1897 -
Leipzig [u.a.]
: Bibliogr. Inst.
- Autor: Geistbeck, Alois
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Atlas
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
Die Karpathen. Die ungarische Niederung.
55
(5. J2j) liegt, mit 95,000 Einwohnern, die einstige polnische Hauptstadt und spätere Krönungs-
stadt an der Weichsel. Mit ihren geschichtlichen Erinnerungen und als Sitz einer alten hoch-
schule ist sie heute noch einer der Hauptmittelpunkte polnischen Lebens und Strebens. Die nahe
gelegenen Anschlußpunkte an die österreichischen, preußischen und russischen Eisenbahnen machen
sie zu einer bedeutenden Verkehrsstadt.
Die ungarische Niederung ist ein großes Senkungsfeld, in dessen weitem Raum in der
Tertiärzeit ein Meer flutete, das von den zuströmenden Flüssen ausgefüllt und allmählich in
einzelne Becken zerlegt wurde, platten- und Neusiedler See sind die Reste dieser ehemaligen
großen Wasserfläche. Die endlose Niederung, ehedem der freien Meide dienend (Pußta, S. \20)
und das unbestrittene Gebiet der berittenen Wirten mit ihren halbwilden Rinderherden, ist
heute zum weitaus größten Teile dem 2lcferbau gewonnen; sie ist nach Südrußland die größte
Kornkammer Europas. Die wunderbar fruchtreichen Felder desalfölds, wie die Niederung
genannt wird, tragen Weizen und Roggen, Hafer und Gerste, Mais, Gemüse, Tabak in
üppiger Fülle. Obst und Wein gedeihen in seltener Pracht, hochbeinige Rinder, langhörnig
und meistens weißhaarig, schlanke, feurige Pferde, krausborstige Schweine, feiste Hammel und
muntere Ziegen weiden auf den grünen Triften zu Tausenden. Wahrhaft verschwenderisch
hat hier die Natur ihre Gaben ausgestreut. Aber neben die Fülle legte sie auch die Dürftigkeit.
Weite Strecken bieten nichts als Heide und Moor, keinen Halm, kein Gras. Wie ausgestorben
erscheint die Landschaft, hier und da noch ein Ziehbrunnen mit weit in die Luft ragendem
Hebel und in einsamer Ode eine halbverfallene Tsarda (s. Abbildung). Eine träge, bleierne
Ruhe umfängt den Wanderer. Da auf einmal wechselt das Bild. In breitem Bett, von Schilf
und Röhricht umwuchert, wälzen Theiß und Donau ihre raschen Fluten durch diese Ebene,
dem Fischfang und der Jagd auf Wasservögel einen weiten, zu jeder Jahreszeit ergiebigen
Raum bietend.
Am Eingangsthor der unabsehbaren Ebene, wo die Ausläufer der Alpen und der Aar-
pathen sich berühren, liegt die Hauptstadt Ungarns, Budapest (S. \2\). Seit der selbständigen
Stellung des Königreiches hat es einen mächtigen Aufschwung genommen und zählt nun über
eine halbe Million Einwohner. Auf dem rechten, bergigen Donauufer liegt das vorwie-
gend deutsche Ofen (Buda), die Festungsstadt, mit der Königsburg. Mehrere Brücken ver-
binden Ofen mit der Flachstadt Pest, die bereits auf dem Boden der Pußta steht. Glanz-
volle'paläste schmücken den Donaukai, freundliche Anlagen umsäumen die Straße, die von
einer wogenden Menge in den buntesten Trachten belebt wird. Überaus günstig ist in der
That die geographische Lage der Stadt zu beiden Seiten des mächtigen Stromes und am
2lusgangspunkte der wichtigsten Straßen und Eisenbahnlinien des Königreiches.
2lls der französische König Ludwig Xiv., von ruhelosem Ehrgeiz und frevler Ländergier
getrieben, die natürlichen Grenzen seines Landes im Osten, die Vogesen, überschritt, um dauernd
am linken Rheinufer Fuß zu fassen, da legte er den Grund zu einer der beklagenswertesten
Erscheinungen der neueren Geschichte, zu dem schier unversöhnlichen Hader zwischen Deutsch-
land und Frankreich. Die Länder zu beiden Seiten des Rheinstromes und die sie umschließenden
Gebirge bilden ein einheitliches, geschlossenes Naturgauze, das vollständig zur physischen Ge-
samtheit Deutschlands gehört, und dessen Bevölkerung nach Abstammung und Gesittuna, nach
Sprache, Geschichte und Kultur ties eingedrückt den germanischen Stempel träqt.
2. Die ungarische Niederung.
Viii.
Nordfrankreich.
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^0 Ix. Die Pyrenäen Halbinsel.
de pau herabstieg, wird die Bildung jener merkwürdigen Thalzirkusse zugetrieben, mit
denen die oberen Enden der Pyrenäenthäler gewöhnlich abschließen. Der größte derselben ist
der berühmte Zirkus von Gavarnie (5. J3jq atn Ursprünge der Gave de pau. L^art neben dem
Montperdu, dessen Flanken in den Zirkus von Gavarnie abstürzen, führt die Rolandsbresche
('2800 m), der großartigste und zugleich wildeste aller Pyrenäenpässe, nach Spanien. Auch die
übrigen Linsenkungen der Zentralpyrenäen gehen nicht unter 2500 m herab, so daß die Eisen-
bahnen das Gebirge an seinem östlichen und westlichen Ende umziehen. Vom Tol de la Lerche
(J600 m) an, einem der bequemsten Übergänge im östlichen Gebirgsteile, verbreitern und ver-
flachen sich die Pyrenäen mehr und mehr. Der (Lol de perthus, die alte Straße von Perpignan
nach Katalonien, hat nur 250 m L^öhe (5. J30). In den mineralreichen Bergen von Katalo-
nien treten sie an das Mittelmeer heran, wo sie vortreffliche Häfen bilden, und hier liegen
Spaniens betriebsamste Bergstädte, hier ist Barcelona (5. \52), die bedeutendste See- und
Handelsstadt des Landes mit 273,000 Einwohnern.
Ix. Die Wrenamhalbinsel.
Über die öde, steppenartige Tafelfläche des Ebrobeckens, in welche die reiche Gartenland-
schaft der eigentlichen Flußniederung eingesenkt ist, führt die Bahn zur zentralen Hoch-
fläche Spaniens empor, die ähnlich dem französischen Zentralplateau den Kern des Landes
darstellt. In ihrer Westhälfte ist sie ein altes, abgetragenes Tafelland mit Randgebirgen,
im Osten lehnen sich schier endlose Flächen jüngerer, meist wagrecht gelagerter Gesteine an.
