11
6.
Die Eroberung von Constantinopei im Jahre 1453.
Sßon. Roltcck.
Herling: Lehrbuch der Stilistik. Hannover 1837. Ii, 81.
Lins dem ehrwürdigen, doch morschen Throne Constantü/s
des Großen saß, nach langer Folge und blutigem Wechsel der Ge-
schlechter, Constantin Xi. Aus daß dieser Thron, den so viele un-
bedeutende, elende, abscheuliche Imperatoren entehrt hatten, doch
noch mit Ruhm falle, dazu schien das Schicksal den männlichen
Constantin ausbehalten zu haben. Daß der dürre Stamm, der in
den Stürmen der Jahrhunderte bereits seine Krone und seine
stolzen Äste verloren hatte, nicht mehr zu verjüngen sei, das fühlte
er wohl; aber ihm lag ob, so lange, als möglich, das tödtende Beil
vom Stamme selbst abzuhalten. 'Unsere Zeiten/ so hatte des
Kaisers Vater, der weise Manuel, oft geklagt, 'vertragen die Größe
und den Rilhm der Helden nicht; uns ist nur die Sorgfalt des
bekümmerten Hansvaters übrig, der die letzten Trümmer seines
ehemaligen Glücks ängstlich hütet/ — Getreu dieser Lehre, so viele
Selbstverleugnung sie auch dem hochherzigen Constantin kostete,
hatte er von Anbeginn seines Reiches dessen letzte Provinz an
seine berrschsüchtigen Brüder überlassen und sah sich auf den
nächsten Bezirk um Conftantinopel eingeschränkt, damit nicht im
Bürgerkriege des Volkes Blut verspritzt würde. Er hatte durch
eine feierliche Gesandtschaft bei Amurath, dem stolzen Sultan, um
Anerkennung geworben. Aber was ist ein Staat, in dem der
Keim bürgerlicher Zwietracht liegt? was ein Monarch, der von
der Anerkennung eines Mächtigern abhängt? Constantin verbarg
sich seine Lage nicht, und wie der erfahrne Schiffer einen Sturm
voraussieht, der seinem zerbrechlichen Fahrzeuge droht, so stand am
Tage der Thronbesteigung vor des Kaisers Seele der Untergang
seines Reichs. Daher blieb er still und düster, als das Volk von
Constantinvpel ihn jubelnd empfieng; und als sein treuer Phranza
von der Sendung nach Georgien zurückkehrte, um dessen schöne
Fürstin er für Constantin geworben hatte, rührten den Kaiser zwar
die vielstimmigen Glückwünsche seiner Bürger, aber er warf sich im
ersten zwanglosen Augenblicke an des Freundes Brust, um seinen
Kummer darin niederzulegen. 'Ich habe/ sprach er, 'als ich dich
nach Georgien sandte, dem Verlangen des Volkes nachgegeben, das
einen Thronerben wünscht; aber andere Sorgen, als die Bereitung
hochzeitlicher Feste, heischt das Schicksal von uns. Mir ahnet,
diese Mauern werden früher des Krieges Donner, als den bräut-
lichen Gesang vernehmen. Das Volk frohlockt in seinem Leichtsinn
darüber, daß Amurath, der Furchtbare, todt ist: wohl war er
furchtbar, doch gerecht und der Waffenthaten müde; aber der
junge Löwe, der nun aus seinem Throne sitzt, wird er träge auf
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Extrahierte Personennamen: Sßon Herling Constantin Constantin Manuel Constantin Constantin Constantin Constantinvpel Constantin
16
eigene Todesverachtung durch Feuerworte in ihre Seele zu hauchen.
Er beschwor sie bei Nom's heiligem Namen und bei den Erinne-
rungen, die ihn umschwebten; er mahnte sie, das Urtheil der Welt
und Nachwelt zu scheuen, zeigte ihnen, daß dieses die Stunde sei,
die über ihr und der Ihrigen Leben, Freiheit und Glück, über des
Reiches Fortdauer oder Zerstörung unwiderruflich entscheiden müsse,
und was Religion, Pflicht und Ehre von ihnen als Christen,
Brüdern und Männern heische. Sie umarmten sich, weinten,
schwuren, zu sterben fürs Vaterland, und jeder gierig an seinen
Posten mit dem Entschlüsse, des römischen Namens würdig zu
bleiben; aber der Kaiser, in dessen Gemüth die Hoffnung erloschen
war, die er bei seinen Freunden zu entzünden gesucht hatte, begab
sich in den Sophientempel, um das heilige Abendmahl zu empfangen,
und von da flog er auf den äußersten Wall, um unter seinen
Bürgern bis zum letzten Augenblick die Pflichten des Feldherrn
und des gemeinen Kriegers zu erfüllen und dann zu sterben.
