52
Aber Wilhelm umarmte den Vater mit heißen Thränen, vergaß dessen
Lehre nie und wurde ein braver Mann.
33. Der Gärtner und das Bäumchen.
„O, Gärtner, möchtest du mir sagen,
Warum ich den Verlust erlitt?"
So sagt' ein Baum, den man beschnitt.
Der Gärtner sprach: „Durch mein Bemüh'n
Wirst du im Frühling' schöner blüh'n
Und bess're Frucht im Herbste tragen."
Wie manches Nehmen gibt;
Wie manches Zögern eilet;
Wie manches Zürnen liebt;
Wie manch' Verwunden heilet.
34. Ein Tochter herz.
In der Stadt Rheims in Frankreich lebte ein Kaufmann, Namens M or-
tier. Er war ein durchaus rechtschaffener Mann, der bisher pünktlich bezahlt
hatte und deßwegen das Vertrauen der Kaufmannschaft in hohem Grade be-
saß. Mehrere Bankerotte in Paris brachten ihm aber plötzlich solch' heftige
Schläge bei, daß er die Waaren, welche er von hier- und dorther bezogen, nicht
bezahlen konnte, wenigstens nicht zu der ihm gesetzten Frist. Der ehrliche
Mann war sich bewußt, daß er ohne seine Schuld in diese bedrängte Lage
gerathen war. Er entschloß sich daher, nach Paris zu reisen, seine Bücher
den Gläubigern offen zu legen und um theilwcisen Nachlaß oder längere Fri-
sten zur Zahlung zu bitten. Die rückhaltlose und ehrliche Weise, wie er das
that, konnte nur das Vertrauen in seine Denkungsart bestärken. Gern bewil-
ligten ihm daher seine Gläubiger diese Frist, auch wohl ansehnliche Nachlässe,
nur einer nicht und gerade der, welchem er am meisten schuldete. Dieser ver-
langte ohne Schonung Geld, und jeder Versuch war vergeblich, ihn auf mil-
dere Gesinnung zu bringen. Der Grund dieser Härte lag aber nicht in einer
Gefühllosigkeit dieses Mannes, sondern darin, daß erst kürzlich ein betrüge-
rischer Bankerott ihn um bedeutende Summen gebracht hatte. Die Art, wie
er hinter das Licht geführt worden, war so nichtswürdig, daß er geschworen
hatte, seine Ausstände auf's Strengste einzutreiben. Mit harten Worten ver-
langte er die Zahlung seiner Schuld und ließ Mortier, als er sie nicht leisten
konnte, ohne Weiterees in das Schuldgefängniß setzen.
Als diese Nachricht nach Rheims kam, traf sie die schuldlos unglückliche
Familie Mortiers, wie ein Blitzstrahl aus heiterem Himmel. Trostlos weinten
Mutter und Kinder. Adeline, Mortiers älteste Tochter, war ein edles, from-
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
TM Hauptwörter (100): [T39: [Kind Vater Mutter Frau Mann Haus Jahr Eltern Sohn Knabe], T36: [Million Mark Jahr Geld Thaler Mill Summe Wert Gulden Pfund], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann]]
TM Hauptwörter (200): [T39: [Million Mark Geld Jahr Summe Steuer Thaler Staat Ausgabe Einnahme], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T116: [Vater Kind Mutter Sohn Bruder Herr Mann Auge Frau Hand], T13: [Baum Wald Feld Wiese Garten Gras Winter Mensch Sommer Haus], T21: [Napoleon Bluch Heer General Preußen Franzose Schlacht Armee Mann Wellington]]
Extrahierte Personennamen: Wilhelm Mortier
Extrahierte Ortsnamen: Rheims Frankreich Paris Paris Rheims
63
Herr Major mir schuldig: Drei und einen halben Monat Lobn, den Monat
6 Thaler, macht 21 Thaler. Seit dem ersten dieses an Kleinigkeiten ausge-
legt 1 Thlr. 7 Gr. 9 Pf. Summa Summaruin 22 Thlr. 7 Gr. 9 Pf." —
Gut, und es ist billig, daß ich diesen laufenden Monat ganz bezahle.
Just. Die andere Seite, Herr Major —
v. Tellheim. Noch mehr? (Liest.) „Was dem Herrn Major ich schul-
dig: Au den Fcldscheer für mich bezahlt 25 Thlr. Für Wartung und Pstege
während meiner Kur für mich bezahlt 39 Thlr. Meinem abgebrannten und
geplünderten Vater auf meine Bitte vorgeschossen, ohne die zwei Beutepferde
zu rechnen, die er ihm geschenkt, 50 Thlr. Summa Summarum 114 Thlr.
Davon abgezogen vorstehende 22 Thlr. 7 Gr. 9 Pf. Bleibe dem Herrn Major
schuldig 91 Thlr. 16 Gr. 3 Pf." — Kerl, du bist toll!
