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faite Küste jetzt genietzt. Eine mittlere Jahrestemperatur von 17 ° C (Danzig
jetzt 7,6 0 C) inu¡3 geherrscht haden, als dort lorbeerartige Gewachse und
Zimmtbaume gediehen, wie heute am Lago Maggiore. Auch Feigenarten
sind an ein dementsprechendes Klima gewohnt. Palmen wurden nicht ge-
funden, vbgleich sie im westlichen Dentschland im Miozan vorkommen. Sehr
haufig ist das Holz der Sumpfzypresse (Taxodium distichum), die nvch heute
in Nordamerika verbreitet ist. Eine grosse Menge von Sumpfpflanzen, wie
Erlen, Birlen, Seggen und Griiser, wurde in den dis 3 m machtigen Flozen
Zutagetretendes, steil aufgerichtetes Miozan (Braunkohlenschlucht) bei Lobeckshof
unweit Brentau (Kreis Danziger Höhe).
gefunden; meist sind es schöne Abdrücke der Blätter. Die Originalfunde
O. Heers sind im Königsberger Geologischen Museum aufbewahrt, aber auch
das Danziger Provinzialmuseum besitzt eine schöne Kollektion dieser Pflan-
zenreste.
Diese üppige Flora mußte allmählich den klimatischen Änderungen unter-
liegen, die schließlich zur Vereisung der einst von ihr bedeckten Gegenden
führte.
Paul Sonntag.
8*
TM Hauptwörter (50): [T38: [Boden Wald Land Wiese Wasser Berg Fluß Feld See Dorf], T49: [Land Klima Europa Meer Lage Asien Winter Insel Afrika Zone], T3: [Stadt Schloß Straße Berlin Kirche Haus Gebäude Platz Garten Universität]]
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51
glänzen die silberfarbenen Blätter der Pestwurz. In dein Gesträuch fällt
uns ' die für das Weichfel-Nogat-Delta charakteristische Grauerle auf, die
gewiß schon vor langer Zeit in unser Gebiet eingewandert ist und wohl
kaum ehemaligen Anpflanzungen entstammt.
Von Dammfelde führt uns unser weiterer Weg über Mielenz nach dem
Durchbruch von 1825. Auf dem Wege dorthin haben wir Gelegenheit, einige
bedeutsame Glieder der Stromtalflora kennen zu lernen:
1. ein Schilfgras (Palamaarostm litoroa), das an zerstreuten Stand-
* orten das ganze Weichseltal begleitet, ja noch an der Mottlau bei Ohra
vorkommt und bei Kahlberg sogar Dünen besiedelt; dieses stattliche Gras
kehrt in Deutschland wieder im Rhein- und Elbtal und in den kiesigen
Gebirgsbächen Bayerns;
2. ein Schotendotter (Erysimum hieracifolium), den unser Gebiet
gemeinsam hat mit dem Memel-, Warthe-, Obra- und Netzetal, der im
arktischen Rußland auftritt und von Sibirien bis Südrußland reicht;
3. eine südeuropäische Spitzklette (Xanthium italicum), die wohl erst
neuerdings mit dem Strom ihren Weg zu uns gefunden hat.
In den die Dämme begleitenden Getreidefeldern sind unter gewöhnlichen
Unkräutern der durch seine blutroten Blüten auffallende Sommer-Adonis
und der durch eigentümlich geformte Fruchtbehälter ausgezeichnete Acker-
Hahnenfuß seltenere Erscheinungen. Im nahen Kleefelde träumt das
gabelige Leimkraut (Siiene dichotoma) von seiner südeuropäischen Heimat.