Schon hatte der ungleiche Kampf begonnen, schon war der
Tod umhergegangen unter tausend Gestalten. Land und Meer
rötheten sich vom Blut. Doch was kümmerte dies den Sultan?
Er hatte Streiter genug, um mit ihren Leichen die tiefen Gräben
Constantinopel's auszufüllen und dann erst über sie hin den Weg
zum Siege zu betreten. Noch waren, nach zweistündigem Gemetzel,
die Griechen von keinem Punkte gewichen; aber ihr Arm fieng an,
vom Schlachten müde zu werden, und jetzt führte Mohamed den
Kern seiner Truppen, die schrecklichen Janitscharen, frisch in den
Sturm. In diesem verhängnisvollen Augenblicke wurde der tapfere
und kriegskundige Justiani, Befehlshaber der kleinen abendländischen
Hülfsschar und vom Kaiser zum Oberanführer des ganzen Heeres
erhoben, von einem Pfeile verwundet. Gewohnt, dem Tode zu
trotzen, konnte er doch dem Schmerz seiner Wunde nicht widerstehen;
er floh gegen die Stadt, um sich verbinden zu lassen. Da rief der
Kaiser, dessen Blicke überall waren, ihm zu: 'Freund, deine Wunde
ist leicht, die Gefahr dringend. Du bist hier nothwendig, uni> wohin
willst du fliehen?' — 'Hierdurch will ich mich retten, wo Gott
selbst den siegreichen Türken den Weg gebahnt hat!' sprach der
von Schmerz überwältigte Mann und drängte sich durch einen
Riß der Mauer in die Stadt. Viele „seiner Landsleute folgten
ihm, und Constantinopel war verloren. Übermannt, zurückgedrängt
von den Außenwerken, flohen die Griechen gegen die innere
Mauer. Schon vernahmen die zitternden Bürger das siegreiche
Allah, und ach, schon war Constantinopel nicht mehr. Nur, wo
der Kaiser stand, war noch ein Kampf gewesen. Die Edelsten und
Besten seines Reichs drängten sich um ihn. Er bat sie, ihn zu
tobten, daß er nicht lebend in der Ungläubigen Hände falle, und
warf den Purpur weg, um unerkannt unter seinen Mitstreitern
zu fallen. Alle starben hier den männlichen Tod; aber kein Feind
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33
war es doch zugleich ein prophetisches Almen naher Zukunft. Nicht
das Weltende bereitete sich vor, aber der dreißigjährige Krieg.
So starb er. Als der Wagen mit seiner Leiche durch die
thüringischen Lande fuhr, läuteten alle Glocken in Dorf und Stadt,
und die Leute drängten sich schluchzend an seinen Sarg. Es war
ein guter Theil der deutschen Volkskrast, der mit diesem einen
Manne eingesargt wurde. Und Philipp Melanchthon sprach in
der Schloßkirche zu Wittenberg vor seiner Leiche: <Ein jeder, der
ihn recht erkannt, muß dieses zeugen, daß er sehr ein gütiger Mann
gewesen, mit allen Reden holdselig, freundlich und lieblich, und
gar nicht frech, stürmisch, eigensinnig oder zänkisch. Und war doch
daneben ein Ernst imb eine Tapferkeit in seinen Worten und Ge-
berden, wie in einem solchen Mann sein soll. Sein Herz war
treu und ohne Falsch. Die Härte, so er wider die Feinde der
Lehre in Schriften gebrauchte, kam nicht ans zänkischem und bos-
haftem Gemüth, sondern ans großem Ernst und Eifer zu der Wahr-
heit. Er hat einen sehr großen Muth und Mannheit erzeigt und
sich nicht bald ein kleines Rauschen erschrecken lassen. Nicht ist er
durch Dräuen, Gefahr und Schrecknis verzagt worden. Er ist
auch von so hohem scharfen Verstand gewesen, daß er allein, vor
andern, in verwirrten, dunkeln und schweren Händeln bald ersehen
konnte, was zu rathen und zu thun war. — Wir aber sollen ein
stetig, ewig Gedächtnis dieses unsers lieben Vaters behalten und
ihn ans unserm Herzen nicht lassen.'
