Autor: Meyer-Wimmer, J., Dreyer, Friedrich, Meyer, Johannes
Sammlung: Kaiserreich Geschichtsschulbuecher
Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Zeiten des Verfalls. Hoffmann von Hoffmannswaldau (1618 bis 1679) und Kaspar von Lohenstein (1635—1683) setzten die „galante" Abgeschmacktheit, schamlose Zweideutigkeit auf den Altar der Dichtkunst und bestätigten den moralischen Verfall der Nation. Nur zum kleinsten Teil hat Lohenstein durch seinen langweiligen Roman vom heldenmütigen Arminius und der durchlauchtigen Thusnelda jene Sünden gesühnt.
Selbst die Sprachgesellschaften, welche den an sich heilbringenden Plan verfolgten, die deutsche Sprache in ihre Rechte wieder einzusetzen, waren nur Nachahmungen fremder — italienischer — Institute und gefährdeten ihr Werk durch Übertreibungen. Der Verwahrlosung des prosaischen Ausdrucks konnten sie ohnedies nicht vorbeugen, und die Alamode-Sprache erhielt bald ein ebenso fremdartiges Gepräge wie Tracht und Sitte.
Dennoch dürfen wir weder über Opitz, noch über diese Zeit der Nachahmung unbedingt den Stab brechen. Denn trotz aller Mängel führt Opitz mit Recht den Namen „Vater der neudeutschen Dichtkunst"; durch seine metrischen Theorien (Büchlein von der deutschen Poeterei, 1624) machte er der elenden Knüttelversdichtung des sechzehnten Jahrhunderts ein Ende. Anderseits war es immerhin auch ein Gewinn, wenn die Deutschen noch irgendwie geistige Interessen pflegten. Die Nachahmung hat die Nation wenigstens vor äußerster Roheit bewahrt, die sittliche Verwilderung zu hemmen vermochte sie allerdings nicht.
Nichts beweist so sehr die Kraft des deutschen Volkes als die Thatsache, daß es ein so entsetzliches, aller Beschreibung spottendes Unglück, wie es das dreißigjährige Kriegselend war, nicht nur zu überdauern, sondern auch zu überwinden vermochte. Augsburg, Nürnberg und einige andere Städte machten sich den Krieg insofern zu nutze, als sie einen schwunghaften Waffenhandel betrieben; sie verstanden es auch sonst, durch alle Kriegswirren hindurch ihren Handel zu erhalten. Hamburg und Bremen wußten sich durch den Seehandel vom allgemeinen Verfall, dem auch Lübeck nicht entging, freizuhalten. Im übrigen Reiche hat die Arbeit der Wiedergenesung Jahrhunderte in Anspruch genommen.
Sie mußte bestehen in der Bildung eines wahrhaft deutschen Schrifttums und in der Schöpfung eines wahrhaft deutschen Reiches.
Beide Gebiete haben aus der Kriegszeit selbst Anregungen erhalten, so sonderbar dies auch erscheinen mag. Die fremden Völker, welche an dem Kriege beteiligt waren, Franzosen, Italiener, Spanier, Schweden,
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einer handwerksmäßigen Betriebsamkeit und entartete dadurch. Doch hat sie das Verdienst, die Litteratur wieder in die Masse des Volkes eingeführt und in demselben ideale Fragen angeregt zu haben.
1719 erschien in England der allbewunderte Roman Robinson Crusoe von Daniel de Foe. Nirgends fand er freudigere Ausnahme und zahlreichere Nachahmung als in Deutschland. Die ältesten deutschen Robinsonaden sind unbeschreiblich platt und dürftig; alles, auch das Fremdartigste, wird in den Kreis der Darstellung gezogen. Das einzige Werk, das dem englischen Original durch inneren Gehalt und Kraft der dichterischen Gestaltung gleichkommt, ist die „Insel Felsenburg" von Ludwig Schnabel (1731—1732). In der jammervollen Gegenwart des damaligen deutschen Lebens fühlte sich ein edles Gemüt vereinsamt; daher versenkte es sich in Träume von dem verlornen und wiederzufindenden Paradies einer beglückteren Welt. Die Insel Felsenburg ist der Sitz eines durch Schiffbruch dahin verschlagenen sächsischen Geschlechts, das seine friedliche Abgeschlossenheit um keinen Preis mit der friedlosen Außenwelt vertauschen mag.