Am Durchbruch begegnen wir einer typischen Rohrsumpfformation, in
der die mehr als zwei Meter hohe Sumpf-Gänsedistel, Deutschlands größte
krautartige Pflanze, besonders augenfällig ist. — Im Außendeich bei Kunzen-
dors hat unser zierlichstes einheimisches Primelgewächs, der nordische Manns-
schild, ein stilles Plätzchen — nach weiter Wanderung mit dem Strome —
gefunden. Auf dem schlickigen Boden anderer Stellen fallen einige Pflanzen
durch ihre erstaunliche Höhe auf — eine Folge von überreichlicher Nahrungs-
aufnahme. Ihnen können wir Zwerge, die zu denselben Arten gehören und
auf den trockenen, sandigen Flußufern gewachsen sind, gegenüberstellen, Ergeb-
nisse der geologischen und physikalischen Verhältnisse der Bodenunterlage. —
Am Ufer überraschen uns große Mengen von Knöterich- und Ampferarten, die
der Gesamtflora streckenweise das Charakteristikum verleihen. In stillen Buchten
flutet ein Wasserhahnenfuß (Uanunauiuz ünitaos), der seine reinweißen Blüten
über dem Wasser wiegt. Auf erhöhten Stellen des Ufergeländes hat ein
Fremdling aus Nordamerika, der schöne Sonnenhut (Rudbeckia hirta), festen
Fuß gefaßt. Sicher hat der Strom seinerzeit diese in Gärten gehaltene
Zierpflanze hier angeschwemmt.
Der Glutball der Sonne neigt sich dem Westen zu — und es ist an
der Zeit, daß wir uns zu dem Kleinbahnhof in Liessau begeben. Noch
einmal genießen wir das Bild, das sich vor unseren Blicken ausbreitet: Im
Westen tauchen die diluvialen Weichselhünge von Warmhof und Sprauden
auf, steil nach dem Strombett abfallend; ostwärts dehnt sich gleich einem
grünen Plane das fruchtbare Werder, unterbrochen von freundlichen Siede-
lungen. Dazwischen zieht ruhig und gemächlich der Strom, der in seinem
Oberlaufe so temperamentvolle Sohn der Karpathen, belebt von den sich
blähenden weißen Segeln der Weichselkähne. — Beim Genießen dieses
Landschaftsbildes schweift unser Blick unwillkürlich zurück in jene Zeiten, in
4*
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180
Wenn ich an dem Getrümmer dieses Schlosses stand, mußte ich immer
wieder an die Ruine von Roggenhausen denken. Hier wie dort finden wir
dieselben Bestandteile der Landschaft, das tiefeingeschnittene Erosionstal eines
Flusses und anmutig geschweifte Randberge. Aber dennoch kann man sich
kaum verschiedenere Bilder denken. An der Ossa grünem Strande ver-
schwindet die Ruine beinahe im Baumgrün, und längs des Flüßchens, das
durch blumige Wiesen rauscht, bilden Erle und Hasel dichte Hecken. Kaum
bedürfte es da noch der blütenreichen Obstgärten im Grunde, um unsere
Seele mit idyllischem Frieden, behaglicher Lebensfreude zu erfüllen. Hier
an der Drewenz redet die Natur zu uns in einer ernsteren Sprache. Hier
umhüllt fein schattiger Buchenwald die Randberge des Tales; baumlos und
kahl liegt der breite Grund vor uns da, und auch die Hopfenplantage von
Marienhof vermag die Halden nicht freundlich zu beleben, da sie allzu ver-
einsamt in der weiten Fläche daliegt.
Herb und ernst ist die Stimmung der ganzen Landschaft, herb und ernst,
wie die Gedanken an frühere Zeiten, die uns in ihr kommen müssen, lagerte
doch in diesem Grunde dereinst die Macht der Ordensritter, um Jagiello
und seinen blutdürstigen Tartaren den Weg ins deutsche Land zu wehren,
den sie sich wenige Tage später durch die Schlacht bei Tannenberg dennoch
bahnen sollten.