Just. Ich glaube es gern, daß ich sie weit mehr koste. Aber es wäre
verlorene Tinte, es dazu zu schreiben. Ich kann ihnen das nicht bezahlen,
und wenn sie mir vollends die Liverei nehnten, die ich auch noch nicht ver-
dient habe, — so wollte ich lieber, sie hätten mich in dem Lazarethe krepiren
lassen.
v. Tellheim. Wofür siehst du mich an? Du bist mir Nichts schuldig,
und ich will dich einem von meinen Bekannten empfehlen, bei dem du es bester
haben sollst, als bei mir.
Just. Ich bin ihnen Nichts schuldig, und doch wollen sie mich ver-
stoßen ?
v. Tellheim. Weil ich dir Nichts schuldig werden will.
Just. Darum? nur darum?— So gewiß ich ihnen schuldig bin, so
gewiß sie mir Nichts schuldig werden können, so gewiß sollen Sie mich nun
nicht verstoßen. — Machen sie, was sie wollen, Herr Major, ich bleibe bei
ihnen; ich muß bei ihnen bleiben.
v. Tellheim. Und deine Hartnäckigkeit, dein Trotz, dein wildes, unge-
stümes Wesen gegen Alle, von denen du meinst, daß sie dir Nichts zu sagen
haben, deine tückische Schadenfreude, deine Rachsucht--------
Just. Machen sie mich so schlimm, wie sie wollen, ich will darum doch
nicht schlechter von miv denken, als von meinem Hunde. Vorigen Winter ging
ich in der Dämmerung an dem Kanals und hörte Etwas winseln. Ich stieg
herab und griff nach der Stintme, und glaubte ein Kind zu retten und zog
einen Pudel aus dem Wasser. Auch gut, dachte ich. Der Pudel kam mir nach;
aber ich bin kein Liebhaber von Pudeln. Ich jagte ihn fort, umsonst; ich prü-
gelte ihn von mir, umsonst. Ich ließ ihn des Nachts nicht in meine Kammer;
er blieb vor der Thüre aus der Schwelle. Wo er mir zu nahe kam, stieß ich
ihn mit dem Fuße: er schrie, sah mich an und wedelte mit dem Schwänze.
Noch hat er keinen Bissen Brod aus meiner Hand bekommen, und doch bin ich
der Einzige, den er hört, und der ihn anrühren darf. Er springt vor mir het
und macht mir seine Künste unbefohlen vor. Es ist ein häßlicher Pudel, aber
TM Hauptwörter (50): [T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T36: [Million Mark Jahr Geld Thaler Mill Summe Wert Gulden Pfund], T19: [Feind Pferd König Mann Soldat Reiter Uhr Wagen Kanone Offizier], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume]]
TM Hauptwörter (200): [T65: [König Herr Soldat Offizier Vater Prinz Friedrich Majestät General Brief], T196: [Tisch Tag König Hand Wein Herr Haus Gast Abend Frau], T39: [Million Mark Geld Jahr Summe Steuer Thaler Staat Ausgabe Einnahme], T177: [Volk Recht Gesetz Freiheit Land Strafe Mensch Gewalt Leben Staat], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht]]
64
ein gar zu guter Hund. Wenn er es länger treibt, so höre ich endlich auf, den
Pudeln gran zu sein.
v. Tellheim (bei(Beite). So wie ich ihm! Nein, es gibt keine völligen
Unmenschen!--------Just, wir bleiben beisammen.
Just. Ganz gewiß! — Sie wollten sich ohne Bedienten behelfen?
Sie vergessen ihrer Blessuren, und daß sie nur eines Armes mächtig
sind. Sie können sich ja nicht allein ankleiden. Ich bin ihnen unentbehrlich,
und bin-------ohne mich selbst zu rühmen, Herr Major — und bin ein Be-
dienter, der — wenn das Schlimmste zum Schlimmen kommt — für seinen
Herrn betteln und stehlen kann. L e s s i n g.
4t. Das Handelshaus Gruit.
Wenn die Noth am größten,
ist Gott am nächsten.
Das Handelshaus Gruit von Steen war im Anfange des siebzehnten
Jahrhunderts eines der angesehensten und reichsten in Hamburg. Aber der ver-
heerende dreißigjährige Krieg machte seine traurigen Folgen zuletzt auch ihm
fühlbar, itnd zwar um so mehr, je ausgebreiteter die Geschäfte des Hauses früher
gewesen waren. Städte und Dörfer waren zu Hunderten verheert und ver-
lassen, und bei der Unsicherheit der Straßen war es kein Wunder, daß der
Handel stockte und vorzüglich der Absatz in das Innere von Deutschland gering
war. Ein Kaufmann nach dem andern wurde unfähig zu zahlen und zog auch
jenes Handelshaus in seine Verluste mit hinein. Dagegen wagte das große
Seeschiff, sein Eigenthum, welches an der Mündung der Elbe lag, des Krieges
wegen nicht auszulaufeu, und die gangbarsten Waaren mußten von den Hol-
ländern zu außerordentlich hohen Preisen aus der zweiten Hand erkauft
werden.
