27. April 1732): „Ich werde Ihren Rat befolgen und es
mir gesagt sein lassen, daß es ziemlich tollkühn von mir war, über
Religion zu sprechen."
Wenn er nun jedes Wort genau abwägen mußte und wenn das
wenige, was er äußerte, meist auf einen bestimmten Zweck berechnet
war, so wird jede dieser Äußerungen, ehe man Schlüsse daraus ziehen
mag, der genauesten Prüfung bedürfen. Selbst in den anscheinend
vertraulichsten Briefen an Grumbkow glaubte der durch seine traurigen
Erfahrungen Gewitzigte mitunter Versteck spielen zu müssen. Von
heiligen Dingen spricht er bisweilen, gleichsam plötzlich, mit einer
Salbung, die Grumbkow kaum als ans dem Herzen kommend betrachtet
haben wird.
Das ist gewiß, daß sich Friedrich den Katholischen gegenüber sehr
lebhaft als Protestant und den Lutheranern gegenüber als Reformierter
fühlte. Wenn er in Küstrin in der Verzweiflung daran gedacht hat,
durch den Verzicht auf die Erbfolge und die Verheiratung mit einer
Erzherzogin sich die Freiheit zu erkaufen, so machte er die Beibehaltung
seines Glaubens unter allen Umstünden zur Bedingung. So wenig
wie von dem römischen wollte er -von einem lutherischen Papsttum
etwas wissen, uiib seine lutherische Braut hätte er gern zur reformierten
Lehre übertreten sehen. Aber mit den armen flüchtenden Lutheranern
aus dem Salzburgischen möchte er 1732 Hab und Gut bis aufs Hemd
teilen. Als er zwei Jahre darauf nach Heidelberg kommt, blutet ihm das
Herz, daß er die Stadt, „die vordem ganz zu unserer Religion gehörte",
mit Jesuitenseminaren und katholischen Klöstern übersät sieht; er hätte
nicht übel Lust, diese Verräter, welche Unschuldige verfolgen, gründlich
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Extrahierte Personennamen: Bossnets Grumbkow Friedrich Friedrich Grumbkow Friedrich Friedrich
72
Prosaheft Vii.
Das epische Gedicht erzählt uns daher keine vereinzelte Tat, sondern die
Bewegung, die Züge und Kämpfe nationaler Massen; in ihm herrscht
nicht eine einzelne Empfindung oder Leidenschaft oder eine begrenzte
Herzens- und Lebenssituation, wie im lyrischen Gedicht oder im Drama,
sondern es umschließt die volle Totalität einer Nation und einer Zeit.
Dadurch nun wird auch das Epos zum Hauptbuche, zur allgemeinen
Quelle der Erziehung und Bildung oder, wie Hegel treffend sagt, zur
Bibel des Volkes. So blieb Homer für immer der heilige Lehrer der
Griechen, dessen Aussprüche wie Entscheidungen eines Gottes galten,
auf den sich jeder berief, der das Fundament wurde, ans welches sich
die gesamte poetische, religiöse und sittliche Bildung der Griechen auf-
baute. Homer schuf nach Herodot den Griechen ihre Götter, die
Tragiker entnahmen ihm die Fabel ihrer Stücke, die Philosophen maßen
ihre Ansichten an ihm, Grenzstreitigkeiten wurden nach seinen Aus-
sprüchen geschlichtet; Lykurg legte ihn der altdorischen Ordnung, die er
befestigte, zugrunde; in Athen war Homer das Erziehungsbuch der
Jugend. Eine ähnliche epische Bibel hat fast jede bedeutende Nation
in einem gewissen Stadium ihrer Geschichte hervorgebracht; die Inder
haben ihre großen Epen wie die Griechen ihren Homer; so erzeugten
die Italiener gleichfalls am Anfangsgrunde ihres nationalen Werdens
ihren Dante, für dessen Erklärung sogar eigene Lehrstühle an den Uni-
versitäten errichtet wurden; so die Portugiesen ihren Camoens, der eben-
falls in einer Periode des Aufschwungs der portugiesischen Volksmacht
lebte und diesen Aufschwung, nämlich die Entdeckungsfahrten nach Indien,
in seine Lusiaden aufnahm; und nicht anders wurde im deutschen Mittel-
alter Wolfram von Eschenbachs Parzival der treue und vollständige
Spiegel des damals herrschenden mystischen Rittertums und wurde da-
her auch das am allgemeinsten verbreitete Buch, Genuß und Vorbildung
für alle. Manchen Bibeln fehlt die epische Form, z. B. dem Alten
Testament, wo auch niedergelegt ist, was das jüdische Volk an Sage
und Geschichte, an Poesie und Nachdenken besaß, obgleich im Alten
Testament das Religiöse zu sehr vorherrscht, als daß wir es für ein
wirkliches Epos erklären könnten. Ebenso verhält es sich mit den
religiösen Grundbüchern der Perser und Araber, dem Zendavesta und dem
Koran. Eben aber weil das Epos auf diese Weise den ganzen geistigen
Schatz eines Volkes in sich schließt, rührt es in seiner reinsten Gestalt
auch uicht von einem einzelnen Dichter her, sondern ist aus Rhapsodien,
Volksgesängen, epischen Bruchstücken aller Art zusammengesiossen. Wie
Homer sind auch die Nibelungen und Gudrun, auch das finnische Epos
auf diese Weise entstanden.