Aber dennoch verlohnt auch dieser Gau unserer Heimat einen Besuch,
denn die Landschaft besitzt dort einen Stimmungswert, der sie von anderen
Gegenden scharf unterscheidet. Wandern wir später in den Forsten bei
Loukorsz am Ufer schmaler, flußähnlicher Waldseen dahin, von deren unter
Schilf und Binsen verborgenen Flut die Wildenten in ganzen Wolken hoch-
gehen, überschauen wir vom hohen Ufer den buchtenreichen Spiegel des
Partenschinsees, so werden wir diese Landschaften im Geiste sicherlich gar
oft mit der charaktervollen Flußlandschaft vergleichen, von der der wuchtige
Nawraberg und die trutzige Schloßruine von Kauernik aufragen.
Fritz Braun.
Abschied.
i§in Birkchen stand am Weizenfeld.
Gab Schatten kaum erst sechzehn Jahr';
Das hat den Bauer sehr erbost,
Daß die paar Fuß der Sonne bar.
Ich ging vorbei, der Bauer schlug,
Dem Stümmchen war so wund und weh,
Es quält die Axt, das Bäumchen ächzt
Und ruft mir zu: „Ade, ade!"
Die Krone schwankt, ein Böglein kam,
Das seinen Frieden hatte dort,
Noch einmal sucht im Hin und Her
Das Krallchen Halt im grünen Port.
Das Bäumchen sinkt, der Vogel fliegt
Mit wirrem Zwitscherlaut ins Land;
Ich schämte niich vor Baum und Tier
Und schloß die Augen mit der Hand.
Detlev v. Liliencron.
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aus einer solchen Reihe entwickelt sich eine zum Karlikauer See hinabführende
Mulde. Wir sehen also in diesem Fall einen genetischen Zusammenhang
zwischen den Pfuhlen und dem See. Ein gewaltiger Pfuhl liegt auch in
dem schmalen, hohen Kiesriegel, der den Karlikauer See vom Glembokisee
trennt. Man hat den Eindruck, als sei hier voreinst ein mächtiger Glet-
scherbach vom Eise herabgeströmt und habe das Bett des Karlikauer Sees
ausgestrudelt; beim Rückgang des Gletschers scheint sich dann zeitweise der
Bachlauf verstopft und bald hier- bald dorthin verlegt zu haben und gleich-
zeitig eine enorme Kiesaufschüttung in der ganzen Umgebung erfolgt zu sein.
Darauf schuf sich das Wasser wieder eine regelmäßigere Bahn und strudelte
Erosionsterrassen des Radanneflusses bei Goschin.
Die alluviale Talsohle ist z. T. mit einer Eiskurste vom Winterhochwasser bedeckt. Jenseits erhebt sich eine
untere Terrasse, über deren Abhang Pflanzgräben laufen. Die steinige Böschung im Vordergrund links
korrespondiert mit dieser Terrasse. Darüber sieht inan jenseits den mit Büschen (Wacholder) bedeckten Ab-
hang der Hochlerrasse.
in stetem Zurückweichen die breite, tiefe Rinne des Glembokisees (— „tiefer
See") aus, an den Rändern die Rinne ruhig überwallend. Die kreisrunden
oder länglichen Pfuhle aber mögen teils von demselben Gewässer, teils von
Nachbarbächen ausgestrndelt sein, die vom steilen Eisrand zu Boden stürzten.
Der Boden ist, wie gesagt, überall Kies und Sand, durchsetzt mit vielen
großen Steinblöcken. Das Ganze ist eine so eigenartig entwickelte End-
moräne, wie man sie in ganz Deutschland kaum irgendwo wiederfindet.
Wie merkwürdig zerschlitzt die Eisgrenze auf der Danziger Höhe und
in der Kaschubei lange Zeit gewesen sein muß, läßt sich bis zu einem gewissen
Grade aus der oberflächlichen Verbreitung der Bodenarten ermitteln. In
der Gegend von Kölvin südlich von Karthaus treten bedeutende, horizontal
gelagerte Tonschichten nicht allein an den Talgehängen, sondern auch auf
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Extrahierte Personennamen: Karthaus
Extrahierte Ortsnamen: Karlikauer_See Goschin Deutschland
140
Breite der Talsohle erscheinen hier die Umrisse der Landschaft viel wuchtiger
als bei Oliva. Neben der Wangelinshöhe muß selbst der hastende Tourist
den Rand des Teufelsgrundes in der Nähe der Försterei Sagorsch aufsuchen.
