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auch Rennstieg oder Rennweg, jene wundersame Straße, wie sie in Rücksicht auf
Lage und Länge kein anderes Gebirge aufzuweisen hat, an 44 Stunden lang,
nämlich vom eisenachischen Dorfe Hörschel an der Werra bis zum reußischen
Dorfe Blankenstein an der Saale, — auf dem höchsten Gebirgsrücken in der
Richtung der Wasserscheide fort; er ist mit Ausnahme einer kurzen Strecke (am
Juselsberg) überall fahrbar. Der Rennstieg bildete Jahrhunderte hindurch eine
politische Landes-, Flur-, Völker-, Forst-, Jagd-, Sprach- und bischöfliche Kirchen-
grenze zwischen Thüringen und Franken und außerdem noch eine Rechtsscheide
zwischen Ländern sächsischen und fränkischen Rechts, wie er denn auch jetzt
noch auf der Grenzscheide einzelner Länder hinläuft und mit vielen alten und
neuen Grenzsteinen besetzt ist. Gegenwärtig steht der Weg, obwohl hin und
wieder chaussiert, fast vereinsamt, und auch eine Fußwanderung wird auf ihm
selten unternommen, weil er nur wenige Ortschaften berührt.*)
Ebenso bieten die Übergänge quer über das Gebirge, deren es eine Menge
giebt, keine erheblichen Schwierigkeiten dar. Es ist daher der Thüringer Wald
eins der wegsamsten Gebirge Deutschlands. Die Hauptübergänge, welche muster-
hafte Straßenbauten aufweisen und den Reisenden durch reichen Wechsel von
Naturbildern in Spannung und Freude erhalten, vermitteln den großen Berkehr
zwischen Nordost- und Süddeutschland, z. B. der höchste der Pässe, welcher aus
dem Gothaischen über Oberhof (827 in) nach Suhl führt. — Am nördlichen
Abhänge zieht die thüringische Eisenbahn von Erfurt über Neudietendorf, Gotha
nach Eisenach hin; von Neudietendorf geht eine Bahnlinie über Arnstadt, Stadt-
Ilm, Paulinzella, Blankenburg i. Th. uach Saalfeld, so daß der ganze Nordrand
des Thüringer Waldes befahren werden kann. Von Saalfeld ans geht die Bahn
in südlicher Richtung über Eichicht nach Lichtenfels, wo die dritte Linie, welche
von Eisenach aus über Salzungen, Meiningen, Hildburghauseu, Coburg den Süd-
fuß des Thüringer Waldes umspannt, einmündet. Dieses Eisenbahndreieck zeigt
in der Mitte noch die verkehrsreiche Verbindungslinie von Neudietendorf über
Arnstadt, Oberhof, Suhl nach Grimmenthal, wo sie in die Werrabahn einmündet.
Außerdem sind so manche romantisch gelegene, viel besuchte Punkte, wie auch
industriell wichtige Orte durch Zweigbahnen mit den Hauptverkehrsadern in Ver-
bindung gesetzt. Dazu gehören folgende Bahnlinien: Wntha-Ruhla; Fröttstädt-
Waltershausen-Schnepfeuthal-Friedrichroda-Georgeuthal-Tambach; Gotha-Georgen-
thal- Ohrdruf -Gräfenroda; Plaue-Elgersburg-Ilmenau-Gehren-Gr. Breitenbach;
Lndwigsstadt-Lehesten; Coburg-Sonneberg-Steinach-Lauscha; Eisfeld-Porzellan-
Fabrik - Unterneubrunn; Themar-Schlensingen; Wernshansen-Schmalkalden-Zella
St. Blasii (b. Suhl); Schmalkalden-Klein-Schmalkalden; Jmmelborn-Liebenstein.
Rechnet man dazu die trefflichen Chausseen und die anmutig geschlängelten,
schattigen Promenadenwege, welche fast zahllos vorhanden sind und die reizendsten
Partieen der Gebirgsuatur erschließen, so kann man wohl sagen, daß nur wenige
andere Gebirge sich einer solchen Zugänglichkeit erfreuen.
*) cf. den Artikel „Auf der Scheide" in der Zeitschrift „Natur" Nr. 33 vom Jahre 1890;
Verlag von Schlvetschke, Halle.
TM Hauptwörter (50): [T18: [Gebirge Berg Teil Rhein Höhe Wald Fluß Alpen Seite Donau], T8: [Stadt Rhein Schloß Kreis Mainz Einw. Dorf Main Frankfurt Einwohner]]
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— 122 —
Halbkreis durch folgende breite Straßen mit Anlagen: Alte Promenade (von der Geiststr. —
Theater — bis 'Steinstr.); Poststr. (bis Leipzigers^.); Nene Promenade (bis Rannische Str. am
Waisenhause); Moritzzwinger (bis zur Gerbersaale). Außerhalb dieses Kranzes liegen die neuereu
Stadtteile. Im Osten der Stadt liegt der Centralbahnhof, der mit dem Markte durch die Leip-
ziger Straße iu Verbindung steht.
2. Halle als Fabrik- und Handelsstadt: Reiche Naturprodukte und eine günstige
Lage haben die Entwicklung der Stadt bedingt. Schon seit uralten Zeiten fließen hier reiche Sol-
quellen, welche die erste Ansiedlung veranlaßt und ihr den Reimen*) gegeben haben. Die Arbeiten
plan von halle.