Entsprechend der Entwickelung, welche die Litteratur in England nahm, schloß sich daran der Sitten- und Familienroman, eine Entwickelung, die für die Zeit Lessings von Wichtigkeit wird.
Auch in der Lyrik zeigte sich der englische Einfluß fördernd und stärkend. Vorbildlich wurde in dieser Gattung der Engländer Pope, der das Ergebnis der freieren Denkart der englischen Philosophie zum Inhalt seiner Dichtung machte. Die ersten Nachahmer dieser Richtung waren Brockes und Drollinger. Vielseitiger und wirksamer war Albrecht von Haller (geb. zu Bern 1708, gest. 1777, von 1736—1753 Professor in Göttingen), einer der ersten Naturgelehrten Europas. Alle philosophischen Gedanken seines Zeitalters finden bei ihm den dichterischen Ausdruck. In seinem Hauptwerk „Die Alpen" spricht sich die Sehnsucht nach der Sitteneinfalt der weltabgeschiedenen Alpenbewohner aus; in andern Gedichten gähren die höchsten Fragen über Religion und Sittlichkeit. — In vieler Beziehung das Gegenstück zu ihm ist Friedrich von Hagedorn (geb. zu Hamburg 1708, gest. 1754). Auch er ist ein moralisierender Dichter, aber in jener liebenswürdigen Art, die erkannt hat, daß Tugend und heiterer Lebensgenuß sich nicht ausschließen. Er ist als der Schöpfer des deutschen Gesellschaftsliedes zu betrachten. An dichterischer Kraft wie leichtem Fluß der Rede, an gefälligem Versbau und korrektem Ausdruck über-
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Litteratur, — und infolge von alledem Trennung der höheren von den niederen Gesellschaftskreisen, Mangel an Nationalsinn, an politischem und Bürgerlichem Selbstgefühl im Volk, Verkommenheit des sittlichen und häuslichen, und Abschwächuug des geistigen Lebens: — das sind die charakteristischen Merkmale, die den Kulturzustand des deutschen Volkes am Ende des dreißigjährigen Krieges Bezeichnen.
In sich selbst fand das deutsche Volk nicht die Kraft zur Erhebung
aus dieser Versunkenheit. Von außen her, von fortgeschritteneren
Nationen mußten die Anregungen kommen, welche die im deutschen Volke schlummernden, noch nicht erstorbenen Keime zu neuer Triebkrast weckten. Der auf das Ausland gerichtete Blick konnte sich der mächtig fortschreitenden Philosophie in Holland, England, Frankreich nicht verschließen. Hugo Grotius, Descartes, Spinoza, Bayle, Bacon und Locke gewinnen in Deutschland zahlreiche Anhänger und Nachfolger (Pufeudorf, Thomasius, Leibniz). Die Wirkungen der aus Lockes
Schule hervorgegangenen englischen Freibenker, verstärkt durch den Einfluß Voltaires und der französischen Aufklärer, ziehen sich durch das ganze achtzehnte Jahrhundert.
Langsamer entwickelt sich die Dichtung. Hier galt es zwischen den Forbernngen der gelehrten Kunstbichtung, b. H. der Renaissance, und
dem unmittelbaren Volksbebürfnis zu vermitteln. Die gesamte beutsche Kunstbichtung der ersten Hälfte dieser Periobe ist fast nur eine rohe, wirre Nachahmung der verschiebenden Vorbilber. Erst Gottscheb Betrat entschieben die Bahn des französischen Klassicismus und lehrte die beutsche Dichtung sich wenigstens an die der französischen Litteratur eigene Regelmäßigkeit gewöhnen. Daneben macht sich aber eine Richtung geltenb, die mehr dem Bebürfnis des Volkes zu genügen sucht. Diese Volksbichtung schließt sich an spanische und englische Vorbilber an. Der Kampf zwischen Beiben Richtungen erreicht seinen Höhepunkt und wirb zu Gunsten der Volksbichtung entschieben in dem Streit zwischen Gottscheb und Bobmer, Bis enblich Lessing, der Reformator der neueren deutschen Dichtung, die durch einseitige Anlehnung an den französischen Klassicismus entartete Kunstbichtung und die aller Idealität Beraubte Volksdichtung zu innigster Einheit zusammenschloß.
