12
Alte Geschichte.
Pelusium, zu denen späterhin noch Alexandria kam. Eine Meile
von Alexandrien lag die Insel Pharos mit dem berühmten Lenchtthurm,
der zu den Wundern der alten Welt gehörte. Unterägypten hat sich erst
nach und nach durch Anhäufung des Nilschlammes über das Meer erhoben;
der äußerste, von zwei Nilarmen und dem Mittelmecr eingeschlossene Theil
hat die Gestalt eines Dreiecks und führt den Namen „Delta".
2. Aegypten ist wahrscheinlich von Aethiopien her bevölkert worden.
Der erste Staat soll Meroe — in der Gegend, wo die Zweige des
Nil sich zu einem Fluß vereinigen — gewesen sein. Von hier aus folgten
die meisten Kolonisten dem Laufe des Nil, einige aber wandten sich nach
der Oase Ammonium, die westlich von Aegypten in der lybischen Wüste
liegt, und gründeten daselbst das berühmte Orakel des Jupiter Ammon.
Zeitig waren die Aegypter gute Ackerbauer, doch verstanden sie auch aus
der Byssuöstaude feine Gewänder und aus der Papyrusstaude taugliches
Hiero- Papier zu bereiten. Zur Auszeichnung ihrer Gedanken bedienten sie sich
glyphen. einer Bilderschrift, der sogenannten Hieroglyphen, bei der z. B. Muth,
Wachsamkeit, Fleiß durch Abbildung des Löwen, des Hundes und der
Biene, welchen Thieren 'diese Eigenschaften zukommen, ausgedrückt werden.
In der Naturkunde waren die Aegypter nicht unerfahren; schon 1300 v.
Chr. nahmen sie das Jahr zu 365 Tagen und 6 Stunden an; auch wußten
ja die Priester einige Wunder des Moses nachzuahmen. Ebenso wurde
Rechnen und Feldmeßkunst von ihnen betrieben und war letztere um so
nothwendiger, da die Ueberschwemmung des Nil sämmtliche Grenzen der
Ländereien verwischte. Das Bedeutendste aber leisteten sie in der Baukunst,
wo sie, ähnlich dm Indern, durch ungeheure Größe zu wirken suchten.
Die Obelisken, die Pyramiden und das Labyrinth sind sprechende Zeugen
Das 100- dafür. Nicht minder merkwürdig sind jedoch die Trümmer von Tempeln
thorige und Palästen, welche sich an der Stelle Thebens, „der hundertthorigen
Theben. Stadt", befinden. Hier sieht man die Reste eines großen Palastes, welcher
von 2 Höfen umgeben war. Zu dem ersten Hof führt eine- hohe eherne
Pforte, zu dem zweiten ein kleineres Thor. Die Mauern haben eine
Stärke von 30 — 50 Fuß, die Wände der Säle und Gemächer sind mit
zahlreichen Bildwerken versehen. Auf der einen Seite ist eine Landschaft
dargestellt; der König, in kolossaler Figur, ist inmitten der Schlacht; er
steht auf seinem Kriegöwagen und ist mit Lanze, Bogen und Pfeil bewehrt;
auf der andern Seite bemerkt man ein Seegefecht; der König, erschlagene
Feinde zu seinen Füßen, erwartet die Entscheidung am Ufer. In einer
benachbarten Ebene findet man umgestürzte Bildsäulen, Kolosse von 65 Fuß
Memnonö- Höhe und 30 Fuß Umfang; dabei die aus einem Stein gehauene Mem-
säule. no ns sä ule, von der man erzählt, daß sie beim Aufgang der Sonne
einen wunderbaren Klang von sich gegeben habe. Auch trifft man allda
eine lange Allee von kolossalen Sphinxen, welche ruhenden Löwen mit
Menschenantlitz gleichen. Die Trümmer überhaupt nehmen mehrere Meilen
ein und werden nach den heute daselbst liegenden Dörfern (Karnak, Luxor,
Medinat-Abu) benannt.
3. Das ägyptische Volk war in sieben von einander streng gesonderte
Sieben Kasten getheilt und bestand aus: 1) P r i e st e rn, 2) Kr i e g ern, 3) A cke r-
Kasten. bauern, 4) Handwerkern, 5) Schiffern, 6) Dolmetschern und
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TM Hauptwörter (100): [T47: [Wüste Meer Land Nil Hochland Fluß Gebirge Euphrat Tigris See], T76: [Stadt Straße Haus Schloß Kirche Gebäude Mauer Platz Garten Dorf], T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T82: [Hand Pferd Schwert Fuß Schild Kopf Waffe Lanze Ritter Mann]]
TM Hauptwörter (200): [T115: [Tempel Stadt Rom Zeit Athen Pyramide Bau Ruine Denkmal Säule], T104: [Nil Meer Wüste Afrika Küste Land Sahara Gebiet Sudan Fluß], T89: [Wasser Fluß Quelle Bach See Erde Boden Brunnen Land Ufer], T131: [Licht Erde Sonne Körper Auge Himmel Bild Gegenstand Luft Wolke], T0: [Kirche Haus Gebäude Stadt Straße Säule Platz Fenster Seite Palast]]
Vi
die neue Zeit verwenden, eine Anordnung, von deren auch sonstiger wei-
ten Verbreitung die Lehrpläne hinlänglich Zeugniß geben. Bei einer in
dieser Weise ausgedehnten Behandlung wird aber dem Schüler, je höher
er aufrückt, desto mehr das auf früheren Stufen Erlernte wieder ent-
schwinden. Ein zweiter Uebelstand wird dann der sein, daß, da in Folge
der nöthigen Anbequemung des Vortrags an den jedesmaligen Stand-
punkt der geistigen Entwickelung des Schülers, die alte Geschichte z. B.
