Iii. Die Habsburgische Weltmacht und Frankreich.
161
gewicht wiederherzustellen. Der Papst entband den Franzosenkönig von den beim Friedensschlüsse geleisteten Eiden, und eine Versammlung der französischen Großen erklärte die Friedensbedingungen für null und nichtig; trotzdem dürfe der König nicht etwa in die Gefangenschaft des Kaisers zurückkehren, obgleich er den Friedensvertrag nicht ausführen könne; denn er sei nach göttlichem und menschlichem Rechte verpflichtet, bei seinem Volke zu bleiben und es zu führen und zu beschützen. Die „Staatsraison" stellt sich hier über die ritterliche Moral des Mittelalters.
Bald standen die Verbündeten dem Kaiser wieder im Felde gegenüber. Durch diese neuen Kämpfe wurde Karl so stark in Anspruch genommen, daß er vorläufig auf die Durchführung des für die Reformation ungünstigen Wormser Reichstagsabschiedes verzichten mußte. Solange er in den Kämpfen gegen seine äußeren Feinde auf die Äilfe der Reichsstände angewiesen war, von denen einige der bedeutendsten auf Luthers Seite standen, konnte er überhaupt an die Ausrottung der Ketzerei in Deutschland nicht denken, und die Ausführung des Speierer Beschlusses von 1529, gegen den die evangelischen Stände protestiert hatten, wurde durch die Türkennot unmöglich. So versprach denn der Kaiser in dem Ausschreiben, das die Stände zum Besuche des Augsburger Reichstages von 1530 aufforderte, aufs neue „eines jeglichen Meinung und Opinion in Liebe zu hören".
Es wäre ein Wunder gewesen, wenn seine auswärtigen Feinde und die Protestanten im Innern des Reiches, die sich durch ihn bedroht fühlten, sich nicht schließlich gegen ihn verbündet hätten. Doch geschah das erst nach Luthers Tode, als Karl durch seine Erfolge im Schmalkaldischen Kriege die Protestanten in schwere Bedrängnis brachte und zur Unterwerfung unter die Beschlüsse des Tridentiner Konzils zwingen wollte. Da suchte Kurfürst Moritz, als er sich zum Abfall vom Kaiser anschickte, das Bündnis des Königs von Frankreich. Denn nur mit auswärtiger ioilfe glaubten er und feine fürstlichen Bundesgenossen ihre politische Unabhängigkeit und ihre religiöse Freiheit schützen zu können. Für diese Hilfeleistung gab er die lothringischen Bistümer Metz, Toul und Verdun den Franzosen preis. Die fürstliche Gewalt, an die sich die lutherische Reformation hatte anschließen müssen, war also nicht imstande, sich und ihren Glauben gegen die spanische Fremdherrschaft zu schützen. So mußte für die Bundeshilfe deutsches Gebiet geopfert werden.
Karl hatte seine Ziele nicht erreicht. Weder war er der Äerr aller Könige auf Erden geworden, noch hatte er gewaltsam die Glaubenseinheit wiederherstellen können. Beide Bemühungen waren
Kästner und Brunner, Geschichte. Ii. B. 11
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Extrahierte Ortsnamen: Frankreich Luthers Deutschland Luthers Frankreich
2
I. Augustus und die Monarchie.
zuhalten war. Der grelle Gegensatz zwischen Großwirtschaft und Proletariat blieb in Rom wie in den Provinzen unausgeglichen. Trotzdem aber spürten gerade die letzteren den Lauch einer neuen Zeit. Die Länder, die unter gewissenlosen Ausbeutern furchtbar gelitten hatten, dursten sich der wohlwollenden Fürsorge der kaiserlichen Regierung erfreuen, die sie durch strenge Rechtsordnung vor Druck jeder Art schützte. Das republikanische Rom hatte von ihnen gezehrt, das Kaisertum förderte sie. Wasserleitungen, Abzugskanäle, Straßen, Theater und andere Anlagen in allen Teilen des Reiches sind Zeugnisse kaiserlicher Fürsorge. Im Sinne seines Großoheims hat Augustus die Provinzialverwaltung organisiert. Er setzte für die Provinzialbeamten bestimmte Gehälter fest und ließ die Staatseinkünfte durch seine Behörden einziehen. Damit war der Ausbeutung ein für allemal vorgebeugt.