Was hier in heißem Kampfe erstrebt und errungen ward, fand seinen Abschluß und seine Vollendung in Kant, Goethe und Schiller. Die Vorgeschichte dieser großen Geisteskämpfe liegt in der Zeit von 1648—1740.
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bis zum Ende des Zwischenreiches. 147
9. Die ritterliche Minnedichtung.*) a) Der lyrische Minnegesang. a) Eindringen der fremden Poesie. Wie das Rittertum der Kreuzzugszeit seine Heimatsstätte im südlichen und westlichen Frankreich, sowie in dem normannischen England hatte und von da aus nach Deutschland gekommen ist, so kam mit ihm auch die Dicht- und Tonkunst aus jenen Ländern. Die Vermählung Friedrichs I. mit'^Beatrix, der Erbin von Burgund und Provence, und seines großen Gegners Heinrichs des Löwen mit der britischen Königstochter Mathilde erleichterte der fremden Kunst den Eingang in die deutschen Lande; unter dem Schutz und der Begünstigung beider fürstlichen Geschlechter, der Hohenstaufen und Welfen, verbreitete sie sich rasch im Süden wie im Norden. Die von den Häuptern der beiden Herrscherhäuser gepflegten Keime des kunstreichen Gesanges gingen dann, mit neuen Gaben vermehrt, an ihre Erben über, indem sowohl Heinrich Vi. als die Gegenkönige Otto und Philipp das überkommene Gut in treue Obhut nahmen und ausbildeten, bis es endlich, von Friedrich Ii. und seiner Umgebung zu üppiger Blüte getrieben, zuerst in der proven-calischen Heimat hinstarb und in Deutschland dem verwilderten Einfluß der kaiserlosen Zeit erlag.
ß) Die deutschen Minnesänger. Von den letzten Jahrzehnten des 12. Jahrhunderts bis an das Ende des dreizehnten währte die Blütezeit des deutschen Rittergesanges. Die Mehrheit der Dichter, „an Reden reich, an Sinn erlesen", gehörte dem Herrenstande, dem höheren und niederen Adel an; nur eine geringe Zahl werden durch die Bezeichnung „Meister" als Leute bürgerlicher Abkunft mit gelehrter Bildung eingeführt. Viele Fürsten waren nicht bloß Gönner und Förderer der Dichtkunst, sie verfaßten auch selbst Minnelieder. Es ist bekannt, daß fast alle Glieder des hohenstaufischen Hauses, von dem sechsten Heinrich bis auf den jugendlichen Konradin, der heiteren Kunst oblagen. Ein ähnliches Bestreben gab sich in anderen Gegenden unter dem Fürstenstande kund. In Thüringen wetteiferten die Grafen von Henneberg mit dem Thüringer Hof auf der Wartburg in ^Gunstbezeigungen gegen die Dichter (f. S. 140). Herzog Heinrich von Anhalt 1252), der mit Irmengard, einer Tochter des gesangliebenden Landgrafen Hermann, vermählt war, hat in seiner Jugend die Klänge der Minne angestimmt; sein Neffe war Heinrich „der Erlauchte" von Meißen, als Kriegsmann, Sängerund Streiter im prachtvollen Turnier gefeiert, und Johann von Brabant, ein
*) Nach G. Web er, Geschichte der deutschen Litteratur. 11. Aufl. Leipzig. 1880.
10*
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Extrahierte Ortsnamen: Frankreich England Deutschland Friedrichs Burgund Deutschland Thüringen Thüringer_Hof Wartburg Leipzig
344
Zustände des deutschen Volkes
heilige» Berge Golgatha und Sinai, den Garten Gethsemane. Oft waren auch diese Orte in verschiedenen Stockwerken eines Gerüsts angeordnet. Von Scenenveränderung, Auf- und Abtreten der Personen wußte man nichts; alle Darsteller verweilten auf der Bühne, die während des ganzen Spiels unverändert blieb. Das Kostüm'war den Mitwirkenden freigestellt und daher oft phantastisch. Die Zuschauer nahmen auf Gerüsten und an den Fenstern der am Markt liegenden Häuser Platz. Damit wurde der Verweltlichung der Bühne vorgearbeitet, aber auch die Spiele trugen durch manche Scenen dazu bei so durch die Art der Darstellung der Juden, welche namentlich in den Osterspielen lächerlich gemacht wurden, und durch die komischen Figuren der Teufel, verbunden mit plumpen Witzen und sogar Unflätereien. In diesen Formen haben sich die „Spiele" durch ganz Deutschland verbreitet.