für eine untere Abtheilung, nach Inhalt und Form eine ganz andere
sein muß, als für eine höhere, bei dem Schüler eine ungleichmäßige und
so zu sagen, ungerechte Anschanungsform der verschiedenen Geschichtsperi-
oden entsteht. Ein_ dritter unvermeidlicher Uebelstand endlich ist der, daß
alle die Schüler, die, ihrer Verhältnisse halber, auf nicht lange Zeit eine
höhere Anstalt besuchen — und ihre Anzahl ist nicht gering — mit einer
mitten abgebrochenen Geschichtskenntniß abgehen. Ihr Wissen geht bis
zum Untergange Westroms, bis zur Reformation, oder es fängt bei den
genannten Punkten erst an, das Uebrige ist ihnen meist unbekannt ge-
blieben. Und doch ist es wünschenswerth und selbst Pflicht der Schule,
daß auch früher abgehende Schüler einen einigermaßen vollständigen
Ueberblick der Geschichte mit in's Leben hinübernehmen.
Es bedarf daher, um den erwähnten Nachtheilen auszuweichen,
vor Allem einer andern, pädagogischen Vertheilung des Unter-
richtsstoffes. Wir meinen aber, es könne eine solche Auswahl des
historischen Materials stattfinden, daß dem Schüler im Laufe jedes Schul-
jahres aus dem ganzen Umfange der Geschichte Bilder vorgeführt und
diese so geordnet werden, daß sie für denselben ein Ganzes, wenn auch
nur ein relatives Ganzes, bilden. Schon die unterste Klasse würde also,
wenn auch in einem nach Form und Inhalt möglichst elementaren Kur-
sus, Biographien ans allen Zeiträumen kennen lernen. In der folgen-
den würden dieselben, jedoch unter Einreihung von eben so viel neuen,
gedrängt wiederholt: dies Alles mit tieferer Auffasfunb, sowie zugleich
mit umfassenderer Einführung in den jedesmaligen Zeitraum. Auf der
dritten Stufe endlich erfolgte wiederum ein successives Durchwandern
der ganzen Geschichte auf Grund der beiden frühern Kurse, in Verbin-
dung mit steter intensiver und extensiver Erweiterung. Z
Durch eine solche Vertheilung würde, glauben wir, den oben gerügten
Uebelständen vorgebeugt. Der Schüler würde durch eine so durchgrei-
fende Wiederholung möglichst vor dem Vergessen bewahrt werden;
ferner würde durch die, in den beiden nachfolgendeil Kursen dem reife-
ren Alter des Schülers entsprechenden Erweiterungen eine gleichmäßigere
und tiefere Auffassung vermittelt; endlich würde selbst dem Schüler, der
nur eine oder zwei untere Klassen besuchte, der Umfang der ganzen Ge-
i) Wir haben diese also aufsteigenden Kurse auf dem Titel als „koncentrisch sich
erweiternde" bezeichnet, und in ähnlicher Weise auch Lehrbücher für die deutsche
Sprache und die Geographie bearbeitet. Vergl. :' „Deutsche Schulgrammatik für
höhere Schulen,, von Lehrern der Realschule zu Annaberg. In drei Kursen. Hildburg-
hausen, L. Nonne's Verlag. Dritte Auflage. — Elemente der Geographie in Karten
und Tert, methodisch dargestellt von Dr. Stößner. In drei Kursen. Annaberg Rudolph
und Dieterici. Dritte Auflage.
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
TM Hauptwörter (100): [T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit], T43: [Zeit Volk Jahrhundert Geschichte Reich Staat Leben Kultur Deutschland Mittelalter], T3: [Lage Karte Land Europa Geographie Klima Größe Verhältnis Grenze Gliederung]]
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Rückblick auf die Kultur und Literatur.
61
und Sinnenlust als Lebenszweck hin und bildeten den Epikur ei ömus
zur Philosophie der Verweichlichung und Wollust aus.
Nur in einem Schüler des Sokrates, in Plato erlangt die Philo-
sophie des großen Meisters eine harmonische Fortbildung bis zur all-
seitigen Vollendung. Plato, geb. 429, der Stifter der akademischen Plato.
Schule, wurde wegen Erhabenheit seiner Ideen schon im Alterthum „der
Göttliche" genannt. Von ihm besitzen wir noch 36 Dialoge, welche sich
ebenso sehr durch eine blühende, edele und reine Sprache, als durch
Würde und Vortrefslichkeit der Gedanken auszeichnen. — Eine selbst-
ständige , Plato zum Theil entgegengesetzte Richtung nahm dessen größter
Schüler Aristoteles, geb. 384. Seine Schule heißt die peripatetische Aristoteles,
(herumwandernde), weil er, in den Schattengängen des Lyceums herum-
waudernd, seine Schüler unterrichtete. Er geht von der Erfahrung als
der Quelle aller wahren Erkenntniß aus, sucht durch Beobachtung und
Zusammenstellung des Besonderen zum Allgemeinen fortzuschreiten und
so am Einzelnen und Vorübergehenden die Spuren des Ganzen und
Ewigen zu erfassen. Er ist daher Begründer des wissenschaftlichen Realis-
mus , während Plato dem Idealismus huldigte.