Der Fernblick über die blau verdämmernden Waldberge und das rege Schmelz-
tal ist von eigenartigem Reiz, und kehrt der Wanderer am Fuße der Berge
nach Sagorsch zurück, so wird er sicherlich mehr als einmal von der Höhe
der Waldhänge überrascht werden. Wenn man durchaus die Fremde zum
Maßstabe der Heimat
machen will, hat man
hier wohl ein Recht, von
einem Klein-Thüringen zu
sprechen.
Ebenso wie die Rand-
berge des Schmelztales
weisen auch die Hänge
des Kielauer Kessels große
landschaftliche Schönhei-
ten auf. Wie der „heilige
Berg" in unmittelbarer
Nähe des Ortes bieten
auch die Höhen im Hinter-
gründe des Kessels, wo
rechts und links Seiten-
täler einmünden, über-
raschend schöne Rundblicke.
Allerdings findet man in
diesen Bergen kaum Weg
und Steg und muß sich
in Waldschlägen oder gar
quer durchs Dickicht em-
porarbeiten. Doch diese
Mühe ist nicht so groß,
daß sie dem frischen Wan-
derer jene grünen Berge
verleiden könnte.
Am dichtesten drängen
sich die Randtäler auf der
Buchenwald bei Psaffenbrunn tut Forstrevier Oliva. Strecke Zoppot — Strieß
zusammen, und diesem Um-
stande verdankt jener Teil des Höhenzuges den Ruf seiner landschaftlichen
Schönheit. Am reichsten hat hier die Natur mit Gaben der Schönheit Oliva
bedacht; die Aussicht vom „Karlsberge" gilt als die schönste der ganzen nord-
deutschen Küste. Gönnen wir Brandstäter das Wort, der, wie wenige, mit
warmem Herzen an den Fluren der Heimat hing:
„Haben wir den Karlsberg bestiegen, so umfaßt der Blick das weite
Panorama mit allen jenen herrlichen Punkten, welche einzeln schon geeignet
wären, einen tiefen und wohltuenden Eindruck auf die Seele zu machen.
Von Redlau streift der Blick an der flachen Küste entlang, über Zoppot,
Karlikau, Saspe, Brösen, Neufahrwasser und Weichselmünde, bis in die
TM Hauptwörter (50): [T18: [Gebirge Berg Teil Rhein Höhe Wald Fluß Alpen Seite Donau], T38: [Boden Wald Land Wiese Wasser Berg Fluß Feld See Dorf], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
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große und kleine Flecken in allen Nuancen des Grün, vermischt mit glän-
zenden, Weißen Tupfen, zu einem stimmungsvollen Bilde. Blickt der Wanderer
auf feine Karte, so findet er in der geschilderten Gegend eine stattliche Wasser-
flüche eingezeichnet, die er erstaunt mit der Wirklichkeit vergleicht. Der
Drausensee mit seiner kämpenreichen Umgebung liegt vvr ihm. Während im
Frühjahr dem Auge tatsächlich eine weite, blaue Fläche sich darbietet, ist
jetzt alles von dichtem Pflanzen
Provinzgrenze
■ Kreisgrenze
.Deich
N. z%sggr= Kämpen.
r-Xm Standorte von
Wolffia arrhiza
wuchs überzogen, ein Ufer ist
nicht mehr zu erkennen, und
nur stellenweise spiegelt sich
der Himmel in offenem Wasser.
Eine packende Szene aus dem
unaufhörlichen Kampf zwischen
Wasser und Land liegt vor dem
Beschauer, wie sie sich in glei-
cher Großartigkeit in unseren
Breiten kaum wiederfindet.
