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414
Ix. Zeit des sinkenden Papstthums.
seinen Frühling der Poesie; einen gleichen hat es
nie mehr bekommen. Wir führen seine drei berühmtesten
Dichter an:
Dante Alighieri, geb. zu Florenz 1265, gest. 1321
zu Ravenna in der Verbannung, ist unbestritten der aus-
gezeichnetste von ihnen; manche halten ihn für den Ersten
aller Dichter. Er hat in seiner Jugend mit höchstem
Fleiße die alten Klassiker studirt. Sein berühmtestes
Dichtwerk führt den Titel: „Die göttliche Komödie."
Das ist ein Spiegel seiner ganzen Zeit. Er macht darin
eine dichterische Reise durch die Hölle, das Feg-
fener und den Himmel und sieht da die Leute, die
auf Erden gelebt haben, und wie ihnen jenseits vergolten
wird, je nachdem sie gelebt haben. Er erblickt besonders
viele Geistliche und selbst einen Papst in der Hölle. Er
züchtigt in diesem wunderbare» Gedichte die Sünden des
geistlichen Standes und namentlich des Papstthums ohne
Scheu. Es ist fürwahr sehr merkwürdig, wie auch die
besten der italischen Dichter des Mittelalters, gleich
den Deutschen, die Schäden der Kirche bereits tiefer, als
Andere, erkannten und sich der ewigen Wahrheit des
göttlichen Wortes zuneigten. So spricht in dem genann-
ten Werke der Geist seiner frühverklärten geliebten Bea-
trice, der ihn durch den Himmel führt: „Dort unten
(auf Erden) erkennt niemand, wie viel (Märtyrer-) Blut
es gekostet hat, die heil. Schrift in der Welt aus-
zubreiten, und wie nur derjenige Gott gefällt, der ihr
demüthig naht. Nur für den Schein strengt jeder sich
an und macht neue Fünde, die dann als Heilmittel
von ihm geboten werden, während da s Evangelium
v erb org en bleibt."
Franz Petrarca, geb. zu Arezzo 1304, gest. 1374,
hat sich wie Dante an den alten klassischen Schriftstellern
gebildet. Er dichtete in der reinsten und schönsten Sprache
und namentlich in der Form der Kanzone und Son-
ne tte (das sind Liederweisen) ungemein zarte Minne-
lieder. Er sang so gar süße, über alles melodische Lieder.
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486
X. Das Kommen einer neuen Zeit,
gegründet. Die Universität Prag entstand schon 1348,
Wien dann 1366, Heidelberg 1386, Köln 1388,
Erfurt 1392, Würzbnrg 1403, Leipzig 1409, Ro-
stock 1419, Trier 1450, Greifswalde 1456, Frei-
burg und Basel 1460, Ingolstadt 1472, Tübingen
und Mainz 1477. Auf diesen Hochschulen und auch
andern Orts, namentlich in den Brüderhäusern der
Hieronymianer, wurden die alten Klassiker mit regem
und regstem Fleiße getrieben. Da gieng eine schöne Zahl
ausgezeichneter Kenner der alten Sprachen und Wissen-
schaften hervor. Die gelehrtesten von allen waren Reuch-
lin und Erasmus.
Johann Reuch!in von Pforzheim in Baden,
geb. 1455, gest. 1522 zu Stuttgart, bemächtigte sich
der lateinischen und griechischen Sprache wie kein Deut-
scher vor ihm. Auch das Hebräische erlernte er gründ-
lich, wozu er selbst die Beihilfe gelehrter Juden suchte.
Er schrieb die erste hebräische Grammatik. Der
Andere, Desiderins Erasmus von Rotterdam,
geb. 1461, gest. 1536 zu Basel, übertraf den Vorigen
noch in Kenntniß des Lateinischen und Griechischen, wäh-
rend er jedoch mit dem Hebräischen sich nickt einlassen
mochte. Lateinisch schrieb er besser als seine Muttersprache.
Ein besonderes Verdienst erwarb er sich durch eine Heraus-
gabe des Griechischen Neuen Testamentes mit ge-
lehrten Anmerkungen.