Zn seinem politischen Auftreten vermied Augustus jede Übertreibung. Er war zwar oberster Machthaber, der in allen Dingen das letzte Wort sprach, als „Imperator" eine stehende Äeeres-macht befehligte und die auswärtige Politik selbständig leitete. Als „Princeps" (Fürst) reinigte und ergänzte er den Senat, indem er gegen 400 Senatoren ausstieß und aus den fügsamsten einen Staatsrat bildete, dessen „Beratungen" er mit ausschlaggebender Stimme leitete. Als oberster Richter entschied er über Berufungen gegen Erkenntnisse der Provinzialgerichte und gestattete, daß sich Verurteilte an seine Gnade wandten. Die Tempel, in denen seine Bilder standen, galten als Zufluchtsorte, die dem Richter verschlossen blieben. Auch die Würde des Oberpriesters lag in des Kaisers Land. Allein Augustus vermied es, von der monarchischen Gewalt allzu sichtbar Gebrauch zu machen. Deshalb ließ er die republikanischen Ämter zum Scheine bestehen, selbst das Konsulat. Als „Konsul auf Lebenszeit" wählte sich der Kaiser jährlich einen „Kollegen". Dem Senate räumte er, belehrt durch Cäsars Geschick, eine Art Mitregierung ein und begegnete ihm stets mit größter Achtung. Von den Provinzen hatte er nur eine bestimmte Anzahl „kaiserlicher" Provinzen seiner eigenen Verwaltung vorbehalten, die Leitung der schon lange unterworfenen „senatorischen" Provinzen, in denen keine stehenden Leere nötig waren, überließ er dem Senate, als wäre dieser noch die oberste Staatsgewalt. Dem Volke zeigte er sich am liebsten als „Mitbürger". Prunklos war seine Lebensweise und schlicht seine Kleidung, statt des Purpurgewandes trug er die Bürgertoga. Sein einfaches Laus auf dem Palatin (Palatium, Palais, Palast, Pfalz) unterschied sich kaum von denen vornehmer Bürger. Soweit ging seine kluge Zurückhaltung, daß er die Anrede „Herrscher" gesetzlich verbot
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Extrahierte Personennamen: Augustus Augustus Augustus Augustus Cäsars
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I. Germanische Art und Sitte.
Eine Anzahl unter sich verwandter Familien bildete die Sippe (Sippschaft, Freundschaft), und die Verwandten nannten sich „Ge-sippte" oder „Freunde". Nach der männlichen Seite hin hießen sie „Schwertmagen", nach der weiblichen „Spindelmagen". Sippe bedeutet Friedensvertrag; aus diesem Begriff ergab sich für die Glieder die Psiicht gegenseitiger Liebe und Äilse. Gesippte mußten einander bis zum Tode gegenseitig die Ehre wahren; sie gewährten sich Rechtsschutz und Eideshilfe (Sippschaftsfriede, Sippfchaftstreue). Kein Band galt dem Germanen heiliger als das Sippfchaftsband gemeinsamen Blutes. Dieses Gefühl der Zusammengehörigkeit deuten schon die alliterierenden Namen innerhalb der Sippfchaft an (Gibich, Günther, Gernot, Giselher; Sigmund, Siglind, Sigfried; Leinbrand, Lildebrand, Äadubrand). Friedensbruch innerhalb der Sippe war das schlimmste Verbrechen. Bruderfehde, so hieß es, werde einst dem Weltbrande vorhergehen. Der Friedensbrecher wurde für vogelfrei erklärt; seine Wohnstätte wurde zerstört, niemand durfte ihn beherbergen; wem er in den Weg kam, der hatte Recht und Pflicht, ihn zu töten. In Fällen schwerer Schädigung durch Verletzung oder Totschlag trat die gesamte Sippe rächend für den Genossen ein. Totschlag vergalt man gewöhnlich mit Blut, doch begnügte man sich schon frühzeitig mit einem „Wergeld", d. H. Manngeld, der gesetzlich bestimmten Buße für den getöteten Mann. Auch das Leer schntt nach Sippen geordnet in die Schlacht. Es stand im Kampfe Freund neben Freund, der Vater neben seinem Sohne; das zusammenhaltende Band war nicht die Disziplin, sondern die persönliche Treupflicht.