Wo das granitische Massiv der alten Gebirgsscholle im Norden und Nordwesten der Halb-
msel an das Atlantische Meer herantritt, entsteht eine buchten- und hafenreiche Steilküste
(s. Abb. Porto, 5. J[32), die die Gestadeformen der Bretagne wiederholt, von da aus durchzieht
das alte, niedrige Bergland in einem großen Bogen die Provinzen Galicien, Leon, Estrema-
dura und den größten Teil Portugals, um endlich in der Sierra Morena auszulaufen. Ein
mächtiger Seitenast, nahezu die ganze Halbinsel durchquerend, löst sich davon in der Mitte
der Halbinsel unter dem Namen Kastilisches Scheidegebirge ab.
Wer von den nördlichen Randhöhen zum zentralen Plateau herabsteigt, sieht sich in einer
flachen, völlig baumlosen Ebene, deren Boden aus Buntsandstein, Kalk, Gips und Mergel zu-
sammengesetzt und nicht selten salzhaltig ist. In den Körper dieses Plateaus haben die Flüsse
steilwandige, cm 200m tiefe Thäler eingerissen (S. \33), deren Wasserreichtum der trockenen Hoch-
fläche aber nicht nutzbar gemacht werden kann. So zeigt denn das wasserarme spanische Tafel-
land nur Landschastsbilder von ermüdender Einförmigkeit. Um die kahlen, erdfahlen Ortschaften
breiten sich teils endlose Felder mit Weizen und Roggen, teils öde, unfruchtbare Schottersteppen
aus, die jeden Versuch des Anbaues zurückweisen. Dies sind dann die Weideplätze der Merino-
Herden. In solcher Umgebung erhebt sich Madrid (S. J33) am Südabhange der Sierra Gua-
darrama. Vorzüglich der Lage im Mittelpunkte des Landes und seiner Bedeutung als Re-
sidenzstadt verdankt Madrid sein Emporkommen. <£s zählt heute bereits ^70,000 Einwohner
und bekundet sich durch seine prächtigen Straßen und Paläste, seine zahlreichen Plätze und
Parkanlagen als eine wesentlich moderne Großstadt. Geschichtlich ungleich merkwürdiger ist das
etwas südlich von Madrid gelegene, altertümliche T o l e d o (S. J3^) in beherrschender Lage
am Hochufer des Tajo, der Sitz des Primas von Spanien und die geistliche Hauptstadt des
Landes. Auf schwer zugänglichem Felsen gelegen, bildet es eine natürliche Festung, die zuerst den
Römern als starker Waffenplatz, später den westgotischen, maurischen und kastilischen Fürsten
als Residenz diente. In Altkastilien ist neben Valladolid, der einstigen Hauptstadt des König-
reiches Altkastilien, das altertümliche Burgos nennenswert, dessen zweitürmige Kathedrale
als einer der schönsten Dome der Welt gilt. Sie ist das Werk deutscher Baumeister (S. J3^).
Einen Ersatz für die Unwirtbarkeit des Bodens und die Ungunst des Klimas hat die
Natur dem zentralen Plateau in den höchst mannigfaltigen und reichen Mineralschätzen seiner
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42
X. Italien.
X. Italien.
„Kennst du das Land, wo die Zitronen blühn, im dunklen Laub die Goldorangen glühn?"
So fragt der Dichter, erfüllt von verzehrender Sehnsucht nach den sonnigen Gefildenitaliens.
Und er leiht mit dieser Frage einer Idee Ausdruck, die Jahrhunderte hindurch ganze Völker-
schaften in Bewegung setzte, ja den Gang der Weltgeschichte beherrschte. Der Zug nach dem
Süden war es, der die kriegerischen Kelten unter Brennus bis vor die Thore Roms und die
Cnnbern und Teutonen in die Fruchtebene des po führte; er durchdrang in der Völkerwande-
rung die Gerzen der Germanen, die in hellen Kaufen ins römische Reich einbrachen und den
letzten Schattenkaiser vom Throne stießen; er führte die Kaiser des heiligen römischen Reiches
deutscher Nation von Otto dem Großen bis Ronradin nach der „ewigen Stadt". Und bis
herab zur Gegenwart ist Italien das Land deutscher Sehnsucht geblieben, wenn auch in durch-
aus anderem Sinne als ehedem. Nach Tausenden zählen die Deutschen, die alljährlich die
vielgepriesenen Lande jenseits der Alpen aufsuchen, teils um die Zauber italienischer Natur zu
genießen, teils um den Geist in die unvergleichlichen Meisterwerke italienischer Kunst oder in
die große Vergangenheit des Volkes zu versenken.
Drei Weltverkehrsstraßen, die den Kontinent fast in seiner ganzen Breite durchschneiden,
führen ans den nordalpinen Gebieten nach dem Süden: die Gotthardlinie vom Rhein zum
Thvrrhenischen Meer, die Brennerlinie von den zentralen Teilen Deutschlands zur langgestreck-
ten Halbinsel, die Semmering-pontafellinie vom Oder-, March- und Donaugebiet zur Adria.
Mailand und Genua, die lange Reihe der Großstädte auf der Halbinsel selbst und Venedig
bezeichnen Hauptpunkte dieser „ewigen Naturstraßen", die sich in derj)o-Ebene (S. ^0), dem
„Garten Italiens", vereinigen.
Reichtum der Bewässerung, Fruchtbarkeit des Bodens, Gunst des Klimas und sorgfältiger
Anbau erzeugen hier eine Ergiebigkeit, wie sie wenig andere Stellen der Lrde aufweisen
können. Sechsmal im Jahre werden die Wiesen gemäht. Außer Weizen wird Mais und
Reis in Menge gebaut, daneben gedeihen alle Gemüse und edleren Gbstarten. Maulbeerbäume
umsäumen die Äcker und ermöglichen die Seidenraupenzucht und Seidenindustrie, namentlich
in der lombardischen Hauptstadt. Kastanien, Feigen und Mandeln erzeugt das Land in Menge,
die Olive aber, das Leitgewächs der Mittelmeerflora, dann Zitronen und Orangen kommen
nur an besonders geschützten Stellen der norditalienischen Seen fort. Im Osten der Ebene,
umspült von den Fluten der blauen Adria, erhebt sich das palastreiche Venedig (S. ^0), einst
die Beherrscherin der Meere und die reichste Stadt Europas, jetzt still, aber noch immer merk-
würdig durch seine Anlage auf etwa \00 Inseln, durch seine Kanäle (der 3-förmig gekrümmte
Tanale grande), Airchen (Markuskirche), Paläste (Dogenpalast) und Kunstsammlungen.
Das Becken des jdo, eine alte ausgefüllte Bucht des Adriatischen Meeres, wird im Süden
von: Apennin umgrenzt, der, unmittelbar an die Westalpen anschließend und deren Fort-
setzung bildend, steil zum Tyrrhenischen Meere abbricht.
