Lrster Zeitraum.')
Brandenburg und Preußen bis zur Vereinigung beider Länder
1618.
A. Brandenburg bis 1618.
§. 1.
Die sächsische Nordmark bis zur Herrschaft des Hauses Ascanien.
In Folge der Völkerwanderung verließen die meisten deutschen Völker an der Elbe, Oder und an der Ostsee ihre wenig fruchtbaren Ebenen und zogen in mildere Gegenden, die Burgunder nach dem südöstlichen Gallien, die Vandalen nach Spanien, die Longobarden nach Italien. In die von ihnen aufgegebenen Wohnsitze wanderte ein slavischer Stamm, die Wenden, von der Weichsel her ein, welche von anderen slavischen Stämmen gegen die Elbe und über diese bis zur Saale gedrängt wurden.
Die wichtigsten slavischen Völkerschaften ^), welche in den mittleren und östlichen Provinzen des jetzigen preußischen Staates wohnten, waren: die Sorben auf beiden Seiten der Mittelelbe; nördlich von ihnen bis zu den Odermündungen die Wenden (Milzen oder Lentizen); auf dem linsen Ufer der Weichsel bis zur Netze und Ober die Polen; in dem Küsteulaude zwischen Oder und Weichsel die Pommern; zwischen Weichsel und Niemen die Pr uzen ober Preußen, ein aus slavischen, deutschen und lettischen Stämmen gemischtes Volk.
') S tenzel, G. A. H., Geschichte des preußischen Staates. 5 Bde. 1830—54.
— Ranke, L., Neun Bücher preußischer Geschichte. 3 Bde. 1847—1848. — Voigt, F., Geschichte des brandenburgisch-preußischen Staates. 2. Aufl. 1867.
— Ranke, L., Die Genesis des preußischen Staates. 1873. — Fix, W., Uebersichten zur äußern Geschichte des preußischen Staates. 1858. — Fix, W., Die Territorialgeschichte des preußischen Staates, mit 10 Karten. 1860. — Eberty, Fel., Geschichte des preußischen Staates. 7 Bde. 1867—1873.
2) Dieselben ftnb auf der beigegebenen Karte mit offener Schrift eingetragen.
P»tz, pre»h. Geschichte. 1
TM Hauptwörter (50): [T48: [Land Rhein Reich Volk Sachsen Römer Franken Jahr Karl Gallien], T13: [Stadt Elbe Hamburg Berlin Provinz Bremen Land Lübeck Hannover Weser], T1: [Geschichte Dichter Zeit Buch Werk Jahr Gedicht Nr. Bild Geographie]]
TM Hauptwörter (100): [T66: [Geschichte Iii Vgl Nr. Aufl Gesch Lesebuch Bild fig deutsch], T65: [Reich Italien Land Kaiser Römer Volk Jahr Rhein Gallien Franken], T78: [Polen Rußland Preußen Land Orden Russe Stadt Reich Warschau Weichsel], T95: [Bewohner Sprache Volk Land Bevölkerung deutsche Stamm Religion Neger Einwohner], T48: [Fluß Meer See Strom Land Wasser Mündung Kanal Lauf Ostsee]]
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66
Wilhelm I. Der deutsche Krieg. §. 16.
Verstärkungen. Hannover und Kurhessen wurden sofort unter preußische Verwaltung gestellt.
Nachdem die norddeutsche Coalitiou gegen Preußen innerhalb 14 Tage gänzlich gesprengt war, konnte dieses seine gestimmte Kraft gegen Oesterreich (nebst Sachsen) und dessen süddeutsche Bundesgenossen verwenden, dem zugleich Victor Emannel Ii., König von Italien, in Folge einer geheimen Allianz mit Preußen (April), den Krieg erklärt hatte. Der deutsche Kriegsschauplatz war nun ein doppelter: das östliche Böhmen, wo die österreichische „Nordarmee" unter dem Feldzeugmeister von Benedek sich mit den Sachsen (zusammen 271,000 Mann) vereinigt hatte, und das Gebiet des untern und mittlern Mains, wo die süddeutschen Bundestruppen (119,000 M.) sich couceutrirt hatten. Ein dritter Kriegsschauplatz war das Festungsviereck im östlichen Oberitalien, wo Erzherzog Albrecht bei Cnstozza siegte.