Erklärungen: 1—Marktvlatz mit der Marienkirche ini Westen, dem Rathaus im Osten? in der Mitte:
der rote Turm, Siegesdenkmal und Erzbild Handels. 2 — Franckesche Stiftungen. 3 — Gebäude der
königl. Klinik. 4 —Post. 5 — Gymnasium. 6 —Theater. 7 — Universität. 8^-Moritzburg, 9 —Loge
auf dem Jägerberge. 10 — Tiakonissenhans lind gegenüber das Martinsstift, ll — Kaserne.
12 = Psännerschaftliche Saline.
der Salzgewinnung in der pfännerschaftlichen Saline (s. Skizze 12) werden von den Halloren^),
den Nachkommen der ersten Bewohner, verrichtet. Halle liegt aber auch in einem reichen Braun-
*) Halle — wahrscheinlich vom kelt. hal — Salz, jedenfalls knüpft sich der Name eng an
die Salzgewinnung an; et. Hall, Reichenhall, Friedrichshall, Hallstadt, Hallein, Wilhelmshall ?c.
**) Die Halloren (— Salzarbeiter) unterscheiden sich durch Sitten und Gebräuche von den
übrigen Bewohnern der Stadt. Nachdem der Betrieb der Salzsiederei in die Räume der könig-
lichen Saline verlegt wurde, konnte nur ein Teil der vorhandenen Halloren dort Beschäftigung finden,
TM Hauptwörter (50): [T3: [Stadt Schloß Straße Berlin Kirche Haus Gebäude Platz Garten Universität], T8: [Stadt Rhein Schloß Kreis Mainz Einw. Dorf Main Frankfurt Einwohner]]
TM Hauptwörter (100): [T76: [Stadt Straße Haus Schloß Kirche Gebäude Mauer Platz Garten Dorf], T18: [Donau Stadt Ungarn Böhmen Wien Hauptstadt Land Einw. Königreich Mulde], T46: [Universität Berlin Jahr Schule Wissenschaft Leipzig Professor Akademie Hochschule Gymnasium], T3: [Lage Karte Land Europa Geographie Klima Größe Verhältnis Grenze Gliederung], T4: [Handel Land Industrie Stadt Verkehr Gewerbe Ackerbau Viehzucht Deutschland Zeit]]
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126
An dem Lober, einem linken Nebenflusse der Mulde, liegt die Kreisstadt Delitzsch (91/.,). Sic ist
eine alte Sorbenstadt: ihr Name bedeutet Thalort (dola = Thalf*). ^Delitzsch ist der Geburtsort
Ehrenbergs, der Professor der Medizin an der Universität zu Berlin war und sich bekannt machte
durch seine naturwissenschaftlichen Forschungen, besonders aus seinen Reisen durch Ägypten, Nubien
und das arabische Küstenland. — Außerdem wurde hier 1808 der Nationalökonom Schulze-Delitzsch
geboren, dem hier von den deutschen Genossenschaften ein Denkmal gesetzt ist.) — An der Mulde
liegt Eilenburg (Is1/.,), die größte 3tabt des Kreises. Ihren heutigen Namen erhielt die Stadt
von der alten Jlburg, die schon unter Heinrich I. als wichtiger Grenzpunkt gegen Sorben und
Wenden geuauut wird. Sie hat Fabriken für Tuch, Buckskin, Kattun, Chemikalien, Maschinen,
Tabak, bedeutende Korbflechtereien, Wagenbauanstalten ?e. Ein besonderes Interesse hat die alte
Stadt dadurch, daß aus derselben das Lob-
und Danklied: „Nuu danket alle Gott" er-
kluugen ist. Der Dichter desselben, Martin
Rinkart, wurde hier 1586 geboren und fand
später seine Anstellung als Pfarrer in dieser
Stadt.
b) Am Bober (unweit der Mulde) liegt
die Kreisstadt Bitterfeld (10v2)- Sie ist
im 12. Jahrhundert von eingewanderten
Flämingern erbant, welche den Ort Bett er-
feld nannten. Dieser Name soll von „besser
Feld" stammen, das die Erbauer hier sau-
deu, als sie vom Fläming kamen. Seit Er-
öfsnuug der zahlreichen Eisenbahnen sind hier
Braunkohlenbergbau, Thouwaren-und Ziegel-
fabrikation bedeutend gehoben. Das große
Torf Holzweißig (31/.>) ist infolge dieser
Industrie emporgeblüht. — Westlich von der
Mulde liegen in dem fruchtbaren Gebiete:
Dorf Roitzsch (23/4) und die beiden Acker-
städte Brehna (2) und Zörbig (4). — Ostlich von der Mulde in der waldreichen Gegend am Rande
der Dübener Heide: Gräfenhainichen (3'/4i, Geburtsort des Kirchenlieddichters Paul Gerhardt:
die Stadt wurde von Flämingern erbaut und nach Gravenhaag in Holland benannt. Düben (3'/.,)
ist ein alter sorbischer Lrt. Hier gedachte Napoleon I vor der Leipziger Schlacht die schlesische
Armee unter Blücher zum Kampf zu nötigen. Nach Vereitelung dieses Planes führte er seine
Armee uach Leipzig.
