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1. Praktisches Lehrbuch des erziehenden Geschichtsunterrichts - S. 230

1899 - Wiesbaden : Behrend
— 230 — von Bornstedt herrschte das schönste Einvernehmen. Waren im Sommer die Tage der Ernte vorüber, so gab das kronprinzliche Paar den Knechten und Mägden auf Bornstedt ein fröhliches Erntefest. Weihnachten fand im Beisein der ganzen Familie des Kronprinzen reiche Bescherung der lieben Schuljugend statt. Auch sonst verkehrten die kronprinzlichen Kinder ungezwungen mit den Kindern des Dorfes und tummelten sich in fröhlichem Spiele mit den Bornstedter Kameraden. Oft und gern besuchte der Kronprinz die Dorfschule, erkundigte sich nach dem Betragen und den Fortschritten der Kinder und hörte dem Unterrichte aufmerksam zu. Als er eines Tages in die erste Klasse trat, lourbe der Lelirer plötzlich zu seiner schwererkrankten Mutter gerufen, die in einem Dorfe bei Spandau wohnte. Sofort ließ der edle Kronprinz ihn abreisen und setzte selbst den Unterricht fort bis zum Schlüsse der Schule. Überhaupt hatte er für die Erziehung der Jugend ein warmes Herz und weilte mit Vorliebe in Schulen. 2 Der Kronprinz als Feldherr. Das schöne Familienleben Friedrich Wilhelms erlitt Störung durch die rasch aufeinanderfolgenden 3 großen Kriege. 1864. Im Jahre 1864 übernahm der Kronprinz zwar kein Kommando, machte aber den Feldzug freiwillig mit. Er war dem Stabe des Oberbefehlshabers Wrangel zugeteilt. Sein königlicher Vater hatte ihm eine besonders wichtige Aufgabe zugedacht. Da in diesem Kriege Preußen und Österreicher gegen einen gemeinschaftlichen Feind kämpfen sollten, so konnte die alte Eisersucht Österreichs auf Preußen leicht zu Mißverständnissen und unheilvollen Streitigkeiten führen. Der Kronprinz verstand es aber, durch seine Leutseligkeit und Liebenswürdigkeit die so notwendige Eintracht zu erhalten. Er scheute auch weder die Mühseligkeiten des Krieges, noch die Gefahren des Kampfes. Mit den Soldaten marschierte er durch Schnee und Eis, er teilte mit ihnen die Unbequemlichkeiten des Lagers und Biwaks. Ein Offizier im Gefolge des Kronprinzen giebt uns folgende anschauliche Schilderung über eine nächtliche Reise desselben: „Wir haben förmlich russisches Klima, und ich habe eine Reise gemacht, die mir ewig in der Erinnerung bleiben wird. Da der Kronprinz einen Extrazug nach Flensburg bestellt hatte, erbat ich mir die Erlaubnis zur Mitreise. Anfänglich ging die Reise trotz des Schneegestöbers und des heulenden Sturmes gut von statten; aber die Schneemassen türmten sich immer höher, der Sturm nahm von Minute zu Minute an Heftigkeit zu, und als wir endlich nach östündiger Fahrt sechs Meilen zurückgelegt hatten, erklärten die Ingenieure, nicht weiter zu können. Um 8 Uhr abends redete uns der Kondukteur mit den Worten an: „Steigen Sie aus, meine Herren, wenn Sie nicht erfrieren wollen! Die nächste Station kann nicht weit sein." Der Kronprinz war der erste aus dem Wagen. Als ich ausftieg und in der finsteren Nacht vom riesigen Sturme bis unter die Arme in den Schnee geschleubert würde, prallte ich zurück, die Luft war voll feiner Eisstücke. Eine Pferbebecke über den Kopf geworfen und die Hand des Konbnkteurs foffenb, schritt ich hinter diesem her der Station zu. Alle Augenblicke mußten wir still halten, den Rücken gegen