Schon am 23. Juni hatte die preußische Haupt-Armee (27 8,000 M.) die Offensive gegen Böhmen ergriffen, indem sie gleichzeitig von drei Seiten durch die Gebirgspässe einrückte: die Elbarmee (rechter Flügel) unter Herwarth von Bittenfeld (von Torgau) durch das Elbthal, die erste Armee unter Prinz Friedrich Karl von der Lausitz «Görlitz» her als Centrum, und die zweite Armee (linker Flügel) unter dem Kronprinzen von Preußen von Schlesien (Neiße) und der Grafschaft Glatz her. Nachdem die Vereinigung der drei Armeen unter meist siegreichen Gefechten beinahe erreicht war, traf König Wilhelm im Hauptquartier zu Gitfchin (2. Juli) ein, um den Oberbefehl und die Leitung der gefammten Operationen des größten, jemals auf einem Schlachtfelde versammelten preußischen Heeres (220,000 M.) zu übernehmen. Dieses gewann schon am folgenden Tage (3. Juli) den entscheidenden Sieg über die österreichisch-sächsische Hauptarmee unter Benedek, welche bei der Festung Königgrätz eine feste Stellung (zwischen der Elbe und ihrem westlichen Nebenflüsse Bistritz unweit Sadowa) eingenommen hatte.
Die zunächst stehende I. Armee unter dem Prinzen Friedrich Karl eröffnete den Kampf und hielt, mit einem Theile der Elbarmee im Centrum, der öster-reichisch-sächsischeu Armee gegenüber Stand, bis die Ii. Armee unter dem Kronprinzen um Mittag nach beschwerlichem Eilmarsch allmählich eintraf und noch rechtzeitig in die Schlacht eingriff. Die mit allen Mitteln der Feldbefestigungskunst verstärkte österreichische Hauptstellung auf der Höhe bei Chlum wurde durch die preußischen Garden erstürmt, und der König an der Spitze der Referve-Cavallerie (der I. Armee) begann die Verfolgung des Feindes, H^chald^ eine allgemeine und bis zum Einbrechen der Dunkelheit fortgesetzt wn^e; 161 Geschütze und fast
TM Hauptwörter (50): [T28: [Schlacht Heer Feind Mann Armee Napoleon Franzose General Truppe Preußen]]
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Extrahierte Personennamen: Wilhelm_I. Victor_Emannel Benedek Albrecht_bei_Cnstozza Albrecht Herwarth_von_Bittenfeld Friedrich_Karl Friedrich Karl König_Wilhelm Wilhelm Benedek Friedrich_Karl Friedrich Karl
wesen seyn sollen, geführt, nach dem Schlafzimmer der Köni-
gin. Ein Garde du Corps, die Gefahr der erlauchten Frau
bemerkend, opferte sein Leben auf, das ihrige zu retten. Er
lief eilend nach der Thüre ihres Zimmers, und rief durch die-
selbe: „um Gottes Willen! retten Sie sich! sonst sind Sie
verloren!" Sie hatte nur noch Zeit, aus dem Bette zu sprin-
gen, und, in einen Morgenmantel gehüllt, durch eine verbor-
gene Treppe nach dem Zimmer des Königs zu entfliehen, als
schon die Mörder vor ihrem Zimmer erschienen, den treuen
Garde du Corps ermordeten, die Thüre aufsprengten, und wü-
thcnd auf ihr Bette losstürztcn. Als sie es leer fanden, stie-
ßen sie wilde Flüche aus, und durchbohrten cs aus Wuth mit
unzähligen Stichen. Die Grenadiere der königlichen Garde
nahmen nun die königliche Familie in Schutz, und trieben die
Mörder aus den Zimmern. Aber mit neuer Wuth wandte
sich der Pöbel gegen die überall fliehenden Garde du Corps.
Vorzüglich zeichnete sich ein Mensch von ungeheurer Lange aus,
der mit einem langen Barte, einer hohen Mütze und aufge-
streiften blutigen Armen umherging, und das gräßliche Geschäft
trieb, den Ermordeten, noch che sie ganz lodt waren, die Kö-
pfe abzuhackcn, die dann der Pöbel auf Stangen steckte und
herumtrug. Den Bemühungen La Fayeltes gelang es, einige
Gardes du Corps zu retten.