So war Luther. Eine dämonische Natur, schwerflüssig und
scharf begrenzt sein Geist, gewaltig und maßvoll sein Wollen, rein
seine Sittlichkeit, voll Liebe sein Herz. Weil sich außer ihm keine
andere Manneskraft erhob, stark genug, Führer der Nation zu
werden, hat das deutsche Volk für Jahrhunderte die Herrschaft
auf der Erde verloren. Die Herrschaft der Deutschen im Reich
des Geistes aber ruht aus ihm.
11.
Johannes Laut.
S3on Schwab. .
Gedichte 4. Aufl. Stuttgart und Tübingen 4851. S. 287.
kategorischen Jmperativus fand,
Das weiß ein jedes Kind, Immanuel Kant.
Dem kategorischen Jmperativus treu,
Zwang durch ihn wilde Seelen zu frommer Scheu
Lang' vor Immanuel Herr Johannes Kant,
Und wenige wiffen's, wie die Sache bewandt.
Derselb' ein Doctor Theologiä war
In schwarzer Kapuze, mit langem Bart und Haar,
So saß er zu Krakau auf dem Lehrersitz,
Cvlshorn u. Goedeke's Lesebuch Iii.
3
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Extrahierte Personennamen: Philipp_Melanchthon Philipp Ernst Ernst Muth Luther Johannes_Laut Immanuel_Kant Johannes_Kant
122
Solcher Burschen giebt es noch viel, wie Hinze sich damals
Gegen den Vater bewies: wie sollt' ich ihn lieben und ehren?
Halb zwar hab' ich's vergeben, doch bleibt noch etwas zurücke.
All dies war auf dem Spiegel geschnitten mit Bildern und Worten.
'Ferner sah man daselbst ein eignes Stückchen vom Wolfe,
Wie er zu danken bereit ist für Gutes, das er empfangen.
Auf dem Anger fand er ein Pferd, woran nur die Knochen
Übrig waren; doch hungert' ihn sehr, er nagte sie gierig,
Und es kam ihm ein spitziges Bein die Quer' in den Kragen;
Ängstlich stellt' er sich an, es war ihm übel gerathen.
Boten auf Boten sendet' er fort, die Ärzte zu rufen;
Niemand vermochte zu helfen, wiewohl er große Belohnung
Allen geboten. Da meldete sich am Ende der Kranich
Mit dem rothen Barett auf dem Haupt. Ihm flehte der Kranke:
'Doctor, helft mir geschwind von diesen Nöthen! ich geb' Euch,
Bringt Ihr den Knochen heraus, so viel Ihr immer begehret.'
'Also glaubte der Kranich den Worten und steckte den Schnabel
Mit dem Haupt in den Rachen des Wolfes und holte den Knochen.
'Weh mir!' heulte der Wolf, 'du thust mir Schaden! Es schmerzet!
Laß es nicht wieder geschehn! Für heute sei es vergeben.
Wär' es ein andrer, ich hätte das nicht geduldig gelitten.'
'Gebt Euch zufrieden,' versetzte der Kranich, 'Ihr seid nun genesen;
Gebt mir den Lohn, ich hab' ihn verdient, ich hab',Euch geholfen.'
'Höret den Gecken!' sagte der Wolf, 'ich habe das Übel,
Er verlangt die Belohnung und hat die Gnade vergessen,
Die ich ihm eben erwies. Hab' ich ihm Schnabel und Schädel,
Den ich im Munde gefühlt, nicht unbeschädigt entlassen?
Hat mir der Schäker nicht Schmerzen gemacht? Ich könnte wahrhaftig,
Ist von Belohnung die Rede, sie selbst am ersten verlangen!'
Also pflegen die Schälke mit ihren Knechten zu handeln.
'Diese Geschichten und mehr verzierten, künstlich geschnitten,
Rings die Fassung des Spiegels, und mancher gegrabene Zierrath,
Manche goldene Schrift. Ich hielt des köstlichen Kleinods
Mich nicht werth, ich bin zu gering, und sandt' es deswegen
Meiner Frauen der Königin zu. Ich dachte durch solches
Ihr und ihrem Gemahl mich ehrerbietig zu zeigen.