Aufgaben: Stelle die Städte dieses Gebietes nach ihrer Größe züsammen
und ziehe daraus Schlüsse aus die natürlichen Erwerbsquellen und Verkehrswege! —
Zeige an den Eisenbahnen, daß dieses Gebiet ein Dnrchgangsland ist zwischen
schiffbaren Flüssen und Großstädten! —
10. £)ö0 Land au der Eide und Schwarten Elster.
(Kreise: Torgau, Wittenberg, Schweinitz, Liebenwerda.)
Die Ebene, welche wir zwischen Saale und Mulde kennen lernten, setzt sich
nach Osten über die Elbe und schwarze Elster hinaus fort. Sie wird nur durch
vereinzelte Anhöhen unterbrochen, von denen die aus der Geschichte bekannten
Höhen von Süptitz und die im Nordosten dieses Gebietes liegenden flachen
*) Östlich von Elbe und Saale, vereinzelt auch westlich von diesen Linien, treten Ortsnamen
mit slavischen Endungen, auch mit slavischem Stamm auf. Dazu gehören alle Namen mit den
Endungen „itz", „itzsch", „ow", „owa", „ova"' sie alle bedeuten „Ort" oder „Dorf".
Das Muldegebiet der j?roo. Sachsen,
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Extrahierte Personennamen: Heinrich_I. Heinrich_I. Martin
Rinkart Paul_Gerhardt Napoleon
Extrahierte Ortsnamen: Berlin Nubien Eilenburg Brehna Heide Holland Leipzig Torgau Wittenberg Schweinitz Sachsen
— 145 —
b) Genthin (5v2) ist Kreisstadt von Jerichow Ii. Sie hatte schon stich Bedeutung erlangt
als Gabelungsstelle der Magdeburg-Berliner und Magdeburg-Hamburger Straße. Die Industrie
wird begünstigt durch den Wasser- und Schienenweg. — In der Nähe das Dorf Altenplathow
(2) mit den Resten einer alten Wasserburg (— plotu = Zaun, also Zaunort oder befestigter
Ort—). Parey (2vz) am Kanal (twn wend. ta para — Sumpf). — Jerichow (l1/,) mit einer
schönen Klosterkirche aus dem 12. Jahrhundert. Das Dorf Schönhausen ist der Geburtsort
Fürst Bismarcks (1. April 1815). Ganz im Norden des Kreises das Städtchen Sandau (2).*)
Aufgaben: Gründe für die sandige Beschaffenheit des rechtselbischen Gebietes!
Vergleiche das rechtselbische Gebiet mit der Altmark! Zeige den Zusammenhang
zwischen der natürlichen Beschaffenheit des Landes und den sich entwickelnden In-
dustriezweigeu desselben (an diesem Gebiete)! Zeichne den senkrechten Durchschnitt
des Fieuer Bruches (Becken, See, Ausfüllung desselben mit Sumpfpflanzen, Ab-
trocknen der Oberfläche, Weiden- und Erlengebüsch, Bruch) und zeige die Ent-
stehung eines Bruches!
Aufgaben über die Provinz.
Zeichne ein Profil von der Alandmündung bis Suhl! Stelle die Gebiete
der Provinz zusammen, welche nicht zur Elbe abwassern. Bezeichne die vorhan-
denen und möglichen Kanalverbindungen zwischen Elb- und Wesergebiet! Die
Flnß-Pforten der Provinz und ihre Bedeutung für den Verkehr! Charakteristische
Flußläuse (Elbe, Saale, Uustrut, Bode :c.) sind zu zeichnen! Stelle zusammen:
a) die Randstädte, b) Brückenstädte, c) Kniestädte in der Provinz und gieb die
besondere Bedeutung derselben an! Gieb die historisch wichtigen Orte der Provinz
an, ordne die Landschaften nach ihrer geschichtlichen Bedeutung und suche die
Gründe für dieselbe! Stelle die fruchtbaren und unfruchtbaren Gegenden der
Provinz zusammen und gieb die Gründe für Entstehung ihrer Bodenarten! In-
dnstriegebiete, welche a) vom Mineralreiche, b) vom Pflanzenreiche, c) vom Tier-
reiche abhängig sind! Führe an bestimmten Landschaften der Provinz den Nach-
weis, daß die Industrie von größerem Einfluß ist auf die Entwicklung der
Anfiedlnngen als die Fruchtbarkeit des Bodens allein! Ordne die Hanptkreuzuugs-
punkte der Eisenbahnen in der Provinz nach der Zahl der Schienenwege und
untersuche deu Einfluß derselben auf Entwicklung der betr. Orte! (Es ergeben
sich 2 Gruppen: Durchgangs- und Endstationen.) Die Verbindungen der Haupt-
kreuzungspnnkte untereinander!
Geschichtlicher Überblick über die Gebietsteile der Provinz Sachsen.
Die Bestandteile der heutigen Provinz Sachsen gehörten im 5. Jahrhundert
größtenteils dem Thüringerreiche an. Später kam der südliche Teil an das
Franken-, der nördliche an das Sachsenreich, während die Slaven den Osten bis
zur Saale und Elbe besaßen.
Im Frankenreiche fand das Christentum zuerst Eingang durch Bonifatius.
Karl der Große brachte es auch den Sachsen und nach ihrer Unterwerfung be-
kämpfte er die Slaven, gegen welche er seine Nordostgrenzen durch Anlegung von
*) Zwei gleichnamige Städte liegen in Böhmen.
