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Inhalt Raum/Thema: Römische Antike
Inhalt: Zeit: Antike
27
3) Die Zinsen, welche die Schuldner bereits bezahlt haben,
sind von dem Kapital in Abzug zu bringen, und der Rest
ist nach Verlauf von drei Jahren zahlbar.
Durch diese Gesetzvorlagen (in welcher letztern eigentlich eine
Ungerechtigkeit lag, welche nur die sehr große Roth der
Schuldner und der übertriebene Wucher der Gläubiger entschuldigen
konnten) sahen die Patricier sich in ihren alten Vorrechten be-
einträchtigt. Sie suchten daher gegen die Bestrebungen dieser beiden
Männer anzukämpfen. Der Senat hatte, zu Gunsten der Patricier,
die acht übrigen Tribunen dahin gebracht, daß sie durch ihren
Einspruch (Veto) die Vorlesung dieser Gesetze in der Volksver-
sammlung, mithin auch die Abstimmung über dieselben verhinderten;
doch die beiden Tribunen widersetzten sich, zum Verdrusse der Pa-
tricier, indem sie besonders aus die Wahlen höherer Beamten nicht
eingingen.
Licinius und Septius waren auf fünf Jahre zu Tribunen
gewählt worden, und während dieser Zeit hielten sie fest an ihrer
Vorlage. Als sie aber auch für die folgenden 5 Jahre wieder zum
Tribnnate gelangten und die Patricier noch immer widerstrebten,
so unterließen sie es, bei den Magistratswahlen ihr Veto zu
wiederholen; denn der Staat bedurfte bei drohender Kriegsgefahr
der höheren Beamten. Dadurch bewiesen sie, daß nur die Liebe
zum Vater lande, nicht Ehrgeiz, ihre Bestrebungen leitete,
was ihnen nur zum Ruhme gereichen konnte.
Später aber erreichten sie doch ihre Absicht. Nachdem 10
Jahre lang gekämpft worden war, wurden endlich die Gesetzvor-
lagen angenommen, weil der Versuch des Senats, die übrigen
Tribunen für sich zu gewinnen, fruchtlos blieb und der hochbetagte
Camillus, der so eben als Sieger aus dem zweiten gallischen
Kriege zurückgekehrt war, ihm (dem Senate) Nachgiebigkeit anempfahl.
Die Patricier, welche ihre V o rr e ch te verloren hatten, entschädigte
man einigermaßen dadurch, daß die richterliche Gewalt von dem
Confútate getrennt und einem patricischen Prätor*) übertragen
*) Prätor war bei den Römern die vornehmste Magistratsperson nach
dem Cónsul, unter welchem er im Kriege eommandirte. Im Innern
war ihm die bürgerliche Rechtspflege anvertraut.
TM Hauptwörter (50): [T20: [Rom Jahr Cäsar Senat Kaiser Pompejus Antonius Tod Krieg Sohn], T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger], T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler]]
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Inhalt: Zeit: Antike
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schäfte zu besorgen. In kurzer Zeit wußte sich Servius so beliebt
zu machen, daß er bald öffentlich als König hervortreten konnte.
Wir erwähnen in Kürze das, was unter seiner Regierung für die
Stadt und das Volk geschehen.
Der Umfang der Stadt wurde bedeutend vergrößert, besonders
dadurch, daß Servius die beiden Hügel Viminalis und Esqui-
linus in deren Mauern mit einschloß. So lag nun Rom, da-
mals wahrscheinlich noch voll Felder und Waldstrecken, am linken
Ufer der Tiber auf sieben Hügeln. *)
Servius änderte gar Vieles an der bisherigen Verfassung,
vorzüglich zu Gunsten der Plebejer, welche er zu einem eigenen
Stande erhob und dadurch den schroffen Kastenunterschied, der bis
dahin diese von den Patriciern **) getrennt hatte, milderte. Auch
theilte Servius das Volk, mit Rücksicht aus das Vermögen, welches
jeder einzelne Bürger besaß, in sechs Klassen. Die Reichsten,
welche die erste Klasse ausmachten, hießen schlechthin Olnssioi.