4. Glicht allein auf die Philosophie übte die Redekunst ihren Einfluß
aus, sondern auch auf die Geschichtschreibung, indem diese — was schon
bei Lenophon hervortritt — nach und nach rhetorisirend wird. Die dar-
stellende Kunst hingegen entfaltete sich trotz der politischen Stürme in
allen ihren Zweigen zur Vollendung. Als Maler glänzte Apelles, von Apelles.
dem sich Alexander d. Gr. malen ließ. In der späteren Zeit trat diese
Kunst mehr als Künstelei auf. Die Bildhauerkunst ging in dieser
Periode von dem sogenannten hohen Styl, der sich durch gefällige Umrisse,
Schönheit, Größe und Erhabenheit auszeichnete, zu dem schönen Styl
über. Der Schöpfer dieses Styls, durch welchen die Bildhauerkunst zu
ihrer Vollendung gebracht wurde, war Praxiteles. Lieben ihm ver- Praxiteles,
dient rühmliche Erwähnung Agcsander, der mit seinen Söhnen die Agesander.
vortreffliche Gruppe des Laokoon verfertigte. Die Baukunst, welche
schon durch Perikles zur Vollendung gebracht worden, erhielt sich lange
in Blüthe. Doch in der mazedonischen Zeit sing man au, die Gebäude
mit Zieraten zu überladen, wodurch der Grund zu dem allmäligeu Ver-
fall dieser Kunst gelegt ward.
5. Als Griechenland eine römische Provinz geworden war, fand die
griechische Kunst und Literatur in Rom eine Freistätte. Dahin wandten
sich viele ausgezeichnete Griechen und brachten ihrem neuen Herrn einen
regen Sinn für Kunst und Wissenschaft mit. Die Besiegten wurden
Lehrer und Bildner ihrer Sieger. Und das Licht, das hier angezündet
wurde, leuchtete fort und fort durch alle Jahrhunderte, durch alle Länder
und Völker, die auf wahre Bildung Anspruch macheu, bis auf unsere
Zeit hinauf. Mag auch Griechenland tief von seiner wissenschaftlichen und
politischen Höhe hinabgesunken sein: ein schöner Triumph ist ihm geblieben,
der Triumph mit seiner alten geistigen Kraft die ganze gebildete Welt zu
beherrschen für und für.
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Extrahierte Personennamen: Alexander_d Alexander Praxiteles
Extrahierte Ortsnamen: Griechenland Rom Griechenland
90
Alte Geschichte.
Unterdrü-
ckung der
Verschwö-
rung.
Cicero.
ner befand, der Verabredung gemäß aufheben und bekam durch die Briefe
auch schriftliche Beweise von dem frevelhaften Unternehmen in die Hand.
legte sie dem Senate vor (am 3. Dezember) und darauf wurden die
Schuldigen, fünf an der Zahl, in Haft genommen. Die Sitzung des
Senats hatte bis gegen Abend gedauert. Da eilte Cicero nach dem
Markte, um dem Volke, welches ihn hier mit Ungeduld erwartete, das
Ergebniß mitzutheilen (in der 3. Rede vom 3. Dezember). Mit Entsetzen
vernahm die Menge, welchem Unglück sie entgangen sei, und pries den
Muth und die Weisheit des Konsuls. Am 5. Dezember versammelte sich
der Senat, um über das Schicksal der Gefangenen zu entscheiden. Die
Senatoren stimmten für den Tod, bis die Reihe an Cäsar, den erwähl-
ten Prätor, kam. Dieser erklärte, es sei gesetzwidrig und gefährlich, ohne
förmlichen Prozeß auf Todesstrafe zu erkennen, und trug auf ewige Ge-
fangenschaft an. Dagegen erhob sich Cicero in seiner vierten Rede und
wurde von M. P. Kato (Iltieensis) kräftig unterstützt, so daß man die
Todesstrafe beschloß. Dieselbe wurde sogleich im Kerker an den Verschwo-
renen vollzogen. Mit den Worten: „Sie haben gelebt!" verkündigte
Cicero dem Volke die Vollstreckung des Urtheils und ward von ihm, wie
im Triumphe, nach Hause geleitet.
Nun schritt man gegen Katilina mit Waffengewalt vor. Der Empörer
fand in der Schlacht bei Pistoja *) nach muthvollem Kampf seinen
Tod (62).
3. So war es Cicero gelungen, die Stadt aus einer großen Gefahr
zu erretten. Ihm wurde ein Dankfest veranstaltet und auf Kato's Antrag
sogar der ehrenvolle Namen „Vater des Vaterlandes" beigelegt. Dieses
mußte einen: Manne schmeicheln, der nur ein Neuling (homo novus) und
doch der erste Römer war, welchem dieser glänzende Titel beigelegt wurde.
Markus Tullius Cicero war im Jahr 107 v. Chr. zu Arpi-
num1), der Vaterstadt des Marius, geboren. Er stammte aus einem
wohlhabenden Rittergeschlecht und erhielt von seinem Vater die erste Bil-
dung. Früh zeigte er das Verlangen, „immer der Beste zu sein und empor-
zustreben vor Allen". Zu Rom, wo er seit seinem zwölften Jahre von
griechischen Lehrern weiteren Unterricht empfing, erregte er durch schnelle
Fassungskraft und große Wißbegierde allgemeine Bewunderung. Als Jüng-
ling legte er sich mit allem Eifer auf das Studium des bürgerlichen Rechts
und der öffentlichen Beredtsamkeit. Bereits in seinem 26. Jahre gab er
als Sachwalter glänzende Beweise seines Rednertalents. Seine erste Ver-
thcidigungsrede war so überzeugend, daß der Angeklagte (Roscius) unter
dem Beifall der Zuhörer freigesprochen wurde. Um seine Gesundheit zu
kräftigen und sich weiter auszubilden, unternahm er (79) eine Reise nach
Griechenland und später nach Kleinasien. In Rhoduö nöthigte er dem
berühmten Redner Molo durch einen überaus herrlichen Vortrag die Worte
ab: „Deine Landsleute, die Römer, haben uns Freiheit, Macht und Güter
genommen, aber den Ruhm der Bildung und Beredtsamkeit haben sie uns
doch nicht nehmen können; du führst uns auch diesen über das Meer hin-
weg !" — Erst nach Sulla's Tode kehrte Cicero nach Rom zurück. Im 9
9 Pistoja, Stadt in Eturien, nordwestlich von Florenz. — Arpinum, Stadt
in Latium, südöstlich von Nom.