2. Praktisches Lehrbuch des erziehenden Geschichtsunterrichts - S. 231

1899 - Wiesbaden : Behrend
den Wind kehren und Atem holen. Es war unmöglich, die eisige Luft einzuatmen, während wir vorwärts taumelten; es war, als wenn tausend Dolchstiche die Lungen zerrissen. Bisweilen waren wir auf einer vom Winde reingefegten Stelle, bisweilen sanken wir bis an die Brust in den Schnee. Jeder dachte an seine Lieben daheim und nahm, um sich ihnen zu erhalten, alle Kräfte zusammen. Die Entfernung bis zur Station betrug Stunde; aber wir gingen 3/4 Stunde, bevor wir am Bahnhof anlangten. Der Kronprinz hatte die ungeheure Anstrengung glücklich überstanden; in einem Bauernhause übernachtete er auf einem einfachen Strohlager. Das ganze Dorf wurde nach tcockenen Strümpfen und Pantoffeln durchsucht, und der künftige König von Preußen war überglücklich, in Holzpantoffeln und dicken, wollenen Strümpfen einer patriotischen Bauersfrau einher-gehen zu sönnen." Wenn der Kronprinz in schlichtem Offiziersmantel, die kurze Pfeife mit dem weißen Porzellankopfe im Munde, sich nahte, jubelten ihm die Soldaten mit Begeisterung zu. Vor den Düppeler Schanzen stand er am 22. Februar kaltblütig wie ein alter Krieger im verheerenden Feuer. König Wilhelm war hocherfreut über diese Unerschrockenheit des Kronprinzen bei seiner Feuertaufe und verlieh ihm als Anerkennung die Schwerter zu dem Orden des roten Adlers. Auch beim Sturm auf die Schanzen fehlte er nicht; er folgte den Stürmenden, bedankte sich nach beendetem Kampfe bei den wackeren Streitern und besuchte und tröstete die armen Verwundeten. 1866. Im Kriege gegen Österreich führte Friedrich Wilhelm den Oberbefehl über die schlesische Armee. Glänzend lüste er seine schwierige Aufgabe, durch die Pässe des Rieseugebirges nach Böhmen vorzudringen, um sich mit den anderen Armeen zu vereinigen. Eine Reihe glücklicher Gefechte bahnte ihm den Weg nach Böhmen. Durch sein rechtzeitiges Eingreifen in die Schlacht bei Königgrätz rettete er die hart bedrängten Preußen. In der Nacht zum 3. Juli erhielt er die Nachricht, daß an diesem Tage bei Königgrätz die Entscheidungsschlacht stattfinden solle. Weil er noch über einen T-ge-marsch entfernt stand, war die größte Eile geboten. Dazu herrschte Regenwetter, der Lehmboden war erweicht, Menschen und Pferde versanken im Schlamme. Aber für den geliebten Feldherrn spornte jeder seine Kräfte an, und nach 7stündigem, beschwerlichen Marsche hatte man endlich gegen 2 Uhr das Schlachtfeld erreicht. Jedoch mit dem Kommen war es nicht gethan. Die Höhen von Chlnm und Lipa, dicht besetzt von den Österreichern, mußten im Sturmschritt genommen werden. Trotzdem die Feinde wie Löwen kämpften, erlagen sie der heldenmütigen preußischen Tapferkeit. Um 8 Uhr abends trafen der König und der Kronprinz auf dem Schlachtfelde zusammen. Der König umarmte seinen siegreichen Sohn und überreichie ihm den höchsten Militär-Verdienstorden, den Orden pour le merite. Als der Kronprinz in diesen Krieg zog, lag sein Söhnchen, der kleine Sigismund, schwer krank darnieder; schon nach wenigen Tagen erhielt er die Todesnachricht. Sein Vaterherz blutete, und gern wäre er nach Berlin geeilt; aber pflichtgetreu hielt er aus auf dem Posten, auf den der König ihn gestellt hatte. „Siege ersetzen nicht den Verlust eines Kindes," schrieb er in jenen Tagen, „vielmehr bricht der bohrende