Wirsehen, theure Freunde, es geht alles aufeine
neue Zeit bin. Uebrigens dürft ihr das Wieder-
aufleben der klassischen Literatur nicht überschätzen
und euch nicht als durchweg segenbringend für die
Menschheit denken. Die alte heidnische Weisheit konnte
ja dem Elende der Welt jetzt so wenig als einstmals ab-
helfen, und es ist nicht zu leugnen, daß Viele sich in das
alte Heideuthum mit seinen schönen dichterischen Gestalten
verliebten, in hingebender Beschäftigung damit unvermerkt
heidnisches Wesen in Sinn und Wandel aufnahmen und
— im Grunde ihres Herzens gar ungläubig wurden,
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484
X. Das Kommen einer neuen Zeit.
fettes Bisthum) begehrt habe. Er erwiederte: „Ich be-
darf welker nichts!" Ganz glücklich reiste er mit
seiner Bibel im Grundtexte von Rom weg, die er jetzt
immer emsiger und ernstlicher erforschte und gegen deren
Inhalt ihm alle Weisheit der Welt zu Koth wurde. Die
Erkenntniß, die ihn aus derselben erleuchtete und beseligte,
legte er für Andere in Schriften nieder. Luther wurde
mit denselben erst in einer spätern Zeit seines Lebens
bekannt und äußerte darüber, „wenn er sie früher gelesen
hätte, so könnten seine Gegner sagen, er habe aus Wessel
geschöpft." Ganz rein von allen Irrthümern sind freilich
auch sie nicht; doch die Hauptsache hatte der Mann ge-
funden, die Gerechtigkeit allein durch den Glau-
den an Christum Jesum. Während Tbomas und
Tauler, weil sie die römischen Irrlehren nicht geradezu
angriffen, unangefochten blieben, zog sich Wessel, der schon
gegen einzelne derselben kühnlich ankämpfte, viele Feinde
zu, und nur seine hohen Gönner schützten den lieben
Menschen Gottes vor dem Schicksale, das einen Zeit-
genossen von fast gleichem Namen und ähnlicher Lehre,
den Johann von Wesel, Professor zu Erfurt, betraf,
den man auf Lebenslang einsperrte. Er blieb frei in
seiner Einsamkeit, dahin er sich zuletzt mit seiner theuern
heiligen Bibel zurückgezogen, und starb mit den Worten:
„Ich weiß nichts als Jesum Christum den Ge-
kreuzigten!" Dieser Johann Wessel kann der nächste
Vorläufer der Reformation genannt werden.
8 16.
Das Wiederaufleben der Wissenschaften.
Schon im vierzehnten Jahrhundert erwachte in Ita-
lien ein neuer Eifer, die alten römischen und grie-
chischen Schriftsteller zu studiren. Es war vornehm-
lich der Italische Dichter Franz Petrarca (s. Viii. 7.),
der sich diesem Studium mit schwärmerischer Liebe hin-
gab. Mit außerordentlicher Begier trachtete er den Mei-
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Extrahierte Ortsnamen: Rom Christum_Jesum Erfurt Ita-
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§ 3. Karl der Große.
201
Glauben (die drei Artikel) und das Vaterunser
können — freilich nach unserm Maßstabe noch sehr wenig
—, sonst durfte er nicht Pathenstelle vertreten. Alle sollten
fleißig die Kirche besuchen und zu ihrer Erbauung Gottes
Wort hören; und da gar viele Pfarrer nicht im Stande
waren, gehörig zu predigen, so ließ er durch Paul
Warnefrid, den Diakon, eine Anzahl Predigten aus
den Büchern der besten alten Kirchenlehrer zum Vorlesen
beim öffenilichen Gottesdienst in's Deutsche übersetzen.
Diese Predigtsammlung ist die erste deutsche Postille.
Weil es auch lieblich lautet vor Gott und Menschen, die
Psalmen und geistliche» Lieder schön zu singen, so ließ
er zur Herstellung eines guten Kirchengesanges Orgeln
und Singlehrer für feine Franken ans Italien kommen,
wobei es nur zu bedauern war, daß diese so gar rauhe
Kehlen und so gar wenig Singgeschick hatten, also daß
die Italiener ihren Gesang „mit dem Heulen wilder Thiere
und mit dem Hinrumpeln eines Lastwagens über einen
Knüppeldamm" verglichen. Indessen mag's bei manchen
recht ernstlich und von Herzen gegangen sein und dann
doch angenehm gelautet haben vor Gott und seinen lie-
den Engeln.
Die Sorge für die höhere Wohlfahrt seiner Unter-
thanen legte sich Karln so sehr an's Herz, daß er den
weltlichen Sendboten in der Folge auch geistliche
zugesellte, um durch sie überall zu prüfen, wie es mit
der christlichen Erkenntniß und dem Wandel im Volke
stehe, und seine Maßnahmen zu möglicher Besserung dar-
nach zu treffen.
Weil die Förderung des Volks int Christenthum vor-
nehmlich von dessen geistlichen Führern abhieng, so sah
er mit ganz besonderem Ernst ans eine tüchtige Ans-
bild n n g und ein würdiges Verhalten des Kle-
rus. Diejenigen jungen Leute, welche sich dem geistlichen
Stande widmen wollten, mußten in den Schulen am
meisten lernen, und Unfähige sollten gar nicht znm Kir-
chendienste zugelassen werden. Alle Geistlichen aber sollten
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TM Hauptwörter (100): [T69: [Kirche Kloster Stadt Schule Bischof Gemeinde Orden Land Priester geistliche], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T25: [Wissenschaft Kunst Zeit Sprache Geschichte Schrift Buch Werk Jahrhundert Erfindung], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele]]
TM Hauptwörter (200): [T194: [Kirche Kloster Schule geistliche Gottesdienst Gemeinde Geistliche Leben Staat Priester], T58: [Kirche Lehre Luther Schrift Bibel Gott Christus Bischof Papst Wort], T179: [Gott Mensch Wort Welt Erde Glaube Herr Sünde Himmel Satz], T51: [Kind Himmel Nacht Sonne Tag Gott Wald Baum Blume Feld], T65: [König Herr Soldat Offizier Vater Prinz Friedrich Majestät General Brief]]
Extrahierte Personennamen: Karl_der_Große Karl Paul
Warnefrid Ernst