Hermann Gruit, der Besitzer der Handlung, saß mit dem alten Jansen,
einem erfahrenen Diener des Hauses, um's Jahr 1638 in der Schreibstube
und verglich mit ihm die großen Bücher. „So thut es nicht länger gut!" sagte
dieser endlich; „wir müssen es anders anfangen. Ueberlaßt mir auf ein Jahr
das Schiff und so viel Geld und Nürnberger Waaren, als möglich, und laßt
mich dann selbst nach der neuen Welt (Amerika) segeln; ihr wißt, ich bin in
jüngeren Jahren schon zweimal dort gewesen und verstehe das Geschäft; mit
Gott wird es mir gelingen."
Die beiden Männer berathschlagten mit einander über diesen Einfall,
und nachdem sie die mögliche Gefahr und den möglichen Vortheil auf das Beste
erwogen hatten, kamen sie dahin überein, daß Jansen abreisen sollte. Vier
Wochen später schritt Herr von Steen in seinem Rathsherrngewande, den alten
Buchhalter neben sich, dem Hafen zu, wo eine große Menschenmenge der Ab-
fahrt des stattlichen Schiffes harrte. Einige Handelsfreunde traten grüßend
auf sie zu und äußerten bedenklich, sie wünschten, Herr Hermann möge bei die-
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler]]
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TM Hauptwörter (200): [T50: [Haus Pferd Bauer Herr Wagen Mann Tag Kind Weg Leute], T116: [Vater Kind Mutter Sohn Bruder Herr Mann Auge Frau Hand], T122: [Stadt Hamburg Handel Berlin Bremen Lübeck London Deutschland Frankfurt Verkehr], T129: [Schiff Hafen Flotte Meer Küste Fahrzeug See Kriegsschiff Land Dampfer], T91: [Geschichte Krieg Zeit Zeitalter Mittelalter Revolution Reformation deutsch Jahrhundert Ende]]
Extrahierte Personennamen: Hermann_Gruit Jansen Jansen Hermann
Extrahierte Ortsnamen: Tellheim Hamburg Deutschland Amerika
65
ser Ausrüstung nicht zu viel gewagt haben. Aber Jansen antwortete: „Lasset
es euch nicht anfechten, ihr Herren; ich hoffe fest, wir sehen uns gesund und
freudig wieder; denn ich traue auf das gute Sprüchwort: „„Gott verlaßt keinen
Deutschen!""
Da donnerte der erste Signalschuß zur Abfahrt, und das Boot, welches
den alten Jansen zum Schiffe führen sollte, batte eben gelandet. Noch einmal
drückte er seinem Herrn die Hände; dann stieg er schnell ein und schiffte hin-
über. Jetzt wurde der große Anker aufgewunden; der letzte Kanonenschuß
wurde gelöset; alle Wimpel flaggten, und mit vollen Segeln flog das Schiff
dahin, dem Meere entgegen.
Drei Vierteljahre gingen vorüber, und kein Jansen kehrte zurück oder
ließ auch nur Etwas von sich hören; wohl aber verbreiteten sich dunkle Gerüchte
von deutschen Handelsschiffen, die in der Gegend von Neu-Amsterdam geschei-
tert seien. Die Miene des Herrn Hermann Gruit wurde immer bedenklicher.
Einen großen Verlust nach dem andern erlitt er durch den Fall mehrerer Hand-
lungshäuser zu Braunschweig, Nürnberg, Augsburg und Ulm, und täglich noch
trafen neue Unglücksbriese ein. Am Jahresschlüsse verglich er seine Bücher —
und was er gefürchtet hatte, erwies sich als Wahrheit: die Schulden überstiegen
sein Vermögen. Da legte er langsam die Feder weg. klappte leise das Buch zu
und ging, schwer seufzend, aus der Schreibstube hinauf in das Familienzimmer.
Dort kleidete er sich in seine volle Amtstracht als Rathsherr, küßte seine Frau
und seine drei Knaben und ging mit der Aeußerung, daß heute Sitzung sei,
hinunter. Die grüne Gaffe entlang schritt er dem Rathhause zu; ein Diener
trug ihm das schwere Hauptbuch nach. Im Rathssaale legte er vor den er-
staunten Amtsgefährten die Ehrenzeichen seiner Würde ab und erklärte seine
Zahlungsunfähigkeit.
Man kann denken, wie groß das Staunen Aller war, daß das große
Haus Gruit von Steen zu zahlen aufhören müffe. Indeß überzeugten sie sich
aus der genauen Ansicht der Bücher, daß Hermann an seinem Unglücke nicht
schuld sei, und beschloffen, ihm noch eine halbjährige Frist zu gestalten, als die
äußerste Zeit, in welcher man Jansen noch zurückerwarten könnte, wenn das
Schiff nicht verunglückt wäre.