Meine Kinder betrübten sich sehr, die artigen Knaben,
Als ich den Spiegel dahin gab. Sie sprangen gewöhnlich und spielten
Vor dem Glase, beschauten sich gern, sie sahen die Schwänzchen
Hängen vom Rücken herab und lachten den eigenen Mäulchen.
Leider vermuthet' ich nicht den Tod des ehrlichen Lampe,
Da ich ihm und Bellyn auf Treu' und Glauben die Schätze
Heilig empfahl; ich hielt sie beide für redliche Leute,
Keine besseren Freunde gedacht' ich jemals zu haben.
Wehe sei über den Mörder gerufen! Ich will es erfahren,
Wer die Schätze verborgen, es bleibt kein Mörder verhohlen.
Wüßte doch ein und andrer vielleicht im Kreis hier zu sagen,
Wo die Schätze geblieben, und wie man Lampen getödtet!'
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140
Wieder zu dem Gral. Und all die Jungfraun wie vorhin
Vor dem Wirt und Parzival Und trugen wieder aus der Thür,
Verneigte stch die Königin Was sie mit Zucht gebracht Herfür.
(Parzival schläft in einem kerzenhellen Schlafgemach auf prächtigem Bette. Am Morgen
ist die Burg verödet: er hat die erlösende Frage unterlassen, ein Knappe schilt ihm nach,
das Thor schlägt zu, und traurig rettet er weiter. Erst nach langen Jahren wird er, ge-
läutert und gebeugt, König des Grals.)
80.
Sprüche.
1. Von Hamann.
Schriften, herausg. von Roth. Berlin 1821—25. 7 Bde.
Jedes Wort, das aus dem Munde Gottes geht, ist eine ganze
Schöpfung von Gedanken und Bewegungen in unsrer Seele.
Die Schrift ist einem Baume gleich voller Früchte, in deren
jeder ein Same, ein reicher Same eingeschlossen ist, in dem gleich-
falls der Baum selbst und die Fruchte desselben liegen.
Deutlichkeit ist eine -gehörige Vertheilung von Licht und
Schatten.
2. Von Otto von Gcrlach.
Das neue Testament 3. Aust. Berlin 1843. 2 Bde.
Die Worte des ewigen Lebens find zugleich Thaten der
erbarmenden Liebe Gottes, und jede That in diesem Buche ist ein
Wort seiner unergründlichen Weisheit.
Die Worte des Herrn sind den Regentropfen gleich, welche,
denselben Lichtstrahl siebenfarbig abspiegelnd, den Bogen des Friedens
bilden, der Himmel und Erde vereinigt; oder den vielseitig geschliffe-
nen Edelsteinen, die, wohin man sie auch wende, dasselbe Sonnen-
bild in immer neuer Schönheit entgegenstrahlen.
Ein jedes Gleichnis Christi ist ähnlich einer Schale, welche ihren
köstlichen Kern ebenso sehr für den Fleißigen, als vor dem Trägen
bewahrt.
81.
A m Abend.
Aus Goethe's Faust.
Werke. Stuttgart und Tübingen 1840. Xi, 50.
verlassen hab' ich Feld und Auen, Ach, wenn in unsrer engen Zelle
Die eine tiefe Nacht bedeckt, Die Lampe freundlich wieder brennt,
Mit ahnungsvollem, heil'gem Grauen Dann wird's in unserm Busen Helle,
In uns die beßre Seele weckt. Im Herzen, das stch selber kennt.
Entschlafen sind nun wilde Triebe Vernunftfängt wieder anzusprechen,
Mit jedem ungestümen Thun; Und Hoffnung wieder an zu blühn;
Es reget sich die Menschenliebe, Man sehntsichnach des Lebens Bächen,
Die Liebe Gottes regt sich nun. Ach! nach des Lebens Quelle bin.
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Extrahierte Personennamen: Hamann Roth Otto_von_Gcrlach Otto
Extrahierte Ortsnamen: Berlin Berlin Gottes Christi Stuttgart Gottes
145
Das Mägdlein weint vor Zagen, wie wird ihr's Herz so weit,
Wie ringen ihr alle Sinne nun zwischen Wvnn' und Leid!