Hegel widersetzt sich zwar mit Nachdruck der Wölfischen Hypo-
these, wonach die Ilias und Odyssee aus gesonderten Teilen erst später
zusammengesetzt worden seien, aber er tut dies nicht aus Gründen
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188
Prosaheft Vil
Drang", Guelfo in den „Zwillingen" wollen gleichfalls Einsiedler
werden; Erwin in Goethes Singspiel nimmt wenigstens die Maske des
Einsiedlers vor. Der Einsiedler gehört zum Apparat des Ritterdramas.
In Goethes „Satyros" wird er verherrlicht, Klinger deckt im „Faust"
auch in einer solchen Menschenseele die verborgene Schlechtigkeit ans.
Das Leben als Land- oder Gartenbebauer, als Schäfer gilt für
ein Ideal. Davon schwärmen La Feu und Katharine in „Sturm und
Drang", Strephon und Seraphine in Lenzens „Die Freunde machen
den Philosophen." Die letzte Szene in Klingers „Leidendem Weib"
zeigt uns den Gesandten auf einem Acker grabend, zwei Kinder in der
Furche spielend, Franz einen Baum pfropfend; es ist ihnen wohl; eine
Last ist ihnen abgenommen worden, da man ihnen Vermögen und Ehren-
stellen nahm; sie sind glücklich, sich leben zu dürfen. Julius von Tarent
verlangt ein Feld für sein Fürstentum und einen rauschenden Bach für
sein jauchzendes Volk! Einen Psiug für sich und einen Ball für
seine Kinder; Blanea schwärmt: „Ha — jetzt sind wir da — in dem
entferntesten Winkel der Erde! — Diese Hütte ist klein; Raum genug
zu einer Umarmung. — Dies Feldchen ist enge — Raun: genug für
Küchenkräuter und zwei Gräber; und dann, Julius, die Ewigkeit; —
Raum genug für die Liebe!" und der Dichter des Stückes malt sich in
einem Briefe ein ähnliches „poetisches Schüferleben" mit einer Freundin
und deren Manne aus. Der unglückliche Sprickmann schreibt: „Alles
ist verdreht und nirgends Genuß für den ganzen Menschen, wenn nicht
in Amerika Friede mit Freiheit kömmt — freier Bürger auf eigenem
Acker, das ist das Einzige! Da ist Beschäftigung für Körper, für Ge-
fühl und Verstand zugleich — alles andere, Wissenschaft und Ehre und,
was wir sonst noch für schöne Raritäten haben, ist alles einseitig und
barer Quark.
Hier fließt schon anderes mit ein. Kehrte man zur Natur zurück,
so mußte mit dem Unterschied der Stände, mit den Vorschriften der
Mode und Konvenienz, mit der Bildung im engeren Sinne und weiter-
hin auch mit der gesellschaftlichen und staatlichen Ordnung gebrochen
werden.
