38 Erster Abschnitt.
Schweiz unter fremde Herrschaft zu zwingen; allein die freiheitliebenden Alpenbewohner waren fest entschlossen, alles an die Freiheit zu setzen. — Hatten die Eidgenossen, schon in einer Schlacht gegen die von Kaiser Friedrich Iii. gesendeten französischen Söldnertruppen Wunder der Tapferkeit verrichtet, so stieg ihr Ruhm aufs höchste, als Karl der Kühne von Bnrgund zu ihrer Unterjochung ein Heer ausrüstete. Zweimal besiegt, fiel der stolze Herzog in der dritten Schlacht durch die Hand eines Schweizers.
So gelangte die Eidgenossenschaft allmählich zu einem abgerundeten Gebiete, das als Glied des deutschen Reiches seine Vertretung im Reichstage hatte.
16. Vertrag zu Pavia und Einführung des Erstgeburtsrechtes in der bayrischen Thronfolge.
a. vertrag 311 pavia. Teilungen.
Nachdem Bayern unter den Wittelsbachern schon 1255 in zwei Gebiete geteilt worden war, zerfielen die oberbayrischpfälzischen Lande später abermals in zwei Teile. Diese Teilung fand 1329 in dem Hausvertrag zu H*avia Bestätigung. Nach diesem überließ Ludwig der
132 V
Bayer den Söhnen seines verstorbenen Bruders und ihren Nachkommen die Rheinpfalz und das bayrische Gebiet auf dem linken Donauufer, von nun an Oberpfalz genannt, während er die oberbayrischen Lande behielt. Dadurch entstand die ober- oder altbayrische, auch Ludwig'sche und die pfälzische oder Rudolfsche Linie. Zwischen beiden Linien sollte Wechsel in Führung der Kurwürde bestehen und keine das Recht besitzen, etwas von den Ländereien zu veräußern, da beim Aussterben der einen die andere Erbin werden sollte. Ludwigs Besitzung vergrößerte sich 1340 durch das Aussterben der niederbayrischen Herzoge, wodurch Ober- und Niederbayern wieder bereinigt wurden.
Leider wiederholten sich diese Teilungen innerhalb der beiden Linien immer wieder. Dadurch wurde die Macht der Wittelsbacher sehr zersplittert, weshalb auch die von Kaiser J3ß3~] Ludwig erworbenen Gebiete balb wieber verloren
gingen. Wrok fiel 1363 an Österreich, Wranden-ihttet 1373 au Böhmen und bte niederländischen
1433
Imrg
Grafschaften 1433 an Burgunb.
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22 Erster Abschnitt.
Hoftag in Quedlinburg abgehalten hatte, wo er im höchsten Schimmer seiner Macht strahlte und die Gesandtschaften der Russen, Dänen, Ungarn und Bulgaren empfing, die Könige Polens und Böhmens aber vor ihm als Oberlehensherrn die Knie beugten."
10. Heinrich Ii. der Heilige, 1002—1024. Gründung des Bistums Bamberg, 1007.
Der letzte Herrscher auf Deutschlands Thron aus dem kräftigen und ruhmreichen Sachsenstamme war Heinrich Ii., früher Herzog von Bayern. Bei dem kinderlosen Tode Kaiser Ottos Iii. beanspruchte er das Erbrecht und hatte sich auch der Reichskleinodien bemächtigt. Obwohl noch zwei andere Fürsten nach der Krone trachteten, wurde er trotzdem zu Mainz gewählt und gekrönt und bei seinem Umritt im Reiche von allen Fürsten als König begrüßt.
a. Heinrichs Kämpfe in Deutschland und Italien.
Während sein Vorgänger die Herstellung eines Römer-reiches anstrebte, wandte Heinrich seine ganze Thätigkeit den Angelegenheiten in Deutschland zu und war ganz besonders auf Begründung einer gesetzlichen Ordnung bedacht, wie er auch der Unterdrückung des gemeinen Volkes seitens des übermütigen Adels zu wehren suchte. Gleich zu Anfang seiner Regierung rief ihn die Empörung einiger Fürsten, verbündet mit seinem Bruder, zu den Waffen. Nur mit unsäglicher Mühe und nach jahrelangen Kämpfen gelang es ihm, das kaiserliche Ansehen im Reiche wieder zur Geltung zu bringen und die abgefallenen Grenzländer unter das Scepter zu beugen.