Von dieser Benennung läßt es sich auch erklären, daß man noch
jetzt sowohl Schriftsteller selbst, deren Werke von vorzüglichem,
bleibendem Werthe sind, als auch ihre Werke mit dem Namen
classisch zu bezeichnen pflegt. Man redet sogar von einem
classischen Boden, und versteht darunter besonders die Gegenden
wo die alten griechischen und römischen Schriftsteller, welche man
Classiker zu nennen pflegt, gelebt haben. —
Die von Servius Tullius vorgenommenen Veränderungen
waren den Patriciern so verhaßt, daß sie den Tod ihres Königs,
als dieser von seiner unnatürlichen Tochter Tullia und ihrem
*) Diese waren: 1) der palatinische, 2) der eapitolinische, 3) der
quirinalische, 4) der viminalis che, 5) der esquili nische.
6) der cd lische und 7) der alventinisch e, wozu noch der Jani-
culus ans dem rechten Ufer der Tiber kam.
**) Die Patricier (Patricii) stammten von den von Romnlns zuerst
ernannten Senatoren (patres) ab. Sie bildeten in Rom einen eige-
nen Stand (den Adel), hatten die Leitung der religiösen und Staats-
angelegenheiten und setzten sogar der königlichen Gewalt einen Damm
entgegen rc. Die Plebejer (von plebs — das gemeine Volk, die
gemeinen Bürger) waren im alten Rom bis aus die Regierung des
Servius Tullius der Inbegriff der gemeinen Freien, ohne Stimm-
recht, also politisch unmündig rc.
TM Hauptwörter (50): [T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger], T20: [Rom Jahr Cäsar Senat Kaiser Pompejus Antonius Tod Krieg Sohn], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
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Extrahierte Personennamen: Servius Servius Hügel_Viminalis Servius Servius Servius_Tullius Tullia Servius_Tullius
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Inhalt Raum/Thema: Römische Antike
Inhalt: Zeit: Antike
19
10.
Coriolan u s.
Noms freie Bevölkerung bestand aus zwei Ständen, den
Pa tri eiern und Plebejern. Der Stand der Patricier,
gebildet aus den Nachkommen der ältesten Bewohner der Stadt,
war ungefähr das, was in unserer Zeit der hohe Adel (Erbadel)
ist; die Plebejer dagegen machten den freien Bürgerstand
aus, zu welchem die Nachkommen der in Rom aufgenommenen Ein-
wohner eroberter Städte gehörten. Die Patricier hatten, wie
unser Adel, vor den Plebejern große Vorrechte, als: die Besetzung
der wichtigsten Aemter, die Benutzung der Staatsländereien k.
Diese Bevorzugung machte die Plebejer unzufrieden, vorzüglich
die Aermern unter ihnen, deren Lage sehr traurig war. Die
Kriege, welche auswärts geführt wurden, hinderten sie an der Be-
stellung ihrer Aecker. Daher kam es, daß sie in große Noth ge-
riethen und von den wuchernden Patriciern borgen mußten.
Meist waren sie außer Stande, die gemachten Schulden wieder zu
bezahlen, und dann erfuhren sie nicht selten eine harte Behandlung.
Sie baten um Linderung ihrer traurigen Lage, aber die Patricier
gaben ihnen kein Gehör. Da faßten sie endlich den Entschluß, auf
den heiligen Berg (im Lande der Sabiner) auszuwandern (494).
Ein Mann, M e n en i u s Agrippa, wurde vom Senate abge-
sandt, um sie zur Rückkehr zu bewegen. Er erreichte seinen Zweck
besonders dadurch, daß er ihnen versprach, die Schuldgefangeneu
frei zu geben, den Armen die Schulden zu erlassen und eine un-
verletzliche Obrigkeit zu ihrem (der Plebejer) Schutze einzusetzen.
Letztere erhielten sie durch die Tribunen, welche über die Volks-
rechte wachten und jeden, für das Volk uachtheiligen Beschluß des
Senats durch das einzige Wörtchen: vato (ich verbiete!) ungiltig
machten (490 v. Ehr.). Anfänglich hatte nian nur 2, daun 5
Tribunen; später kam jedoch deren Zahl auf 10.