Stecke!, Prov. Sachsen.
10
TM Hauptwörter (50): [T13: [Stadt Elbe Hamburg Berlin Provinz Bremen Land Lübeck Hannover Weser]]
TM Hauptwörter (100): [T10: [Stadt Berlin Hamburg Elbe Einw. Magdeburg Stettin Festung Lübeck Provinz], T3: [Lage Karte Land Europa Geographie Klima Größe Verhältnis Grenze Gliederung], T70: [Boden Teil Land Wald Gebirge Ebene Gebiet See Klima Tiefland], T44: [Sachsen Provinz Preußen Königreich Hannover Bayern Staat Hessen Baden Land], T65: [Reich Italien Land Kaiser Römer Volk Jahr Rhein Gallien Franken]]
TM Hauptwörter (200): [T130: [Elbe Stadt Sachsen Provinz Saale Kreis Schlesien Elster Neiße Magdeburg], T47: [Karte Lage Länge Breite Größe Meile Linie Ort Grenze Höhe], T11: [Kanal Rhein Verkehr Eisenbahn Fluß Land Meer Handel Stadt Deutschland], T10: [Sachsen Karl Franken König Land Jahr Chlodwig Reich Krieg Volk], T142: [Stadt Dorf Mauer Haus Burg Straße Kirche Schloß Graben Zeit]]
Extrahierte Personennamen: Bode Karl_der_Große Karl
— 47 —
f. Die Bewohner Thüringens.
In Thüringen lebt ein frischer, fröhlicher, liederreicher Menschenschlag, der
Stamm der Thüringer. So nennt er sich am liebsten, unbekümmert um die Zahl
der Fürsten, die sich in sein Land geteilt haben. Keinem merkt man es an, ob
er ein preußischer, großherzoglich- oder herzoglich-sächsischer Thüringer ist. Er ist
Thüringer, und das genügt ihm, das ist sein Stolz und seine Freude.
Musik und Gesang ist des Thüringers höchste Freude. Gesang tönt bei
Spiel und Arbeit, von der Wiege bis zum Grabe, bald heiter, bald schwermütig
in tausendfacher Weise. Gar mancher Waldort hat im Winter seine Konzerte,
wie sie manche Stadt nicht aufzuweisen vermag. Es ist wunderbar, wie die in
schwerer Arbeit gehärteten Hände zu solch künstlerischer Fertigkeit auf der Violine,
Klarinette und Flöte, ja nicht selten selbst auf Klavier und Orgel es zu bringen
vermochten.
■ Biederkeit, Ehrlichkeit, Arbeitsamkeit und Genügsamkeit sind des Thüringers
hervorragende Eigenschaften; zu seinem Glücke genügt es, wenn er Kartoffeln im
Keller, Bier im Kruge, Vögel im Käfig und Lieder in der Kehle hat. Auch ist
es ein wahres Wort, das einst der große Karl August vou Weimar über seine
Thüringer aussprach: „Einen so kräftigen, schönen Menschenschlag, wie meine
Thüringer, so treu und ehrlich und so liederreich und poetisch — den giebt es
sonst nicht im deutschen Reiche."
g. Die Hauptverkehrswege in Thüringen.
Der Reichtum des Landes einerseits und die centrale Stellung desselben in
Deutschland andrerseits haben Thüringen schon in früher Zeit zu einem Passage-
lande für Völker- und Warenzüge gemacht, die sich von Westen nach Osten und
umgekehrt durch das Land bewegten, da dasselbe im Norden und Süden durch
hohe Gebirge geschlossen ist und im Westeu und Osten freien Zutritt und Durch-
gaug durch Pässe, Becken und Thäler gestattet. So gingen zwei durch die Natur
vorgezeichuete Verkehrsstraßeu in der Richtung von Osten nach Westen durch Thü-
ringen. Die südliche ging von Halle über Weimar, Erfurt, Gotha nach Eisenach,
wo sie sich in eine westwärts durch Hessen gehende und in eine südwärts nach
dem Main laufende teilte. Die nördliche Straßenlinie ging von Halle über
Eisleben, Sangerhausen nach Nordhausen, wo eine Teilung stattfand; die eine
Straße ging über Heiligenstadt nach Kassel und stellte die Verbindung mit dem
Lahn- und Rheinthale her, die andere lief in nordwestlicher Richtung über Nort-
heim, Hannover :c. — Jetzt eilt nun das Dampfroß auf den bezeichneten Haupt-
wegen und ihren Verzweigungen, die Thüringer Bahn im Süden und die Halle-
Kasseler Bahn im Norden. Da dieser nördliche Schienenweg die direkte Linie
nach dem Lahn- und Moselthale nach Metz hin bezeichnet, so ist er seit Wieder-
erwerbuug Lothringens von besonderer Bedeutung, da durch ihn und seine östliche
Fortsetzung von Sangerhausen über Mansfeld, Güsten, Berlin die kürzeste Ver-
binduug zwischen dem Centrum und der Westgrenze des Deutschen Reiches her-
TM Hauptwörter (50): [T18: [Gebirge Berg Teil Rhein Höhe Wald Fluß Alpen Seite Donau], T8: [Stadt Rhein Schloß Kreis Mainz Einw. Dorf Main Frankfurt Einwohner], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd]]