3. Bilder aus dem Deutschen Reiche - S. 467

1890 - Gotha : Behrend
Berlin. 467 der Hohenzollern ragt und Hinübersicht nach dem „Großen Kurfürsten", dort nach dem „alten Fritz", bei dem in der Nähe die Helden der Freiheitskriege um den alten Blücher ihre Standplätze gefunden haben. Berlin macht in seinen meisten Teilen nicht den Eindruck, daß es „gelebt hat", wie andere Großstädte. Auch diese haben Partieen, die diesen Charakter tragen, aber daneben viele ehrwürdige und großartige Erinnerungen an eine frühe Vergangenheit. Mitten aus dem Gewühl und Getreibe der Neuzeit hebt Notre Dame ihre ehrwürdigen Stumpf- türme, schießt die Pyramide des Stephan aus: Berlin hat wenig Kirchen, wiewohl ihre Zahl sich seit dreißig Jahren mehr als verdoppelt hat, und unter den alten ist keine ausgezeichnet. Wie die Hauptstadt nicht von serne durch einen Wald von Türmen angekündigt wird, so durchdringen im Innern die meist dünnen Kirchenglocken nicht das Getöse eines großstädtischen Verkehrs. Auch sonst ragen keine groß- artigen Reste aus einer mittelalterlichen Vergangenheit in die Gegenwart hinein; sie erscheint poesielos, ohne jegliche Romantik, modern und — gemacht. Aber die bloß von Kunst und Laune und ohne Rücksicht auf bleibende Naturverhältuiffe begründeten Städte und Sammelplätze der Bevölkerung haben begreiflicherweise eine geringere Dauer als die, bei denen die Natur selber das entscheidende Wort sprach. Jene wechseln und vergehen mit den Persönlichkeiten und mit dem Wandel der poli- tischen Verhältnisse, diese sind in ihrer Bedeutung und Größe bleibender, wie die Natur selbst es ist. Gehört nun Berlin zu den launenhaften Städteschöpfungen, so sind doch die Kolonisten und Bürger den Fingerzeigen und Anordnungen der Fürsten, wenn man den Bauzwang unter Friedrich Wilhelm I. nicht zu stark betont, äußerst willig gefolgt. Die Fürsten sind es nicht müde geworden, an diesem Fleck immer neue Bauten zu unternehmen und ungeheuere Kapitalien zu seiner Förderung aufzuwenden, was der einer entschiedenen Ungunst der Lage doch am Ende gewiß der Fall gewesen wäre. Handel, Gewerbe, freie Künste und alle anderen Bevöl- kernngselemente, die nicht den Befehlen zu folgen gewohnt sind, haben sich bis auf die letzten Tage herab in Menge neben den Machthabern angesiedelt und werden sich voraussichtlich infolge der Ereignisse der letzten Jahrzehnte in immer höherem Maße hier konzentrieren. Es muß daher wohl in der Lage Berlins noch etwas anderes als fürst- liches Belieben, es muß wohl auch viel nicht sogleich in die Augen springende Naturnotwendigkeit in ihr zu erkennen sein. Bei genauerem Nachforschen werden in der Gestaltung und Gliederung der Berlin umgebenden Landschaften und Gewässer, in der Richtung der mehr oder weniger benachbarten und entfernten Flußliuien, in der Stellung der ^tadt zu den von ihr aus erreichbaren Meeresbecken und Seeküsten und endlich in ihrem Verhältnisse zu dem Bevölkerungsgebiete des gesamten Norddeutschlands gewisse natürliche und bleibende Umstände zu Tage treten, die den Ort zu einem notwendigen und naturgemäßen Kreuzungs- und Zentralpunkt des Verkehrs machten und die preußischen 30*