Seit vielen, vielen Jahrhun-
derten berennt das trockene
Element mit seinen Milliarden
von Hilfstruppen ans dem
Reiche der Pflanzen und Tiere
das nasse. Immer enger wird
die Klammer, die der siegreiche
Angreifer seinem Gegner um-
zwängt, immer inniger die Um-
armung, durch die er ihn zu
ersticken droht. Das Schick-
sal, dem alle unsere stehenden
Gewässer mit Sicherheit ver-
fallen, die Verlandung, rückt
> dem Drausen in bedrohlicher
Weise näher und näher. Daß
dieses eigenartige Gebiet für
den Naturforscher von höchstem
Interesse ist, sei er Botaniker,
Zoologe oder Geologe, braucht
kaum erwähnt zu werden. Aber
auch der Naturfreund, der keine Wissenschaft verfolgt, kommt hier auf seine
Kosten Leider wird der Drausen viel zu wenig besucht. Das liegt zum
Teil sicher daran, daß er sich ein wenig abseits vom Verkehr befindet.
Doch wer einen kleinen Fußmarsch nicht scheut, erreicht ihn von Elbing
oder den östlichen Nachbarstationen der Bahnen nach Königsberg und nach
Miswalde ohne große Mühe. Auch gehen fast täglich Dampfer mit
Personenbeförderung von Elbing über den See nach dem Sorgefluß und
ab und zu auch nach dem Oberländer Kanal, der aus seinen berühmten
„schiefen Ebenen" von dem Drausen nach der Höhe^ hinauf steigt. Es ist
der Zweck dieser Zeilen, alle die Sucher nach der Schönheit unseres lieben
Vaterlandes ans dieses Fleckchen Erde aufmerksam zu machen, wo ihnen die
Kartenskizze vom Drausensee.
TM Hauptwörter (50): [T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T24: [Schiff Meer Insel Küste Land Fluß See Wasser Hafen Ufer], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
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205
annähernd ähnliche Molophilus ater Mg. mit verkürzten Flügeln, Urinsekten
(Collembola) oder Springschwänze klettern zwischen dem niederen Pflanzen-
wuchs einher und retten sich durch raschen Rückwärtssprung vor den Ver-
folgungen kleiner Laufkäfer (Peinbidinm, Amara, Harpalus), Spinnen weben
dichte, flächenhaste Netze zwischen dem Kraut, Nacktschnecken benagen die
Blätter, Porcellio rathkei Brdt., eine Assel, sowie mancherlei Milben (Trom-
bidium, Rhyncholophus) machen Jagd auf kleine Beute, kurz, ein reiches,
für unsere Provinz noch wenig genug erforschtes Klein-Tierleben genießt hier
seines Lebens Freuden und endet schließlich nach mancherlei Fährnis Wohl
doch allemal im Magen eines Stärkeren. Das größte Raubtier solchen
Landes ist der Frosch, und zwar wesentlich der Moorfrosch, Rana arvalis
Nilss., dessen var. nigromaculata Woltcrsd. zuerst nach westpreußischen Exem-
plaren unterschieden wurde. Der Maulwurf wühlt ganz gerne in solchem
Revier seine Gänge, findet er doch reichlich Regenwürmer und allerlei Larven
in dem Boden an den Wurzeln. Über die Wiesen hin gaukeln Falter, die
prächtigen Perlmuttersalter, Argynnis laodice Pall., und A. ino Rott., der
dunkle Bläuling, Lycaena optilete Knock), und sein dunkelbrauner Vetter
L. eumedon Esp., selten ist der Feuerfalter Chrysophanus amphidamas Esp.,
der seine Nordostgrenze schon im benachbarten Ostpreußen findet. Häufiger sind
Ooenonympha hero L., C. ipkis Schiss, und C. tiphon Rott., alles Schmetter-
linge, die für feuchte und moorige Wiesen ebenso charakteristisch sind lute
die Nachtfalter Acronycta meoyanthidis Ochsh., Epineuronia cespitis F.,
Tapinostola fulva var. fluxa Tr. und manche andere, die Spanner Aeidalia
muricata Husn., Anaitis paludata var. imbutata Hb. und Perconia stri-
gillaria Hb. Auf den Binsen verursacht der Blattfloh Eivia iuneorum Latr.
gallenartige Veränderungen der Blütenstände, und in seinen Kolonien haust
räuberisch und mordend die Larve einer Gallmückeh, die in der Tucheler
Heide erst neu entdeckt wurde.