Aber das halbe Jahr verfloß; es vergingen zwei Monate darüber —
und Jansen war nicht gekommen. Herrn Hermanns Umstände aber hatten sich
noch verschlimmert. Da drangen die schon durch die bewilligte Frist erbitterten
Gläubiger so ungestüm auf die strenge Vollziehung des Gesetzes und die Ver-
steigerung aller ihrem Schuldner gehörigen Sachen, daß die Obrigkeit der Ge-
rechtigkeit ihren Gang lassen mußte. Alles wurde unter Riegel gelegt, und
dem armen Gruit nebst seiner Familie blieb nur noch das kleine Stübchen, wo
sonst der Hausknecht geschlafen, links am Haupteingange des Hauses.
Die Versteigerung begann; sie geschah in dem geräumigen Schreibzim-
mer, jenem Stübchen gegenüber; man konnte hier die laute Stimme des Aus-
rufers deutlich hören. Mit jedem Niederfallen des Hammers fuhr es dem Herrn
Kiesfer, Viertes Lesebuch. Ii. k
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler]]
TM Hauptwörter (100): [T87: [Tag Tisch Haus Frau König Mann Gast Herr Hand Abend], T28: [Schiff Meer Wasser Land Küste Ufer Insel See Flut Welle], T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T68: [Gericht Recht Richter König Strafe Gesetz Urteil Sache Person Verbrechen], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel]]
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Extrahierte Personennamen: Jansen Jansen Hermann_Gruit Hermann Jansen Jansen Hermanns
t
271
Nebenflüsse bis hinauf in die Schluchten der Berge und im.sande der Ebene;
denn die Flüsse bringen es aus den Erzadern der Berge mit. Der ganze
Molddistrikt Zeigte sich in einer Ausdehnung von 800 englischen Meilen in die
Länge und von 100 Meilen in die Breite, und es ist nicht zu zweifeln, daß
er sich noch viel weiter ausdehne. Alles strömte dem Goldlande zu; die Ar-
beiter liefen vom Felde weg; die Matrosen verließen ihre Schisse. Bald waren
die nahe gelegenen Oerter und Inseln ohne Bewohner. Von den vereinigten
Staaten zogen ganze Scharen dorthin; von New-Uork allein gingen in kurzer
Zeit 70 Schisse mit Auswanderern ab. Ganze Karavanenzüge bereiteten
sich, den ungeheuren Weg zu Lande zu machen. Selbst von China kamen
Schisse an.
Dieser Ueberfluß an Gold änderte dort plötzlich alle Verhältnisse, und
es fiel in seinem Werthe bedeutend, während andere Gegenstände stiegen. So
gaben die Goldgräber gern für eine Flasche Branntwein oder für einen Beu-
tel Tabak 15—20 Thaler Gold; 1 Pfund geräuchertes Rindfleisch kostete bis
2 Dollars*), Roggen, Gerste, Erbsen, Bohnen 10 Dollars der Scheffel,
ein Pferd 100—300 Dollars. Der Tagelohn stieg bald auf 16—20 Dol-
lars, und ein von Spekulanten dahin gebrachtes eisernes Haus wurde augen-
blicklich für 1000 Dollars monatlich vermiethct.
Das Gold ist von der feinsten Art und kommt in verschiedener Menge
vor. Mancher findet täglich für 120—150 Thaler. Einer las in 1/i Stunde
aus einer Felsenritze 2l/2 Pfund Gold. Ein Anderer, der einen Reisenden be-
gleitete, wusch während einer Ruhezeit Goldsand aus und hatte in 5 Minuten
etwa für 3 Thaler. Ganze Goldklumpen von 10—12 Pfund Schwere gehören
nicht zu den Seltenheiten. Ja, ein Goldgräber war so glücklich, einen Klum-
pen zu finden, dessen Werth zu 11,000 Thalern angeschlagen wurde. Man
darf aber nicht glauben, daß es so ohne Mühe in Empfang genommen werden
könne: es verlangt vielmehr manche schwere Arbeit. Die Leute holen mit
einer Hacke den Schlamm vom Grunde des Wassers herauf oder graben den .
Ufersand dicht am Rande des Stromes aus und waschen denselben in hölzer-
nen oder zinnernen Schüsseln oder in größeren trogähnlichen Maschinen.
Dadurch bewirken sie, daß beim wiederholten Umrühren der leichtere Sand
und die erdigen Theile oben schwimmen. Den untern Goldsand legen sie aus
ein Tuch oder Brett zum Trocknen und blasen dann den leichten Staub mit
einem Blasebalge weg. Man sucht nur einige Fuß tief; nachdem aber das
Land sich dem Bunde der vereinigten Staaten angeschlossen hat, werden ge-
wiß auch bergmännische Anstalten und Amalgamirwerke eingerichtet werden.
Dann wird freilich auch wohl das Glück der Freiheit, Gold zu suchen, auf-
hören, dieses Scheinglück, bei welchem oftmals die gesummten Reichthümer
durch den theuren Lebensunterhalt wieder verschlungen wurden, und bei dem
*) Ein Dollar = 2 fl,.30 kr.