Der Sänger aber dringet und läßt nicht eher ab,
Bis ihm die Holde endlich wohl diese Anwort gab:
'Nun gut, ich will Euch folgen, wenn nur der Vater gewährt,
Daß ich zum Meere reite, und nichts von Trug erfährt;
Drum mögt Ihr selbst ihn bitten, und giebt er willig nach,
So meldet's mir drei Tage vor Eurem Reisetag.'
(Hilde also willigt ein und wird zu Schiffe gebracht: plötzlich zucken die Segel auf, man
stößt vom Lande und gelangt glücklich bei König Hettel an. Beider Sohn wird Ortwin,
die Tochter Gudrun genannt.)
84.
Zeitalter und sprachen.
von Jacob G-rimm.
geschichte der deutschen spräche 2. aufl. Leipzig 1853. I, 1.
Weder das in unermessener zeit von den höchsten Sternen
auf uns niederfunkelnde licht, noch die am gestein der erde la-
gernden schichten unvordenklicher Umwälzungen geben unsre älteste
geschichte her, welche erst anhebt, wann menschen auftreten, was
vor den menschen geschah, so erhaben es sei, ist unmenschlich
und erwärmt uns nicht.
Um des menschengesehlechts ansänge spielt mythus. bald
steht im Vordergrund ein seliges paradies, wo milch und honig
flieszen, die erde ungepflügt und unbesät früchte trägt, und noch
die thiere reden; bald musz, was alle thiere gleich der mensch-
lichen spräche entbehren, sogar das lebendige teuer den menschen
erst errungen werden.
Ein goldnes, silbernes, ehernes, eisernes Zeitalter folgen auf
einander; unter Kronos herrschaft heiszen die langlebigen menschen
selbst noch goldne, der nordische Fruoto liesz gold und friede
malen, amrita, der unsterblichen trank, wurde aus flüssigem gold
und milch bereitet, an des friedens stelle trat sodann krieg, und
der mensch brauchte statt goldes eisen; auf den duft und glanz
der vorzeit gefolgt ist farblosere Wirklichkeit, wie wir für alte
poesie der prosa bedürfen, es wird dadurch, nach unverrückbarer
stufe, ein herabsinken vom gipfel früher Vollendung wehmüthig
ausgedrückt, im scheinbaren Widerspruch zu dem ewig steigenden
aufschwung der menschheit, die sich jenes göttliche teuer nimmer
entreiszen läszt.
Eine andre sage, indem sie von den menschen als jetzt le-
benden einheimischen geschlechtern ausgeht, setzt ihnen früher
geschaffne fremde von riesen und zwergen entgegen, in den riesen
scheint unmittelbar das steinalter dargestellt, da sie auf felsen
Colshorn u. Goedeki's Lesebuch Iii. Jo
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T1: [Geschichte Dichter Zeit Buch Werk Jahr Gedicht Nr. Bild Geographie]]
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TM Hauptwörter (200): [T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T91: [Geschichte Krieg Zeit Zeitalter Mittelalter Revolution Reformation deutsch Jahrhundert Ende], T100: [Gott Herr Herz Wort Leben Hand Himmel Vater Kind Mensch], T24: [Luft Wasser Wärme Körper Erde Wind Regen Höhe Temperatur Schnee], T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind]]
147
hierauf sei die eherne zeit oder das brennalter gefolgt, dem gold
und erz zu waffen und schmuck eigen waren, das im feuer schmie-
dete und durch dasselbe element seine leichen zerstörte, deren
asche in irdnen krügen beisetzte, ackerbau, weberei und Schiffahrt
kannte, endlich ein eisenalter, welches, wieder unverbrannte leichen
in hügel begrabend, eiserne waffen und schrift besessen habe.
diesen kennzeichen gemäsz pflegt man die aufgefundenen deukmäler
zu ordnen und sorgsam zu betrachten; es scheint einleuchtöhd,
dasz jene steingrüfte den riesenbetten der sage entsprechen, und
der Volksglaube versetzt die unterirdischen schmiede des zwerg-
stamms mit ihren schätzen unmittelbar in die grab hügel der eher-
nen zeit, so dasz mit der eisernen das treiben und die kraft des
menschlichen geschlechts eingetreten wäre. doch wie manches
willkommne für sitten und gebräuche daraus hervorgehn mag,
die älteste geschickte der europäischen Völker scheint hier keine
eigentliche aufklärung zu erlangen.