Gleich hier sei an die reichere Fauna erinnert, die sich dann ergibt,
wenn Erlen, diese Bäume der Feuchtigkeit, oder Weiden als Gesträuch oder
Baumschlag Abwechselung in die Landschaft bringen. Zwischen den Erlen-
büschen duckt sich der Kranichs), wenn er sich von seinem verborgenen Nest
leise von dannen stiehlt, da brütet auch die Bekassine3). Die Erlen und
mehr noch die Weiden ernähren in Blatt und Stamm eine reiche Jnsekten-
welt, ebenso die Pappel, die sich häufig hineingesellt. Auf Pappelausschlag
finden wir den roten Blattkäfer^) häufig und unter seinen Flügeldecken die
feiste Milbe Linobia coccinellae Scop.
Wie ganz anders bevölkert aber als eine solche torfige Wiese ist doch
eine wiesenartige Lichtung in einem echten, rechten, hochgrünen Laubwald!
3. Laubwald.
Ein Maientag im Grünen, welche Lust! Welches Jubilieren der Vögel,
wie lebt und webt es überall in neu erwachter Daseinsfreude, wie geschäftig
sorgt ein jedes für der lieben Nachkommenschaft gute Unterkunft. ■ Da ist
die Sonne früh aus und mit ihr das lebhafte Volk ihrer besten Freunde.
Der Buchfink kann sich garnicht genug tun, sein frischfröhliches Liedchen zu
g Lestodiplosis liviae Rübs. 2) Grus grus L. 3) Scolopax gallinago. 4) Mela-
soma populi L.
208
Rehes ihre Larvenentwickelung durchlaufen. Blutdürstige Mücken und
Fliegen verschiedener Gattungenx) plagen das Wild im heißen Sommer.
Die Therioplectes-Arten lieben es ganz auffallend, über einer freien
Stelle rüttelnd in der Luft zu stehen O, welch anziehender Anblick für des
Naturfreundes Auge überhaupt ist ein solch sonnendurchglühter Fleck mitten
im Mischwalde, mit mancherlei Blümchen und kühlen Farnkrautgründen
beiseite! Da stehen diesen Blutsaugern ähnlich in der heißen, stillen Luft
die bunten Schwebfliegen^); mit reißendem Flügelschlage halten sie sich
auf einer Stelle still. Da gaukeln mancherlei Falter über die Blumen, da-
bei die reizenden Zipfelfalterchen, die auf der Eiche3 4), der Birkez, selbst
Stenolechia gemmella L., deren Raupe auf Eichen Gallen erzeugt.
auch der seltene, der auf dein Schlehdorns als Raupe lebt. Rotgolden
gesellt sich im Juli der Dnkatenfalterch dazu, dessen Raupe auf der Goldrute
lebt, auf der wir im Herbst wiederum die so eigenartig bunten Raupen der
Mönchseulen7) finden. Blitzenden Funken gleich schwirren Prachtkäfer um
die Gesträuche, und wenn wir uns in diese überreiche Kleintierwelt näher
vertiefen wollten, wir kämen nicht zu Ende unser Leben lang, immer neue
Wunder, immer neue Freuden zu erleben und zu schauen. Wie vieles haben
da unsere westpreußischen Wälder dem geduldigen Forscher geliefert! Eine
große Reihe bis dahin ganz unbekannter Blattwespen wurden in unsern
Laubwäldern als Larven aufgefunden, teils fressend wie Raupen, teils
minierend zwischen Oberseite und Unterseite der Blätter. Ich nenne die
Minierwespen der Birkech, des Leberblümchensch, die große Keulhornblatt-
p Tabanus, Chrysops, Chrysozona, Stomoxys. 0 Svrphidae. 3) Zephyrus quercus £..