In Italien suchte man ebenfalls die deutsche Herrschaft abzuschütteln, und die Großen wählten einen eigenen König. Bei Heinrichs Annäherung (1004) zerstreute sich jedoch fast ohne Widerstand des Gegners Heer, und in Pavia empfing er die eiserne Krone der Lombarden. — Nach Deutschland zurückgekehrt, wendete er sich gegen den Herzog von Polen, der Böhmen an sich gerissen hatte und in die Ostmark eingedrungen war. Zwar mußte der Gegner Böhmen räumen, wurde aber erst nach 10 jährigem Streite wieder Vasall des
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27. Napoleon I. 2c. 75
Im folgenden Jahre zog Napoleon nach Ägypten, eroberte es (Schlacht bei den Pyramiben 1798) und brang bis Syrien oor. Sein Plan, von hier aus das Mittelmeer zu beherrschen und den Englänberu entgegenzutreten, hatte die Seeschlacht bei Abukir zur Folge, 1798, in welcher der englische Admiral Nelson die französische Flotte vernichtete. Nach verschobenen glünzenben Waffenthaten kehrte Napoleon nach Frankreich zurück, 1798.
Hier hatte unterdessen die Regierung an Ansehen sehr eingebüßt. Ein neuer Krieg war ausgebrochen, in welchem die französischen Heere von ihren uerbünbeten Gegnern wieberholt geschlagen würden. Napoleon stürzte die Regierung und befleibete in der neuen den Posten eines ersten Konsuls, dem monarchische Gewalt verliehen war. Hieraus zog er mit einem starken Heere über den großen St. Bernharb nach Italien und gewann die wichtige Schlacht von Marengo, 1800. Der Felbherr Moreau (moruh) aber schlug die Österreicher bei Koljenkindcn,
1800
worauf Österreich 1801 den Frieden von Lünevill'e schloß, der Rhein und Etsch zu Grenzflüssen Frankreichs machte.
1801
Napoleon stellte nun in Frankreich den christlichen Kultus wieber her, und ließ das Unterrichtswesen, namentlich das höhere, verbessern, schuf viele gemeinnützige Anstalten, baute Brücken, Straßen und Kanäle und verschönerte Paris außerorbeutlich.
b. Napoleon wird Kaiser.
Obgleich viele Morbversnche auf Napoleon gemacht würden, so blieb bersclbe boch unversehrt und verfolgte seine wahren, ober nur vermeintlichen Feinde aufs grausamste. Die Furcht, die beshalb auf den Gemütern lastete, benutzte er bazn, sich zum erblichen Kaiser ernennen zu lassen, 180-1. Zehn Jahre lang hatte Frankreich, hatte Tö7t7 Europa die Tyrannenherrfchaft des Gewaltigen zu tragen.
c. Austerlitz.
1805 kam ein neues Büubuis zwischen England, Ruß-taub, Österreich 2c. gegen Napoleon zu stände. Dieser rückte — nach Gefangcnnehmung des unfähigen Generals Mack
4*
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siegreichen Legionen, um Euch zu sagen, da Ihr Euch um das Vaterland wohl verdient gemacht habt." Dem General Canrobert gewhrte er den Vorzug, diesen Triumphzug zu führen mit den Worten: Setzen Sie sich an die Spitze dieser Armee, die Sie Frankreich erhalten haben," und der neue Marschall von Frankreich, Pelissier, erhielt den Titel eines Herzogs von Malakoff. Das franzsische Volk, besonders das von Paris, hatte alle Ursache, sich in der gehobensten Stimmung zu fhlen. Im Mai 1855 wurde zu Paris die zweite der groen Weltausstellungen erffnet, die nicht nur eine Menge Besucher, unter ihnen die hchsten Hupter, in diese Weltstadt lockte, sondern auch die franzsische Industrie im glnzendsten Lichte zeigte und der franzsischen Eitelkeit schmeichelte. Jetzt nach der Heimkehr des siegreichen Heeres schwelgte man in den Heldenthaten der ruhmgekrnten Krieger, und als nun im Februar des Jahres 1856 der Friedenskongre in Paris erffnet ward, da ward es der Nation klar, da Paris der Mittelpunkt der Welt sei und da Frankreich unter der Leitung eines berlegenen Herrschergeistes seine hervorragende Stellung in Europa, sein prestige, wiedergewonnen habe. Noch war der Congre zusammen, als die Geburt eines Thronerben, des Prinzen Napoleon Eugen, diese glckliche Zeit des Kaiserreichs verherrlichte (16. Mrz 1856). Der Papst versumte nicht, dem neuen Kinde Frankreichs", wie der neugeborene Knabe nach altmonarchischem Brauch genannt ward, telegraphisch seinen Segen zu schicken. Der russische Bevollmchtigte, Graf Orloff, brachte schon am frhen Morgen in groer Uniform in den Tuilerien seinen Glck-Wunsch dar, der erste in der langen Reihe, die nun folgte; der Kaiser aber konnte nicht umhin, in seiner Antwort an ,,die groen Staatskrper" die Worte auszusprechen: da er trotz der einstimmigen Glcksrufe sich nicht enthalten knne, an die Geschicke derer zu denken, welche an demselben Orte und unter hnlichen Umstnden geboren worden seien". Als bald darauf der Friedensvertrag vollzogen war, konnte sich, wie bereits bemerkt, Napoleon fr den ersten Mann in Europa halten, fr den Schiedsrichter der europischen Politik.