Ludwig selbst begab sich auf einen Balcon, um zu dem
untenstehenden Pöbel zu sprechen. „Gnade für meine Leib-
garde!" rief er mit ausgebreitetcn Armen hinab. „Hoch lebe
der König!" war die Antwort des begeisterten Haufens, der
noch vor einer Stunde ihn ermordet hatte, wenn er in seine
Hände gefallen wäre. Man holte die gefangen gehaltenen
Gardes du Corps herbei, und umarmte sie vor den Augen des
Königs. „Die Königin! die Königin!" schrie dann der Pö-
bel. Mit sichtbarer Bangigkeit trat die erhabene Frau auf den
Balcon, an der einen Hand den vierjährigen Dauphin, an der
andern die zehnjährige Tochter. „Weg mit den Kindern!"
wurde ihr von unten zugerufen. Sie führte sie sogleich fort,
und stand nur: allein da, die wehrlose Frau, vor einem wild-
cmpörten, sie hastenden Pöbel. Ein Kerl zielte mit der Flinte
36*
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649
Willen für den Frieden zeigen, und die Franzosen die Deutschen
abhalten wollten, sich an Oeftreich anzuschließen. Endlich dran-
gen die östreichischen Truppen bis in die Nahe von Rastadt vor,
und nun wurde den französischen Gesandten — sie hießen N o-
berjot, Bonnicr und Jean Debry — von den Oestrei-
chern angedeutet, daß sie binnen 24 Stunden Deutschland ver-
laffen müßten (Rastadt liegt nur 1 Stunde vom Rhein entfernt).
Trotz der Vorstellungen der andern Gesandten, doch bis zum an-
dern Morgen zu warten, packten sie sogleich auf, und verließen
die Stadt trotzig am 28sten April am späten Abend. Um ihren
Uebermuth zu strafen, hatte — so heißt es — ein Haufen Szcck-
ler-Husaren den Befehl bekommen, ihnen aufzulauern, die bei-
den letztern, welche die anmaßendsten gewesen waren, tüchtig
durchzuprügeln, und ihnen zugleich ihre Papiere abzunehmen.
Die trunkenen und rohen Husaren aber, vielleicht von National-
haß noch mehr aufgeregt, überschritten dev Befehl. Einige hun-
dert Schritte hinter der Vorstadt sprengten sie an die Wagen an,
fragten die Postillione, ob sie die Gesandten führen, rissen nun
die Wagenthüren auf, zogen die Gesandten hervor, und hieben
sie vor den Augen ihrer laut auffchreienden Frauen nieder. Ro-
derjot und Bonnier blieben auf der Stelle todt; Debry aber
hatte so viel Besinnung, sich in den Graben zu wälzen und todt
zu stellen; er verkroch sich, nachdem die Husaren forlgejagt wa-
ren, in einen Busch, und kam am andern Morgen, fürchterlich
zugerichtet, nach Rastadt zurück. Dieser völkerrechtswidrige
Mord empörte die rechtlich gesinnten Deutschen eben so alö die
Franzosen, und Kaiser Franz versprach Untersuchung und strenge
Bestrafung der Anstifter. Da aber nachher die Kriegöereignisse
die Aufmerksamkeit davon ablenkten, so ist die Sache nicht wie-
der zur Sprache gekommen.
Das Jahr 1799 schien für die Verbündeten auf allen Punk-
ten deö Kriegsschauplatzes günstig scyn zu wollen. Nachdem
Erzherzog Karl Deutschland befreit hatte, wandte er sich nach
der Schweiz, und schlug den General Massen« bei Zürich zurück.
Auch in Italien siegte der östreichifchegeneral Kray über Sche-
rer in mehreren Treffen, und selbst Moreau, der nun die Ver-
luste wieder gut'machen sollte, wurde von Suwarow geschlar
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Extrahierte Personennamen: Jean_Debry Franz Franz Karl_Deutschland Karl Suwarow
Extrahierte Ortsnamen: Bonnicr Deutschland Rhein Italien
653
Berkhier, Murat, Lannes, Marmont, Desaix und Andern cm.