Die Riviera (S. —^3), das Meeresgestade schlechtweg, nennt man den von -k^och-
gebirgen und lieblichen Thalbuchten gebildeten Küstensaum, in dessen Mittelpunkt Genua
liegt. Line ununterbrochene Kette herrlicher Landschaftsbilder, wie sie kaum ein anderer Teil
Europas aufweisen kann, entzückt hier das Auge des Wanderers. Auf der einen Seite dehnt
sich unabsehbar das tiefblaue Mittelmeer hin, auf der anderen steigt unvermittelt das Gebirge
aus den Fluten, in wunderbare Klippen und Riffe zerbrochen (S. ^3). Kein noch so schmales
Vorland trennt es vom Meere, unmittelbar ragen die Säulen und Wände des Hochgebirges
über dem klaren Spiegel des Meeres auf. Den Winter kennen diese Gestade kaum; mächtige
Bergwälle schützen sie vor rauhen Winden, vom Meere her weht südliche Luft. Da bekommt
denn das Pflanzenleben einen fast tropischen Charakter. Die Weinrebe wird seltener, dafür
bedeckt der Boden sich mit Oliven- (S. \ <\2), Orangen- und Zitronenhainen; Rosen- und Tulpen-
bäume blühen mitten im Winter im Freien, Geranien- und Erdbeerbäume wachsen fast wild,
Theerofen und heliotrop verbreiten milden Duft, und hunderte von Arten blühender Gebüsche,
der Blumen ungezählte Menge heben sich in leuchtenden Farben ab vom grünen Rasen oder
kahlen Fels. Lorbeer und Myrte gelten fast schon als Unkraut. Selbst Süditalien und Sizilien
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Italien. ^5
zeigen nicht diese Pracht der Pflanzenwelt wie die Riviera. Jeder der zahlreichen Orte, die
hier dicht nebeneinander liegen, bildet ein freundliches Paradies, in dem sich's gut wohnen läßt
für den, der dem nordischen Winter entrinnen will. L?art an der französischen Grenze liegen
Bordighera (5. J^O und San Nemo, weiterhin folgt Genua (S. ^3) an einer tiefen Einbuch-
lung des Meeres, nächst Marseille die belebteste Hafenstadt im Mittelmeer mit 2^5,000 Ein-
wohnern, dann Carrara (5. mit seinen weltberühmten Marmorbrüchen und endlich Spezia
mit dem Hauptkriegshafen des Königreiches.
von dieser Stadt an wendet sich die Hauptkette des Apennin gegen die Gstküste, erreicht
in dem schwer zugänglichen Hochlande der Abruzzen mit dem Gran Sasso (S. seine
höchste Erhebung und zieht dann in schroff aussteigenden Massiven mit breitscheiteligen Hoch-
flächen durch Süditalien, um jenseits des Meeres iru Atlas seine Fortsetzung zu finden. Der
Apennin ist ein jugendliches Faltengebirge wie die Alpen, zu deren Hebungssystem er gehört.
Schiefer, Mergel und Sandsteine (Flysch) setzen einen großen Teil des Gebirges zusammen.
Selten zeigt der Apennin die reizvolle Formenfülle der Alpen, deren saftige Matten fast gänz-
lich fehlen. Die Berge sind infolge der Entwaldung meist kahl und schuttüberdeckt, von fahler,
einförmiger Färbung, die Flüsse sind wilde Gebirgsströme mit breiten Geröllbetten, im Winter
wild überschäumend, im Sommer wasserarm.
Mit dem Kriegshafen von Spezia verläßt man die hafenreiche Steilküste des Ligurischen
Meeres. Flach und eintönig zieht nun die Rüste Toscanas und Latiums hin, sumpfig und
ungesund, ein Werk der aufschüttenden Thätigkeit des Meeres und der Flüsse. Sechs Stunden
vom Meere aber erhebt sich in Latium zu beiden Seiten des Tiber die Siebenhügelstadt, das
„ewige Rom", unvergleichlich durch seine Geschichte, unerreicht durch seine Kunstschätze und
sein Kunstleben. Die Stadt, die in der alten Kaiserzeit über eine Million Einwohner hatte
und während des Exils der Päpste in Avignon (im Jahrhundert) aus 20,000 zusammen-
schrumpfte, zählt heute wieder 4.50,000 Einwohner. Am rechten Tiberufer breitet sich der
päpstliche Stadtteil mit dem Vatikan, der Peterskirche (S. ^6) und der Engelsburg (S. \^5)
aus. Letztere war ursprünglich das Grabmal Kaiser Hadrians, wurde aber im Laufe der Zeit
in eine Festung umgewandelt. In geringer Entfernung von der Tiberinsel liegen die Stätten
des altklassischen Roms: der kapitolinische Hügel, 4ß m hoch, mit dem Tempel des Jupiter,
der Burg, der Richtstätte und dem Tarpejischen Felsen, von dem in alter Zeit die Verbrecher
hinabgestürzt wurden; der palatin (59 m) mit der kaiserlichen Residenz und zahlreichen anderen
Palästen; zwischen beiden dann das Forum (^ m), der Mittelpunkt des politischen, gewerb-
lichen und kaufmännischen Lebens der alten Zeit. Noch heute ist es übersäet mit den Trümmern
alter Tempel, Kaufhallen (Basiliken, S. ^6), Triumphbögen (S. ^7) und Ehrensäulen. Südlich
davon standen die luxuriösen Thermen des Kaisers Taracalla (S. J^7), nordwestlich das Pan-
theon (S. J[^7), das allen Gottheiten insgesamt geweiht war.
vor den Thoren Roms dehnt sich meilenweit die öde Fläche der Tampagna (S. ^3)
hin, nur unterbrochen von niedrigen Tuffhügeln. Der von Natur fruchtbare und wasserreiche
Boden, den im Altertum Gärten und Villen bedeckten, trägt heute insolge der Vernachlässigung
und der ungünstigen Besitzverhältnisse nur dürftige Weideländereien, und stehende Gewässer
verpesten seine Lust. Uni so verlockender winken da den Römern in der heißen Jahreszeit
die bewaldeten Höhen der seenreichen Albanerberge im Süden und das Sabinergebirge
im Westen mit den vielgepriesenen Wasserfällen bei Tivoli (S. ^3).
von der Tibermündung bis zur vulkanischen Insel Ischia ist die Küste zumeist noch flach
und reizlos. Dann aber weitet sie sich zum Golfe von Neapel aus, dessen märchenhaft schöne
Gestade die kegelförmige Masse des Vesuv (J268 m) beherrscht (S. ^9). In der Mitte des
Rundbildes steigt Neapel an dem felsigen Rücken der Berge hinan, und am Fuße des Vesuv
erglänzen die unzähligen perlen der Städtereihe, die sich um den Golf schlingt: portici, das
verschüttete Herculanum, Torre del Greco, Tastellamare und endlich auf steiler Höbe Sorrent
(S. Z50) mit seinen Zitronen- und Grangenwäldern.