Casus Marcius Coriolanus, ein junger Patricier, hatte
sich als römischer Feldherr durch ausgezeichnete Tapferkeit um sein
Vaterland große Verdienste erworben; doch beschuldigte man ihn,
daß er dem Volke (den Plebejern) die mühsam errungenen Frei-
heiten und Rechte wieder entreißen und es in den Zustand früherer
2*
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Inhalt Raum/Thema: Römische Antike
Inhalt: Zeit: Antike
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Schonung für Nom. Jetzt vermochte der liebende Sohn der bit-
tenden Mutter nicht mehr zu widerstehen, sein Herz war erweicht.
„Mutter," rief er ans, „Nom hast du gerettet,
aber deinen Sohn verloren!"
So entsagte er endlich auf das heiße Flehen feiner Mutter
der Rache an der Vaterstadt und führte das Heer der Volsker
zurück; aber der schone Zug kindlicher Liebe kostete ihm das Leben.
Die Volsker konnten es ihm nicht vergeben, daß er das Heer von
Rom weggeführt hatte, und sollen ihn, wie berichtet wird, in einer
Volksversammlnng erschlagen haben.
11.
Appius Claudius. — Die Decemviri.
Gesetze der zwölf Tafeln.
Den Römern fehlte es an geschriebenen Gesetzen, und da die
Patrieier auf dem Richterßchhle faßen, oder als Priester die zum
Rechtsprecheu günstigen oder ungünstigen Tage bezeichnten; so
waren die Plebejer in hohem Maße aristokratischer Willkür Preis
gegeben. Darum verlangten die Tribunen geschriebene Gesetze.
Es wurden daher im Jahre 450 v. Ehr. Gesandte nach Athen
und Großgriechenland geschickt, welche dort Materialien zu Gesetzen
sammeln sollten. Ungefähr nach 3 Jahren kehrten sie mit einem
reichen Vorrathe von Gesetzen zurück, und nun beauftragte der
Senat 10 Männer (Decemviri) aus der Zahl der Patrieier, die
Gesetze zu ordnen und den römischen Verhältnissen anzupassen.
Zugleich wurde diesen Männern auf ein Jahr die Staatsregierung
übertragen, so daß die Gewalt aller übrigen Magistratspersonen
aufhörte. Nach Ablauf dieses einen Jahres ließen die Decemviri
die von ihnen ausgearbeiteten und vom Volke bestätigten Gesetze
auf zehn eherne Tafeln eingraben und zu Jedermanns Prüfung
öffentlich ausstellen; allein Appius Claudius, stolz und herrsch -
süchtig, hielt die Gesetze nicht für vollständig und bewirkte, daß die
Decemviri ihre Gewalt auch noch für das folgende Jahr beibehielten.
Um dem unter den Plebejern stattfindenden Mißtrauen zubegegnen,
wählte man 5 patricische und eben so viel plebejisch e De-
TM Hauptwörter (50): [T20: [Rom Jahr Cäsar Senat Kaiser Pompejus Antonius Tod Krieg Sohn], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger]]
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Inhalt: Zeit: Altertum, Mittelalter, Neuzeit
72
späterer Zeit damit. Noch in seinem 36sten Lebensjahre fing
er an, die lateinische Sprache zu erlernen. Auch sammelte er
die altsächsischen Volkslieder, die aber leider nicht mehr erhalten
sind; er dichtete selbst ähnliche Erzählungen imb übersetzte viele
lateinische Werke in's Angelsächsische, und das Alles zum Besten
seines Volkes.
Um bei seinen zahlreichen Regierungsgeschäften noch Muße
für seine Studien zu behalten, theilte er seine Zeit sparsam und
pünktlich ein.