»
4*
TM Hauptwörter (50): [T19: [Wasser Luft Eisen Körper Silber Gold Kupfer Metall Stein Erde], T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht]]
TM Hauptwörter (100): [T36: [Million Mark Jahr Geld Thaler Mill Summe Wert Gulden Pfund], T12: [Wasser Luft Erde Höhe Körper Fuß Dampf Bewegung Druck Gewicht], T28: [Schiff Meer Wasser Land Küste Ufer Insel See Flut Welle], T98: [Volk Land König Krieg Zeit Feind Mann Macht Freiheit Kaiser], T79: [Wein Zucker Baumwolle Kaffee Getreide Tabak Fleisch Holz Wolle Handel]]
TM Hauptwörter (200): [T89: [Wasser Fluß Quelle Bach See Erde Boden Brunnen Land Ufer], T114: [Fleisch Milch Brot Pferd Butter Käse Stück Wein Schwein Getreide], T107: [Eisen Gold Silber Kupfer Blei Metall Salz Zinn Stein Mineral], T12: [Wagen Wasser Stein Rad Fuß Maschine Pferd Bewegung Hand Schiff], T175: [Mensch Leben Natur Körper Seele Tier Thiere Arbeit Erde Pflanze]]
Extrahierte Ortsnamen: New-Uork China Goldsand Goldsand
249
Versenden in's Ausland; vollkommen süß und schmackhaft werden sie aber
erst im Monate Mai. Mitten unter den reifen Früchten erscheinen schon wie-
der die neuen Blüthen und verbreiten weit umher ihren Balsamduft. — Der
Feigenbaum wächst in Portugal oft wild aus nackten Felsen und aus Mauern
ohne alle Erde hervor. Er wird im guten Lande so groß, wie unsere Birn-
bäume. Die Bauern bringen die Feigen zum Verkaufe in die Städte, wo die
Handelsleute ungeheure Haufen davon zur Versendung aufschütten. Sie lassen
sie getrocknet in kleine Körbe drücken, wovon jeder 28. Pfund hält, und so
kommen sie in den Handel. — In den mittlern Provinzen Portugals ist der
Oelbaum so häufig, daß man zuweilen ganze Tagreisen macht, ohne einen an-
dern Baum anzutreffen. Seine Früchte sind zwar kleiner, als die spanischen
Oliven; aber sie geben ein besieres Oel. Auch der Oelbaum wächst an vielen
Orten wild, wie der Feigenbaum. Man pfropft ihn, wie unsere Obstbäume;
er trägt aber sehr spät, oft erst im fünfzehnten Jahre. Werden daher in einem
Kriege die Oelbäume niedergehauen, oder erfrieren sie, was jedoch selten der
Fall ist, so entsteht ein ungeheurer Schaden. Im Dezember und Januar wer-
den die Oliven reif, und dann schlägt man sie mit Stangen ab. Man preßt
sie sogleich aus oder läßt sie auch eine Zeit lang liegen und gähren, damit
man desto mehr Oel bekomme. Dieses Oel dient den Portugiesen statt But-
ter und Schmalz zur Zubereitung ihrer Speisen, und man versichert, daß,
wenn zuweilen die Hausfrauen ihre Schlüssel verlegen, wie das denn auch in
Portugal der Fall ist, sie in der Geschwindigkeit Oel aus der Lampe in die
Pfanne gießen und ihre Speise damit schmälzen.
Noch ein Hauptprodukt Portugals ist der Wein, der in diesem warmen
Lande außerordentlich gut wird. Er ist meistens roth; zwar gibt es auch wei-
ßen ; aber der rothe schnieckt besser. Die weinreichsten Gegenden sind hier am
obern Duero. In ganz Portugal wird der Wein nicht gekeltert; sondern die
Trauben werden mit den Füßen zerstampft. Auch wird der Most nicht in den
Keller gelegt, sondern mit dem stärksten Branntweine vermischt und über der
Erde in den Magazinen gelassen, wo er vergährt. Dies ist die Ursache, daß
die portugiesischen Weine alle schwer und stark, nicht leicht und fein sind, wie
die französischen. Sie werden meistens von der Stadt Porto oder Oporto aus
versendet; man nennt sie daher: „Portweine."
Reich ist also Portugal an guten Weinen und edlen Früchten; desto är-
mer aber ist es an Getreide. Nur in der nördlichen Hälfte baut man hinläng-
lichen Vorrath ; in der südlichen muß jährlich sehr viel vom Auslande gekauft
werden. Die Portugiesen sollen hieran größtentheils selbst Schuld sein; denn
sie sind ein träges, unthätiges Volk, das sich nur höchstens zu solchen Arbeiten
bequemt, die wenig Anstrengung erfordern. Sogar ihre meisten Schuhmacher,
Schneider und andere dergleichen nothwendige Arbeiter sind Ausländer, die
sich theuer bezahlen lasten. Zum Wassertragen, Lasttragen, Packen u. s. w.