Auch die Küstenstrecken Siziliens, an denen wohlbewässerte, gartenähnlich bebaute
Ländereien von altersher sich finden, reifen alle Produkte der Mittelmeerzone: Oliven, Weizen,
Wein, Südfrüchte, ja selbst Baumwolle und Zuckerrohr; im Inneren dagegen, wo es an künst-
licher Bewässerung fehlt, liegen weite Strecken unangebaut oder werden nur als Weide benutzt.
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\i\ I> Die Alpen.
Hundstod, des Steinernen Meeres, des Flohen Göhl (25 J9 m) und Hagengebirges. Förm-
lichen Mauern gleich erheben sich diese jaateauberge durchschnittlich 2000 m über das Meer
und Jooo m über die benachbarten Thäler. In einer Höhe, wo in der Schweiz und im Algäu
noch saftiggrüne Weideplätze liegen, dehnen sich hier stundenweit öde Kalkflächen aus, un-
absehbare wasserarme Steinwüsten, von verworrenem, kalkgrauem Hügelwerk durchkreuzt,
zwischen welchem sich Döhlen und trichterartige Einsenkungen finden, „versteinerten Meeres-
wellen" vergleichbar. Spärlicher Graswuchs oder niedriges Krummholz überdeckt den un-
fruchtbaren Boden, nur selten unterbricht eine grasreiche Mulde oder ein dürftiger Meide-
platz für Schafherden die schauerliche Bergwüste. Nicht wenig erhöht die Unwirtlichkeit dieser
Hochflächen die weite Verbreitung der Rarren- oder Schrattenfelder, dieser „Leichensteine
vegetativen Lebens". Die Ursache dieser merkwürdigen Erscheinung beruht teils in der oft wage-
rechten Lagerung der Schichten, teils in der Beschaffenheit des Gesteins, das diese Gebirge auf-
baut. In den östlichen Kalkalpen bildet der Dachsteinkalk das vorherrschende Material. Wie
auf allen reinen Kalken sickert das auf den Dachsteinkalk fallende Regenwasser leicht in den-
selben ein, um durch Spältchen, Sprünge und Kanäle in ihm weiter zu wandern. Der Kalk
schluckt also das Wasser und leitet es unterirdisch weiter, während es auf Wasser undurch-
lässigem Gestein oberflächlich abrinnt und auf diesem Wege thalbildend wirkt. Den Hoch-
plateaus der Gstalpen fehlen daher große zusammenhängende Thalungen gänzlich, die unter-
irdische Entwässerung bedingt nur die Bildung von flachen Einsenkungen, Rarren, Höhlen und
blinden Thälern, kurz die eigentümliche Erscheinung der Hochkarste.
Den größten landschaftlichen Gegensatz zu diesen öden, menschenleeren Kalkwüsten bilden
die leuchtend grünen Berge des Algäus, an deren Nordrand uns eine Fahrt von Kempten
nach Lindau (S. 70) hinführt. Herrliche Alpenmatten mit balsamisch duftenden Kräutern
ziehen bis zu den Gipfeln der Berge empor (Grasberge werden dieselben volkstümlich ge-
nannt), zahlreiche Siedelungen, meist stattliche Linzelgehöfte, schmücken die Gehänge, wohl-
gepflegte Rinderherden beleben allenthalben das Gelände. Die günstige Zusammensetzung
des Bodens, der meist aus thonreichem, leicht verwitterbarem Fleckenmergel besteht, bedingt
diesen auffallenden Kontrast. Während die durchlässigen Kalke der Berchtesgadener Alpen
die atmosphärischen Niederschläge aufsaugen gleich einem Schwamm, fließen diese auf dem
thonigen Boden des Algäus oberflächlich ab und entwickeln daher eine intensive Säge- und
Bohrarbeit. Deshalb sind die Algäuer Alpen in eine Menge kleinerer Ketten und Kämme zer-
stückt, die nach allen Richtungen der Windrose verlaufen, und vergebens suchen wir nach einer
einheitlichen, beherrschenden Streichrichtung des Gebirges, eine Thatsache, die sich auch im
Mangel eines einheitlichen Namens für größere Teilstrecken ausspricht. Nur im östlichen Flügel
der Algäuer Alpen tritt der Dolomit in ausgedehnteren Gebieten auf, und dieser zeigt auch
bereits jene schroffen Wandbildungen, die den bayerischen Alpen eigen sind. Hier liegen
auch die höchsten Gipfel: Hochvogel (2600 m) und Mädele Gabel (2650 m). In ihrem Ge-
samtcharakter zeigen die freundlichen grünen Algäuer Berge viel mehr Ähnlichkeit mit den
Vorarlberger und nordschweizerischen Alpen als mit den bayerischen, wie denn auch ihre Ent-
Wässerung teilweise zum Rhein hin geschieht. Ebenso bildet die Bevölkerung ein Übergangs-
glied zwischen den bayerischen Schwaben und den schweizerischen Alemannen.
Der vielgepriesene Schmuck der Seen ist in reicher Fülle über die nördliche Kalkzone der
Ostalpen ausgegossen. Zwischen den breitkuppigen, dichtbewaldeten Flyschbergen, die bald
als Schiefer und Sandstein, bald als kalkartiges Gestein in niedrigen Ketten dem Gebirge vor-
gelagert sind, liegen die reizenden Seebecken bei Hohenschwangau (S. 7^), der starkvermoorte
Kochelsee, der vielbesuchte Tegernsee und der idyllische Schliersee. In dem landschaftlichen
Gegensatz der anmutigen grünen Vorberge zu den schroffen Felsenmauern und den schön ge-
schwungenen Gipfelpyramiden des Dolomits am Südufer besteht die malerische Schönheit der
oberbayerischen Randseen. Allenthalben sind die lichtgrünen Halden mit zerstreuten Wohnungen
geziert, im Mittelalter blühten hier reiche Klöster, und heute bergen stattliche Dörfer nament-
lich im Hochsommer rasch pulsierendes Leben.
Tiefer im Gebirge und ganz umschlossen von den Bergformationen des Hauptdolomits
und Dachsteinkalkes ruhen die Becken des ^)lan-, Achen-, Walchen- und Königssees. Eng
umrahmt sind diese Landschaftsbilder, ja, fast von erdrückender Großartigkeit. Oft steigen die
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r
I. Die Alpen.
wunderbare von Weiß und lichtem Grau bis ins Blaßrötliche spielende Farbe. haftet an heiteren
Tagen die aufgebende oder scheidende Sonne an diesen glatten Felsensäulen, so weckt sie eine
Farbenglut, wie selbst Sizilien sie in größerer Fracht nicht zu bieten hat. Da ist es, als sei
der Berg in seinem Innersten entbrannt und leuchte aus sich heraus in: feurigsten Not. Oft
scheint es schlechthin unmöglich, sich zu überzeugen, daß, was dort glüht wie der aufgehende
Mond, nichts anderes als dürrer Felsen sei. Wer hätte je von Bozen oder von: Ritten aus den
Schient in solcher Glorie gesehen und könnte des Anblickes wieder vergessen? Lin anderes
Mal schwebt ein leichter Nebelduft am Abendhimmel. Dann mildert sich die Glut der Be-
leuchtung, und über all die Felsentürme breitet sich ein weicher Rosenschleier, der sich in den
Klüften bis zum violett vertieft. So versteht man, warum des Volkes Mund diese Marmor-
stämme, dieses wirr verästete Gestein, das der 2lbendsonnenschein mit lichten Rosen überkleidet,
den Rosengarten nennt."