Von den 24 Stunden des Tages und der Nacht verwandte
er 8 ans die Regierungsgeschäfte, 8 widmete er den Wissenschaf-
teil und dem Gebete, 8 dem Schlafe, dem Essen und der - Be-
wegung. Da es damals noch keine Uhren gab, so maß er die
Zeit täglich durch 3 Wachskerzen ab, von denen eine jede 8 Stun-
den brannte. —
Um recht wohlthätig auf sein Volk einzuwirken, stellte Al-
fred eine früher bestandene Eintheilung wieder her. Je zehn
Hausväter bildeten zusammen eine Zeh ende. Die Glieder
derselben, welche unter sich ihren Zehendrichter (Tithingman)
wählten, standen in einer so engen gegenseitigen Verbindung,
daß sie Alle für Einen und Einer für Alle verantnwrtlich waren.
Hatte z. B. Einer ein Verbrechen begangen und sich durch die
Flucht dem Arm der Gerechtigkeit entzogen, so wurde den neun
Uebrigen ein Monat Frist gegeben, um den Flüchtling wieder
herbei zu schaffen; wenn sie dieß nicht konnten und auch von
dem Verdachte, ihm zur Flucht behilflich gewesen zu sein, sich
nicht zu reinigen vermochten, so waren sie die Geldstrafe für
den Entflohenen zu zahlen verpflichtet, insofern dessen zurückge-
lassenes Vermögen dazu nicht hinreichte.
Zehn Zehn den bildeten ein Hundert, welches sich seinen
Centgrafen wählte, der monatlich Gericht hielt. Dieses
Gericht, welches über Streitigkeiten zwischen einzelnen Zeh en-
den zu entscheiden hatte, wurde also gebildet:
Man wählte zwölf wackere Männer, welche als Richter über
die Streitigkeiten und Klagen entschieden. Diese leisteten einen
Eid, nach bestem Wissen und Gewissen richten zu wollen. Einer
von ihnen leitete das Verhör, nach dessen Schluffe sie sich be-
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger], T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler]]
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Inhalt: Zeit: Altertum, Mittelalter, Neuzeit
188
(Heinrich's Iii.), während die andere Partei denkönig Alphons X.
van Kastilien wählte, welcher Letztere den Beinamen des »Wei-
sen« führte, lueif er in der Himnielskunde erfahren war. Ri-
chard wurde auch wirklich im Jahre 1257 zu Aachen gekrönt,
ging aber bald wieder nach England zurück, von wo aus er nur
noch dreimal nach Deutschland kam; Alphons dagegen hat
Deutschland niemals gesehen.
Deßwegen sah man auch Deutschland so an, als habe es im
Grunde gar kein Oberhaupt, und nannte jene Zeit der Herren-
losigkeit und schmählichen Verwirrung das große Interregnum
(Zwischenreich), d. i. die große Llicke in der Regierung.
Diese Zeit, welche nur mit dem Tode Konrad's Iv. beginnen
(von 1254—1273), und die Andere schon im Jahre 1250, von
dem Tode Friedrich's Ii. ab, eintreten lassen, gehört zu den un-
glückseligsten, die je über Deutschland gekommen sind. Das An-
sehen des Oberhauptes war fast ganz erloschen; die Fürsten
rissen die Rechte und Einkünfte desselben an sich; überall herrschte
Unordnung und Verwirrung, und das Faustrecht trat an die
Stelle der Gesetze, so daß Gelvaltthaten und Räubereien gar
nichts Ungelvöhnliches waren. Jeder benutzte den Zustand der
Gesetzlosigkeit und den Mangel an Aussicht, so gut er konnte.
So entstanden auch eine Menge kleiner Staaten, Grafschaften,
Herrschaften, freie Städte, freie Reichsritter. Auch eignete sich
eine Anzahl der vornehmsten Fürsten ausschließlich das Recht
zu, einen Kaiser 511 wählen,*) nämlich die Erzbischöfe von Mainz,
Trier, Köln, der König von Böhmen, der Herzog von Sachsen,
der Markgraf von Brandenburg, der Pfalzgraf am Rhein.