TM Hauptwörter (100): [T5: [Rhein Main Wald Thüringer Teil Schwarzwald Gebirge Neckar Saale Jura], T87: [Tag Tisch Haus Frau König Mann Gast Herr Hand Abend], T10: [Stadt Berlin Hamburg Elbe Einw. Magdeburg Stettin Festung Lübeck Provinz], T71: [Mann Volk Leben Sitte Zeit Vater Liebe Frau König Jugend], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele]]
TM Hauptwörter (200): [T96: [Stadt Thüringer Saale Schloß Wald Gotha Dorf Heidelberg Weimar Einw.], T36: [Rhein Mosel Lahn Mainz Stadt Bingen Taunus Bonn Main Ufer], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T180: [Erde Punkt Sonne Kreis Linie Ort Horizont Richtung Aequator Zone], T196: [Tisch Tag König Hand Wein Herr Haus Gast Abend Frau]]
Extrahierte Personennamen: Karl_August Karl August
Extrahierte Ortsnamen: Thüringen Weimar Thüringen Deutschland Westeu Weimar Erfurt Gotha Eisenach Hessen Main Eisleben Nordhausen Heiligenstadt Kassel Rheinthale Hannover Mansfeld Berlin
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2. Die Lage: Während die Handelsstraßen von Hannover und Magdeburg nach dem Innern
Thüringens durch die Flußthäler der Leine und Elbe mit Saale von der Natur vorgezeichnet
waren, entbehrte Braunschweig eines bequemen Zuganges in die südlichen Gegenden, indem der
Gebirgswall des Harzes die Verbindung nach Thüringen erschwerte; Braunschweig war also unr
eine Entwicklungs-Bedingung ärmer als die beiden ersten Städte, gegen welche sie bis heute in
ihrer Entwicklung zurückgeblieben ist. Doch hatte aber Braunschweig eine günstige Handelslage
am Rande des Mittelgebirges und Tieflandes: der Handelsweg von Antwerpen und Köln führte
über Hannover, Braunschweig, Magdeburg :c.; zudem liegt Braunschweig in der Mitte der alten
Handelsstraßen, welche Bremen und Hamburg mit Leipzig, außerdem Hamburg und Lübeck mit
Frankfurt a. M., also die Seehandelsstädte mit den wichtigsten Binnenhandelsstädten verbanden.
So gelangte Braunschweig in den Besitz eines großen Speditionshandels und gewann eine ge-
waltige Bedeutung in der Blütezeit der Hansa. Besonders lebhaft gestaltete sich der Verkehr mit
Bremen, da eine Wasserstraße diese beiden Städte verband, auf der bis ins 16. Jahrhundert
Schiffahrt bestand. Doch waren Oker und Aller für die größeren Fahrzeuge späterer Zeit zu un-
bedeutend, und man klagte in Braunschweig: „O Brunswik, wärest du waters rike, so wäre nimmer
dienes glike". Als daun der Welthandel eine andere Richtung nahm und die Hansa sank, verlor
auch Braunschweig die große Bedeutung. Nur die Einrichtung der Messen gab der Stadt einen
neuen Aufschwung.
Braunschweig besitzt heute den wichtigen Schienenweg von Magdeburg—helmstedt—braun-
schweig — Hannover, der mit den übrigen ost-westlichen Bahnen von Braunschweig aus in nord-
südlicher Richtung verbunden ist.
3. Die Industrie: In der srnchtbaren Ebene von Braunschweig und Wolsenbiittel steht
der Ackerbau in höchster Blüte, der eine ausgedehnte Viehzucht veranlagte. Davon war wieder
abhängig die Rübenzucker-Fabrikation, die Bierbrauerei (in Braunschweig: die einst weit versandte
„Mumme") und die Verarbeitung des
Fleisches zu den bekannten Braunschweiger
Wurstwaren. (Deshalb pflegte man in
Braunschweig zu sagen: „Mumme un
een Stümpel Worst kann den Hunger un
den Dorst ogenblicklich stillen".)
Von Bedeutung ist der ausgedehnte
Gartenbau in Braunschweigs Umgebung,
der erhebliche Mengen Spargel, Hülsen-
flüchte und Gemüse liefert. Was davon
nicht in frischem Zustande verwertet wird,
kommt in die zahlreichen Konserven-
Fabriken, in denen die bekannten Gemüse-
Konserven hergestellt werden.
Einst blühten in Braunschweig die
Tuchmachern und die Metallarbeit, be-
sonders die Waffeusabrikatiou, so daß die
Stadt ein „Rüsthaus" genannt werden
konnte (wie Lüneburg ein „Salzhaus"
und Lübeck ein „Kaufhaus"). Jetzt sind
eine Reihe bedeutender Maschinenfabriken
und zahlreiche andere Industriezweige in
Braunschweig vertreten. Über 50% der
Bewohner finden in der Industrie ihren
Erwerb, während der Handel jetzt nur
etwa 12% der Bewohner ernährt.
(Zu dem Kreise Braunschweig gehört
die Exklave Thedinghausen an der
Weser — südöstlich von Bremen —.)
b) Südlich von Braunschweig liegt Wolfenbüttel (15%) an einer alten Übergangsstelle über
die Oker. Sie war Residenz der brannschweigischen Herzöge, bis dieselbe 1754 nach Braunschweig
verlegt wurde. Dem Schloß gegenüber die Wolsenbütteler Bibliothek, deren Bibliothekar Lessing
war. — In der Nähe der Jlse-Mündung der Eisenbahnknotenpunkt Börßum. — Am Südwestfuße
V: 1 :1000000.