Die Gesippten wohnten gemeinsam auf einer Lichtung, die die Väter einst gerodet und zur Ackerflur hergerichtet hatten. Wurde das Pflugland im Frühling an die Haushaltungen verteilt, so blieben Wald und Weide, Bäche und Seen gemeinsamer Besitz, die Almende. Dieser Gemeinbesitz bildete die Mark, d. H. Flurgrenze und Flur, und so waren die Gesippten zugleich „Markgenossen", die den Ertrag der Mark mit einander „genossen".
Mit der Leitung der Gemeinde betraut war der Schultheiß, der Strafe „heischende"; gemeinsam mit den Markgenossen verhandelte er unter der Dorf linde, am Marksteine oder wohl auch beim schäumenden Met über Störungen des Friedens, über Beutezüge und ähnliche
Unternehmungen.
Mehrere Markgenossenschaften zusammen bildeten den wau-v er band, der im Gegensatze zu den natürlichen Blutsverbänden eine politische Einrichtung darstellte. Die Männer von fünf bis zehn Gemeinden traten zur Zeit des Neu- oder des Vollmondes zum Gauding, zur Gerichtssitzung zusammen; die
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I. Germanische Art und Sitte. 21
Entfernung vom Versammlungsorte, dem „Malberge", durfte für keine Sippe mehr als eine Tagereise betragen. Wenn die Schar sich zahlreich genug vorkam, ließ man sich unter freiem Limmel zur Beratung nieder. Priester geboten Schweigen, und der Häuptling übernahm den Vorsitz. Doch „leitete er die Versammlung mehr durch Güte und Überredung, als durch Gesetz und Recht". Meistens handelte es sich um Vergehen gegen die Gesamtheit, etwa Fahnenflucht, Verrat, Schändung heiliger Stätten. Der Kläger trat in die Mitte und beschwor die Klage nach ungeschriebenen, altgeheiligten Formeln unter Anrufung der Götter. Die gesippten Eideshelfer unterstützten den Kläger wie den Beklagten, und es kam für diesen darauf an, den Kläger zu „übersiebenen". Im Zweifelsfalle entschied das Gottesurteil: Zweikampf, Bahrprobe, Feuer- und Wasserprobe. Äart waren die Strafen, die man sogleich vollzog. Versenkung, Ertränkung oder Aufknüpfung. Diese galt als höchste Schande. Kleinere Vergehen wurden mit Vieh gebüßt. Freiheitsstrafen waren unbekannt.
Jährlich traten die Genossen mehrerer Gaue auch zu Stammesversammlungen zusammen. Allein nicht einmal die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Stamme war rechtlich geregelt. So kam es, daß sich ein Gau bald diesem, bald jenem Verbände anschloß. Auch bei der Stammestagung führte der Angesehenste den Vorsitz. Die Tagung nahm die wehrfähigen Jünglinge unter feierlicher Schwertumgürtung in den „Äe er dann" auf, wählte die Gauhäuptlinge, beschloß über Kriegszüge und wählte den Tapfersten zum „L erzog".