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111 -
auch das Manifest des Kaisers angekommen, das unbedingte Unterwerfung forderte und den Einmarsch der russischen Trup-Pen ankndigte und auch Graf Jezierski meldete, da der Kaiser Unterwerfung auf Gnade und Ungnade verlange oder mit Krieg drobe. Nun wurde die polnische Streitmacht in und um Warschau aufgestellt, zu welcher Freiwillige aus allen Theilen des Landes mit Begeisterung herbeistrmten. Die Bewegungspartei verlangte jetzt, da Clopieki mit allen ver-fgbaren Truppen gegen Litthauen zge. Die Besetzung dieser groen Provinz konnte die polnische Streitmacht verdoppeln, und den Anschlu von Samogitien, Podolien und Volhynien nach sich ziehen, da alle diese Gegenden damals (Jan. 1831) von den Russen nur schwach besetzt waren. Allein Clopieki, immer noch in dem Wahne befangen, es lasse sich dem Czaren gegenber noch eine friedliche Vermittelung auffinden, weigerte seine Zustimmung. Man enthob ihn deshalb der Dictatur, wollte ihn aber verpflichten, den Oberbefehl der das Heer noch beizubehalten- Er lehnte dies ab, versprach aber dem neuen Oberbefehlshaber seinen Rath und dem Kampfe frs Vaterland seinen Arm nicht zu entziehen.
Der Reichstag erklrte am 25. Januar 1831 auf Antrag des Grafen Soltyk das Haus Romanow des polnischen Thrones verlustig, setzte eine Regierung von fnf Mnnern ein, in welcher Czartoryski Prsident und Lelewel der einzige Demokrat war, und bertrug dem Fürsten Radziwill den Heer-beseht. Wie Clopicki's Versumni, zur rechten Zeit in Lit-thauen einzurcken, durch Nichts wieder auszugleichen war, so lieen auch die folgenden, meist der demokratischen Partei ungehrigen Fhrer, in einem Kampfe, der mit dem Muthe der Verzweiflung gefhrt werden mute, unter diplomatischen Rcksichten die kostbarste Zeit zum Handeln ungentzt ver-streichen. Das polnische Heer war trefflich gerstet und von Begeisterung erfllt; tdtlicher Ha gegen Rußland beseelte die Offiziere und Soldaten, die vor Ungeduld brannten, sich mit den Russen zu messen. Aber unter den Generalen war kein Einziger, der die Stelle eines Generalissimus vollkommen auszufllen vermocht htte, und dazu kam noch ihre Uneinig-feit, die alle Tapferkeit des Heeres und Begeisterung des Volkes erfolglos machte.