Dieß waren die sieben nachherigen Kur - oder Wahlfürsten.**)
*) Merkwürdig ist in dieser Hinsicht ein im Jahre 1263 vom Papste Urban Iv.
ansgestelltes Schreiben, worin er diejenigen Fürsten nennt, welche bei der
Wahl eines Königs oder Kaisers eine Stimme haben sollten. Es wird
darin deren Zahl ans sieben angegeben. Hier hatte man sonach die
erste Spur von den nachmaligen sieben dentscheu Kur-oder Wahlfürsten.
**) „Küren" heißt nämlich in altdeutscher Sprache s. v. a. wählen.
TM Hauptwörter (50): [T46: [Heinrich König Otto Kaiser Sohn Herzog Karl Ludwig Sachsen Jahr], T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
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Inhalt: Zeit: Altertum, Mittelalter, Neuzeit
192
Das Vehm gericht, dessen Namensableitung sehr verschieden
tft, *) war ein furchtbares Institut, dessen Ursprung von Einigen
schon in die Zeit Karl's des Großen gesetzt wird, welcher es in
Westphalen gegen die rebellischen und dem Chriftenthume feind-
lichen Sachsen angeordnet haben soll; Andere setzen den Ursprung
dieses Gerichts in die Zeit Heinrich's des Löwen (1182),
welcher es der gänzlich darniederliegenden Rechtspflege halber
eingerichtet haben soll. In Deutschland gab es im Mittelalter
mehrere solcher Gerichte, unter denen aber das zu Dortmund
das berühmteste war, weil sich hier der Hauptstuhl derselben
befand.
Sie standen unmittelbar unter dem Kaiser und richteten
in seinem Namen alle schwere Verbrechen. Die ansehnlichsten
Fürsten und Ritter waren Stuhlherren in denselben. Um
ihren Aussprüchen >nehr Schreckhaftes zu geben, wurden diese
Gerichte heimlich, in stiller Nacht und in entlegener Gegend,
in Wäldern und Felsenhöhlen vder in unterirdischen Gewölben
gehalten. Später führte diese finstere Gewalt zu den gröbsten
Mißbräuchen; schlechte Menschen drängten sich hinein und übten,
unter dem Deckmantel derselben, die grausamsten Handlungen
gegen Unschuldige aus.
Der Kaiser Maximilian I. hob die Vehmgerichte im Jahre
1495 gänzlich auf, und setzte dagegen die öffentlichen Ge-
richte wieder ein.
Außer dem Adel gab es auf dem Lande nur sehr wenige
freie Leute; mit dem Emporkommen der Städte aber findet
man in denselben auch einen freien Bürgerstand,**) der sich
durch Fleiß und Klugheit erhob. In den Städten erblühten
Künste (die Baukunst und Malerei), Gewerbe und Handel.
Die Bevölkerung der Städte wuchs, und bald wurden die
Bürger reich. So hatten sie nun die Mittel, sich von der Ober-
*) Nach Einigen wird der Name von „fahm", d. i. hoch, oberst (also oberstes
Blutgericht), nach Andern von „sahen "oder „sängen" (weil es die Berbrecher
überall faßte), und noch nach Andern von „sahnen" d. i. Vorladen, abgeleitet.
**) Bnrger hießen nur diejenigen, welche von freien Familien abstamm-
ten, oder deren Borfahren bereits im dritten Gliede für frei erklärt wor-
den waren.
TM Hauptwörter (50): [T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht]]
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Inhalt: Zeit: Altertum, Mittelalter, Neuzeit
214
44.
Entstehung des Schweizerbundes. — Wilhelm Tell.
1307.
Albrecht's Regierung war, wie wir gesehen haben, kein Segen
für Deutschland. Sein ungerechtes und hartes Verfahren gegen
die bis dahin mit dem deutschen Reiche verbundenen Schweizer
veranlaßt diese zu einer Empörung, in welcher sie jene Un-
abhängigkeit von Deutschland erkämpften, welche bis heute noch
besteht. v
Die Schw eizer lebten seit uralten Zeiten entweder als
Hirten bei ihren weidenden Heerden in den Alpenthälern, oder
als fleißige Bürger, welche Gewerbe und Handel trieben, in
wohlhabenden Städten, bloß geschützt durch ihren Muth und
ihre Freiheit.