Versuchen wir einen Einblick in den Aufbau dieser merkwürdigen Landschaft zu gewinnen.
Zu diesem Zwecke wandern wir zunächst von Bozen (259 m) Zwischen Wein- und Obstgärten
am westlichen Thalgehänge aufwärts, vorüber an den berühmten Erdpyramiden (S. 7^) nach
dem Dorfe Oberbozen (^66 m). Ein rascher Umblick lehrt uns, daß wir hier auf einer aus-
gedehnten welligen j^lateaustufe stehen, in die diethäler deretsch undeisackmit ihren frucht-
baren, burgengekrönten Gehängen, mit den berühmten Weinorten Tramin, Terlan, Lana und
anderen eingesenkt sind. Der Boden dieses Plateaus setzt sich aus altvulkanischem Gestein, aus
Porphyr, zusammen, der sich in dieser Thalsenke deckenartig ausgebreitet hat. Auf die L?öhen
dieses waldreichen, kühlen Plateaus flüchten sich die Bewohner der Thäler, wenn in den Som-
mermonaten die Bitze in der Niederung unerträglich wird.
Die zweite I^öhenstufe, das Tuffplateau, gleichfalls vulkanischen Ursprunges, erreichen
wir auf der Seiser Alp (S. 7^). Es ist dies eine wellige, im Mittel \000 m hohe Fläche
zwischen Eisack, Grödener Thal und Schlern. Bezeichnet das tiefer gelegene jdorphyrplateau
die Waldregion, so ist die höhere Tuffterrasse das Land der Alpenmatten. Ausgedehntere
und üppigere Wiesengründe als hier findet man in: ganzen Bereiche der Alpen nicht mehr,
ja selbst die berühmten Algäuer Weidegründe müssen gegen sie zurücktreten. „Die Seiser
Alp", sagt Witte in seiner begeisterten Schilderung, „ist ein Gottesgarten voll balsamischer, zum
Teil seltenster Alpenkräuter. Wie sollte den: Botaniker nicht das Herz aufgehen, wenn ihn
zwischen den stolzen Gentianen die prachtvollsten Orchideen und die buntfarbigen Alpenaurikeln
anlachen! Aber auch dem Laien weitet sich die Brust beim Einatmen des würzigen Kräuter-
duftes. Auf dem grünen Wiesenplane schimmern an 70 Senn- und ^00 Heuhüttchen, und im
Sommer weiden da mehr als \000 Stück Rinder. Welches Leben, wenn im August oder Sep-
tember Mäher und Mäherinnen von allen Seiten heraufgestiegen kommen zum Heuen und
die Sense über die grüne Fläche hin erklingt!" Die Seiser Alp mißt Stunden im Umfange.
Aus diesen lebensvollen Gefilden erheben sich in: grellsten Gegensatze hierzu die vielgestal-
tigen, seltsam zerrissenen und zerspaltenen Dolomitgebirge als die dritte und höchste Hoch-
ebene, die in einzelne getrennte Stöcke mit meist turmartigen Randpfeilern aufgelöst ist.
Sie bildet zumeist die Umwallung der vorgenannten Stufe, aus welcher die kahlen Felsen-
mauern und bizarren Formen der Kämme mit ihren Steinmeeren unvermittelt, gleich Felsen-
rissen int Meere, aufsteigen. An Mannigfaltigkeit und Kühnheit der Gipfelformen sind die
Dolomiten ohnegleichen, ihre vorwiegend turmartige Gestaltung, die gleich „riesigenkristallen"
phantastisch aufragenden Zinnen und Zacken bedingen die einzig großartigen Landschaftsbilder
Südtirols, gegen welche selbst die gewaltigsten Bergformen der nördlichen Kalkalpen, wie
Zugspitze, Watzmann u. a., bescheiden zurücktreten müssen.
Vergebens suchen wir auf unserer Wanderung nach einer bestimmten Regelmäßigkeit in
der Anordnung dieser Höhenzüge wie bei den nordalpinen Dolomiten. Letztere ziehen in einem
System von j?arallelketten, die im ganzen der Hauptrichtung der Zentralalpen folgen, vom
Rheine bis zur Donau und erlangen eine typische Ausgestaltung im Wetterstein- und Kar-
wendelgebirge. Südtirol dagegen kennt diese j^arallelketten nicht. Ein Blick anf eine gute
Karte dieses Landes überzeugt uns, daß es in eine Anzahl unregelmäßig verteilter Gebirgs-
stöcke zerfällt, die durch breite, niedrige Einsattelungen voneinander völlig getrennt sind.
Jeder Stock bildet ein Gebirge für sich, und diese fast inselartige Sonderung der Massive,
1897 -
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: Bibliogr. Inst.
- Autor: Geistbeck, Alois
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Atlas
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
Llbsandsteingebirge. Sudeten. Norddeutsche Tiefebeue. 27
Blick auf das Landschaftsbild lehrt, daß dem Niesengebirge trotz seiner überragenden Höhe und
trotz seines ausgesprochenen Rettenbaues charakterisierende Gipfelformen ebenso fehlen wie
dem Thüringer Wald und allen anderen alten Gebirgen der deutschen Mittelgebirgsschwelle.
Doch erinnern manche Aüge an alpine Erscheinungen. Den Fuß des Gebirges umsäumen wie
im Hochgebirge stattliche Wälder, an den grasreichen Abhängen der Berge wird Wiesenbau
und Viehzucht getrieben, und die Menge der sogenannten Bauden (man zählt deren an 3000)
erinnert lebhaft an die Sennhütten der Alpen. Sehr scharf unterscheidet sich das Riesengebirge
auch noch dadurch von den übrigen deutschen Mittelgebirgen (den Harz ausgenommen), daß
sein Ramm mit unzähligen Felsblöcken bedeckt, baumlos oder nur von Knieholz bewachsen ist,
während jene meist prächtiger Hochwald schmückt. Nicht vergessen sei endlich der beiden Teiche
(s. Abbildung), die, in echte Felsenschalen eingelassen, an den Bergflanken der Niesenkoppe
liegen und Überreste aus der Zeit der alten Eisbedeckung sind. Und wie auf den Höhen, so
wandert sich's auch durch die Thäler des Niesengebirges gar fröhlich, und Tausende von
Touristen ersteigen alljährlich von Schmiedeberg und Warmbrunn aus die Roppe, deren Spitze
^300 m über die schleiche Ebene aufragt, von hier aus geht man nach Adersbach hinab
zwischen Trautenau und Waldenburg, wo in einer (Yuadersandsteinplatte fast noch merk-
würdigere Erosionserscheinungen auftreten (S. ^0^) als an'der Bastei (S. \02).