Glücklich entkam er Len englischen Kreuzern, und landete am
8tcn Octobcr 1799 im Hafen von Frejus. In Aegypten
hatte er versiegelte Befehle zurückgclassen, in denen Kleber
zum Befehlshaber ernannt wurde. *) Er selbst eilte von Fre-
jus-, ohne die vorgeschriebcne Quarantaine zu halten, sogleich
nach Paris, wo ihm die Herzen des Volks cntgegenfchlugen;
denn nur von ihm hoffte man die Besiegung der Feinde, und
ob er gleich nichts als ein General war, so beugte sich doch
Alles vor ihm, als wenn er schon erklärter Herrscher wäre.
Alle Partheien bewarben sich um ihn; er aber verabredete mit
dem verschmitzten Sieyes, einem der Directoren, und mit
dein erfahrenen Talleyrand, einem ehemaligen Geistlichen,
eine Veränderung der Verfassung; auch der größte Lhcil dcs
Rathcö der Alten wurde in das Geheimniß gezogen, und die
Ausführung auf den 9ten November (1799) festgesetzt.
Am Morgen dieses Tages versammelten sich etwa 150
Mitglieder dieses Raths; die andern waren weislich nicht ein-
geladen worden. Jene beschlossen, die Versammlung beider
Näthe nach St. Cloud zu verlegen, und dem General Bona-
parte den Befehl über die Leibwache der Räthe und über die
Truppen von Paris und der Umgegend zu übertragen. Bona-
parte nahm den Antrag an, und begab sich sogleich in die
,*) Es mag hier, damit wir nicht noch einmal auf Aegypten zurück-
kommen müssen, gleich kürzlich erzählt werden, wie sich diese Ex-
pedition endigte. Als Kleber den Oberbefehl übernahm, waren
nur noch i5,ooo Franzosen übrig. Er war als Mensch und Feld-
herr ein höchst achtungswürdiger Mann, und lhat alles Mögliche,
sich zu behaupten. Wirklich besiegte er auch zwei Mal die ver-
einigten Türken und Engländer, wurde aber noch vor Ablauf ei-
nes Jahres, als er auf der Terrasse vor seinem Hause mit einem
Offizier auf- und abging, von einem fanatischen Türken ermor-
det- Das Commando übernahm nun General Menou, ein
eben so ungeschickter Feldherr, als verachteter Mensch. Er wurde
von Türken und Engländern immer mehr in die Enge getrieben,
erlitt endlich eine greuliche Niederlage, und mußte am 3osten
August 1801 eine Capitulation abschließen, wonach der kleine
Rest des Heeres Aegypten verließ, und auf englischen Schiffen
nach Frankreich zurückgebracht wurde.
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683
Sekt dem Winter waren auch die schlesischen Festungen
von den Bundesgenossen der Franzosen, den Baiern und Wür-
tembergcrn belagert worden. Die Festungen G log au,
Brieg, Schweidnitz und Breslau vertheidigten sich nur
lau; tapferer Neiße; und Kofel, Glaz und S Uberberg
harrten bis ans Ende des Krieges aus. Noch mehr thaten
sich Colberg in Pommern und Graudenz in Westpreußen
hervor.
Endlich mußte sich Danzig am 24sten May 1807 an
die Franzosen ergeben. Die Hauptheere rückten nun wieder
gegen einander, und trafen sich bei Friedland in Ostpreu-
ßen am 14ten Juni, dem Schlachttage von Marengo. Die
Russen erlitten eine vollkommene Niederlage; auch die Preußen
wurden zurückgefchlagcn, und Königsberg besetzt. Zn guter
Ordnung zogen sich die Russen und Preußen nach Tilsit,
bis hinter den Niemen zurück. Napoleon folgte schnell. Da
hielten es die Verbündeten für gerathcn, einen Waffenstillstand
vorzuschlagcn, den jener gern annahm; denn wohl mochte ihm
grauen, in das unwirlhbare Rußland einzudringen, an dessen
Granze er fast stand. Tilsit wurde für neutral erklärt; auf
einem Floß mitten im Flusse traten die beiden Kaiser am
25stcn Juni zusammen, sich über Len Frieden zu besprechen.