Es giebt ein lebendigeres zeugnis über die Völker, als knocken,
waffen und grab er, und das sind ihre sprachen.
Sprache ist der volle athem menschlicher seele; wo sie er-
schallt oder in denkmälern geborgen ist, schwindet alle Unsicher-
heit über die Verhältnisse des volks, das sie redete, zu seinen
nachkam, für die älteste geschickte kann da, wo uns alle andern
quellen versiegen oder erhaltne Überbleibsel in unauflösbarer Un-
sicherheit lassen, nichts mehr austragen, als sorgsame erforschung
der Verwandtschaft oder abweichung jeder spräche und mundart
bis in ihre feinsten adern oder fasern.
Aus der geschickte der sprachen geht bedeutsame bestätigung
hervor jenes mythischen gegensatzes: in allen findet absteigen von
leiblicher Vollkommenheit statt, aufsteigen zu geistiger ausbildung.
glücklich die sprachen, welchen diese schon gelang, als jene nicht
zu weit vorgeschritten war: sie vermählten das milde gold ihrer
poesie noch mit der eisernen gewalt ihrer prosa.
85.
Wie Sîvrit erinort wart.
aus dem nibelungenliede.
das nibelungenlied, berausg. von Zarncke. Leipz. 1856. s. 139. — von Holtz-
mann. Stuttg. 1857. s. 122. — von Laszberg. Leipz. 1840. bog. 20. — von Lach-
mann 2. ausg. Berlin 1841. s. 119. -— von Nähert. Hannover 1855. s. 109. —
übersetzt von Simrock 7. aufl. Stuttg. u. Tüb. 1851. s. 149.
(Brunhilde, könig Gunther’s gemahlin, glaubt sich von Siegfried beleidigt, hat
ihm dafür tod und verderben geschworen und in ihrem gemahl, vornehmlich jedoch
in dem schrecklichen Hagen von Tronje, dem schauerlich schönen bilde deutscher
mannentreue, Werkzeuge ihrer rache gefunden, ein falsches kriegsgerücht ist ver-
breitet, das beer aufgeboten worden; dasz der herrliche held mitreiten werde, versteht
sich von selbst, und bei dieser gelegenheit soll er meuchlings ermordet werden, je-
10*
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T1: [Geschichte Dichter Zeit Buch Werk Jahr Gedicht Nr. Bild Geographie]]
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98
da; diu linde mære1)
den küelen schaten bsere.2)
bi dem brunnen ich gesa;,
miner swære 3) ich gar vergaß,
schier entslief ich um he da;.
Do bedühte mich zehant,4)
wie mir dienten elliu5) lant,
wie min sêle wære
jze himel âne swære,
und wie der lip solte
gebären6) swie7) er weite,
däne was mir niender8) wê.
got der waldes,9) swie; er ge :
schoener troum enwart10) nie mê.
Gerne slief ich iemer dä,
wan ein unsæligiu krä
diu hegende schrien,
da; alle krä gedien
als ich in des günne!
si nam mir michel11) wünne.
von ir schrienne ich erschrac:
wan da; dä niht steines lac,
so wser e; ir suontac. 12j
Wan ein wunderalte; wip
diu getröste mir den lip.
die hegend ich eiden: 13)
nü hät si mir bescheiden,
wa; der troum bediute.
da; beeret, lieben liute.
zwen und einer da; sint dri:
dannoch seit si mir dä bi,
da; min düme ein vinger si.
56.
Vom Ursprung des Aberglaubens.
Von Chr. Weise.
Aus den drei Erznarren. Leipzig 1672. Kap. 26. (Bruchstück.)