Aber wie der ernsten Passionszeit der ausgelassene Fasching vorausging, so traten den Mysterien die Fastnachtsspiele zur Seite. Vermummte junge Leute zogen in Gruppen umher und gaben in Bürgerhäusern kleine Scenen zum besten, dramatisierte Vorgänge aus dem täglichen Leben, besonders gern in den Formen einer Gerichtsverhandlung.
Diese Weihnächte und Osterspiele dauerten in ihrer alten Form im 16. Jahrhundert fast nur in den katholischen Ländern wie Bayern und Österreich fort, aber die Fastnachtfpiele erhielten sich auch unter protestantischer Bevölkerung, und an Stelle jener traten hier Ausführungen biblischer Geschichten, vermengt mit Stoffen aus dem griechischen und römischen Altertum oder aus der Legende. Es waren entweder wirkliche Volksschauspiele oder Schulkomödien nach dem Muster der lateinischen Komiker. Diese Stücke wurden nicht von Berufsschauspielern, sondern von Bürgern und Schülern aufgeführt und gewöhnlich in der geräumigen Vorhalle der Rathäuser. Die Dichter waren meist Geistliche und Lehrer. Alle diese Veranstaltungen dienten zur Unterhaltung der städtischen Bevölkerung, außerdem aber ergötzte sie sich an dem bunten Treiben, welches durch Gauklerbanden hervorgerufen wurde, wie es schon in früheren Jahrhunderten geschehen war und bereits erzählt worden ist. (S. S. 141).
I
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354
Zustände des deutschen Volkes
Von nicht geringer Bedeutung für das bürgerliche Leben war auch das Fortleben der Singschulen, in denen der Meistergesang weiter gepflegt wurde. Diese Vereine von schlichten Bürgern und Handwerkern haben das unbestreitbare Verdienst, daß sich die Bewohner der Städte in jener Zeit sehr vor dem rohen und zum Teil zuchtlosen Adel auszeichneten. Jeder Meistersänger war zum frommen, sittlichen Leben, zu strengster Rechtlichkeit verpflichtet, und es ist natürlich, daß, jemehr das Ansehen der Genossenschaft zunahm, desto größer auch der Einfluß ihres reinen Lebens auf ihre Mitbürger werden mußte. Auch auf die geistige Bildung der Städte wirkte die Genossenschaft vorteilhaft, die Beschäftigung mit der Kunst, war sie auch noch so handwerksmäßig, mußte den schlichten Handwerker geistig erheben, seinen Verstand schärfen und vor allen ihn für höhere Verhältnisse des Lebens empfänglich machen.
Der fprachgewaltigste und neben Hans Sachs der bedeutendste deutsche Dichter des 16. Jahrhunderts war Johann Fischart in Straßburg, der seinen Spott gegen alles richtete, was ihm ungesund und verderblich erschien. In seinen Satiren ist das ganze Volksleben seiner Zeit mit allen hervorragenden Namen und Erscheinungen abgespiegelt.
5. Die Wissenschaft. Unter dem Einfluß der Humanisten, der Reformatoren wie auch der Jesuiten nahmen die Hochschulen einen bedeutenden Aufschwung, und das Bildungsbedürfnis in weiteren Kreisen führte zur Gründung einer Anzahl neuer. So entstanden und zwar auf protestantischem Boden Marburg, Königsberg, Jena, Helmstädt. Altdorf bei Nürnberg und Gießen. Auch Söhne adeliger Familien suchten jetzt häufiger als früher eine gelehrte Bildung sich anzueignen, und groß war die Zahl derer, die trotz des Glaubensunterschiedes die italienischen Hochschulen oder die in Paris besuchten.
Auch wurden im 16. Jahrhundert auf Betreiben der Reformatoren wie der Jesuiten Schulen verschiedener Art gegründet, auch Mädchenschulen, letztere wurden von Witwen oder früheren Nonnen geleitet.