TM Hauptwörter (50): [T20: [Rom Jahr Cäsar Senat Kaiser Pompejus Antonius Tod Krieg Sohn], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
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Extrahierte Personennamen: Muth Cäsar Cicero M._P._Kato Markus_Tullius_Cicero Marius Marius Roscius
Extrahierte Ortsnamen: Pistoja Rom Griechenland Kleinasien Rhoduö Rom Eturien Florenz Latium
<
Vorrede.
Vorliegende „Weltgeschichte in Biographien" ist in ihren drei
Kursen für die unteren und mittleren Klassen vollständiger Realschulen,
sowie für Anstalten bestimmt, die ein ähnliches Ziel im Geschichtsunter-
richt erreichen wollen. Ihr Eigenthümliches liegt hauptsächlich:
1) in ihrer durchgängigen, d. h. durch alle drei Kurse beibehaltenen,
biographischen Fassung;
2) in der, eine durchgreifende Wiederholung einschließende Verkei-
lung des Gesammtstoffes; endlich
3) in einer, auf ein zusammenhängendes Erzählen Seiten der Schü-
ler berechneten Darstellung und eben dahin abzielenden Anordnung des
Einzelftoffes.
Was zuerst die biographische Fassung anlangt, so halten wir
diese _ für die dem jugendlichen Alter vorzugsweise angemessene. Dem
kindlichen Geiste steht der einzelne Mensch am nächsten. Indem sich aber
die Hauptbegebenheiten jeder Periode mehr oder weniger in einzelnen
Personen spiegeln, die auf den Höhen der Geschichte standen, werden
jene offenbar mir und in diesen am anschaulichsten vorgeführt und am
leichtesten zugänglich gemacht. Wir glauben so der seit langer Zeit be-
währtesten Äletbode des Geschichtsunterrichts zu folgen, darin jedoch ei-
nen Schritt weiter zu gehen, daß ivir für höhere Schulen die biogra-
phische Betreibung des genannten Unterrichts auf volle drei Jahre ausge-
dehnt wissen wollen. Nachdem das Hauptmaterial der Geschichte dem
Schüler unter einer derartigen Form zugeführt worden, mag es an der
Zeit sein, zu einer mehr „systematischen" Behandlung überzugehen.
Die Anwendung der Biographie in so bedeutender Ausdehnung hat
aber bereits ihre Vertretung in der pädagogischen Geschichtsliteratur.
Wir erinnern z. B. nur an die weit verbreiteten Lehrbücher von Wei-
ter und Grube, die etwa auch einen dreijährigen Gebrauch voraus-
setzen. Diese scheinen uns aber noch an dem Mangel einer, durch päda-
gogische Prinzipien gebotenen, nothwendigen Beschränkung zu leiden. In-
dem nämlich dieselben den gesammten Lehrstoff in ein Ganzes zusam-
menfassen, muß man mit ihnen nothgedrnngen ein ganzes Jahr auf die
alte, das zweite allein auf die mittlere und das dritte ausschließlich auf
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TM Hauptwörter (100): [T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T25: [Wissenschaft Kunst Zeit Sprache Geschichte Schrift Buch Werk Jahrhundert Erfindung], T3: [Lage Karte Land Europa Geographie Klima Größe Verhältnis Grenze Gliederung]]
TM Hauptwörter (200): [T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte], T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen]]
vn
schichte und zwar gemäß seiner geistigen Reife vorgeführt, so daß er nicht
blos Bruchstücke, nicht blos einen Anfang ohne Ende mit fortnähme.
Zu einer fruchtbaren Betreibung der Geschichte auf der Schule hal-
ten wir aber namentlich noch die größtmögliche Selbstthätigkeit des Schü-
lers für nothwendig. Derselbe muß sich der jeweiligen Geschichtsstoffe
so bemächtigen, daß er sie ausführlich und in möglichst guter Sprache
wiedererzählen kann. Dazu genügt nicht, daß der Lehrer die Biogra-
phien in den Stunden vorträgt, vielmehr muß der Schüler ein Lehrbuch
in den Händen haben, nach dem er das in der Klasse Gehörte wieder-
holen, ergänzen und sich so fest einprägen kann, daß er dasselbe zu repro-
duciren vermag. Auf zusammenhängendes Wiedererzählen von Seiten
der Schüler ist daher die Darstellung des Buches wie die Anordnung
des Einzelstoffes ausdrücklich berechnet. Sie wird sich darum auch in
jedem Kursus nach dem besonderen Standpunkt der im Auge gehabten
Klasse richten, ohne jedoch allzusehr zum Niveau des Schülers herabzu-
sinken. Dieses Erzählen nöthigt den Schüler, es mit der Aufgabe streng
zu nehmen; er wird dadurch ein Aktiv, während er sonst nur zu oft in
den Stunden ein Passiv ist. Auch erlangt er hierbei Gewandtheit im
Sprechen, sein Wort- und Sprachvorrath wird vermehrt, seine Anschau-
ung und seine Ausdrucksweise veredelt; selbst der Zaghaftere lernt bald
freier und fließender erzählen und überhaupt mündlich sich besser ausdrü-
cken. Ein wesentlicher Nutzen dieser llebungen zeigt sich vornehmlich auch
in den deutschen Stylübungen.