4. Bilder aus dem Deutschen Reiche - S. 29

1890 - Gotha : Behrend
Der Rheinstrom. 29 ihm mächtige Wasserspenden zu bringen und sich dafür in seinem Ge- biet ein neues Land zu erbauen. An den Wiegen des Rheins erklingen die Gesänge armer, aber freier und froher Hirten; an seinen Mündungen zimmert ein ebenso freies, dabei reiches, kunstsinniges, gewerbfleißiges, unternehmendes Volk seine schwimmenden Häuser, welche die fernsten Länder und Meere be- schiffen und einst beherrscht haben. Wo ist der Strom, der eine Schweiz an seinen Quellen, ein Holland an seinen Mündungen hätte, den seine Bahn so durch lauter fruchtbare, freie, gebildete Landschaften führte? Habeu andere weit größere Wasserfülle und Breite, so hat der Rhein klare, immer volle, sich fast gleich bleibende Fluten, so ist seine Breite gerade die rechte, hinreichend für Floh und Schiff, für allen Verkehr der Völker, und doch nicht fo groß, daß sie die beiden User voneinander schiede, daß nicht der erkennende Blick, der laute Ruf ungehindert hinüberreichte. Mächtig und ehrfurchtgebietend erscheint er als ein bewegter Wasserspiegel, in den heitersten Rahmen gefaßt, nicht als eine wässrige Öde mit nebeligen Ufern. Der Rheinstrom ist recht eigentlich der Strom des mittleren Europas. An seinen alpinischen Quellen begegnen sich Burgund, Italien, das südliche Deutschland. Seine ozeanische Niederung schiebt sich zwischen den Norden Frankreichs und die Ebenen des alten Sachfenlandes ein und führt zu den britischen Inseln hinüber. Aus der schönen Strom- ebene des mittleren Rheines, einem bergummauerten Zentralgebiet, führen natürliche Wasserstraßen durch lange, enge Felsenthore zu reichen, herrlichen Landschaften, tief in das innerste Deutschland und Frankreich hinein. Die Mosel auf der linken, der Main auf der rechten Seite verbinden Franken und Lothringen. Der Rheinstrom selber aber und seine Ufer sind die große Handels- und Reisestraße zwischen Süden und Norden, zwischen Holland und der Schweiz, England und Italien, die eine immer größere Bedeutung erhält, je inniger und lebendiger die Berührungen aller Art zwischen den verschiedenen Gliedern des europäischen Staatensystems werden. 2 In den rhätischen Alpen entspringt, gleich einem nngezähmten Knaben, von dessen jugendlichem Leichtsinn und Unsng alle Bewohner seines Heimatlandes zu erzählen wissen, der vielbesungene Rhein. Zwischen Eis- und Schneefeldern braust er dahin wie tausend andere Bergwasser des Schweizerlandes, und niemand ahnt an der Wiege dieses Wilden seine einstige Größe. Rauschend stößt der Unbändige seine Stirn an schroffe Felsenwände; in Wasserfällen eilt er seinem Ziele zu, wo ihn andere wilde Brüder erwarten, um mit ihm die ruhmvolle Bahn fortzusetzen. Mit immer erneuter Gewalt, mit wachsender Kraft drängt er sich nun unter donnerähnlichem Getöse durch die furchtbarsten Ab- gründe, an deren Rande sich die Viamala hinwendet, und über deren schwindelnden Höhen Brücken liegen, welche der Fnß des Wanderers mit Zittern und Beben betritt; denn unergründliche Schluchten unter den-

5. Bilder aus Europa mit Ausschluss des Deutschen Reiches - S. 411

1890 - Gotha : Behrend
Die Via Mala im Kanton Graubünden. 411 Die italienische Schweiz mit ihren ebenso großartigen als lieblichen Landschaften, sowie die schönen User der oberitalienischen Seen werden nun, leichter erreichbar, noch mehr als bisher Zielpunkte der Reisenden werden. Aber nicht bloß dem Strome der Vergnügungsreisenden ist eine neue Bahn erschlossen — höher steht die Bedeutung des neuen Schienenweges für den Handel- und Postverkehr der durch denselben in Verbindung gesetzten Länder. Die Gotthardbahn, mitten durch die Schweiz und das Herz der Alpen führend, ist die gerade Verbindungslinie zwischen den Häfen der Nordsee, den gewerbreichen Rheinlanden, Baden und Württemberg, den bedeutendsten Plätzen der Schweiz wie Basel, Zürich, Wiuterthur, Luzern n. a. einerseits, und der lombardischen Tiefebene, Mailand und dem größten italienischen Mittelmeerhafen, Genna, andererseits, und wie der Gotthardpaß infolge seiner vorteilhaften centralen Lage alle anderen Alpenpäffe cin Bedeutung überflügelte, so wird auch die neue durch die stille Tiefe des Gebirges führende Gotthardbahn, durch die gleichen Vorzüge begünstigt, eine belebte und dabei in allen Jahres- zeiten sichere Handelsstraße zwischen der Nordsee und dem Mittelmeere, zwischen Deutschland und Italien werden. Nach Grube, Egli u. a. von Hentschel und Märkel. 4 Die Via Mala im Kanton Graubünden. Der kräftigste Bruder des Vorderrheins, der eigentlichen Quelle des großen Stroms, ist der Hinterrhein. Rechts von der Straße, die über den Bernhardin nach Italien führt, erstreckt sich die ungeheure Masse des Rheinwaldgletschers, über dem das Moschelhorn und der Vogelberg sich als stolze Felsenkegel erheben und Lawinen und Wasser unaufhörlich in die Tiefe senden. So ist hier Stoff für nnerfchöpf- liche Quellen, deren auch zwölf in rauschenden Bächen darunter hervor- brechen, um den Hinterrhein zu bilden. Durch enge Felsenthäler strömt er dahin; die kühnste That des Alpensohnes aber ist sein Lauf durch den „Schlimmen Weg", wie das Volk ihn seit Urzeiten nennt, durch die Via Mala. Wir stehen hier an einer Stelle, die sicher zu den gewaltigsten und mächtigsten Bildungen gehört, welche die weite Erde bietet. Was die Natur an wilder und grausiger Schönheit zu schaffe« vermag, das ist hier erschöpft. Ein gewaltiges Kalksteingebirge schließt das Thal gegen Norden. Wie soll der Rhein hindurch? Wie soll der Wanderer hinüber? Die Natur hat geholfen. Ein tiefer, klaffender Spalt ist über 324 m in die schwarzen Felsen gerissen. Hat ein Erdbeben diesen Schlund hineingeklüftet, oder haben die Gebirgswaffer in Millionen von Jahren sich diesen Weg gesucht? Kein Naturforscher hat es ent- schieden. Genug, in diese entsetzliche Schlucht wirft sich mit tausend Sprüngen, von Klippe zu Klippe fallend, der junge Fluß. Welch ein Tosen und Brausen, welch ein Zischen und Wirbeln! Hier scheint er sich zu besinnen und zeigt seine grünen Bergwasser, dort stürmt er schänmend wie vor Zorn und Wnt weiter; bald flüstert sein leises.