Eine wahre Umwälzung brachte die neue Bildung auf dem Gebiete der Astronomie hervor, indem Nikolaus Eoppernicus aus Thorn (1473—1543) nachwies, daß die Sonne unbeweglich im Mittelpunkt der Welt steht und die Erde sich um sie dreht. Mit dieser Ansicht hatte er die ganze mittelalterliche Weltanschauung aus den Angeln gehoben und wurde deshalb von seiner eigenen, der katholischen Kirche, nicht weniger als von der strenggläubigen protestantischen
' y:
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Extrahierte Ortsnamen: Straßburg Marburg Königsberg Jena Altdorf Nürnberg Paris Thorn
Friedrichs des Großen.
537
des Landes verwies. Trotzdem war Wolff unausgesetzt dafür thätig, daß seine freiere Auffassung von den religiösen Dingen weiter verbreitet wurde. Wir wissen bereits, daß Friedrich der Große als Kronprinz seine Werke eifrig studierte und ihn später in sein früheres Amt wieder einsetzte. Während Wolff in Deutschland seine Ansichten zu verbreiten suchte, drangen auch von Frankreich und England neue Ideen ein, die das große Rätsel des Lebens, „Ursprung, Wesen, Zweck und Ziel aller Dinge" nicht mehr auf dem Wege des Glaubens, sondern aus dem des vernünftigen Denkens ergründen zu können glaubten. In dieser Richtung hatte sich nicht nur Friedrich Ii. seine Welt- und Lebensanschauung gebildet, sondern auch viele andere gelehrte Männer, die dafür in Wort und Schrift eintraten und den Kampf gegen die Verfechter der alten Lehre aufnahmen. Wie Wolff zu Anfang der Regierungszeit Friedrich Ii. die Gemüter mächtig aufregte, so übte später die Weltanschauung des Philosophen Immanuel Kant in Königsberg (1724—1804) einen nicht geringeren Einfluß auf alle gebildeten Zeitgenossen aus, indem er nachwies, daß übersinnliche Dinge niemals durch die menschliche Vernunft begriffen werden könnten, aber andrerseits den bedeutsamen Satz aufstellte: so zu handeln, als ob der Wille des Handelnden Naturgesetz werden müsse.
Es wäre jedoch ein Irrtum, wenn man glauben wollte, daß um das Ende des Jahrhunderts die Aufklärung bereits vieles in den Hütten der Armen, zumal auf dem Lande gebessert hätte. In den Dörfern waren allerdings Schulen, aber häufig genug war der Lehrer ein früherer Bedienter des Gutsherrn, ein armer Schneider oder Leineweber, der sich so wenig als möglich von seinem Handwerk trennen wollte, vielleicht seine Frau den Unterricht besorgen ließ. Noch hing der Landmann treu an seiner Kirche; in den Hütten der Amen wurde viel gebetet und gesungen, häufig war fromme Schwärmerei. Zumal in den Gebirgslandschaften, wo die Industrie sich massenhaft in ärmlichen Hütten festgesetzt hatte, unter Holzarbeitern, Webern und Spitzenklöpplern des Erzgebirges und der schlesischen Bergthäler war ein frommer, gottergebener Sinn lebendig.
Inzwischen hatte sich aber auch in der deutschen Dichtung ein ganz neuer Geist Bahn gebrochen.
2. Deutsche Dichter zur Zeit Friedrichs des Großen. Der König hatte in Leipzig mit zwei deutschen Dichtern gesprochen, die er als die größten ihres Vaterlandes bezeichnete; der eine war Gottsched, der andere, der jenen bei dem König ausstach, Christian Fürchtegott Geliert (1715—1769), Professor und Prediger in Leipzig. Friedrich schätzte Gottsched wegen seiner Anlehnung an die von ihm bewunderten Franzosen; zu Geliert zog ihn die Verwandtschaft der Fabeln desselben mit denjenigen Lafontaines hin, und er erklärte Geliert für den vernünftigsten unter allen deutschen Gelehrten. Geliert war auch weiterhin bekannt durch seine geistlichen Lieder und Briese und genoß in hohen und höchsten Kreisen großes Ansehen.