V. Das norddeutsche Flachland nebst den
Niederlanden und Danemark.
vom Nordsaume der deutschen Mittelgebirgsschwelle steigen wir hinab in die weite nord-
deutsche Tiefebene, die ihre Begrenzung erst an den Gestaden der Nord- und Ostsee findet.
Die Fülle erhabener Naturszenen, wie sie Süd- und Mitteldeutschland auszeichnen, den bunten
Wechsel von hoch und nieder sucht der Wanderer in diesem Bereiche vergebens. Aber es wäre
ein Irrtum, anzunehmen, dieses Tiefland sei eine durchaus einförmige Ebene und aller land-
schaftlichen Reize bar; es gliedert sich vielmehr in eine Anzahl sehr verschieden angelegter
Tafelländer, Hügelgegenden und eigentlicher Ebenen, denen allen die zahlreichen hindurch-
ziehenden Flüsse und Ströme, nicht selten auch anmutige Seengruppen den Reiz freundlicher
Landschaftsszenen und wechselvoller Naturbilder verleihen. Spricht man doch von einer
mecklenburgischen, altmärkischen, neumärkischen, pommerschen und holsteinischen Schweiz, und
in der That haben die genannten Landschaften mit ihren rasch hinabeilenden Bächen, ihren
schönbewaldeten Mügeln, ihren steilen Thalrändern und lieblichen Seen ein Anrecht darauf,
daß man sie durch eine besondere Benennung auszeichne, wenn auch dem Alpenbewohner
der vergleich mit seinen gewaltigen Bergen ein allzu kühner erscheinen mag.
Weil es der norddeutschen Tiefebene an „himmelragenden Bergen und höllentiefen Thä-
lern" fehlt, schilt man sie öde und uninteressant; aber man vergißt dabei, daß an ihre Rüsten das
Weltmeer schlägt mit seiner Unendlichkeit, seiner Erhabenheit und Majestät, mit wechselvollen
Bildern und Szenen, wie sie packender und mannigfaltiger auch das Hochgebirge nicht kennt.
Und während dieses der Verbreitung der Völker eine fast unüberwindbare Schranke setzt,
während es die Menschheit trennt, lockt das Meer den Menschen hinaus in unbegrenzte Fernen,
verknüpft es unser Vaterland in friedlichem verkehr mit allen Ländern der Erde und wird
dadurch zu einer (Quelle des Segens, der materiellen und geistigen Wohlfahrt seiner Bewohner.
Auch die Ebene dehnt sich fast schrankenlos gegen Osten und Westen hin und wird dadurch
zum natürlichen Bindeglied zwischen den an Naturprodukten so reichen Staaten Osteuropas
und den industriereichen Ländern Westeuropas. Der Verkehr aber schafft Städte. So mußten
denn hier Deutschlands machtvollste Städte erblühen, so mußte hier in hartem Rampfe
mit einem wenig ergiebigen Boden und einer widerstrebenden fremden Nasse ein eisernes Volk
und ein Staatswesen erwachsen, das befähigt war zu der großen geschichtlichen Aufgabe, die
ihm die Vorsehung in späten Jahrhunderten vorbehalten hatte.
1897 -
Leipzig [u.a.]
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- Autor: Geistbeck, Alois
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- Schulbuchtyp (WdK): Atlas
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Die j?yrenäenhalbinsel.
Randgebirge geboten. Geschichtschreiber haben Spanien als das Kalifornien des Altertums
gepriesen, und zweifellos gründete sich der Reichtum der Karthager nicht zum wenigsten auf
die Ausbeutung der spanischen Gold- und Silberbergwerke. Auch heute noch findet man in
der Sierra Morena Bergwerksanlagen von Weltruhm, so das <Zzuecksilberbergwerk von
Almaden und die Rupferschmelzen von Tharsis undriotinto (5. J35) nordwestlich von Sevilla.
von diesen Höhen geht es hinab in die andalusische Tiefebene, die schon alle Herr-
lichkeit südlicher Himmelsstriche aufweist. Immergrüne Eichen, Lorbeer, Pistazien, Grangen,
Feigen, Zitronen, Granaten und Oliven gedeihen hier in Fülle, und neben diesen subtropischen
Gewächsen reifen auch tropische, Baumwolle und Zuckerrohr. Es erklärt sich dies daraus, daß
Andalusien das wärmste Gebiet Europas ist, und daß dasselbe durch den Guadalquivir, der
auch in der wolkenlosen Sommerzeit von den Schneefeldern der Sierra Nevada reichlich gespeist
wird, die nötige Bewässerung empfängt. Um die Ufer dieses Flusses konzentrieren sich natur-
gemäß die größten Ansiedelungen der Niederung, Hier liegt, für Seeschiffe noch erreichbar,
Sevilla (S. J35), die Hauptstadt Andalusiens, merkwürdig durch seinen Verkehr und seine
Runstdenkmäler aus dem arabischen und christlichen Mittelalter. von ersteren ist das größte
der Alkazar, ein maurischer Rönigspalast, umschlossen von hohen Festungsmauern und aus-
gestattet mit Prunkgemächern, Säulenhöfen, Gärten und Galerien wie die Alhambra. Unter
den christlichen Kirchenbauten ist der bedeutendste der prachtvolle, ausgeführte
Dom. 3n seiner Nähe liegt der „Goldturm", der vermutlich noch aus Römerzeiten stammt.
Im Süden der fruchtstrotzenden andalusischen Ebene erhebt sich als natürliche Grenz-
mauer Spaniens gegen das Mittelmeer die Sierra Nevada (S. \36)r das merkwürdige
Gegenstück der Pyrenäen, zugleich das zweithöchste Gebirge Europas. Diese jugendliche Er-
hebung, die Fortsetzung des Atlasgebirges, verknüpft Spanien mit Afrika, mit dem es ohnehin
manche Züge seiner Natur teilt: die geringe Gliederung der Rüsten, das Vorwalten der
plateauform und den ausgesprochen kontinentalen Charakter des Klimas. Vom Felsen von
Gibraltar (S. ^36) erstreckt sich das andalusische Rüstengebirge bis Tartagena (S. \ö7) und
Murcia und findet vermutlich seine Fortsetzung in den pithyusen und Balearen. An ihrem
Südfuße, den das Mittelmeer bespült, erreicht die Sonnenwärme den höchsten Grad in Spanien,
und hier reifen denn auch afrikanische Produkte: Baumwolle, Dattelpalme und Zuckerrohr.