Am folgenden Tage wohnte auch Friedrich Wilhelm der Unter-
redung bei, wurde aber kalt empfangen, und selbst die liebens-
würdige Königin vermochte nicht den gefühllosen Corscn zu
günstigen Bedingungen zu stimmen.
Am 7ten Zuli 1807 wurde der Frieden von Tilsit
zwischen Frankreich und Rußland, am 9tcn zwischen Frankreich
und Preußen geschlossen. Rußland verlor nichts, erhielt im
Gegentheil ein Stück von Ostpreußen, mußte aber versprechen,
den Engländern seine Häfen zu verschließen. Friedrich Wil-
helm dagegen mußte dem Frieden ungeheure Opfer bringen.
Er verlor fast die Hälfte seiner Staaten, alle Provinzen auf
dem linken Ufer der Elbe, deren Bewohner mit so treuer
Liebe an seinem Hause hingen, und zugleich wurde ihm eine
so übertrieben hohe Kontribution aufgelegt, daß sie unter vie-
len Jahren nicht zu erschwingen war. Bis dieselbe ganz ab-
/
TM Hauptwörter (50): [T2: [Schweden Friedrich Heer Schlacht Sachsen König Gustav Kaiser Krieg Schlesien], T34: [Krieg Frankreich England Deutschland Preußen Frieden Rußland Napoleon Kaiser Jahr], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
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Extrahierte Personennamen: Colberg Marengo Napoleon Friedrich_Wilhelm Friedrich Wilhelm Friedrich_Wil- Friedrich
Extrahierte Ortsnamen: Baiern Brieg Schweidnitz Breslau Uberberg Pommern Westpreußen Danzig Friedland Ostpreu- Königsberg Tilsit Tilsit Tilsit Frankreich Frankreich
743
gel — es waren Obstreicher von den Uebrigen ab, und
nahm ihn gefangen. Jetzt sahen die Monarchen wohl ein,
daß Dresden nicht zu nehmen sey, und befahlen den Rückzug.
Wie einpfindlich auch der hier erlittene Verlust war, so war
doch der schmerzhafteste der des edlen Moreau. Dieser Mann
hatte, von seinem alten Freunde Bernadotte gerufen, seinen
stillen Landsitz in Nordamerika, seine Gattin und seine zärtlich
geliebte Tochter verlassen, um die Verbündeten bei der Bezwin-
gung seines Feindes mit seinem Nathe zu unterstützen. Am
Listen befand er sich auf einer Anhöhe beim Dorfe Ncck'nitz
unweit Dresden neben dem russischen Kaiser, der sich eben
mit ihm unterhielt, als eine Kanonenkugel seinem Pferde durch
den Leib fuhr, und ihm beide Beine zerschmetterte. Stöhnend
sank er zu Boden, wurde in ein nahes Bauerhaus getragen,
ließ sich mit großer Standhaftigkeit, eine Cigarre rauchend,
die Beine vollends abnehmen, starb aber sechs Tage darauf
am Wundfieber.
Während nun die Verbündeten, vom Regen durchnäßt
und bis zur Erschöpfung ermüdet, sich nach dem Gebirge zu-
rückzogen, hatte ihnen Napoleon, wie ec hoffte, eine noch
größere Niederlage bereitet. Er halte den General Van-
damme, einen Mann von wilder Kühnheit, mit 30,000
Mann in ihren Rücken geschickt. Er sollte ihnen zuvorkom-
men, das Gebirge besetzen, und sie von Böhmen abfchneiden.
Wirklich gelang es ihm am 29sten August die Höhe des Ge-
birges zu erreichen. Aber anstatt hier die Verbündeten zu er-
warten, zog er sich auf der andern Seite in das Land hinein,
um nach Töplitz, wo des Königs von Preußen Hauptquartier
war, vorzudringen, und hier alles in Verwirrung zu setzen.
Fast wäre es ihm gelungen; denn auf solchen Ueberfall war
niemand vorbereitet, und nur 8000 Mann russische Garden
waren zur Hand, mit denen sich General Ostcrmann bei
Culm den Franzosen entgegenwarf, und sie für diesen Tag
mit ausgezeichneter Tapferkeit aufhielt. Am 30stcn August
aber begann ein noch hartnäckigeres Treffen bei Culm.