Auf Grund dieser Ansichten und Beobachtungen, die sich uns je
länger, je mehr theoretisch und praktisch bewahrheiteten, ist auch der vor-
liegende dritte Kursus unserer Geschichte bearbeitet worden. Er enthält
die für eine höhere Mittelklasse wissenswerthesten Biographien und kul-
turhistorischen Momente und sind dieselben, nur einen ethnographischen
Hintergrund beizuhalten, im Alterthum fast nur aus der griechischen
und römischen, in den übrigen Zeiträumen überwiegend aus der deutschen
Geschichte genommen. Zur chronologischen Orientirung aber mögen die
beigegebenen Uebersichten, sowie von dem Schüler selbst anzufertigende
tabellarische Zusammenstellungen dienen.
In Bezug aus den Gebrauch der drei Kursez sei noch erwähnt, daß i) * 3
i) Der erste Kursus, von dem bereits eine fünfte Austage nöthig geworden, ent-
hält: Alte Geschichte. 1) Herkules. 2) Achilles und der trojanische Krieg.
3) Lykurg. 4) Solou. 5) Miltiadeö. 6) Leonidas und Themistokles. 7) Perikles.
8) Alcibiades und L-okrates. 9) Alexander der Große. 10) Romulus. 11) Tarqui-
nius Superbus. 12) Pyrrhus. Fabricius. 13) Duilius und Regulus. 14) Hanni-
bal. 15) Scipio Afrikanus der Jüngere. 16) Julius Cäsar. 17) Oktavian Augu-
stus. 18) Konstantin der Große. Mittlere Geschichte: 19) Attila. 20) Justi-
nian. 21) Muhamed. 22. Bonifazius. 23) Karl der Große. 24) Alfred der Große
25) Heinrich I. 26) Otto. I. 27) Heinrich Iv. und Gregor Vii. 28) Gottfried
von Bouillon. 29) Friedrich Barbarossa. 30) Kaiser Friedrich Ii. 31) Konradin.
32» Rudolf von Habsburg^ 33) Wilhelm Tell. 34) Huß und die Hussiten.
35) Kolumbus. 36) Kaiser Maximilian I. Neue Geschichte: 37) Or. Martin
Luther. 38) Moritz von Sachsen. 39) Die Bartholomäusnacht. 40) Königin Eli-
sabeth. 41) Der dreißigjährige Krieg. 42) Peter der Große. 43) Friedrich der
Große. 44) Washington. 45) Ludwig Xvi. 46) Napoleon Bonaparte. — Der
zweite Kursus, der in dritter Auflage erschien, fügt folgende Biographien hinzu:
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T1: [Geschichte Dichter Zeit Buch Werk Jahr Gedicht Nr. Bild Geographie]]
TM Hauptwörter (100): [T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit], T66: [Geschichte Iii Vgl Nr. Aufl Gesch Lesebuch Bild fig deutsch], T38: [Friedrich Wilhelm König Kaiser Iii Prinz Jahr Preußen Vater Sohn], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T98: [Volk Land König Krieg Zeit Feind Mann Macht Freiheit Kaiser]]
TM Hauptwörter (200): [T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte], T157: [Friedrich Wilhelm Iii Kaiser König Karl groß Preußen Kurfürst Jahr], T91: [Geschichte Krieg Zeit Zeitalter Mittelalter Revolution Reformation deutsch Jahrhundert Ende], T8: [Abschnitt erster Periode zweiter Zeitraum dritter Kap Buch Kapitel vierter]]
Extrahierte Personennamen: Achilles Leonidas Alexander_der_Große Alexander Scipio_Afrikanus Scipio Julius_Cäsar Cäsar Oktavian Attila Bonifazius Bonifazius Karl_der_Große Karl Alfred Heinrich_I. Otto Heinrich_Iv Heinrich Gregor_Vii Gregor Gottfried
von_Bouillon Friedrich_Barbarossa Friedrich Barbarossa Friedrich_Ii Friedrich Konradin Konradin Rudolf_von_Habsburg^ Rudolf Wilhelm Kolumbus Maximilian_I. Martin
Luther Moritz_von_Sachsen Peter_der_Große Friedrich_der
Große Friedrich Ludwig_Xvi Ludwig Napoleon
56
Alte Geschichte.
Philipp in der Geschichte nicht der Große genannt, denn er erreichte seine
Zwecke oft durch Betrug und andere verwerfliche Mittel. Wo ihm das
Schwert nicht schnellen und sichern Erfolg versprach, da wandte er ohne
Zögern Bestechung an. Sein Wahlspruch war: „Die stärkste Festung
wird nicht widerstehen, sobald es nur gelingt, einen mit Gold beladenen
Esel hineinzubringen." — Die Siege erfocht er vorzugsweise durch die
Phalanx, berühmten mazedonischen Phalanx, die er wie so vieles andere
seinem Vorbild Epaminondas verdankte.
Als sich Philipp auf dein Throne sicher fühlte, machte er zunächst die
Amphipolis Illyrier zinsbar, brachte dann das wichtige Amphipolis (358) in
358. seine Gewalt und entriß den Thraziern die Stadt Kronides, welche er
stark befestigen und nach seinem Namen „Philippi" nennen ließ. Wichtig
war, daß hierdurch auch die Goldbcrgwerke zwischen dem Strymon *) und
Nestuö !) in seine Hände kamen, die ihm jährlich 1000 Talente eintrugen.
Mit diesem Gelde rüstete er sein Heer und seine Flotte, mit ihm erkaufte
er sich in den griechischen Städten Freunde, welche ihm die Unterwerfung
Griechenlands erleichterten. — Später (348) eroberte und zerstörte er
Olynth348. auch das wichtige Olynth. Bei der Belagerung von Methone^) ver-
lor er (343) durch einen besonderen Umstand ein Auge. Ein gewisser
Astor. Astor bot ihm hier seine Dienste an und rühmte sich als so vortrefflichen
Schützen, daß er Vögel im schnellsten Fluge erlegen könnte. „Gut — er-
wiederte Philipp — sobald ich mit Sperlingen Krieg führe, will ich Dich
rufen lassen!" Der beleidigte Schütze begab sich in die belagerte Stadt
und schoß einen mit „in Philipp's Auge!" bezeichneten Pfeil gerade
in des Königs Auge.