Der Mensch wurde in echter angeborener Schönheit und Würde
wieder hergestellt, die durch den Unterschied der Stünde, durch die Kon-
venienz und Mode verdunkelt worden waren. Der Mensch wurde
dem Bürger, dem Freunde, dem Christen, dem Untertanen, dem Fürsten
gegenübergestellt. Nicht Mensch sein zu dürfen scheint Bruder Martin
in Goethes Götz das Beschwerlichste; König Philipp gibt dem Marquis
Posa als höchsten Beweis seiner Gunst die Erlaubnis, Mensch zu sein.
Die Würde der Menschheit wurde feierlich verkündet, der Mensch als
ein freies Individuum von jedem Zwang und Druck befreit.
Gegen alles Konventionelle eröffneten die Stürmer und Dränger
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Extrahierte Personennamen: Erwin Goethes Goethes Klinger Katharine Franz Franz Julius_von_Tarent Julius Martin
in_Goethes_Götz Philipp Philipp Marquis
Posa
Extrahierte Ortsnamen: La_Feu „Sturm Lenzens Klingers_„Leidendem_Weib" Amerika
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Prosaheft Vii.
sehen, so werden wir durch den Dichter selbst auf die damals üppig
entwickelte Literatur unseres westlichen Nachbarlandes, aus Frankreich,
geführt. Frankreich, in dem das Rittertum zuerst sich entfaltet hatte,
entwickelte auch am frühesten die Blüte mittelalterlicher Kunstdichtung.
Durch den häufigen Verkehr der Nationen, der eine Folge der Kreuzzüge
war, wurde diese Literatur auch in Deutschland bekannt und verbreitet.
Es ist ein alter Zug des germanischen Wesens, dem fremdländischen
nur zu leicht sich anzuschließen. Die germanischen Völker haben, als
sie romanisches Gebiet einnahmen, sehr rasch ihre eigene Sprache auf-
gegeben und die der Besiegten angenommen. Freilich war es zunächst
nur das Abstreifeu eines Gewandes, das Anlegen eines fremden Kleides,
aber doch im Laufe der Jahrhunderte nicht ohne Einfluß auf die
Denkart.
Diese Nachgiebigkeit des deutschen Geistes, und nicht allein dem
französischen gegenüber, zeigt auch die Entwickelung unserer Literatur.
Es hat wenig Epochen gegeben, in denen der deutsche Genius ganz
sich selbst folgend sich entfaltet hat. Bis ins zwölfte Jahrhundert hat die
deutsche Poesie, wenn wir von der durch das Christentum vermittelten
antiken Welt absehen, sich frei von ausländischem Einflüsse gehalten:
die nationale Sage, auf alten Traditionen beruhend und durch neue
Stoffe wechselnd und sich erweiternd, bildet den Grundstock der, wenn
auch nicht geschriebenen, so doch gesungenen Poesie.
Die französische Literatur unterbrach und durchbrach diese gesunde
und natürliche Entwickelung; nicht zum Vorteil unserer Dichtung, denn
weder waren die Dichterstoffe, die aus Frankreich eindrangen, großartig
und bedeutend, noch war ihre dichterische Gestaltung von schöpferischer
und belebender Wirkung.
Hier aber zeigt sich recht neben der Schattenseite, die in der leichten
Aneignung des Fremden vorliegt, die Glanzseite des deutschen Geistes,
seine ungleich tiefere, wir möchten sagen philosophische Anlage, die den
rohen Stoff zum Gefäße tiefer und bedeutender Gedanken macht. Den
fremden Dichtungen verstanden, wie Wilhelm Grimm es schön ausdrückt,
unsere Dichter die deutsche Seele einzuhauchen, sie verstanden sie umzu-
bilden und zu vergeistigen, die, Charaktere zu vertiefen, selbst die Platt-
heiten, so gut es ging, zu heben und zu beseitigen.
Auch die Franzosen sind nicht die Erfinder jener Stoffe, die aus
Frankreich nach Deutschland verpflanzt wurden: die eigentliche Heimat
jener Erzählungen ist die Bretagne, sie gehören dem keltischen Volks-
stamme an, dessen Reste auf den britischen Inseln fortlebten und von
denen ein Teil nach der Bretagne zurückgewandert war. Es sind
keltische Märchen und Sagen, die aus der Bretagne nach Frankreich
kamen und hier von französischen Dichtern die Gestaltung erhielten, in
welcher sie Deutschland überkam.
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Extrahierte Personennamen: Wilhelm_Grimm Wilhelm
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