Sie sind ihrem Stamme nach ein ächtdeutsches Volk, und nur
nach Frankreichs Grenze zu ist die französische Sprache
die herrschende geworden. Das helvetische Land war ehedem in
verschiedene, geistliche und weltliche, Gebiete getheilt, welche zum
Theil unter dem deutschen Kaiser standen. Mehrere Städte waren
kaiserliche freie Reichsstädte, namentlich die sogenannten Wald-
städte, Schwyz, Uri und Unterwalden, welche unter dem
Namen der Kantone (Orte, oder Ortschaften) von ihren eigenen
Obrigkeiten regiert wurden. Kaiser Alb recht I., der viele
Stammgüter in der Schweiz besaß, wollte gern die Macht seines
Reiches noch vermehren, und deßhalb trug er den Waldstädten
(Waldstetten) an, sie möchten sich dem erblichen Schutze des
mächtigen östreichischen Hauses unterwerfen. Die Schweizer
erklärten aber, daß sie in dem Zustande ihrer Vorfahren zu ver-
bleiben wünschten, und wiesen somit Albrecht's Antrag zurück.
Der Kaiser setzte ihnen deßhalb zwei strenge Reichsvoigte
und ließ es zu, daß diese sich manche Gewaltthätigkeiten erlaubten,
weil er hoffte, das Volk solle aus Noth noch zu dem Entschlüsse
kommen, seinen Willen zu th'un und ihm unterthänig, d. h.
habsburgisch oder östreichisch zu werden. Der Reichs- oder
Landvoigte waren zwei: Hermann G eßl er von Brun eck und
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Extrahierte Personennamen: Wilhelm Hermann_G
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Deutschland Frankreichs Schwyz Unterwalden
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Inhalt: Zeit: Altertum, Mittelalter, Neuzeit
190
dann die andern Stände. Jeder Adelige war verpflichtet,
nur zu Pferde und vollständig geharnischt im Heere zu die-
nen. Eine feste Burg, meist auf einem steilen Felsen erbaut,
war der Wohnsitz des Adeligen und seiner Familie, und unter-
halten wurde er hier von seinen leibeigenen Uirterthanen.
Seine Beschäftigung bestand in der Verwaltung des Hauswesens
und seiner Güter; am liebsten aber nahm der Adelige Antheil
an der Jagd, an Festgelagen, Waffenübungen, Tur-
nieren oder ernstlichen Fehden. Der Knabe schon wurde
beständig in den Waffen und im Reiten geübt.
Hatte er seine siebenjährige Lehrzeit als Knappe rühmlich be-
standen, so empfing er den Ritterschla g und wurde durch einen
Eid gebunden, die Pflichten der Ehre, der Wahrheit, Gerechtig-
keit und Frömmigkeit zu erfüllen. (S. d. »Ritterwesen«.)
Die Kreuzzüge besonders gaben dem Ritterthume einen hohen
Aufschwung. Damals wurden auch drei geistliche Ritterorden
gestiftet:
a) Der Ritterorden der Johanniter- oder Hospbtalbrüder.
Schon vor dem Beginne der Kreuzzüge (1048) bauten Kaufleute
aus Am als:,*) mit Erlaubniß des Khalifen, in der Nähe der Kirche
des heiligen Grabes, eine Kapelle und eine klösterliche Herberge zur
Aufnahme der Pilger. Bald traten Mehrere zu dieser Verbrüderung,
welche auch durch Geschenke unterstützt wurde. Ihre Vorsteher, welche
bisher nach der Mönchsweise gelebt hatten, vereinigten sich zu einer be-
sondern Gesellschaft, die sich den Namen der H o s p i ta l b r ü d er des
heiligen Johannes beilegten, weil sie Johannes den Täufer zu ihrem
Schutzpatron wählten. Im Jahre 1118 erhielt diese Gesellschaft, unter
dem Namen des Ordens der Johanniter, eine bestimmte Verfas-
sung, Ordensregeln und Ehrenzeichen. Letzteres bestand in einem acht-
eckigen weißen Kreuze, welches sie auf einem schwarzen Mantel
trugen. Die Könige in Jerusalem gaben den Johanniterrittern ansehn-
liche Geschenke, und selbst die europäischen Fürsten wiesen ihnen aus
liegenden Gründen Einkünfte an.