Die erwähnten Unternehmungen waren aber nur Vorbereitungen zur
Unterwerfung Griechenlands, die Philipp mit ungemeiner Klugheit
in'ö Werk zu setzen suchte.
3. In Athen lebte jedoch ein Mann, welcher die Absichten Philipps
erkannte und deren Durchkreuzung sich zur Aufgabe machte. Dies war
Demosthe- der Redner Dem o sth e n e s. Von ihm sagte der mazedonische König selbst,
ues. daß er ihn allein mehr fürchte als Athens ganze Macht und daß er außer
ihm eigentlich keinen Feind habe. Demosthenes war der Sohn eines Waffen-
schmiedes und von der Natur keineswegs zum Redner geschaffen. Er stot-
terte, hatte eine schwache Brust und konnte das R nicht aussprechen.
Zweimal muße er wegen dieser Mängel, zu welchen noch ein fehlerhaftes
Geberdenspiel kam, unter allgemeinem Gelächter die Rednerbühne verlassen.
Doch war er weit entfernt, beu Muth zu verlieren, überwand vielmehr alle
Schwierigkeiten durch die unermüdlichste Ausdauer. Mit kleinen Kiesel-
steinen im Munde sagte er Dichterstellen so oft her, bis er von dem Stot-
tern geheilt war; Brust und Stimme stärkte er, indem er laut rufend
bergan ging oder im raschen Laufe das Brausen des Meeres zu über-
schreien suchte, und sein Geberdespiel verbesserte er, indem er in einem
unterirdischen Gemache Monate lang vor dem Spiegel Uebungen anstellte.
Nach solchen Vorübungen errang er die glänzendsten Erfolge, wie er
denn überhaupt als der größte Redner des Alterthums anzusehen ist.
0 Strymon, Fluß in Mazedonien, fließt bei Amphipolis ins ägeische Meer.
— Nestuö, Fluß in Mazedonien, östlich vom Strymon. — Methone, Stadt in
Mazedonien, am Nordwcstrande des ägeischen Meeres.
TM Hauptwörter (50): [T14: [Athen Stadt Athener Sparta Spartaner Griechenland Krieg Perser Flotte König], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
TM Hauptwörter (100): [T31: [Athen Athener Spartaner Flotte Perser Stadt Sparta Krieg Schlacht Griechenland], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit], T28: [Schiff Meer Wasser Land Küste Ufer Insel See Flut Welle], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel]]
TM Hauptwörter (200): [T15: [Athen Theben Sparta Griechenland Krieg Philipp Stadt Spartaner Athener König], T175: [Mensch Leben Natur Körper Seele Tier Thiere Arbeit Erde Pflanze], T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte], T138: [Meer Insel Stadt Küste Halbinsel Kleinasien Griechenland Name Bosporus Land], T152: [Auge Haar Gesicht Nase Krankheit Körper Mensch Mund Ohr Kopf]]
Extrahierte Personennamen: Philipp Philipp Epaminondas Philipp Philipp Amphipolis_Illyrier Astor Philipp_— Philipp Philipp Philipp Philipps Philipps Muth
44
Alte Geschichte.
es zu behalten oder auszusetzen. Letzteres war nicht ausdrücklich durch das
Gesetz erlaubt, aber es bestand auch keine Strafbestimmung, nach welcher
die Aussetzung hätte geahndet werden können. Indessen wurde das grau-
same Recht nur selten ausgeübt. Am fünften Tage trug man das Kind
um das Feuer der Hestia; am loten legte man ihm einen Namen bei.
Die Pflege und Erziehung des Kindes war in den ersten Jahren der
Mutter allein überlassen, später blieben nur die Mädchen noch in ihrer
Hut; denn die Knaben kamen mit dem 7. Jahre unter die Aufsicht eines
sie stets begleitenden Sklaven (Pädagogen). Nun begann für die Knaben
— Mädchen empfingen keinen Unterricht — der Besuch der Schule, wo
Grammatik und Musik gelehrt wurde. Zur Grammatik gehörte Lesen,
Erziehung. Schreiben, zuweilen auch Rechnen; dann, wenn das Kind dazu reif war,
Lektüre der Dichter, besonders Homer's. Es wurden Stellen daraus me-
morirt und mit Ausdruck hergesagt; den Schluß machte Unterricht in der
Mathematik und Naturkunde. Zur Musik gehörte Gesang und das Spielen
der Lyra oder der Flöte. Aus der Schule ging der Knabe in das Gym-
nasium, wo man meist unbekleidet (gymnos heißt nackt) turnte. Die
Gymnasien waren anfangs nur eingefriedigte, mit Platanen bepflanzte
Anlagen; nach und nach aber erwuchsen sic zu prachtvollen Gebäuden. Im
Sommer turnte Jung und Alt auf dem in der Mitte liegenden Uebungö-
platz; im Winter geschah es unter der Säulenhalle des Seitengebäudes.