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177
in ihm einen Charakter entwickelt, der sich in jede Lage des Lebens zu fgen wute, und seinen natrlichen Scharfsinn zu einem hohen Grade von Feinheit ausgebildet, mit dem er eine ausgebildete Welt- und Menschenkenntni verband. Zeuge des hchsten Steigens und des tiefsten Falles menschlicher Gre, hatte er, wenn auch persnlich ohne Furcht, sich einer gewissen Vorsicht und Bedchtigkeit des Handelns hingegeben und den Geist des Zweifels und des Mitrauens in irdisches Glck in sich aufgenommen. Ohne entschiedene Ueberzeugung und Richtung huldigte er einer klugen Berechnung der jedes-maligen Verhltnisse, war aber zugleich ein Gegner aller Unordnung und Gewaltsamkeit und stets zu Milde und Mensch-lichkeit geneigt. Obgleich den ltesten Regentenfamilien an-gehrig, war er in den Augen des Volkes nur ein Empor-kmmling, ohne jede Kraft und Gre, die das Heer oder die Massen mit sich htte fortreien knnen und die der Franzose von je her von seinen Herrschern zu fordern geneigt war. Wenn auch Ludwig Philipp weder die bevorrechteten Stnde, die ihm jedoch meist feindlich gegenber standen, noch die Massen, die aber erst fr das politische Leben heranzubilden waren, von sich entfernt hielt, so sttzte er doch seinen Thron vorzugsweise auf den gebildeten und wohlhabenden Mittelstand, die sogenannte Bourgeoisie, und gab in den ersten Jahren seiner Regierung viel auf die Gunst der Nationalgarde, in der er die vornehmste Sttze seiner Krone erkannte. Er richtete keinen Hof ein, der zwischen ihm und der Nation gestanden htte, und sein Privatleben blieb dasselbe wie zu der Zeit, wo er nur der erste Prinz von Geblt gewesen. Seine jngeren Shne wurden nach wie vor in den ffentlichen Anstalten erzogen. Er entlie die Schweizerregimenter und fhrte keine Haus-truppen ein, suchte aber das stehende Heer dadurch an sich zu ziehen, da er abwechselnd alle Regimenter zur Besetzung von Paris und der Umgegend herbeirief. Ueberall, wo Ludwig Philipp, der seine Ehre darein setzte, Brgerknig zu sein und zu heien, sich ffentlich zeigte, wurde er in der ersten Zeit mit Begeisterung aufgenommen, und Alles, mit Ausnahme der Anhnger Karls X., berlie sich der lieber ' Zeugung, an dem Ziele der mit 1789 begonnenen Umwlzungen angelangt zu sein.
Stacke, neueste Geschichte. 3. Aufl. 12
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Extrahierte Personennamen: Ludwig_Philipp Ludwig Philipp Ludwig_Philipp Ludwig Philipp Karls_X.
321
Ideen mit auf den Thron, nach denen er Frankreich zu be-herrschen gedachte, und machte sich die Fehler seiner Vorgnger zu Nutzen, indem er sie zu vermeiden suchte. Whrend die demokratische Richtung des franzsischen Volkes auf der einen Seite freie Berechtigung des Talentes, Freiheit der Arbeit und des Verkehrs und allgemeines Stimmrecht verlangte, sollte auf der anderen alle Macht in der Hand des Kaisers vereinigt werden. Damit hing Beschrnkung der Kammern und der Presse nothwendig zusammen; Kirche und Klerus sollten geehrt, aber ohne Einflu auf die Staatsverwaltung dastehen. Die Frage der Anerkennung des neuen Kaiserthums erledigte sich leicht, da die meisten europischen Hfe froh waren, auf diese Weise dem drohenden Gespenste einer fran-zsischen Republik entgangen zu sein. England erkannte zuerst das neue Kaiserreich an; auch den brigen Mchten blieb nichts Anderes brig; am lngsten zgerten die Ostmchte. Der russische Kaiser Nicolaus, in seinem Hasse gegen das Volkssouverainettsprincip und in der Voraussicht, der demo-kratische Kaiser werde des Kriegsruhmes bedrfen, erkannte Napoleon Iii. zuletzt an, wobei er ihm die unter Monarchen bliche Anrede raon frere versagte und ihm nur den Titel mon ami gewhrte. Als sich Napoleon Iii. nach einer Ge-mahlin aus altfrstlichem Hause umsah, schlugen verschiedene Versuche, wie seine Bewerbungen um die Prinzessin Kariota von Wasa, fehl, worauf er sich am 30. Januar 1853 mit der aus altspanischem Grandengeschlechte entsprossenen Grfin Eugenie von Montijo vermhlte, einer Dame von hoher Schnheit, aber oberflchlicher Bildung, die in der Folge durch ihren frivolen Luxus auf dem Gebiete der Mode, so wie als Werkzeug der Klerikalen auf die franzsische Nation und ihre Geschicke einen verderblichen Einflu bte. Bei seiner Ver-whlung scheint er im Hinblick auf die erfahrene Zurcksetzung sich in stolzer Bescheidenheit einen Emporkmmling (parvenu) genannt zu haben. Um jedoch dem Auslande alle Besorgni vor Napoleonischen Eroberungsgelsten zu benehmen, erklrte er, mit Europa in Frieden leben zu wollen, wofern man der Ehre Frankreichs nicht zu nahe trete.