Denn die germanische Gerichtsgemeinde war zugleich £eer = gemeinde, das Volk in Waffen. „Kein Geschäft verhandeln sie anders als in Waffen." Aber nur freie Männer hatten das Recht, Waffen zu tragen und in den Versammlungen zu erscheinen; ihrer Pflichten ehrendste war die Verteidigung des Vaterlandes. Bis zur Mündigkeitserklärung wuchs zwar der freigeborene Knabe gemeinschaftlich mit den Kindern der Unfreien auf. Schon die Wirtschaftsweise brachte das mit sich; die Knechte wurden als „Ingesinde" mit zur Familie gerechnet. „Das Kind des £erm kann man nicht vom Knechtssohne unterscheiden, zwischen denselben werden wachsen sie auf," berichtet Tacitus. Allein seit dem Tage der Schwertleite hoben sich Freigeborene und Knechte schon äußerlich durch die Laartracht voneinander ab: die Knechte wurden geschoren. Der Freie hatte auch Anspruch auf ein Flurlos und war niemandem weder zu persönlichen noch zu dinglichen Leistungen verpflichtet; der Unfreie konnte nur Pächter sein; und auch wenn ihm sein Serr die Freiheit schenkte, stand er nicht viel über dem „Schalk" (Knecht). Auch er blieb ausgeschlossen von dem Rechte, Waffen zu tragen und im
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Iv. Der Verfall d. mittelalterl. .Hierarchie u. d. Reformbestrebungen usw. 107
Papste untertan zu sein. Aber es fehlte Bonifaz völlig an der Macht, diese Ansprüche zu verwirklichen. Die Androhung des Bannes blieb erfolglos Philipp gegenüber, durch dessen Regierung „der scharfe Luftzug der modernen Zeit weht" (Ranke). Auch auf die französische Bevölkerung machte das Vorgehen des Papstes gegen den König keinen Eindruck. Französische Ritter nahmen unter Führung des königlichen Kanzlers Bonifaz in Anagni gefangen; von den Bürgern der Stadt befreit, starb er kurze Zeit darauf, ohne die erlittene Anbill vergolten zu haben. Philipp gelang es nunmehr, die Wahl eines französischen Erzbischofs zum Papste durchzusetzen, der unter dem Einflüsse des Königs dauernd in Frankreich blieb- Von 1309—1378 war Avignon der Sitz der Kurie, die jetzt im Dienste der französischen Politik stand. Den im Süden des Reiches begüterten Templern wurde z. B. auf Befehl Philipps der Prozeß wegen Ketzerei gemacht, und die weiten Besitzungen des Ordens verfielen der Krone.
Durch die Übersiedelung nach Frankreich gingen den Päpsten die Einkünfte aus dem Kirchenstaate größtenteils verloren. Sie suchten nun Ersatz dafür durch eine weitgehende Besteuerung des Klerus und auch der Laien. So flössen neben dem Peterspfennig bei jeder Gnadenbewilligung hohe Gebühren in die päpstliche Kasse. Die scharfe und bis ins einzelne gehende kirchliche Gesetzgebung in Ehe-und Fastenangelegenheiten machte häufige Befreiungen auf dem Wege der päpstlichen Gnade („Dispense") nötig, deren Erlangung von der Zahlung außerordentlich hoher Sporteln abhing. Dazu kamen die vielfachen Ablässe und seit 1300 besonders der Iubelablaß, um neben zahlreichen Geschenken der Gläubigen die Kassen in Avignon zu füllen. Vor allem wurden aber die Klöster und die Weltgeistlichkeit zu hohen Zahlungen verpflichtet. Bischöfe und Äbte mußten für ihre Be-Bestätigung, Erzbischöfe für die Verleihung des „Palliums"1 hohe Summen zahlen; von einer neuverliehenen Pfründe mußten die „Annaten", der Betrag einer Iahreseinnahme, abgeliefert werden. Falls der Inhaber eines geistlichen Amtes innerhalb bestimmter Monate oder auf der Romreise starb, beanspruchte der Äeilige Stuhl das Recht der Wiederbesetzung, unbekümmert um die Rechte der sonst Wahlberechtigten („reservierte Fälle"). Auch bei solchen Gelegenheiten kam die päpstliche Kasse nicht zu kurz. Es wurden sogar Anwartschaften auf Pfründen in allen Ländern Europas verliehen,
1 Das Pallium, das Abzeichen der erzbischöflichen Würde, war ein Streifen von wollenem Tuch, der über die Schultern gehängt wurde. Seine Verleihung bedeutete die päpstliche Anerkennung.