Am Nordabhange des Gebirges aber breitet sich die berühmte, überaus gesegnete und volk-
reiche Vega (Fruchtfeld) von Granada (S. J37) aus, ein Gartenland von wunderbarer
Fruchtbarkeit. Da führen die Wege durch Idälder von Grangen-, Feigen- und Mandelbäumen,
die mit weitläufigen Weinbergen wechseln, Myrten - und Iasmingebüsche umsäumen Zucker-
rohr- und Baumwollanxflanzungen, und aus einem Meer von Blüten und Früchten ragen
die weißgetünchten Landhäuser auf, die von Dattelpalmen und Eukalypten beschattet werden.
Daneben baut man in der Vega noch Mais und Reis, Bohnen und Erdnüsse, Futterkräuter,
eine Menge Gemüse, Hanf und Flachs, alles in gleich lohnender Weise. Natürliche und künst-
liche Bewässerung, Wärme und Dünger ermöglichen hier ein Säen und Ernten ohne Unter-
brechung. Der größte Teil der künstlichen Bewässerungsanlagen Granadas stammt noch aus
der Zeit der Mauren, deren letzte Feste, Granada, im Jahre \^2 fiel. Noch verkünden die
Trümmer der herrlichen Alhambra die Größe der untergegangenen Rultur.
Zum Rönigreiche Portugal gehören die im Westen der Halbinsel liegenden Azoren, eine
Gruppe vulkanischer Inseln, voll von Rratern und Rraterkesseln, die vielfach Seen bergen
(S. \38). Ihr Klima ist wunderbar mild und feucht, daher die Vegetation von staunenswerter
Fruchtbarkeit.
Neben der eigenartigen Pflanzenwelt hat Spanien und mit ihm die ganze Mittelmeer-
region auch noch besondere, wenngleich nicht zahlreiche Vertreter der Tierwelt. An die Stelle
des Pferdes tritt vorzugsweise der Maulesel als Reit- und Lasttier, und statt des Rindes wird
namentlich in Italien der Büffel als Zugtier verwendet. An das Dasein des Maulbeerbaumes
ist die Verbreitung der Seidenraupe gebunden. Sonst sind der Mittelmeerregion eigentümlich
der Damhirsch (S. J38), der Mufflon in den Gebirgen Sardiniens (S. 1(39), die Genettkatze
(5. \59), das Stachelschwein und, auf den Fels von Gibraltar beschränkt, der gemeine Affe
(Inuus ecaudatus).
1897 -
Leipzig [u.a.]
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\0 I. Die Alpen.
In dem breiten Massiv des Gotthardstockes finden die Berner Alpen ihre Begrenzung im
Osten. Der zentralen Lage wie der tiefen Linsenkung des Passes verdankt der Gotthard seine
Bedeutung für den Weltverkehr. Neben der^Schweiz ist es ganz besonders Deutschland, dessen
Handelsverbindungen mit Italien, namentlich mit Genua, durch die im Jahre ^882 eröffnete
Gotthardbahn wesentlich gewonnen haben. Nicht minder merkwürdig ist aber die Gotthard-
straße durch die Fülle der Naturwunder, die sie dem Beschauer darbietet. An ihrem Eingänge
flutet der smaragdgrüne!) i er w aldstätter See, 2\<{m tief, das Musterbild eines großen Hoch-
gebirgssees. Sein unteres Ende umgeben gleich riesenhaften Wächtern der Eingangspforte der
kuppige Nagelfluhstock des Nigi und der sagenumwobene Kalkkoloß des Pilatus. In schroffen
Wänden fallen die Uferhöhen des oberen vierwaldstätter Sees ab, und die Axenstraße, die
von Brunnen nach Flüelen führt, mußte teilweise in den Axenberg hinein gebaut werden. Sie
führt durch Galerien, die in die senkrecht zum See abstürzenden Felsen getrieben sind und durch
seitliche Offnungen dem Auge prachtvoll eingerahmte Bilder zeigen. In Flüelen endet die Fahrt
auf dem Vierwaldstätter See. Die Fortsetzung der Thalung nach .Süden bildet die tief ein-
gerissene Furche der Neuß, die bis zur paßhöhe des Gotthardstockes emporsteigt, hunderte von
Metern hoch liegen hier die massiven Felsterrassen am Thalgehänge übereinander und lassen,
wie mit Riesenfingern geschrieben, die Entstehungsgeschichte des Thales lesen.
Bis Göschenen ist das Thal breit, es ist der unterste und älteste Teil der ganzen Einsenkung.
Zwischen Göschenen und Andermatt (£>. 6h) aber verengt es sich zur Schöllenenschlucht, die
oben mit dem grausigen Urner Loch endigt und zum freien, sonnigen Boden von Andermatt
hinausführt. Dieses weite Becken war ehedem von einem See erfüllt, mit dessen Durchbruch
gegen Norden die Entstehung der Schöllenenklamm in Zusammenhang steht. Die Teufels-
brücke überschreitet den brausenden Strom in großartiger Felsenlandschaft. Die Eisenbahn aber
wählt einen kürzeren Weg: sie bohrt sich geradeswegs durch das Berginnere, und dieser
Gotthardtunnel ist wohl das gewaltigste Bauwerk der Neuzeit. Seine Länge beträgt
^,900 m oder fast vier Wegstunden. Acht Jahre währte der Tunnelbau, dessen Geschichte
eine Geschichte der Triumphe des menschlichen Geistes über die rohen Gräfte der Natur ist.
Die Werke menschlicher Kunst und Arbeit hier zu sehen, machl eine Reise auf der Gotthardbahn
fast ebenso lohnend wie das Studium der Naturkräfte, die dieses Massiv aufgetürmt haben.
Durch die dunkeln Felsenengen des Tessinthales rast der Zug mit Sturmeseile abwärts,
dem sonnigen Süden entgegen. Bald öffnet sich das Thal des brausenden Flusses, und vor
uns liegt die breite Ebene von Bellinzona. Welcher Gegensatz zu den eben durcheilten
Landschaften! Der ganze Kontrast von Nord und Süd ist hier auf ein paar Stunden Ent-
fernung zusammengedrängt. Warme Lüste umwehen uns, üppige Weinreben und dunkle Edel-
kastanien schmücken die Gehänge, und dazwischen schinnnern weiße Landhäuser hervor. In
den Gärten blühen Maulbeer-, Mandel-, Feigen- und Grangenbäume; Maisfelder erfüllen
die Thalebene.
Doch weiter gegen Süden. Wir folgen dem Flusse abwärts und kommen nach kurzer
Fahrt in Locarno an, einem schweizerischen Städtchen am Nordende des Lago Maggiore,
ausgezeichnet durch seine gegen Norden vollkommen geschützte Lage und sein mildes Klima.
Schmal wie ein Fjord, gehört die obere Hälfte des Sees noch den Urgesteinen der Zentral-
alpen an, während der untere Teil zwischen Kalk- und Flyschbergen ruht und sanftere Formen
aufweist. In rauschenden Kaskaden strömt dem See noch ein zweiter, nicht minder wasserreicher
Fluß zu, der Toce (Tosa, S. 62), ein Parallelfluß des Tessin, in dessen breiter Thalebene bei
Domo d'ossola der Simplonpaß, von Brieg im Rhonethal aufsteigend, endigt.