Dem Kaiser, der mit fast diktatorischer Macht ausgestattet war, stand ein Senat zur Seite, dessen Mitglieder reichlich
Stacke, neueste Geschichte. . Aufl. 21
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Extrahierte Personennamen: Nicolaus Napoleon Napoleon Kariota_von_Wasa Eugenie_von_Montijo
Extrahierte Ortsnamen: Frankreich Europa Frankreichs
105
also eine selbststndige politische Existenz. In der Folge jedoch, als in Alexander Mitrauen und Argwohn gegen jedes unab-hngige Volksleben auftauchten, hatte er sich in Hinsicht auf Censur und Oeffentlichkeit der Verhandlungen im Reichstage zu manchen Beschrnkungen der Verfassung veranlat ge-funben. Indessen war die russische Regierung zu Alexanders Zeit immer noch mit einer gewissen Migung verfahren; anders aber gestaltete sich das Verhltni, als Kaiser Nico-laus den Thron bestieg, der zwar die ueren Formen der Verfassung bestehen lie, aber ihre einzelnen Bestimmungen fters verletzte.*) Was brigens ueres Glck, Ruhe und Wohlstand anbetrifft, so befand sich Polen unter russischem Scepter wohler, als zur Zeit seiner frheren Selbststndigkeit. Es herrschte Ordnung in der gesammten Verwaltung, und Unparteilichkeit in der Rechtspflege. Volksunterricht, Acker-bau, Handel und Kunstflei erfreuten sich der Begnstigung der Regierung. Aber alle diese Wohlthaten vermochten in den Polen die Erinnerungen an die verlorene Unabhngigkeit nicht zu erlschen. Man fhlte, da die verliehene Freiheit nur die Gnadenerweisung eines fremden Gebieters, kein sicher erworbenes Recht sei. Mit bitterem Schmerze gedachten die Polen ihrer frheren Selbststndigkeit, der Macht und Gre ihres alten Reiches und der glorreichen Thaten ihrer Ahnen; der Gedanke an die Theilungen ihres Staates, an Rulands Gewaltthtigkeiten erfllten den Geist der zertretenen Nation und forderte sie, wie ein blutiger Schatten, zur Wiederher-stellung der alten Herrlichkeit auf.
Wenn aber auch in allen Schichten der Gesellschaft eine russenfeindliche Gesinnung herrschte, so war man doch der Mittel und Wege, zu einer politischen Wiedergeburt Polens zu gelangen, verschiedener Meinung. Eine Partei, die beson-
*) In die Verschwrung beim Regierungsantritt des Kaisers waren auch einige hundert vornehme Polen verwickelt. Sie wurden einer Mi-litrcommission berwiesen, und erst auf die Beschwerden der Polen, deren Verfassung hierdurch verletzt war, vor den polnischen Senat ge-stellt. Die ffentliche Meinung sprach sich zu Gunsten der Angeklagten aus, und der Senat, eben so gesinnt, sprach sie frei. Diese Freisprechung rief den grten Unwillen in Nicolaus hervor, so da er mitrauischer und strenger gegen die Polen wurde.
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Extrahierte Personennamen: Alexander_Mitrauen Alexander Alexanders
Extrahierte Ortsnamen: Polens Polen Nicolaus Polen
113 -
zurcklieen. *) Nun legte Fürst Radziwill, welchem der schwer verwundete Clopicki, bisher die Seele der militrischen Bewegungen. nicht mehr zur Seite stehen konnte, den Oberbefehl nieder; an seine Stelle trat Skrzynecki.