miethet man Galizier, die jährlich in großer Menge in die portugiesischen
Städte kommen und sich viel Geld verdienen, indeß die ärmeren Portugiesen,
TM Hauptwörter (50): [T15: [Wein Getreide Baumwolle Tabak Kaffee Obst Weizen Reis Zucker Kartoffel], T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd]]
TM Hauptwörter (100): [T79: [Wein Zucker Baumwolle Kaffee Getreide Tabak Fleisch Holz Wolle Handel], T54: [Haus Feld Bauer Dorf Pferd Stadt Vieh Land Wald Mensch], T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T11: [Wein Getreide Boden Viehzucht Weizen Land Pferd Obst Kartoffel Ackerbau], T24: [Blatt Baum Blüte Pflanze Frucht Wurzel Stengel Stamm Zweig Boden]]
TM Hauptwörter (200): [T137: [Wein Obst Weizen Kartoffel Frucht Getreide Gerste Hafer Mais Flachs], T114: [Fleisch Milch Brot Pferd Butter Käse Stück Wein Schwein Getreide], T182: [Krieg Jahr Zeit Land Deutschland Regierung Frankreich Volk Folge Revolution], T13: [Baum Wald Feld Wiese Garten Gras Winter Mensch Sommer Haus], T184: [Insel Amerika Portugiese Afrika Spanier Kolumbus Küste Entdeckung Jahr Indien]]
Extrahierte Personennamen: Schneider
Extrahierte Ortsnamen: Portugal Portugals Portugal Portugals Portugal
34
er einmal wiederkäme, so gehöre ihnen ja doch ein Theil für ihre Mühe. Allein
der Mann schüttelte dazu den Kops und sagte immer: „Frau ! laß du mich
nur warten. Das Geld bleibt bei Heller und Pfennig beisammen, bis ich den
Juden auskundschafte und cs ihm zustelle. Da hätte ich einen schönen Gewinn,
wenn ich für das lumpige Gold mein gutes Gewissen weggäbe. Nein, das
thut dein Heinrich nicht. Wenn er gleich arm ist. so ist er doch redlich und
wird fleißig arbeiten; dann wird Gott ihm und seinen Kindern auch Brod
bescheren."
Endlich kam einmal Abends ein Wagen vor des Bauers Hausthüre,
und bei diesem war auch der Jude, den der Bauer gerettet hatte. Mit frohem
Gesichte trat er in die Stube und sagte: „Gott sei mit euch, liebe Leute,
kennt ihr mich noch?"
„Ach!" rief der Bauer, „Gott sei Dank, daß ich euch wieder sehe. Ich
habe schon lang auf euch gewartet!"
Der Jude siel ihm in die Rede, nahm ihn bei der Hand und sagte:
„Lieber Freund! verzeihet mir, daß ich euch im Verdacht hatte, als wenn
ibr mir niein Geld genommen hättet. Ich habe mich heimlich, so oft ich auf
den Jahrmarkt reiste, bei den Leuten hier erkundiget, ob man nicht merke,
daß ihr reicher geworden wäret, ob ihr eure Schulden bezahlt oder euch ein
besseres Haus gebaut hättet. Aber ich hörte immer, daß ihr noch eben so arm
wäret, als vorher. So vergingen zwei Jahre, und nun konnte ich gewiß
denken, daß ihr mir mein Geld nicht genommen hättet. Nun verzeiht mir,
und nehmt noch einmal meinen herzlichen Dank an, daß ihr mich gerettet
habt. Da bringe ich auf meinem Fuhrwerke einige Sachen, die ich euch als
einen kleinen Beweis meiner Dankbarkeit geben will."
So sprach der dankbare Jude und holte von seinem Wagen Zeuge zu
Kleidern und allerhand andere Sachen, die der Bauer wohl brauchen konnte,
wie auch eine schöne Summe Geld, die er auf den Tisch legte. — Der ehrliche
Bauer stand ganz erstaunt da und sagte: „Lieber Freund, euer Geld ist wirk-
lich in meinem Hause. Ihr habt vielleicht von andern Leuten gehört, daß ich
es auf meinem Miste gefunden habe, und habt vielleicht gedacht, daß ick es
für mich behalten wollte. Aber, bei Gott! ich hätte es euch schon lang ge-
bracht, wenn ich gewußt hätte, wo ihr wohnet. Nun hier ist es; zählet es
selbst; es wird noch Alles beisammen sein." — Der Jude erstaunte noch
mehr über die Ehrlichkeit dieses Mannes und bat ihn, dieses Geld auch zu
behalten. Der Bauer that es nicht. Nur die andern Geschenke, die ihm der
Jude mitgebracht hatte, behielt er, um ihn nicht zu betrüben. Und nun be-
zahlte er seine Schulden und baute sich ein neues Häuschen, in welchem ihn
der Jude allemal besuchte, so oft er durchreiste. Da freuten sich denn die guten
Leute mit einander, wenn sie an die wunderbare Begebenheit dachten, wo-
durch sie Freunde wurden.