Okergebiet von Braunschweig.
TM Hauptwörter (50): [T13: [Stadt Elbe Hamburg Berlin Provinz Bremen Land Lübeck Hannover Weser], T29: [Handel Industrie Land Ackerbau Fabrik Stadt Deutschland Mill Viehzucht Gewerbe]]
TM Hauptwörter (100): [T57: [Weser Stadt Hannover Harz Osnabrück Leine Kreis Aller Land Elbe], T4: [Handel Land Industrie Stadt Verkehr Gewerbe Ackerbau Viehzucht Deutschland Zeit], T10: [Stadt Berlin Hamburg Elbe Einw. Magdeburg Stettin Festung Lübeck Provinz], T70: [Boden Teil Land Wald Gebirge Ebene Gebiet See Klima Tiefland], T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann]]
TM Hauptwörter (200): [T122: [Stadt Hamburg Handel Berlin Bremen Lübeck London Deutschland Frankfurt Verkehr], T130: [Elbe Stadt Sachsen Provinz Saale Kreis Schlesien Elster Neiße Magdeburg], T188: [Handel Industrie Ackerbau Land Viehzucht Bewohner Gewerbe Bevölkerung Stadt Bergbau], T11: [Kanal Rhein Verkehr Eisenbahn Fluß Land Meer Handel Stadt Deutschland]]
— 88 —
aufgebaut werden. Wegen dieser Unsicherheit des Baugrundes hat sich bis weit
über die Jllmündnng hinaus keine größere Stadt am Rheine entwickeln können.
Am meisten ist das rechte Rhemufer durch die wilden Bergwasser des Schwarz-
Waldes gefährdet, während die Gelände links vom Rhein nicht so großen Gefahren
ausgesetzt sind, da die Jll die vom Wasgenwalde kommenden Wildwasser abfängt.
Die ungünstigen Stromverhältnisse stellten sich auch der Schiffahrt feindlich
entgegen. Man legte darum von Straßburg aus iu dem vor Wassersgefahr geschütz-
teu Landstreifen zwischen Rhein und Jll deu Rhoue-Rheiu-Kaual au, der die Ver-
biuduug mit dem Doubs und der Rhone herstellt. Zugleich verfolgte Napoleon I.
mit dem Bau dieses und des Rhein-Marne-Kanals, der von Straßburg über den
Paß von Zabern nach der Marne geht, einen politischen Zweck, indem er dadurch
den engen Anschluß des Elsaß an Frankreich fördern wollte. Auch eiue Korrektion
des Rheinstromes selbst ist vorgenommen, welche die Schiffahrt für kleinere Fahr-
zeuge bis Basel ermöglicht.
Das rechtsrheinische Tiefland in dem südlichen Teile ist für die Entwicklung
der Siedelungen nicht so günstig als das breitere linksrheinische Gebiet. Dort
sind große Orte nur am Gebirgsraude (s. S. 79 ff.); nur die Städtchen Alt-Brei-
sach und Kehl liegen an wichtigen Rheinübergängen; hier befinden sich größere
Städte, sogar die Großstadt Straßburg mitten in der Ebene. Zudem hatten die
Städte westlich vom Rhein bis ins Mittelalter hinein einen bedeutenden Borsprung
vor den östlichen Nachbarn, indem sie sich durch die vou Westen kommende Kultur
früher entwickeln mußten.
Zwischen Jll und Rhein sind nur kleinere Orte: Hüningen (3), nördlich
von Basel, ist weit bekannt durch seine in den Altwassern des Rheins betriebene
großartige Fischzucht; Neu-Breisach (3x/4) am Rhein-Rhone-Kanal ist Festung an
der Eisenbahnlinie Kolmar-Freiburg. Wichtiger sür Siedeluugeu ist die Linie
der Jll. Wo dieselbe aus den Borhöhen des Jura in die Ebene hinaustritt,
hat sich an dem Rhein-Rhone-Kanal Mülhausen i. E. (88^) als Industriestadt
für Baumwoll- und Wollwaren, Leinen, Garne und Maschinen entwickelt. Charakte-
ristisch für die Stadt sind die großen Spinnereien, Webereien und Färbereien,
nicht minder aber auch die Arbeiterkolouie mit mehr als 1000 kleinen Häuschen,
von Gärten umgeben, von denen jedes etwa 3000 Jb kostet und durch kleine Raten-
Zahlungen in den Besitz einer Arbeiterfamilie übergehen kann. Diese segensreiche
Gründung ist 1853 von einer französischen Gesellschaft für Bolkswohlfahrt ins
Leben gerufen. Ebenfalls bedeutende Baumwollwaren-Fabrikation treiben die
früheren Reichsstädte Colmar (36^), die Geburtsstadt des Dichters Pfeffel (1736),
und das kleinere Schlettstadt (9*/J.