Dies Dorf liegt harr unter dem Gebirgszug, der Böhmen von
Sachsen trennt. Während die Russen die Franzosen von vorn
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Extrahierte Personennamen: Napoleon August General_Ostcrmann August
724
suchen, fehlten; Häuser fehlten ganz, well sie auf dem Hin-
wege alles verwüstet hatten. Loderte endlich ein Feuer aus,
dann bereiteten Offiziere und Soldaten ihr trauriges Mahl:
blutige Fleischlappen von gefallenen Pferden, und nur sehr
Wenige hatten einige Löffel voll Mehl, welches sie mit Schnee-
wasser vermischt gierig verschluckten. Von jenem Tage an ver-
fiel die Ordnung und Zucht des Heeres; nur wenige Regimen-
ter blieben in Reihe und Glied, und wäre Kutusow thätiger
gewesen, so hätte kein Mann entkommen können. Eine Menge
Siegeszeichen aus Moskau, Kanonen und Wagen aller Art
ließ man täglich zurück, um nur das Leben zu retten, und
eine Hoffnung nur leuchtete den Ausgehungerten: Smolensk,
wo man ihnen Lebensmittel aus den reichen Magazinen ver-
sprochen hatte.
Endlich erblickten sie diese ersehnte Stadt, und die ganze
Schaar der Waffenlosen, die den Bewaffneten voran liefen,
stürzte auf die Thore zu. Aber die Soldaten, die hier die
Wache hatten, und die hcrbeistürzendcn Menschen mit von
Erde und Rauch geschwärzten Gesichtern, hohlen Augen und
Wangen, in abgerissenen Uniformen und andern wunderlichen.
Kleidungsstücken kaum für französische Krieger halten konnten,
schlossen die Thore. Flehentlich baten die Armen, sie hineinzu-
lassen, und ihren Hunger zu stillen; Viele sanken sogar todt
zu Boden. Vergeblich! cs wurden nicht eher die Thore geöff-
net, bis die Garden anlangten. Diese, die überall den Vor-
zug hatten, erhielten Lebensmittel ausgethcilt, wahrend die
Andern abgcwiesen wurden; denn es waren nur wenige Vor-
räthe vorhanden, und das Wenige wurde von Einigen, die sich
kämpfend in die Magazine drängten, verschlungen, indem An-
dere leer ausgingen, sich verzweifelnd auf den Boden warfen,
und erst wieder auffprangen, als sic wegen Annäherung der
Russen mit Gewalt weitergetrieben wurden.
Am 14ten November verließ Napoleon Smolensk mit
seinen Garden. Diese marschirten noch in Reihe und Glied,
aber finster und stumm; Jeder war allein mit seinem gegen-
wärtigen Unglücke und mit seinen Befürchtungen, wie das
Alles noch enden würde, beschäftigt; von Tage zu Tage wurde
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748
mit dem schlesischen Heere von Norden. An der Nacht vorher
ließ Schwarzenberg drei weiße Raketen als Signal aufstekgcn;
gleich darauf erhoben sich vier rothe aus dem blücherschcn La-
ger, und zeigten, daß man hier auch bereit sey zur Schlacht.
Um 9 Uhr des Morgens gaben drei Kanonenschüsse die Losung
zum Angriff. Sogleich donnerten die Kanonen so fürchterlich,
daß in der Stadt alle Fenster bebten, und die Erde zitterte den
ganzen Tag über. Ein solches Krachen erinnerten sich die äl-
testen Offiziere noch nie gehört zu haben; man hörte zuletzt
keine einzelnen Schüsse mehr, sondern ein fortwährendes Brül-
len, und bis an die Thore von Leipzig vernahm man das To-
den der Schlacht, obgleich diese eine Stunde und darüber ent-
fernt war. Eigentlich waren cs an diesem Tage zwei Haupt-
schlachten: die eine bei Wachau und Licbertwolkwiß,
die andere bei Möckern.