Ich habe den Sachen oft mit Verwunderung nachgedacht,
was doch mancherlei Aberglauben müßten für einen Ursprung haben,
und finde zwar, daß etliche ans bloßen Possen vorgebracht und
hernach von einfältigen Leuten im Ernst verstanden werden; doch
darf man nicht alle Aberglauben ans Possen zurückführen. Vieles
kommt meines Erachtens daher: weil die Eltern ihren Kindern die
eine oder andere Moral haben beibringen wollen, so haben sie nach
deren kindischem Verstände eine Ursache beigefüget, welche Hernachmals
für wahr genommen und in der Welt als eine sonderliche Weisheit
fortgepflanzt worden ist. Z. E. es weiß ein jeder, wie gefährlich
es ist, wenn man das Messer ans den Rücken legt; denn es kann
ein anderer leicht drein greifen und sich Schaden thun. Drum
hat der Vater gesagt: ^Liebes Kind, lege das Messer nicht so; die
lieben Engel treten sich hinein!' woraus denn ein Aberglaube ent-
standen ist. Oder es ist nicht fein, daß man die Becher oder
Kannen überspannt; denn es kann dem Nachbar ein Widerwill
entstehen, wenn inan alles mit Händen betastet. So hat der
Vater gesagt: Mein Kind, thue es nicht; wer daraus trinkt, be-
kommt das Herzspann.' * Mancherlei Aberglaube geht in unserer
deutschen Mythologie ans. *
1) lieb, auch lobesam, berühmt. 2) bern — hervorbringen. 3) beschwerde,
schmerz. 4) auf der stelle, sogleich. 5) al, aller, alliu (elliu), allez. 6) sich gebaren,
sich verhalten. 7) swie — so wie. 8) nirgends. 9) walte es. 10) en — ne und wart.
11) grosz, 12) es lag nur kein stein da, sonst wäre es ihr letzter tag gewesen. 13)
beschwören.
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
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TM Hauptwörter (200): [T175: [Mensch Leben Natur Körper Seele Tier Thiere Arbeit Erde Pflanze], T100: [Gott Herr Herz Wort Leben Hand Himmel Vater Kind Mensch], T41: [König Siegfried Held Hagen Mann Günther Frau Gudrun Kriemhild Tod], T166: [Mann Volk Sitte Zeit Geist Tapferkeit Wesen Leben Sinn Charakter], T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind]]
163
Zum Kampfe muß er sich bereiten,
Dvch bald ermattet sinkt die Hand;
Sie hat der Leier zarte Saiten,
Doch nie des Bogens Kraft gespannt.
Er ruft die Menschen an, die Götter;
Sein Flehen dringt zu keinem Retter:
Wie weit er auch die Stimme schickt,
Nichts Lebendes wird hier erblickt.
'So muß ich hier verlassen sterben,
Auf fremdem Boden, unbeweint,
Durch böser Buben Hand verderben,
Wo auch kein Rächer mir erscheint!'
Und schwer getroffen sinkt er nieder:
Da rauscht der Kraniche Gefieder;
Er hört — schon kann er nicht mehr sehn —
Die nahen Stimmen furchtbar krähn.
Won euch, ihr Kraniche dort oben,
Wenn keine andre Stimme spricht,
Ser meines Mordes Klag' erhoben!'
Er ruft es, und sein Auge bricht.
Der nackte Leichnam wird gefunden,
Und bald, obgleich entstellt von Wunden,
Erkennt der Gastfreund in Korinth
Die Züge, die ihm theuer sind.
'Und muß ich so dich wiederfinden,
Und hoffte mit der Fichte Kranz
Des Sängers Schläfe zu umwinden, O
Bestrahlt von seines Ruhmes Glanz!'
Und jammernd hören's alle Gäste,
Versammelt bei Poseidon's Feste;
Ganz Griechenland ergreift der Schmerz,
Verloren hat ihn jedes Herz.
Und stürmend drängt sich zum Prytanen
Das Volk, es fordert seine Wuth,
Zu rächen des Erschlagnen Manen,
Zu sühnen mit des Mörders Blut.
Doch wo die Spur, die ans der Menge,
Der Völker flutendem Gedränge,
Gelocket von der Spiele Pracht,
Den schwarzen Thäter kenntlich macht?
Sind's Räuber, die ihn feig erschlagen?
That's neidisch ein verborgner Feind?
Nur Helios vermag's zu sagen,
Der alles Irdische bescheint.