Oberhalb der Jllmündnng dehnt sich die Hauptstadt der Reichslande, die die
Grenzen des Reiches schirmende Festung mit einem weiten Kranze von Befestiguugs-
werken aus. Das altehrwürdige Straßburg fanden die Römer schon als Siedelnng
der Kelten nicht am leicht verheerend anschwellenden Rheine, sondern an der
ruhigen und gefahrlosen Jll, also als Doppelbrückenstadt vor. Dieses ihr Argentora-
tum befestigten sie und machten es zum Ausgangspunkt römischer Kultur im süd-
TM Hauptwörter (50): [T8: [Stadt Rhein Schloß Kreis Mainz Einw. Dorf Main Frankfurt Einwohner], T18: [Gebirge Berg Teil Rhein Höhe Wald Fluß Alpen Seite Donau], T29: [Handel Industrie Land Ackerbau Fabrik Stadt Deutschland Mill Viehzucht Gewerbe]]
TM Hauptwörter (100): [T80: [Rhein Stadt Festung Mainz Maas Straßburg Frankreich Metz Elsaß Deutschland], T48: [Fluß Meer See Strom Land Wasser Mündung Kanal Lauf Ostsee], T4: [Handel Land Industrie Stadt Verkehr Gewerbe Ackerbau Viehzucht Deutschland Zeit]]
TM Hauptwörter (200): [T36: [Rhein Mosel Lahn Mainz Stadt Bingen Taunus Bonn Main Ufer], T11: [Kanal Rhein Verkehr Eisenbahn Fluß Land Meer Handel Stadt Deutschland]]
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westlichen Deutschland. Nach der Völkerwanderung erstand hier das germanische
Straßburg, als Burg an wichtigen Verkehrsstraßen; später gelangte es als reichs-
freie Stadt zu hoher Blüte. Ihre Bewohner waren von echt deutschem Geiste
beseelt; das beweisen' uns ihre hervorragenden Söhne Gottfried von Straßburg,
Joh. v. Tauler, Seb. Braut, Thomas Murner n. a. 1681 fiel die Stadt durch
Verrat an Frankreich. Sie sank in einen 190jährigen Dornröschenschlaf. Sie
wurde losgelöst aus ihrem natürlichen Zusammenhange; trotzdem sie zum Rhein-
gebiete gehörte, wurde die Rheinschiffahrt vernachlässigt, und der Handel nach
Frankreich gelenkt; die Entwicklung der Stadt war unterbunden. Das war
die traurige Zeit, die Rückert von der „Straßbnrger Tanne" beklagen läßt. Aber
durch die Donner des Krieges 1870 wurde das schlafende Dornröschen in neues
Leben zurückgerufen. Die nun wieder deutsch gewordene Stadt wurde Hauptstadt
des neuen Reichslandes, Residenzstadt seines Statthalters, Festung ersten Ranges,
Sitz der Wissenschaften durch die neu gegründete Universität, Centrum des gewaltig
aufblühenden Handels im südwestlichen Deutschland durch die günstige Lage an
natürlichen und künstlichen Wasserstraßen, wie auch au Haupteisenbahnlinien für
den Weltverkehr von West nach Ost (Paris—wien) und von Nord nach Süd.
Das gewaltige Ausblühen der Stadt kennzeichnet sich'in der Zunahme der Be-
völkernng, die seit 1871 bis 1900 von 84000 aus 150000 angewachsen ist.
Ein Zeuge jener wechselvollen Geschichte ist das Straßbnrger Münster
(s. Bild), ein herrliches gotisches Bauwerk, das der große Meister Erwin von
Steinbach als Zeichen der religiösen Begeisterung des Mittelalters schuf. Die
Westseite, welche unser Bild zeigt, läßt in drei Absätzen und in dem auf der
Nordseite 143 m aufsteigenden Turme die zahlreichen gotischen Spitzbogen, die
gewaltig aufstrebenden Pfeiler und allerlei Bildwerk erkennen. Ein Meisterwerk
ist die Fensterrosette im zweiten Geschoß über dem Westportale. Die Plattform
des unvollendet gebliebenen südlichen Turmes bietet eine herrliche Aussicht über
die Stadt und die fruchtbare Umgebung. Eine Merkwürdigkeit besitzt das Münster
in der astronomischen Uhr, an der sich jeden Mittag die angebrachten Figuren in
Bewegung setzen: ein Hahn kräht, die Apostel ziehen mit Verbeugung vor ihrem
Meister vorüber, und der unheimliche Tod verkündet durch Glockenschlag die
zwölfte Stunde.
Nördlich von Straßburg sind die Industriestädte Bischweier (8) und Hage-
nau (18) benachbart.
Die Industrie des Elsaß hat ihren Weg bis in die Thäler des Wasgen-
Waldes gefunden, wo sie die Kraft der zahlreichen Wasseradern in ihren Dienst
gestellt hat. Edles Rebgelände zieht sich am Saume des Waldes hin und ver-
wandelt die schöne Landschaft in einen lustigen Weingarten. Warme Quellen in
der Umgegend von Rappoltsweiler, zahllose Luftkurorte und Sommerfrischen am
und im Walde erhöhen den Sommerverkehr; eine Menge von Burgen vermehrt
den landschaftlichen Reiz und regt das historische Interesse an. Die Hohkönigsbnrg
westlich von Schlettstadt ist die schönste Burgruine; sie hat Ähnlichkeit mit dem
Heidelberger Schloß. Zahlreiche Seitenlinien der Jll-Bahn führen an den stark
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4. Das Rhewthal.