4) Zephyrus betulae L. 5) Thecla spini Schiff. 6) Chrysophauus virgaureae L. 7) Cucullia-
Arten. 8) Scolioneura betulae Zadd. 9) Pseudodineura hepaticae Brischke.
217
Schneeeule die bildschöne Sperbereule2), die gelegentlich auch wohl in
Ostpreußen brütet. Sehr kalte Winter führen auch die Schneelerche zu uns,
einen sehr hübschen, kleinen Vogel, der ans der nördlichen Viertelkugel der
Erde von Amerika vordringend allmählich bis nach Skandinavien hin sein
Brutgebiet ausgedehnt hat. In einzelnen Jahren, dann nämlich, wenn die
Zirbelkiefern seiner sibirischen Heimat einen mangelhaften Fruchtertrag gehabt
haben, gesellt sich noch der eigenartige Tannenhäher hinzu, und zwar die
schmalschnäbelige Unterart2); die dickschnäbeligeh, in Skandinavien und den
Ostseeländern bis nach Ostpreußen hinein brütende, kommt häufiger zu uns.
Mit diesem Vogel bevölkern den winterlichen Nadelwald gerne die Kreuz-
schnäbel, deren eine Art2) auch noch als Seltenheit in unseren größeren
Wäldern brütet. Auch der ähnliche Hakengimpel2) ist hier zu nennen.
8. Nadelwald.
Der Nadelwald hat aber auch seine ganz charakteristische Sommersauna.
Charakteristisch zunächst insofern, als die wirklich ausgedehnten Waldkomplexe
bei uns wohl durchweg oder in ganz hervorragendem Anteil aus Nadel-
bäumen, in erster Reihe Kiefern, bestehen. Solche Waldkomplexe ersetzen bei
uns, auch wo sie die Ebene durchziehen, den Hochwald der Gebirge, und alle
die adligen Geschlechter der Tierwelt, die die vornehme Ruhe der Einsamkeit
lieben und zu ihrem Wohlbefinden brauchen, sie ziehen sich bei uns in den
ausgedehnten Nadelwald zurück. Leider läßt unsere Forstkultur kein Wald-
stück mehr recht alt werden und nimmt durch die schließlich im Umtrieb
wiederkehrende Beunruhigung des Holzausschlagens und Neuanschonens diesen
Geschlechtern immer mehr die zu ihrer Erhaltung notwendige Ruhe. Und
gerade unter ihnen sind die Gestalten der Volkspoesie und des Märchens,
von denen das deutsche Kind von klein auf immer wieder hört. Da horstet
der Steinadler7 8), des Tages größter Raubvogel, und der Uhu2), der größeste
der Nacht. Da brütet auf unzugänglicher Astgabel noch der Rabe^), alt-
deutschester Sage geweihter Odinsvogel, sie alle aber werden beunruhigt und
allmählich immer weiter dizimiert, so daß man ihre geringe Zahl schon leicht
übersehen kann. Was besondere Jagdfreude bringt, wird geschont, und so ist
der Auerhahn, einer der ältesten Bürger des wieder besiedelten Landes, noch
vielfach zu treffen. Im Nadelwald hat der schmucke Pirol10) sein Nest, den
die Kinder fröhlich „Junker von Bülow" nennen nach seinem Ruf, und der
prächtig kraftvolle Schwarzspechtu).