In den Gebäuden gab es außerdem besondere Zimmer für das Aus- und
Ankleiden, für das Einölen und Baden. Auch lehrten in den Hallen die
Philosophen (Denker) und Rhetoren (Redekünstler), weshalb steinerne
Bänke an den Wänden umherliefen. In den Gymnasien lernte der Knabe
Hände und Füße schön und gelenk bewegen, nach dem Takt marschiren,
mit und ohne Waffen springen; dann ringeil, wobei man sich einölte, laufen
und den Speer und den Diskus werfen. Die Zucht war streng und stand
unter der Aufsicht des Staates. Frühzeitig wurden die Knaben an Gehor-
sam gegen die Gesetze und an Ehrerbietung vor dem Alter gewöhnt, auch
legte man ihnen Achtung der öffentlichen Meinung, Selbstverleugnung und
Einordnung in das Staatsganze ans Herz. Auf solche Weise erzog man
die Jugend bis zum achtzehnten Jahre. Wer sich noch weiter ausbilden
wollte, ging zu Rhetoren oder Philosophen. Denn der Mann konnte sich
nllr dann Einfluß und ein Amt erwerben, wenn er gewandt und kunstvoll
zu reden, durch seinen Vortrag eine Volksversammlung für sich zu gewinnen
verstand. Die Rhetoren und Philosophen unterrichteten in richtigem Denken,
über Moral und die höhere Gedankenwelt, aber auch in der äußern Kunst
(Technik) der Beredtsamkeit: wie eine Rede zu ordnen, welcher Gebrauch
von den Redefiguren zu machen, wie Sylbcnfall (Rhythmus) in die Rede
zu bringen, wie das Kleid in Falten zu legen und welche Bewegungen zu
machen vom Anstande gestattet sei. Denn die Redner trugen sehr lebhaft
vor, sprangen vorwärts und rückwärts und suchten auf alle Weise die Zu-
hörer zu fesseln. Es bedurfte daher immer großer Uebung, ehe man in
den Aeußerlichkeiten Gewandtheit und Sicherheit erhielt.
8. Vor dem Tode hatten die Griechen keine besondere Furcht; viel
Beqräbniß aber gaben sie aus ein ehrliches Begräbniß, da sie meinten, daß davon der
' Eingang in das Schattenreich abhänge. Auch dem Feinde verweigerte
man daher die letzte Ehre nicht. War Jemand verschieden, so schob man
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158
Mittlere Geschichte.
die Sänger hören und wurden wohl deshalb auch schwäbische Dichter
genannt. Selbst Kaiser und Könige ergötzten sich, wenn sie von den ernsten
Sorgen der Regierung ruhten, an diesem lustigen Handwerke. Unter Fried-
rich Ii. erstieg die vaterländische Dichtung den höchsten Gipfel und wurde
als Lieblingsunterhaltung deutscher Fürsten und als die vorzügliche Würze
gesellschaftlicher Freuden betrachtet. Von den Gedichten aus jener Zeit
nennen wir vor Allem das Nibelungenlied, welches man nicht ohne
Grund mit den homerischen Gesängen verglichen hat.
Nach und nach stieg die vaterländische Dichtkunst von den Burgen
herab in die Thäler und Städte. Hier ergötzten sich die Bürger an den
Werken der Minnesänger, ahmten ihnen nach und singen fleißig an zu
dichten. Bald bildeten sie gleich den Handwerkern eine eigene Zunft, nann-
Meister- tat sich Meistersänger und hielten wie andere Zünfte regelmäßige Zusam-
säitgcr. menküitfte. An Sonn- und Festtagen stellten sic auch wohl nach Beendi-
gung des Gottesdienstes Singschulen oder Wettkämpfe an und beschenkten
den Sieger mit einem Kranze oder einer Münze, welche das Bild des
Königs David mit der Harfe trug. Die schönsten Gesänge wurden in
ein großes Buch geschrieben und sorgfältig aufbewahrt. Die Mitglieder
einer Singschule hießen Gesellschafter und zerfielen nach dem Gt'ade ihrer
Kunstfertigkeit in verschiedene Klassen: Schüler, Schulfreunde, Siitger,
Dichter, Meister. Wer einen neuen „Tön", d. i. Strophenbau ltnb Melodie,
erfand, hieß Meister; aus den Meistert: wurden die Kampfrichter oder
Merker gewählt, welche darauf zu achten hatten, ob der Sänger die vor-
geschriebenen Gesangsregeln, welche in der Tabulatur zusammengefaßt waren,
beobachtet habe. — Den Höhepunkt erreichte der Meistergesang erst im
16. Jahrhundert, als der Nürnberger Poet und Schuhmacher Hans Sachs
sein überaus vielfaches Talent entwickelte.
2. sieben der Dichtkunst trieb während des Mittelalters die Bau-
kunst schöne Blüthen. Schon bildete sich nämlick ein Baustyl, welcher
statt der romanischen i) Halbkreisforin die des Spitzbogens annahm,
welcher die Säulen schlanker und zierlicher, gleich Bäumen hinaufstreckte,
die Knäufe gleich Blumenkelchen ausschloß und die Gewölbe kuitstreich wie
das lebendige Dach eines Waldes in einander schlang. Dieser charakteri-
stische neue Baustyl, welcher damals bereits bemerkt wurde, sich aber erst
in der Folge (14—16. Jahrhundert) vollständig und großartig entwickelte,
Gothischer wird gewöhnlich der gothische genannt, sollte aber'richtiger der detltsche
Baustyl, heißen. Der Grundgedanke dieser Kirchenbaukunst war der, daß das Gottes-
Haus die Form des Kreuzes, das Zeichen der Erlösung, darstellen und
daß die Priesterschaft, welche die göttlichett Gnaden auszuspendcn hatte,
beim Gottesdienst einen von den Laien abgesonderten Raum für die heili-
gen Mysterien haben müsse. Dabei sind Fenster, Thüren und Bogen so
reichlich mit in Stein nachgeahmtem Laubwerk und aus geometrischen Ele-
menten gebildeten Verzierungen geschmückt, daß zur Ausführung solcher
Bauten der Fleiß von Meuschenaltern erfordert wurde. Unter den gothi-
schen Kirchen ragen am meisten hervor: der Dom zu Köln (angelegt 1248 1
1) In Sachsen siitd die bedctuendsteu Reste des romanischen oder Rundbogenstyls :
Die Kirche zu Wechsclburg (aus dem 12. Jahrhundert) und die goldene Pforte
am Dome zu Freiberg (aus dem 13. Jahrhundert).