Dieser, bedeutend jnger als Clopicki, bertraf ihn an Geist und Bildung, besonders an diplomatischer Gewandtheit, stand ihm aber an militrischen Erfahrungen nach und war, wie alle polnischen Generale, mehr zum Divisionsgeneral als zum eigentlichen Feldherrn geeignet. Skrzynecki, ein frommer Katholik, fhrte auch das religise Element in den Kampf, indem er dem polnischen Volke die Russen nicht blos als Feinde, sondern auch als Unterdrcker ihres Glaubens dar-stellte. Da er brigens, wie Clopicki, von der Unmglichkeit berzeugt war, den Russen auf die Dauer mit den alleinigen Mitteln Polens widerstehen zu knnen, so lie er sich mit Diebitsch in Unterhandlungen ein. Aber Diebitsch verlangte zunchst die Zurcknahme der Ausschlieung des Hauses Ro-manow, Skrzynecki dagegen Brgschaften und Sicherheiten fr Polen, die der russische Feldmarschall ohne Genehmigung des Czaren nicht gewhren konnte. So zerschlugen sich die Unterhandlungen, und Skrzynecki hatte die beste Gelegenheit versumt, die Blen Diebitsch's, der sein Heer in kleinere Abtheilungen zersplitterte und auf das linke Weichselufer ber-gehen wollte, zu benutzen, die einzelnen Corps anzugreifen und zu vernichten. Zwar vereinigte Skrzynecki auf den Rath des ihm in strategischer Hinsicht berlegenen Prondzynski seine Truppen und gewann innerhalb zehn Tagen eine Reihe von Gefechten, die dem Feinde, auer den Todten und Verwun-beten, 10,000 Gefangene kosteten, aber diese Vortheile vom 31. Mrz bis zum 10. April, die in ganz Europa mit Freuden begrt wurden, waren auch die letzten Siegesblitze, die dem fr seine Freiheit kmpfenden Volke leuchteten.
Nun folgte eine Reihe von Unfllen. Die Versuche, die frher versumten Einflle in die altpolnischen Provinzen
*) Uebrigens zeigte sich auch in vieser Schlacht wieder die leidige Uneinigkeit der polnischen Generale. Wollte doch der General Krn-kowiecki dem Befehle Clopicki's nicht gehorchen, da dieser ferne eigentliche Charge besa! Und doch wute das ganze Heer, da er der eigentliche Generalissimus war.
Stacke, neueste Geschichte. 3. Aufl. 8
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226
des Epaminondas und hatte Gelegenheit, sich nach dem Vor-
bilde dieses großen Thebaners zum tüchtigen Feldherrn und
Krieger auszubilden: vor Allem aber lernte er in Theben
die Verwirrungen und Zerwürfnisse, so wie das Sittenver-
derbniß der Griechischen Staaten kennen.
Nach dem Tode des Macedonischen Königs Perdikkas
machte Philipp Ansprüche auf den erledigten Thron: doch be-
fand er sich Anfangs in einer sehr schwierigen Lage, da sich
mehrere Bewerber um den Thron erhoben, und das Reich
von allen Seiten durch furchtbare Feinde bedroht ward.
Dennoch verlor Philipp den Muth nicht; er besaß Selbstver-
trauen genug, alle seine Feinde überwinden zu können: freilich
war ihm auch jedes Mittel recht, wenn es nur zum Ziele
führte, und neben Tapferkeit, Feldherrntalent, rastloser Thä-
tigkeit und kluger Benutzung der Umstände verschmähte er
auch Treulosigkeit nicht zur Schwächung und Ueberlistung
seiner Feinde. Stets unterhielt er in den Griechischen Städten
für große Summen Verräther unter den Bürgern, die, durch
seine Bestechungen gewonnen, die Freiheit ihres Vaterlandes
an den fremden Eroberer verkauften.
Durch List und Klugheit entledigte er sich bald der an-
deren Kronbewerber und schlug die Barbaren, die von Norden
und Westen das Reich bedrohten, in blutigen Schlachten.
Durch sein freundliches und herablassendes Wesen hatte er
seine Macedonier so für sich gewonnen, daß sie ihn mit Ueber-
gehung jedes Andern zum König wählten.
In seinen Kriegen gegen die barbarischen Nachbaren
bildete er sich ein geübtes und furchtbares Heer, dem er durch
eine eigenthümliche Schlachtordnung, welche er von Epami-
nondas erlernt und dann vervollkommnet hatte, den Ruhm
der Unüberwindlichkeit verschaffte. Diese Schlachtordnung
war die sogenannte Macedonische Phalanx: 8000 Mann
schwerbewaffnete Krieger standen 16 Reihen tief hintereinander
und hielten ihre 14 bis 16 Fuß langen Speere vor, so daß
diese keilförmige Masse einen undurchdringlichen Wald von
Speeren bildete und schon durch einen bloßen Anblick Furcht
einflößte. Lange Zeit galt diese Phalanx für unbesiegbar,
und erst in späterer Zeit unterlag sie der römischen Kriegs-
kunst.
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