Fleißig meißelt er die kranken und von ihren Jnsektenfeinden befallenen
Bäume an, er weiß die zahlreichen Borkenkäserlarven unter der Rinde ebenso
hervorzufinden, wie die ticfsitzenden Larven der großen Holzwespen 12). Diese
Larven lenken unser ganz besonderes Interesse auf ihre Parasiten, denn
vbschon sie tief innen im Holz ihre Gänge fressen, die Schlupfwespen mit
den längsten Stacheln^) wissen sie doch zu ermitteln und bohren nun, schier
unbegreiflich wie, ihren Legestachel, der eines Roßhaares Dicke nicht übersteigt
und 5—6 cm lang wird, direkt durchs Holz dem Opfer in den Leib. Und
ihnen schließt sich Ibalia cultcllatoi- an, ein Unikum in ihrer Familie, nach
*) Nyctea nyctea. 2) Syrnium uralense. 3) Nucifraga caryocatactes f. leptorhynchus.
4) f. macrorhynclms. 5) Loxia pityopsittacus. 6) Pinicola emicleator. 7) Aquila chrysaetos.
8) Bubo maximus. 9) Corvus corax L. 10) Oriolus galbula L. 14) Picus martius L.
12) Sirex, Paururus usw. 13) Ephialtes, Rliyssa.
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Extrahierte Personennamen: Ibalia Aquila
Extrahierte Ortsnamen: Ostpreußen Amerika Skandinavien Skandinavien Holzausschlagens Loxia Paururus Rliyssa
V
— 241 —
gaben erwuchsen dem Kirchenbau durch die Begründung der Evangelischen
Kirche Augsburgischen Bekenntnisses; ihre Gotteshäuser, aus der Zeit von
etwa 1650 bis 1720, haben den reichsten Schmuck kunstvoller Fachwerks-
verbünde.
Ein Gegenstück hierzu sind die ganz aus Holzbohlen errichteten Kirchen,
aus sogenanntem Schurzwerk, die billigste Bauweise, aber für arme Wald-
gebiete die naturgemäße; sie zeitigt uns bodenständige Schöpfungen, deren
eigener Stil von allen anderen
Dorfkirchen stark abweicht. Was
man hier sieht, ist wirklich Volks-
kunst, und für die heimische
Kulturgeschichte steckt in diesen
Aschenbrödeln der Neuzeit ein
überreiches Quellenmaterial.
Für den Wanderer sind
schon von fernher die Kirch-
türme das Merkmal des Dorfes,
der Wegweiser zum Ziele, so,
wie sie für die Gemeinde ein
Wegweiser zur himmlischen Hei-
mat sein sollen. Von hier ertönt
der Glockenklang, der das Gemüt
so wunderbar ergreift und in
tausend Volkssagen gefeiert wird.
Drum gilt der Turm als Wahr-
zeichen, das man ungern ent-
behrte. Es war schon vorhin
der massiven Turmbauten der
Strasburger Gegend und Po-
mesaniens gedacht. Oft aber
fehlt das Geld zum Massivbau,
und ein Holzgerüst ist wegen
seiner Elastizität für die Stand-
sicherheit, wie für die Reinheit
des Klanges vorzuziehen: so
kamen die alten Baumeister von
selbst zu dem hölzernen Glocken-
turm auf niedrigem, massivem Unterbau; eine zierlich vorgekragte Glocken-
laube und ein hoher Helm krönen den Aufbau: wieder mit billigen Mitteln
etwas Schönes und Sachgemäßes!
Auch in Schlesien, Pommern und Mecklenburg ist diese Bauart nicht
fremd, aber es scheint doch, als ob sie im Ordenslande, in Ost- und West-
preußen, am häufigsten war und hier am schönsten ausgebildet wurde.
Gr. Montau, Kunzendorf, Fischau im Marienburger-, Stüblau und
Trutenau im Danziger Werder, oder Lesno in der Kassubei seien als Haupt-
beispiele genannt.
Kleiner, zierlicher, aber doch voller Anmut sind die mit wälschen Hauben
gedeckten Türmchen der Holzkirchen, die malerisch wirksam aus den Laub-
kronen uralter Kirchenlinden hervorlugen.
Kirche zu Rosenthal, Kreis Löbau, Schurzholzbau
von 1761—63.
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