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Extrahierte Personennamen: Meistersänger David Hans_Sachs
202
Neue Geschichte.
derselben: Hinrichtung des Kanzlers Krell (1601). Widerspruch der Protestanten
gegen den durch Papst Gregor Xiii. verbesserten Kalender (1582). Fahrlässigkeit Rudolfs
Ii- in Ungarn. Aufstand dieses Landes unter Stephan Botschkai. Beschwichtigung
Ungarns durch Erzherzog Matthias. Beschränkung Rudolfs Ii. auf Böhmen. Die
österreichischen Protestanten erhalten von Matthias Religionsfreiheit, die böhmischen
von Rudolf Ii. den Majestätöbrief (1609). Rührigkeit der deutschen Protestanten
zur Beschießung ihres Glaubens: Errichtung der Union (1608). Gegenbündniß der
Katholiken: die Ligue (1609). Drohender Ausbruch eines europäischen Krieges <Jü-
lischer Erbfolgestreit); Ermordung Heinrich's Iv. von Frankreich: Niederlegung der
Waffen. Rudolfs Ii. letzte Demüthigung; sein Tod (1612). 4. Matthias
(1612—1619). Seine prunkvolle Krönung zu Frankfurt a. M. Fortdauernder Haß
zwischen Katholiken und Protestanten. Matthias' Kränklichkeit. Erwählung Ferdi-
uand's von Steiermark -zum König von Böhmen. Störung des Kirchenbaues zu
Klostergrab und Braunau. Der Fenstersturz zu Prag (23. Mai 1618). Beginn
des 3ojährigen Krieges.
ñ^inandl. 1. Ferdinand I. (1556 —64). — Karl V. hatte die Regierung
5j ~~ 1 des deutschen Reichs schon 1556 niedergelegt, doch erfolgte die feierliche
Uebernahme derselben durch Ferdinand erst 1568. Ferdinand war offen,
leutselig und mild. Von ganzem Herzen Katholik, erkannte er doch die
Nothwendigkeit, sich gegen die Protestanten mit größerer Nachsicht, als
Karl V. zu benehmen. Hierzu fühlte er sich auch durch die Lage seiner
Erblande aufgefordert, da diese von den Türken sehr bedroht waren. Und
so gestattete er denn seinen Unterthanen (1556) den Gebrauch des Abend-
mahls unter beiderlei Gestalt. Gleichwohl nahmen wahrend feiner Regie-
rung die Religionsstreitigkeiten zu. Durch den Augsburger Religionsfrie-
den war in Deutschland die Ruhe äußerlich hergestellt worden; aber eine
Beruhigung war damit in die Gemüther nicht eingezogen. Die Parteien
beobachteten sich noch immer mit Furcht und Eifersucht; die widersinnigsten
Gerüchte über feindliche Absichten der Gegner fanden leicht Glauben.
„Wenn ein Fürst einen Obersten oder Rittmeister in Bestallung nimmt,
so ist Mißtrauen", sagt ein Zeitgenosse, „und jedes rauschende Blatt giebt
zu Befürchtungen Anlaß."
Spaltung Die innere Spaltung Deutschlands wurde noch vermehrt durch die
der Luthe- Parteien unter den Protestanten selbst. Die Reformirten, die sich von der
rctner' Schweiz und von Frankreich her im Reiche ausbreiteten, fanden immer mehr
Anhang und waren den Lutheranern ein Aergerniß, so wie diese ihnen.
Die Lutheraner zerfielen aber unter sich selbst in zwei Parteien, eine ge^
mäßigte und eine heftige. Jene folgte Melanchthon's Geist und Grund-
sätzen, diese hielt sich an Luther's Buchstaben und verfocht ihn mit Feuer-
eifer, eben weil sie nur den Buchstaben verehrte und in Wort und Formen
das Wesen zu besitzen glaubte. Die Leidenschaften stiegen auf den höch-
sten Grad; statt der Gründe gebrauchte man endlich die gehässigsten
Schimpfwörter und die größten Verwünschungen. Am weitesten trieb es
Flacius. hierin der Professor Matthias Flacius in Jena. Er war voll zelotischer
Eifers und verleumdete und schmähte Melanchthon und dessen Anhängen
auf jede Weise. Wie sehr Melanchthon hierdurch betrübt wurde, geht aus
den Worten hervor, welche er einige Tage vor seinem Tode (si 9. April
1560) auf ein Blatt geschrieben hatte: „Du wirst zum Lichte kommen; du
wirst Gott sehen; du wirst den Sohn Gottes schauen; du wirst alle jene
wunderbaren Geheimnisse verstehen lernen, welche du in diesem Leben
TM Hauptwörter (50): [T25: [Kaiser König Reichstag Recht Reich Verfassung Staat Regierung Jahr Fürst], T27: [Kirche Luther Lehre Kloster Jahr Bischof Schrift Papst Reformation Wittenberg], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
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TM Hauptwörter (200): [T40: [Protestant Kaiser Kirche Katholik Reichstag Jahr Lehre Reformation Augsburger Land], T182: [Krieg Jahr Zeit Land Deutschland Regierung Frankreich Volk Folge Revolution]]
Extrahierte Personennamen: Gregor_Xiii Gregor Rudolfs Stephan_Botschkai Matthias Rudolfs Matthias_Religionsfreiheit Rudolf_Ii Rudolf Rudolfs Matthias
( Ferdinand_I. Karl_V. Karl_V. Ferdinand Ferdinand Karl_V. Karl_V. Matthias_Flacius Melanchthon Melanchthon
Extrahierte Ortsnamen: Rudolfs Ungarn Rudolfs Frankreich Rudolfs Frankfurt Braunau Deutschland Deutschlands Frankreich Jena