Bei Wachau und Licbertwolkwitz, südlich von
Leipzig, focht Napoleon selbst mit dem größten Theile seines
Heeres gegen Schwarzenberg. Anfangs drangen die.verbün-
deten siegreich vor; überall wichen die Franzosen näher nach
der Stadt zurück. Da ließ Napoleon gegen Mittag seine
Garden und andere Kerntruppen mit vielem Geschütz und Rei-
terei, in zwei dichten und tiefen Haufen geordnet, gegen die
Verbündeten vorrücken. Zm Sturmschritt drangen sie ein,
warfen alles über den Haufen, die Verbündeten verloren die
schon eroberten Dörfer, und um 3 Uhr Nachmittags ließ Na-
poleon in den Straßen Leipzigs den erfochtenen Sieg verkün-
den, und mit den Glocken läuten. Aber noch war das Schick-
sal des Tages nicht entschieden. Fürst Schwarzenberg bemerkte
kaum das Vordringen der Feinde, als er schnell Adjudanlcn
zurückfandte nach dem östreichifchen Rückhalte mit dem Befehle,
sogleich vorzurücken. Das geschah; die Franzosen wurden aus
den eben errungenen Dörfern wieder herausgeworfen, und die
Stellung fast ganz so, wie sie am Morgen gewesen war, wie-
der hcrgestellt.
Einen eben so hartnäckigen Kampf hatte an dem Tage
an der Nordseite von Leipzig das schlesische Heer zu bestehen.
Aber Blücher kam erst gegen Mittag heran, und gerade, als
TM Hauptwörter (50): [T28: [Schlacht Heer Feind Mann Armee Napoleon Franzose General Truppe Preußen], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht]]
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Extrahierte Personennamen: Schwarzenberg Napoleon Schwarzenberg Napoleon Schwarzenberg
750
von Süden durch General Colloredo verstärkt worden, so
daß Leipzig und die nächste Umgegend, wo die Franzosen stan-
den, ringsum von den Verbündeten eingeschlossen war. Nur
nach Westen zu hatte man ihnen den Weg zum Abzüge nach
Frankreich fast ganz offen gelassen, um sie nicht durch gänz-
liche Einschließung zu einer verzweifelten Gegenwehr zu zwin-
gen. Diesen Ausweg benutzte auch Napoleon; er ließ schon
von 9 Uhr Vormittags an, den General Bertrand hier vor-
auszichen, und an diesen schloß sich der ungeheure Zug von
Gepäck und Troß aller Art an, der sich in Leipzig zusammen-
gehäuft hatte.
Um 8 Uhr begann die große Schlacht fast rings um die
Stadt. Am heftigsten wurde im Südosten der Stadt bei
Probst Heyda gcfochtcn. Vier bis fünf Mal stürmten die
Preußen, wurden aber von Mürat und den Garden, die alles
daran setzten, das Dorf zu behaupten, durch Kartätfchcnfchüsse
jedes Mal blutig zurückgcworfcn. Der Kanonendonner war
an diesem Tage noch fürchterlicher als am löten; die Zahl
des Geschützes war bei den Verbündeten noch verstärkt, und
immer enger wurde der Kreis, der Leipzig cinfthloß. Ein
Dorf nach dem andern wurde von den Verbündeten mit stür-
mender Hand genommen; überall wurden Wunder der Tapfer-
keit verrichtet; aber auch die Franzosen leisteten kräftigen Wi-
derstand, nicht mehr um zu siegen, sondern um den Rückzug
zu erkämpfen. Nachmittags nach 3 Uhr hielten sich die säch-
sischen Regimenter, die bis dahin auf ihres Königs Befehl un-
ter Napoleon hatten fechten müssen, nicht länger; sie brachen,
geführt vom General Nyssel, plötzlich auf, und gingen, das
Geschütz vorauf, mit ftiegenden Fahnen und klingendem Spiel
zu den Verbündeten über, die sie mit freudigem Hurrah em-
pfingen. Auch einzelne würtembcrgifche Haufen hatten schon
früher die Franzosen verlassen. Nun neigte sich der Abend,
und nur einzelne Dörfer wurden von diesen noch bis in die
Nacht behauptet, um den Rückzug zu decken. Was mochte
Napoleon bei dem allen empfinden! Den größten Theil des
Tages hatte er auf einem Hügel neben einer zerschossenen
Windmühle, eine Zeit lang selbst unter dem Galgen gehalten.
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Extrahierte Personennamen: Colloredo Napoleon Bertrand Napoleon Napoleon
Extrahierte Ortsnamen: Leipzig Frankreich Leipzig Leipzig