Er geht vielleicht mit frechem Schritte
Jetzt eben durch der Griechen Mitte,
Und während ihn die Rache sucht,
Genießt er seines Frevels Frucht;
Auf ihres eignen Tempels Schwelle
Trotzt er vielleicht den Göttern, mengt
Sich dreist in jene Menschenwelle,
Die dort sich zum Theater drängt.
li*
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T43: [König Held Sohn Mann Schwert Ritter Hand Tod Vater Feind], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
TM Hauptwörter (100): [T1: [König Held Herz Mann Volk Siegfried Land Lied Hand Tod], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T22: [Gott Zeus Sohn Tempel Göttin König Held Mensch Opfer Erde], T82: [Hand Pferd Schwert Fuß Schild Kopf Waffe Lanze Ritter Mann]]
TM Hauptwörter (200): [T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind], T143: [Stadt Kind Tag Haus Straße Mann Mensch Weiber Nacht Soldat], T102: [Glocke Stimme Wort Hand Auge Ohr Kirche Ton Fenster Herr], T42: [Vogel Nest Junge Eier Schnabel Storch Taube Flügel Fuchs Frosch]]
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mittelbar aus dem Bette wieder aufs Pferd fällte, um mit seinen
Truppen zur neuen Schlacht auszurücken, war man für den übel-
zugerichteten Greis nicht ohne Sorgen; der Wundarzt wollte ihn
noch zu guter letzt einreiben, Blücher aber, als er die Anstalten
sah, versetzte: 'Ach was, noch erst schmieren! Laßt nur sein! Ob
ich heute balsamiert oder unbalsamiert in die andre Welt gehe, das
wird wohl auf eins herauskommen!' erhub sich, ließ sich ankleiden
und setzte sich wohlgemutst zu Pferde, obgleich ihn bei jeder Be-
wegung die gequetschten Glieder schmerzten. Als er sah, wie stark
es geregnet hatte, und daß es noch immer fort regnen würde,
sagte er: 'Das sind unsere Alliierten von der Katzbach, da sparen
wir dem Könige wieder viel Pulver.' Blücher begab sich an die
Spitze des Heertheils von Bülow, der voranzog und zuerst an den
Feind kommen mußte. Er that alles, um den Marsch zu be-
schleunigen; allein schon gleich anfangs wurde derselbe durch ein
zufälliges Hindernis unerwartet aufgehalten: in Wavre entstand
eine Feuersbrunst, welche die Hauptstraße sperrte und die Truppen
zu Unwegen nöthigte, wodurch ein beträchtlicher Zeitverlust ent-
stand. Weiterhin wurde es noch schlimmer, der unaufhörliche
Reger, hatte den Boden ganz durchweicht, die Bäche geschwellt,
jede kleinste Vertiefung mit Wasser gefüllt. Die schmalen Wege
durch Wald und Gebüsch nöthigten zu häufigem Abbrechen der
Glieder. Das Fußvolk und die Reiterei kamen mit Mühe fort;
das Geschütz machte unsägliche Beschwer; der Zng rückte zwar im-
mer vor, aber mit solcher Langsamkeit, daß zu befürchten war, er
werde zur Schlacht viel zu spät eintreffen, und weit über den
Zeitpunkt hinaus, in welchem er für Wellington noch die ver-
sprochene Hülfe sein könne. Offiziere kamen und brachten Nachricht
von dem Gange der Schlacht, von Napoleon's übermächtigem An-
dränge, und wie sehr die Ankunft der Preußen ersehnt werde.
Blücher, in heftigen Sorgen, sein gegebenes Wort nicht zu lösen,
rief sein 'Vorwärts, Kinder, vorwärts!' anfeuernd in die Reihen
der Truppen, überall fördernd flogen seine Blicke und Worte um-
her; wo ein Hindernis entstand, wo eine Stockung sich zeigte,
war er sogleich gegenwärtig: doch alle Anstrengung gab noch im-
mer nur geringe Aussicht, zu rechter Zeit anzulangen. Neuer-
dings trieb er zu doppelter Eile an; die Truppen erlagen fast den
Mühseligkeiten; aus dem Gemurmel der im Schlamm und durch
Pfützen Fortarbeitenden klang es hervor, es gehe nicht, es sei un-
möglich. Da redete Blücher mit tiefster Bewegung und Kraft
seine Krieger an: 'Kinder, wir müssen vorwärts! Es heißt wohl,
es geht nicht; aber es muß gehn, ich hab es ja meinem Bruder
Wellington versprochen! Ich hab es versprochen, hört ihr wohl?
Ihr wollt doch nicht, daß ich wortbrüchig werden soll?' Und so
gieng es denn mit allen Waffen unaufhaltsam vorwärts.
Es war angenommen, die Preußen würden um zwei Uhr
TM Hauptwörter (50): [T28: [Schlacht Heer Feind Mann Armee Napoleon Franzose General Truppe Preußen], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
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