6. Bilder aus Europa mit Ausschluss des Deutschen Reiches - S. 36

1890 - Gotha : Behrend
36 Bilder aus Ost-Europa. Esthen bewohnten Inseln trennt, Links — westlich — lag im Vorder- gründe die Insel Mohn, hinter derselben der lange Streifen der öselschen Küste. Dies war einst die Heimat „weit berüchtigter See- fahrer; denn von hier aus unternahmen die Öselaner ihre Raubzüge an die Küste der Ostsee oder tief in das ihnen stammverwandte Efth- land hinein. Kühne Seefahrer sind die Öselaner bis heute geblieben. Ihre einmastigen Boote, scheinbar kaum zur Küstenfahrt und zum Holztrans- Port geeignet, vermittelten in den Kriegsjahren 1854 und 1855 einen lebhaften Handel mit Schweden und der preußischen Küste und reizen auch jetzt noch die besondere Aufmerksamkeit der Grenz- und Zoll- Wächter. In Trachten und Sagen bewahren sie treu die alteu Über- lieferungen des Volkes. Uns zur Rechten dehnte sich die flache Küste des esthischen Fest- landes aus. Die Dampfpfeife des Schiffes schrillte durch die stille Morgenluft; die Räder schlugen immer langsamer in das Wasser, und endlich lag der Dampfer still, ohue Anker zu werfeu. Ein großes Boot, das dem Dampfer neue Reisende zuführte, kam zu uns heran. Sechs kräftige Ruderer in dunkelbraunen Jacken halfen den Reisenden zu uns herüber au Bord und wechselten dagegen die Aussteigenden ein. Einige Kommandoworte, kurze Fragen, kurze Antworten — sonst alles so still, daß man trotz der Bewegung ans Schiff und Boot das Plätschern der Wellen am Kiel hörte. Dann senkten sich die Ruder taktmäßig ins Wasser und führten uns der Landungsstelle von Werder auf efthifchem Boden zu, während das Schiff neuen Dampf ausstieß und feine Bahn weiter zog nach Hapfal, Reval und Petersburg. In gleicher Stille vollzog sich unsere Lauduug in Werder. Kein Feilschen und Schreien, keine Zudringlichkeit der Dienstfertigen; die Ruderer trugen das Gepäck in die Poststation, und die Reisenden trennten sich mit kurzem Gruß. Die Sonne schickte ihre ersten Strahlen über die saftgrünen Felder, die dunklen Tannen und die lichten Birken hin, als ich den von Schloß Werder inzwischen angelangten leichten Korbwagen bestieg und dauu lustig auf ebener Straße nach Efthland hineinrollte. Es ist eines der kleinsten Gouvernements des russischen Reichs und hat doch 358 Qnadratmeilen, fast die Ausdehnung des König- reichs Württemberg, doch noch nicht ein Fünftel so viel Bevölkerung. Die geringe Dichtigkeit der Bevölkeruug giebt dem Verkehr im Lande den Charakter. Nur zwei Bahnlinien durchschneiden dasselbe; der Lokalverkehr aus beiden Linien ist unbedeutend; denn die Mehrzahl der Reisenden bewegt sich zwischen den Hauptpunkten Reval einerseits und Petersburg und Dorpat andererseits, und daher muß eine Anzahl vvn Post- und Landstraßen dem Verkehr im Innern nachhelfen Granitrücken, die das Land auch in seinen sumpfigen Teilen durchziehen, bieten treffliches Material zum Straßenbau. Wo im Norden der fast horizontal lagerude Jurakalk an die Oberfläche tritt, erscheint der