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler]]
TM Hauptwörter (100): [T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T36: [Million Mark Jahr Geld Thaler Mill Summe Wert Gulden Pfund]]
TM Hauptwörter (200): [T50: [Haus Pferd Bauer Herr Wagen Mann Tag Kind Weg Leute], T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind], T39: [Million Mark Geld Jahr Summe Steuer Thaler Staat Ausgabe Einnahme], T51: [Kind Himmel Nacht Sonne Tag Gott Wald Baum Blume Feld], T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte]]
214
Glück dabei hat, als der andere, so gibt es unter ihnen Reiche und
Arme. Sie ziehen aus einer Gegend in die andere, um Weideplätze
für ihre Herden zu suchen, und darum wohnen sie nicht, wie wir, in
festen Häusern, sondern in Hütten oder Zelten, die sich schnell ab-
brechen und schnell zusammensetzen lassen. — Gesittete Völker
nennt man diejenigen, welche das Feld bauen und allerlei Handwerke
und Künste verstehen, durch Wissenschaften und Gesetze gebildet
sind, also auch mehr Verstand und mehr Kenntnisse haben, als die
wilden Hirtenvölker. Sie wohnen in leiten Häusern, welche aus
dauerhalten Materialien erbaut lind, und da sie bei dem Feldbaue,
bei ihren Künsten und Gewerben nicht ohne Unterstützung sein kön-
nen, so bauen sich mehrere Familien nahe bei einander an, und so
entstehen allmählig Dörfer und Städte. Unter ihnen gibt es verschie-
dene Stände, d. h. ein Jeder verwaltet einen Beruf in der bürger-
lichen Gesellschaft, oder er hat ein Gewerbe, das er betreibt. ♦Die-
jenigen, welche ein und dasselbe Gewerbe treiben oder gleichen
Berus haben, machen zusammengenommen einen Stand oder eine
Abtheilung aus. Man theilt die Stände gewöhnlich kurz in den
Nährstand (Ackerbauer, Bürger, Kaufleute), den Lehrstand (Geist-
liche, Gelehrte, Lehrer), den Wehrstand (Soldaten) und den Beam-
tenstand (Angestellte bei den Gerichten, Kassen, der Polizei, Verwal-
tung, den Ministerien etc.) Gesittete Völker haben Oberherren oder
Begierende, deren Befehlen oder Verboten sie gehorchen. Diese
Oberherren heissen entweder Kaiser, oder Könige, oder Fürsten,
Herzoge, Grafen u. s. w.; man nennt sie auch wohl Regenten, d. h.
regierende Herren. Diejenigen, welche ihren Befehlen oder Gesetzen
gehorchen, heissen Unterthanen, und Alle zusammengenommen ma-
chen einen Staat aus. In andern Ländern wieder find die Staatsein-
richtungen (Regierungen) anders: statt eines Königs stehen mehrere
aus den Belten des Volks Gewählte an der Spitze, welche jedoch
von Zeit zu Zeit wechseln und von ihrem Haushalten Rechenschaft
geben müssen. Bald heissen diese Senat, bald Rath, bald Vorort,
bald Kongress u. s. w. Immer aber steht wieder Einer an der Spitze
dieser Mehreren, welcher lie leitet. Dieser heisst Präsident, Statt-
halter, Vorsteher u. s. w. Endlich gibt es noch gewisse Staatseinrich-
tungen, in denen es neben diesen noch einen auserwählten Rath des
Volkes gibt, ohne welchen nicht Gesetze gegeben, Geld bewilligt und
Krieg und Frieden beschlossen werden können: Kammer oder Par-
lament genannt.
Merket noch, dass man die erste Verschiedenheit, von wel-
cher wir sprachen, die nach Gestalt, Hautfarbe, Gesichtszügen, Bil-
dung des Schädels und der Haare, auch Racen-Unterfchiede nennt
und danach 5 Menschenstämme unterscheidet: 1) die kauka-
TM Hauptwörter (50): [T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler]]
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Kriegerkaste. Rechtspflege. Ackerbau. 21
ihnen verboten, und so gab es eine unendliche Menge von Geboten und Verboten für sie, aber ihr Ansehen war auch um so größer.