Kein Strom der Erde ist so oft und so feurig besungen als der Rhein, und
bis auf den heutigen Tag wird sein Lob unablässig verkündet. Die Begeisterung
für diesen deutschen Strom vermochte das Rheinstück von Bingen bis Bonn, der
sogenannte durchbrechende Rhein, zu erwecken. (Entstehung s. Seite 87!) Die
Bedeutung dieses Rheiuthales liegt nicht nur darin, daß es der Abzugskanal der
ganzen Bewässerung von Südwestdeutschland ist; zugleich ist es die Hauptverkehrs-
ader zwischen Südwest- und Nordwestdeutschland und den angrenzenden Ländern;
endlich bietet es eine Fülle von landschaftlichen Schönheiten.
Der gewaltige Strom, der infolge seines großen Flußgebietes bei Rüdes-
heim eiue Breite von 836 in hat, wird in dem Thale auf */* dieser Breite ein-
geengt. Hierdurch erhält der Strom an solchen Engen eine Tiefe von über
20—30 m, die er an keiner anderen Stelle wieder erreicht. Die Stromge-
schwindigkeit ist um das Doppelte und Dreifache größer als oberhalb Bingens.
An solchen Stellen mit schnellem Lauf wird der grobe Kies mit fortgeführt und
in Thalweituugeu, wo der Lauf ruhiger wird, abgesetzt und zur Juselbilduug
das Material geliefert. Nur an einzelnen Stellen werden die Rheinufer von
einem schmalen Thalboden begleitet, auf dem langgestreckte Siedelungen entstanden
find; häufig steigt aber auch der Fels aus den dunklen Wassern jäh empor
(s. Bild vom Lnrleifelsen!), wie es der 200 m hohe Lurleifelseu oberhalb St. Goars
zeigt. (Lei — rheinische Bezeichnung für Schieferklippen; Lurlei — eine Schiefer-
klippe, an der das Wasser „lurt" — wirbelt und brandet.)
Für den Handelsverkehr ist das Rheinthal von größter Wichtigkeit. Allein
schon die Wasserstraße ist in erster Linie für den Güterverkehr von Straßburg
nach Köln, Düsseldorf, den Niederlanden, nach England und den Häfen an der
Nord- und Ostsee von außerordentlicher Bedeutung. Der Rheinverkehr umfaßt
etwa die Hälfte vom Gesamtverkehr auf allen deutschen Wasserstraßen. 1896
wurden 3137 000 Tonnen zu Berg und 54000 Tonnen zu Thal befördert. Die
Köln-Düsfeldorfer Dampfschiffahrtsgesellschaft vermittelt diesen Verkehr. Daß aber
die Wasserstraße das Verkehrsbedürfnis bei weitem nicht befriedigt, beweisen die
an beiden Ufern des Rheins entlang ziehenden Eisenbahnen, die mit ihren zahl-
reichen Zügen den Anforderungen kaum gerecht werden können.
Die strategische Bedeutung des Rheiuthales kommt da zur Geltung, wo die
Mosel-Lahn-Senke die Rheinlinie kreuzt. Dort geht ein wichtiger Straßenzug
von der französischen Grenze auf nächstem Wege in das Herz Deutschlands und
nach dessen Hauptstadt, bezeichnet durch die Eisenbahn Berlin-Metz, welche im
Volksmunde wegen ihrer strategischen Bedeutung „Kanonenbahn" genannt wird.
Die Felsenfestung Ehrenbreitstein, Koblenz gegenüber, ist das Bollwerk zum
Schutze der sich hier kreuzenden Straßenzüge.
Die unvergleichlichen Schönheiten des Rheinthales ziehen alljährlich uuge-
zählte Touristenscharen an, die durch den Anblick der freundlichen Städtchen unten
Steckel, Das Vaterland. o
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Fruchtbare Gegenden riefen eine ertragreiche Bodenkultur hervor und förderten
den Aufschwung großer Gärtnereibetriebe. Die Gebirge besitzen den Vorzug
wertvoller Metallschätze und sonstiger nutzbarer Mineralien, zu denen Schiefer,
Porzellanerde, Bausteine :c. gehören. Die Gebirgsränder weisen an vielen Stellen
reiche Braunkohlen-, vor allen Dingen aber außerordentlich umfangreiche Salz-
lager auf. Alle diese Naturschätze haben auf allen Gebieten eine Industrie ins
Leben gerufen, wie sie in gleichem Umfange nur an wenigen Stellen des deutschen
Reiches wieder zu finden ist.
Magdeburg: Dom mit Fürstenwall und Strom-Elbe.
Wenn auch im Innern dieses Gebietes die Flußschiffahrtswege fehlen, so
macht doch am Rande desselben die Elbe mit der Saale als natürliche Ver-
kehrsstraße nach der größten deutschen Seestadt ihren Einfluß auf den Handel
geltend. Von viel größerer Bedeutung sind aber die zahlreichen natürlichen und
künstlichen Landstraßen dieses Gebietes, die besonders in ost-westlicher Richtung
die Becken an den Gebirgsrändern durchziehen und für die Verbindung der
deutschen Hauptstadt mit den Großstädten des Westens Bedeutung haben. Ebenso
stellen nord-südlich laufende Verkehrslinien den Verkehr zwischen Nordost- und
Süddeutschland her. Zahlreiche Verbindungsbahnen, selbst über die Grenzgebirge
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