7. Bilder aus Europa mit Ausschluss des Deutschen Reiches - S. 382

1890 - Gotha : Behrend
382 Bilder aus dem mittleren Europa- Ungetüme des Meeres zu Tage, die sich auf dem Grunde versäumten; da sieht man die versandeten Wracks und Balken der ehemals ge- strandeten Schiffe; da zeigen sich im Sonnenschein die Korallen und Kräuter, die in der dunklen Tiefe des Meeres wuchsen. Auch sonst ist die Ebbe viel reicher an Kontrasten der Lichter und Farben als die Flut, die alles mit einer Farbe überzieht. Selbst in der Luft herrscht zur Zeit der Ebbe regeres Leben, denn die Vögel machen sich heran, um der Ebbe zu folgen. Sie finden, wie das arme Bettelvolk der Küstenstädte, ihre Tafel auf deu Sandbänken reichlich gedeckt. Die Strandläufer, die Möwen, selbst die Schnepfen und Störche flattern oder wandeln am Strome oder auf den entblößten Lagunen, um auf das Seegewürm Jagd zu machen. Während der Flutzeit, die ihnen einen Teil ihrer Nahrung entzieht, sitzen sie dann ruhig am Lande, auf den Wiesen hinter den Deichen, mit dem unpoetischen Geschäfte der Verdauung beschäftigt. 5. Kanäle und Böte in Holland. Die reichen, fruchtbaren Gefilde der Niederlande — oder Hollands, wie wir gewöhnlich sagen — sind von vielen Strömen und Flußarmen durchzogen. Überall aber ist man der Natur zu Hülfe gekommen, wenn sie unterlassen hatte, in einer Gegend Flüsse zu schaffen, und hat mit erstaunlichem Fleiße Kanäle gegraben. In solcher Fülle sind sie vorhanden, daß nicht bloß die Städte, sondern auch fast alle Dörfer, ja viele Land- Häuser, ihre Wasserstraßen haben, auf denen sich ihr Verkehr bewegt. Dieses reiche Adernetz konnte nicht verfehlen, in dem Lande eine fo lebhafte Schiffahrt und einen so regen Austausch der Erzeugnisse hervorzurufen, wie er in keinem sonstigen europäischen Lande beobachtet wird. Und wenn solcher Wasserverkehr, der eiust z. B. 22000 Kähne an die einzige Stadt Haarlem brachte, in neuerer Zeit, wo die Eisenbahnen schneller und meistens auch billiger befördern, auch abgenommen hat, so ist er doch immer noch sehr bedeutend. Und stets werden trotz aller Schienenwege in Holland die Kanüle ihr Recht auf Dasein behaupten. Was man anderwärts auf Karren fortfchafft, wird hier auf das Boot geladen. Der Gärtner rudert seine mit Früchten, Gemüse und Blumen beladene Barke, wie in Frankreich zu solchem Zwecke der Esel benutzt wird. Es gewährt eine wahre Lust, all dieses Grün, diesen Reichtum des Frühjahrs zu sehen, wie er sorgfältig und mit einem lebendigen Sinn für Farben geordnet ist. In Amsterdam werden zur Zeit der Wohnungsräumung die Möbel zu Wasser von einem Stadtviertel ins andere gebracht; Stühle und Armsessel, mit einer gewissen Ordnungsliebe aufgestellt, scheinen einzuladen, daß man sich darauf setze. Doch diese Salons auf dem Wasser bewegen sich vorwärts, ohne daß die Menge ihrer achtet. Die Milch kommt auf demselben Wege nach Amsterdam aus den benach- barten Dorfschaften. Morgens um fünf oder sechs Uhr und nachmittags gegen drei Uhr sieht man auf dem breiten Nordholland-Kanal eine ganze Flottille mit Milchmädchen und Milchfrauen besetzt, die ihre Eimer von
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