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Extrahierte Personennamen: Bonifaz Philipp Philipp Bonifaz Philipp Philipps
Extrahierte Ortsnamen: Anagni Frankreich Frankreich Avignon Europas
126
I. Die Renaissance.
suchten mit seiner Lilfe nun allerlei feudale Widerstände zu brechen, und an die Stelle des rechtskundigen Schöffen trat der ihn verdrängende humanistisch gebildete, des römischen Rechts kundige „Jurist", dessen schriftliches, formelhaftes, geheimes Verfahren den von jeher an öffentliche Verhandlung gewöhnten Bürgern und Bauern unverständlich und verhaßt war, wie wir aus Götz von Berlichingens Selbstbiographie ersehen. Nur in einigen Gegenden Norddeutschlands, z. B. in Westfalen, blieben die alten Volks- (Fem-) Gerichte noch längere Zeit bestehen. Auch erhielten sich nach der 1495 erfolgten Reform im Reichs- wie Territorialrechte noch allerlei Überreste altheimischer Sitte; z. B. durfte am Reichskammergericht nur die Äälfte der Richter aus Juristen bestehen; und die Kirche verfuhr nach ihrem kanonischen Recht, wie auch die evangelischen Territorialkirchen sich ihre eigenen Grundsätze schufen. Dagegen atmete das Strafrecht, die berüchtigte »Carolina« von 1532, ausschließlich römischen Geist und blieb trotz der barbarischen Folterjustiz Jahrhunderte hindurch in gemeindeutscher Geltung, bis der Äumanitätszug der Aufklärung einem milderen Verfahren den Weg bereitete. Bezeichnenderweise kennt das humanistische Zukunftsbild, die „Utopie" des englischen Staatsmanns Thomas Morus, keine Juristen, und Satiriker wie Sebastian Brandt, Erasmus u. a. stellen sie unmittelbar mit Raubrittern auf eine Stufe. Leistete doch das römische Recht den auf die Beseitigung ständischer und städtisch-republikanischer Freiheiten gerichteten Bestrebungen gewaltigen Vorschub. Dieser rücksichtslose Asurpationsgeist trat der Zeit am abschreckendsten in der illegitimen Gewaltherrschaft Cäsar Borgias entgegen, dessen Grundsätze der „Fürst" Macchiavellis mit zeitgemäßer Skrupellosigkeit darlegt; der neu erwachte Äumanitätsgeist Friedrichs 11. von Preußen widerlegte sie dann im „Anti-Macchivell". Diese Politik erschien manchem deutschen Territorialherrn im Kampf um die Abrundung und Vergrößerung feiner ^ausmacht vorbildlich, und Florenz wurde nicht bloß zum bewunderten Äeimatlande einer großzügigen äußeren Politik, sondern zur Schule einer realistischen Staatstheorie überhaupt. Bis auf den heutigen Tag bezeichnet man eine Politik, die die Motive ihres ausschließlich nach Macht und Vorteil geizenden Äandelns einzig und allein aus der „Staatsraison" schöpft, als „Macchia-vellismus". Nun war es vorbei mit Augustins Idee vom „Gottesstaat", in dem die irdische Macht als ein Teil der allumfassenden göttlichen Ordnung erscheint, und die an staatsrechtlichen Vorschlägen so reiche Konzilienzeit — man denke an die »concordantia catholica« des Brixener Kardinals Nicolaus von Cues — lernte unter dem Einfluß der Antike die Staatsordnung als ein selbständiges Gebilde
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180
Vi. Der Dreißigjährige Krieg.
und Brandenburg suchten sich 1635 den Kriegsgreueln zu entziehen durch einen Sonderfrieden mit dem Kaiser, der auf die Durchführung des Nestitutionsediktes verzichtete; aber sie vermochten ihre Neutralität nach keiner Seite hin zu schützen.
Jetzt griff auch Frankreich mit eigenen Truppen am Rhein in den Krieg ein. Damit trat der konfessionelle Charakter des großen Ringens ganz in den Hintergrund. Es handelte sich nicht mehr um die Erhaltung des Protestantismus; die Fragen der politischen Macht nahmen die erste Stelle ein. Deutschland wurde das Schlachtfeld, auf dem fast alle europäischen Staaten ihre Sonderinterefsen verfochten.