Nachdem Jerusalem für die Christen verloren gegangen war (1291),
wandten sich die Johanniterritter nach Cypern rc. **)
*) Amalfi, jetzt eine kleine Stadt, auf der Landzunge zwischen dem Meer-
busen von Neapel und Salerno gelegen.
**) Im Jahre 1309 eroberten sie Rhodus, und nun hießen sierhodiser-
r itter. Als sie von hier aber durch die Türken vertrieben wurden (1522),
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TM Hauptwörter (200): [T4: [Orden Ritter Peter Kreuzzug Land Jahr Jerusalem Johanniter Arnold Frankreich], T145: [Bauer Adel Land Stadt Bürger Herr Stand Recht Gut König], T112: [Schwert Ritter Schild Waffe Lanze Pferd Speer Hand Helm Pfeil], T5: [Jahr Recht Person Gemeinde Staat Steuer Familie Kind Lebensjahr Vermögen], T100: [Gott Herr Herz Wort Leben Hand Himmel Vater Kind Mensch]]
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193
Herrschaft einzelner Fürsten frei zu machen. Auf diese Weise
entstanden die freien Reichsstädte, welche nur den Kaiser
über sich erkannten. —-
Dem Gemeindewesen war ein Magistrat vorgesetzt, und die
Bürgerschaft war in Zünfte, Innungen und Gilden ein-
getheilt. Zunft ist aus Zusammenkunft zusammengezogen.
Innung bedeutet so viel als Einigung.
Die Genossen eines Handwerkes erlangten nämlich das Recht,
sich aus ihrer Mitte einen Ob er in ei st er zu wählen, Niemanden
ihr Geschäft treiben §u lassen, welcher es nicht in einem festge-
setzten Zeiträume gelernt hatte, dann als Gesell gewandert
und Meister geworden war. Diese Zünfte kamen in der Folge
in so großes Ansehen, daß sich die angesehensten Personen in
einer Handwerkszunft aufnehmen ließen, zumal sie auch eine krie-
gerische Verfassung hatten; denn die Mitglieder einer Zunft wa-
ren auch gehalten, ihre meist stark befestigte Stadt gegen jeden
feindlichen Angriff zu vertheidigen.
Gilde bedeutet Vereinigung. Gildonia hießen unter
Karl dem Großen gewisse Vereinigungen zur Armenpflege und
zur Hilfe bei Feuersbrünsten. —
Die Bürger jener Zeit lebten sehr einfach und mäßig, und
solch Leben hatte den wohlthätigsten Einfluß auf ihren Körper
und ihren Wohlstand. Höchst selten, nur etwa bei Festen, zeigten
sie ihren Reichthum. Galt es aber, eine Kirche zu bauen, so
spendeten sie in reichem Maße. Wir bewundern noch heute manch'
schönes Gotteshaus, das durch den fronnnen Sinn unserer Vor-
fahren erbaut wurde, wie z. B. das Straßburger Münster, den
Cölner Dom, die Sebalduskirche in Nürnberg rr. Zur Verherr-
lichung des Innern dieser großen Kirchen boten Maler, Bildhauer,
Holzschneider rc. ihre ganze Kunst auf. Neben diesen Künsten
blühten ebenfalls Musik und Dichtkunst. ■—
Weniger als diese Künste waren Gelehrsa mfeit und Wi ssen-
schasteil verbreitet. Fast nur im alleinigen Besitze derselben
lvaren die Geistlichen, lvelche in klö sterlich er Stille sie be-
trieben. Die Bücher waren sehr selten und theuer, lveil sie
nur durch Abschreiben vervielfältiget werden konnten. Das
Abschreiben der Bücher war ein Geschäft der Mönche, und
Gcschichisfreund. Iii. 13
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