Mit dem Langensee wetteifert an landschaftlicher Schönheit sein östlicher Nachbar, der
Tomersee (S. 65), ja dieser übertrifft ihn vielleicht noch hierin. Flußartig schmal wie der
Königssee zieht er zwischen Felsenmauern, die über 2000 m aufragen, bis zu dem herrlich ge-
legenen Bellaggio (s. das Bild), wo er sich in zwei Arme gabelt. Zahlreiche hell leuchtende
Villen, umgeben von prächtigen Gärten und Weinbergen, begrenzen seinen Wasserspiegel;
an den Berghängen ziehen sich grüne Kastanien- und Walnußwälder hin, in lebhaftem Gegen-
satze zu dem matten Graugrün der Ölbäume. Orangen-, Feigen-, Pomeranzen- und Zitronen-
bäume stehen schon im Freien und bedürfen nur der Bedeckung im Winter. Lorbeer und Myrte,
Typresse und Pinie, Granatbäumchen und an besonders geschützten Plätzen die Agave mexicana
1897 -
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\2 I. Die Alpen.
3. Die Gstalxen.
Ungleich schärfer als in der Schweiz tritt die Dreigliederung des Alpensystems in den Gst-
alpen hervor, wo einerseits die Längsthäler des Inn und der Lnns, anderseits das lang-
gestreckte Thal der Drau sehr bestimmte Grenzlinien gegen die Urgesteinszone der Zentralalpen
bilden. Erreichen die letzteren in der Schweiz dank der gewaltigen Erhebung und der damit
ursächlich verbundenen Entfaltung des Gletscherphänomens ihre vollendetste Ausbildung, so
zeigen hinwiederum Bayern und Österreich eine mannigfaltigere Ausgestaltung der Ralkalpen
und ihrer eigenartigen Erscheinungsformen.
Die langgezogenen parallelfetten des Wetterstein- und Aarwendelgebirges (5. 68 n. 69),
deren blaue Zackenreihe weit in die bayerische Hochfläche hineinleuchtet, geben uns ein recht
deutliches Bild vou dem Charakter und dem ganzen Aufbau der nördlichen Kalfalpcit. Ver-
setzen wir uns auf einen der zahlreichen Aussichtspunkte an den sanften Nordgehängen des
freundlichen Ortes Partenkirchen und lassen wir den Blick über das ganze Gebiet, über die
Höhenzüge und Felszinnen hinschweifen, die sich vor uns aufbauen (S. 68).
Aus dem lichten Thalgruude erheben sich sanft verrundete, kuppige Vorhöhen, deren Ge-
hänge die freundlichen Bilder des alpinen Bergwaldes aufzeigen. Bis zu \000 m L)öhe
begleitet uns die ganze Thal- und Ebenenflora hinauf. Die schlanke, hochstämmige Buche
bildet die ^auptbestände der unteren Bergregion, und ihr lichtes Laubdach ladet die Sänger
des Waldes zur Einkehr. Neben der Buche erscheinen die Ahornarten mit ihren weit aus-
greifenden Ästen und großen, ausgezackten Blättern als wahre Frachtstücke des alpinen Wal-
des. Iveiter aufwärts nimmt das Nadelholz mehr und mehr zu und die düstere Rottanne oder
Fichte beherrscht schließlich alles. Bei ^00 m £]öhe hat uns die Buche verlassen; der schwer-
mütige, düstere Nadelwald steigt aber noch bis J(900 m empor (Anorrhütte 20^5 in). Zuletzt
lichten sich auch diese Bestände, nur noch vereinzelt treten da und dort kleine Gruppen von
Fichten, Lärchen und stolzen Zirbeln (5. 78) auf, bis endlich auch der letzte „kühne plänkler des
Waldes", die Wettertanne, dieser merkwürdige Tharakterbaum der ^ochregion, verschwindet
und wir in die eigentliche alpine Region, das Gebiet der Alpentriften und Alpenmatten,
eintreten. Mühsam arbeiten wir uus auf stark geneigten Gehängen durch die dichten Bestände
der Legföhren (S. 77), die wie ein Kranz die alpine Region umrahmen. Die Blütenpflanzen
des Tieflandes sind zu zwei Dritteilen verschwunden. Eine Menge Blütenloser, namentlich
Farne, pilze und andere Schattenpflanzen, bleiben mit den Wäldern zurück, so daß in der
Region der Alpentriften viel mehr Blütenpflanzen als Blütenlose wohnen.
Die ganze Vegetation wird, je weiter wir hinaufsteigen, desto niedriger, der Bau ge-
drungener. Es ist, als dränge die hohe Winterlast des Gebietes die pflanze auf die Erde zurück;
die Blätter werden kleiner, aber fester und härter als in den tieferen Gebieten und scheinen sich
oft durch einen weichen pelzanflug vor der rauhen Luft schützen zu wollen. Dagegen wachsen
die Blüten, genährt von der gehaltvollen Dammerde des Gebirges, rasch empor und bringen
oft große, unvergleichlich tief und lebhaft gefärbte Blumen hervor, wozu die hohe Boden- und
Luftfeuchtigkeit sowie die größere Stärke und die längere Dauer des mehr rechtwinkelig
einfallenden Sonnenlichtes das meiste beitragen mögen. Nicht wenig wird der Reiz dieser
farbenprächtigen Flora erhöht durch den balsamischen Wohlgeruch vieler Blüten und ganzer
pflanzen, von der Aurikel herab bis zur veilchenduftenden Konserve am Felsen. Mit welcher
Wonne begrüßt der müde keuchende Wanderer die ersten Alpenrosen, deren karminrot leuch-
tende Glockensträußchen zwischen den buchsartigen, saftgrünen Blättern einen wahrhast be-
zaubernden Anblick gewähren! Und diese reizende Königin der Alpenblumen umgibt ein glän-
zender Bosstaat. Da treten vor allein die prächtigen Enzianarten hervor, die in verschiedenen
Formen und Farben den grünen Rasenteppich schmücken, am häufigsten der Frühlingsenzian,
der millionenfältig seine purpurblauen Glocken über die keimenden Alpenwiesen hinstreut.
Indem wir höher steigen, lockert sich der Zusammenhang der Pflanzendecke mehr und
mehr, das blanke Gestein tritt immer häufiger zu Tage und andauernde Schneelagen drängen
das vegetative Leben zurück. Wohl leuchtet auch noch über einer -l^öhe von 2500 rn da und
dort ein saftiggrüner Rasenfleck mit feurigen Blüten zwischen grauem Äalkgetrümmer, aber diese
Gasen verschwinden in der ungeheuren Wüste der Fels- und Schneeregion. Nackt und kahl