Die Kriegerkaste war sehr zahlreich und in verschiedenen Teilen des Landes angesiedelt, ein Gewerbe durften sie nebenbei nicht treiben. Das Fußvolk trug Helme und Schilde, und focht mit Lanzen, krummen Messern und als Bogenschützen. Statt der Reiterei dienten die Streitwagen, von denen herab mit Bogen gefochten wnrde. Die Könige finden wir immer auf Streitwagen dargestellt, vielmals größer als die anderen Krieger, um ihre Würde anzudeuten. Sie regierten das Land durch Statthalter, die sie wählten, aus welcher Kaste sie wollten. Der oberste Gerichtshof aber bestand aus 30 Priestern. Bei den Strafen suchte man besonders dasjenige Glied leiden zu lassen, mit dem gesündigt war. Wer den Feinden Geheimnisse verraten hatte, dem wurde die Zunge ausgeschnitten. Falschmünzern und denen, die unrichtige Maße und Gewichte verfertigten oder Siegel verfälschten, auch Schreibern, welche in die öffentlichen Bücher etwas Falsches eintrugen oder von dem Eingetragenen etwas löschten und dergl., wurden beide Hände abgehauen. Wer einen andern fälschlich anklagte, erlitt die Strafe, welche jenen getroffen haben würde, wenn er schuldig gewesen wäre. Aus Meineid stand Todesstrafe. Stand jemand einem andern nicht bei, wenn er ihn anf der Landstraße traf und sah, daß man ihn ermorden oder ihm Gewalt anthun wollte, und er hätte ihn retten können, so mußte er das Verbrechen wenigstens dem Richter anzeigen. Wer einen Menschen absichtlich mordete, mußte sterben. Eltern, welche ein Kind töteten, mußten den Leichnam drei Tage und drei Nächte im Arme halten, indem eine Polizeiwache dabei stand. Man wollte bei ihnen Reue und Leid erwecken. Kinder jedoch, die ihre Eltern töteten, wurden erst grausam gemartert und dann verbrannt. Besonders merkwürdig war es mit dem Diebstahl. Wer das Gewerbe eines Diebes treiben wollte, der mußte sich beim Diebeshauptmann in eine Liste einschreiben lassen und sich verpflichten, ihm sogleich seine That zu bekennen und das Gestohlene vorzuzeigen. Diesem Diebeshauptmann reichte dann auch derjenige, dem etwas weggekommen war, ein Verzeichnis der gestohlenen Sachen ein, es mußte dabei Ort, Tag und Stunde angegeben sein, wo und wann sie weggekommen waren. Gegen Bezahlung eines Vierteils von dem Werte der Gegenstände wurden diese dann dem Eigentümer zurückgegeben.
Ackerbau trieben die Ägypter mit Sorgfalt, wobei sie wegen des Nils wenig anstrengende Mühe hatten, da der Schlamm
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König Moris. Seine Bauten. Das Labyrinth. 31
Wie hoch sich aber die Kosten dieses Baues belaufen haben müssen, läßt sich ungefähr aus der auf der Pyramide selbst gemachten Angabe ermessen, welche allein für die von den Arbeitern verzehrten Rettige, Zwiebeln und Knoblauch 1600 Silbertalente (1 Tal. — 4125 Mk.), also auf mehr als 6 Millionen Mark in Ansatz bringt. Nun nehme man noch den Bedars an Eisen und Arbeitsgerät, an Kleidung und für die vollständige Beköstigung der Arbeiter.
Die der Höhe nach zweite Pyramide wird dem Bruder und Nachfolger des Chufu, dem Schafra (Chefren) zugeschrieben, die erste, weit niedriger aber auch weit schönere enthält den Namen Menkera (Myfermos); dieser soll des Chnsns Sohn gewesen sein und nach Schafra regiert haben.
Nicht minder bewunderungswürdig find die Werke eines Königs, den die Griechen Möris nennen. In Oberägypten links vom Nil hatte sich in den dunklen Zeiten der Vergangenheit ein besonderer Staat gebildet, dessen Hauptstadt das „Huu-derthorige" Theben war und den etwa 2000 Jahre v. Chr. Möris beherschte. Dieser ließ einen großen See ausgraben in welchem das Wasser durch einen Kanal aus dem Nil hineingeleitet wnrde. Sechs Monate floß das Wasser ans dem Nil in den See und sechs Monate wieder aus dem See in den Nil. Ungefähr in der Mitte des Sees standen zwei Pyramiden jede 300' über dem Wasser, und ans jeder derselben saß ein Koloß auf einem Throne. Der See diente znr Regelung der Nilüberschwemmungen, um entweder das überflutende Wasser des Nil aufzunehmen oder dem Wassermangel durch den im See gesammelten Wasservorrat abzuhelfen. Dazu waren künstliche Vorrichtungen mit Schleußeu gemacht. Der Kaual führte durch ein ödes Thal (jetzt Fajnm) und sch ns dasselbe, durch die vom See ausgehende Bewässerung zu einer blühenden Landschaft um. Und noch jetzt nach so vielen Jahrtausenden ist das Thal eine der fruchtbarsten Gegenden Ägyptens.
Durch solche großartige Wasserwerke wurden der Wüste fruchtbare Landstrecken abgewornrnen und daselbst wurde eine Stadt angelegt, die Krokodilstadt genannt. Nicht weit davon wurde ein ungeheurer Reichspalast gebaut; er sollte für alle Landschaften des ganzen Ägyptenlandes einen Vereinigungspunkt bilden; hier sollten sich die Priester aller Bezirke versammeln um den Götter ihre Opfer darzubringen. Die Griechen nannten das Gebäude das Labyrinth und ein alter Schriftsteller erzählt davon: „Ich habe das Labyrinth selbst gesehen; es ist über alle Beschreibung. Es hat zwölf bedeckte Höfe deren Eingänge ein-
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