Den Ruhm Friedrichs des Großen priesen Gleim (1719-1803), Rammler und Ewald von Kleist in ihren Gedichten. Auch Klopstock hatte Friedrichs Thaten anfangs begeistert besungen, später aber wandte er sich anderen Stoffen zu. Ganz auf dem Boden der Franzosen seiner Zeit stand anfänglich Christoph Martin Wieland (1733 —1803), mit seinem „Oberon" kam er jedoch schon den Dichtern der zweiten Blütezeit nahe.
Alle diese Männer stellte der Sachse Gotthold Ephraim L e s s i n g in den Schatten. Lessing hat, obwohl vom König Friedrich nicht beachtet, die Siege und Thaten desselben in dem ersten echt deutschen Schauspiel „Minna von Barnhelm" verewigt und
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Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Frankreich England Königsberg Leipzig Leipzig
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erwiesen, daß Einzelnes aus den Ursitzen der Germanen von den
alten Deutschen und den nordischen Völkern hinübergetragen sein
muß. Man findet z. B. die Hauptsage, die der Nibelungen, der
Grundform nach eben so in der Edda, wie bei den mittelhochdeut-
schen Dichtern. Aus diesen ehemals vollständigen Liedern und
Gesängen der ältern Edda ist, vielleicht 120 Jahre später, der
prosaische Auszug gemacht, welcher den Namen der »jüngern Edda«
führt, und die dem Snorre Sturleson (1178—1241), Legmann auf
Island, zugeschrieben wird. Dieser Auszug bildet eine Art von
System und Cyklus aus jenen Liedern, welches, schon der Zeit
wegen, nicht mehr als damals geglaubtes Religionssystem anzu-
sehen, sondern auch der ausdrücklichen Absicht nach, nur neben
einer Sprachlehre und Verskunst der mythologische Theil zu einem
Lehrbuche der altnordischen Poesie ist, obgleich sie uns wegen der
Lücken in den ältern Liedern, aus welchen sie noch häufig Stellen
giebt, auch in dieser Hinsicht höchst wichtig ist. In der Folge ist
das Werk noch umgearbeitet und erweitert worden. Es besteht
ebenfalls aus drei Theilen, deren erster dogmatisch, der zweite
erzählend ist, und der dritte, mit Namen »Skalda«, in einem
alphabetischen Auszuge die poetischen Redensarten enthält, die in
den ersten Theilen vorkommen. Mit der Edda ist nicht zu ver-
wechseln die »Saga« (Sage, eigentlich im Nordischen: Geschichte),
ein Gedicht über die Heldensage und Geschichte der Skandinavier.2)
In, 12. und 13. Jahrhunderte entspannen sich aus Island
mancherlei Streitigkeiten, was i. I. 1261 zu einer Unterwerfung
unter den norwegischen König »Haoo« führte. Wir merken uns
schließlich noch die hauptsächlichsten Ereignisse aus der isländischen
Geschichte. Im Jahre 1306 wurde die Insel vom Treibeis völlig
eingeschlossen: der Fischfang war somit vereitelt, kein Grashalm
entsproßte der Erde, Tausende von Menschen, deren die Insel frü-
her 100,000 zählte, gingen zu Grunde. Fast hundert Jahre später
(1402) raffte die schwarze Pest 2/3 der Einwohner hinweg. In
den Jahren 1419—23 wurde das Land von englischen Seeräubern
verheert; ja im Jahre 1616 kamen Horden dieser Art aus Algier
an. Eine i. I. 1707 ausbrechende Seuche raffte abermals V* der
Bevölkerung hinweg und i. I. 1753 entstand eine fürchterliche
Hungersnoth. Außerdem verwüsteten Erdbeben und vulkanische
Eruptionen das Land.
Die 60,000 Einwohner Islands halten die alte skandinavische
Gastfreundschaft noch jetzt in hohen Ehren. Auch gehört das
Völkchen zu den sittenreinsten und am besten unterrichteten. Trotz
vielfacher Beschwerden erreichen die Isländer dennoch ein hohes
Alter. Nach John Barrow starben i. I. 1832 79 Personen zwi-
schen 70 und 80 Jahren, 68 Personen zwischen 80 und 90 Jah-
ren und 13 Personen zwischen 90 und 100 Jahren. Ihre meist
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