4. Der Westfälische Frieden.
Jahrelang hatten die Gesandten der beteiligten Staaten in Münster und Osnabrück verhandelt, bis endlich „das edle Fried- und Freudenwort" erschallen konnte. Da keine der Parteien das entscheidende Übergewicht erlangt hatte, kam es auf allen Gebieten zu Kompromissen. Von katholisch-kaiserlicher Seite verzichtete man auf die Durchführung der Gegenreformation und gab die Forderungen des Nestitutionsedikts preis. Die Protestanten beider Richtungen erhielten die reichsrechtliche Gleichstellung mit den Anhängern der alten Kirche, und ihre Fürsten konnten die säkularisierten Gebiete in ihrem Besitz behalten. Äber den Einspruch des Papstes gegen diese Abmachungen ging man einfach zur Tagesordnung über. Schwieriger waren die Verhandlungen über die Neuregelung der politischen Verhältnisse. Den vertriebenen Fürsten wurde ihr Besitz zurückgegeben, dem Pfalzgrafen auch die Kurwürde. Für Bayern wurde eine neue Kur, die achte, geschaffen.
Auch die auswärtigen Mächte wollten für ihr Eingreifen entschädigt sein. 3n französischen Besitz kamen die bisher österreichische Landgrafschaft im Elsaß und eine Reihe anderer Reichsrechte in diesen Gebieten, die an sich noch keine Landesherrschaft bedeuteten, sich aber bei der Macht des französischen Königtums leicht dazu ausbauen ließen. Schweden erhielt die Bistümer Bremen und Verben sowie [Vorpommern mit den Oderinseln. Auf dieses Land hatte zwar der Kurfürst von Branbenburg einen Erb-anspruch, ba die pommerfchen Äerzöge 1637 ausgestorben waren. Man billigte ihm aber nur Sinterpommern zu und entfchäbigte ihn für den an Schweden fallenben Teil der Erbschaft in Mittelbeutfch--Icmb durch die Stifter Äalberstabt und Minben und die Anwartschaft auf Magbeburg. Auch anbere Reichsfürsten erhielten als Ersatz für verlorenen Besitz geistliches Gebiet.
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Extrahierte Ortsnamen: Brandenburg Frankreich Rhein Deutschland Elsaß Schweden Magbeburg
30 Ii. Germanen und Römer.
von dort bis an den Rhein aus einem Erdwall mit Pfahlwerk und Graben bestand *). Zur Verstärkung der Grenzsperre dienten etwa 80 Kastelle mit ständigen Besatzungen. Ein solches Römerkaftell war einst die von Kaiser Wilhelm Ii. in ursprünglicher Gestalt wieder hergestellte „Saalburg" mit ihrem Limesmuseum bei Äomburg im Taunus. Zwischen den Kastellen waren gegen 900 Wachttürme errichtet, die nur so weit voneinander entfernt standen, daß sich die Grenzwächter durch Zeichen miteinander verständigen konnten, wenn Gefahr drohte; auf der den limes entlang laufenden Äeerstraße konnten dann die Besatzungen der Kastelle rasch herbeieilen. Im weiteren Hintergründe aber lagen an Donau und Rhein stark belegte Standlager der Legionen, die durch gute Heerstraßen mit den Grenzkastellen verbunden waren. Eine solche Straße führte über den Großen St. Bernhard nach Zürich und von da über Straßburg nach Augsburg. Um die Standlager errichteten Ländler und Handwerker ihre Zelte, und bald wurden daraus Säufer. Ebenso siedelten sich ausgediente Soldaten sowie Leute aus den benachbarten Landschaften gern unter dem Schutze des Lagers an; das Standlager wandelte sich somit mehr und mehr in eine „Stadt" um. Die rechtwinklig sich schneidenden Lagerwege wurden zu Straßen, und feste Wohnhäuser, Bäder, Wasserleitungen, Altäre, Tempel, Kauf- und Gerichtshallen sowie Amphitheater erhoben sich an Stelle der alten Zeltstadt.
Fast zwei Jahrhunderte lang erfüllte der Grenzwall seinen Zweck. Er hielt die Germanen von Einfällen ins römische Reich ab und Zwang sie, seßhaft zu werden. Die durch den Pfahlgraben abgeschnittene Südwestecke Deutschlands aber schlugen die Römer zu ihrem Reiche; man nannte sie „Zehntland", weil die Bevölkerung den zehnten Teil ihrer Einkünfte als Steuer nach Rom entrichten mußte. Rasch hielt hier die römische Kultur ihren Einzug. Obstgärten, Getreidefelder, Weinberge, Steinbrüche, Bäder (wie Wiesbaden, Baden-Baden, Badenweiler), Straßen gaben dem Lande bald römisches Gepräge. Der freie Germane aber durfte das Zehntland nur bei Tage betreten, auch mußte er, bevor ihn der Posten durch die Grenzsperre ließ, seine Waffen abliefern und für mitgeführte Waren Zoll bezahlen; außerdem mußte ein Legionsfoldat den Fremden begleiten. Wohl gab es an der weiten Grenze bisweilen Plänkeleien, aber die Schranke wurde nirgends ernstlich durchbrochen.
J) Die Römer nannten das Ganze limes, d. H. Grenze, auch palus oder vallum. Daraus machten die Germanen „Pfahlgraben" oder „Wallgraben". Die Bezeichnungen „Pfahl" und „Wall" haben sie in der Folgezeit vielfach zur Bildung ihrer Ortsnamen verwandt (Pfahlheim, Pfahlbronn, Wall-Haufen), die erhalten blieben, während der limes selber zerfiel.
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I. Das Iheokratische Weltreich Karls des Großen.
47
auch die Zehntpflicht, die bei der Abneigung des freien Germanen gegen Steuerzahlung natürlich auf schweren Widerstand stieß. „Die Zehnten brachen die Treue der Sachsen," bemerkt ein Zeitgenosse. Auf jeden Widerstand gegen staatliche wie kirchliche Gebote setzte das Capitulare von Paderborn (774?) die Todesstrafe; immerhin waren manche Bestimmungen nicht härter als die herkömmlichen Satzungen der Sachsen. Alsbald wurde in dem eroberten Lande die fränkische Grafschaftsverfassung eingeführt; die Grafen mußten bei der Befriedung und Bekehrung des Sachsenlandes mit den Bischöfen der neu eingerichteten Bistümer Land in Äand gehen. Der Erfolg zeigte sich bald. Nachdem die Unterwerfung einmal erzwungen war, faßte die Kirche schnell festen Fuß; schon nach einem Menschenalter entstand in Sachsen der „Äeliand". Die friesischen Gebiete wurden nun ebenfalls dem Reiche langsam angegliedert.
Auch Bayern verleibte Karl dem Frankenreich völlig ein. Obgleich schon längere Zeit in Abhängigkeit, hatte der Bajuvaren-stamm doch sein eigenes Herzogtum behalten. Beziehungen des letzten Bayernherzogs, des kraftvollen Tassilo, zu den Erben des entthronten Langobardenkönigs nötigten Karl jedoch, die Selbständigkeit Bayerns völlig aufzuheben. Tassilo wurde ohne Widerstand des Volkes abgesetzt und in ein Kloster verwiesen.
Damit war die letzte der stammesherzoglichen Gewalten beseitigt. Sie wurden überall durch Grafen ersetzt, die Karl selbst ernannte. Er entnahm sie allen Stämmen seines weiten Reiches, ohne sich bei ihrer Wahl immer an vornehmen Stand zu binden. Nur die Tüchtigkeit sollte für die Auswahl auch der hohen Beamten entscheidend sein. Der Graf war oberster Gerichtsbeamter; er hatte die Verkehrspolizei; er mußte für die Instandhaltung der Wege und Brücken durch Fronden der Anlieger sorgen, die Abgaben und Steuern eintreiben und im Kriege das Aufgebot seines Gaues führen. Bei der Ausdehnung des Reiches war freilich eine wirksame Überwachung der gräflichen Amtsführung schwierig. Sie wurde durch Königsboten ausgeübt, die zu zweien, jeweils ein Geistlicher und ein Laie, alljährlich im Aufträge und an Stelle des Königs die Landesteile besuchen, in politischer wie kirchlicher Beziehung nach dem Rechten sehen und die Untertanen vor Mißbrauch der gräflichen Gewalt schützen mußten. Diese Reichseinrichtung, eine der fruchtbarsten Ordnungen karolingischer Lerrschergabe, ist später langsam verfallen.
Der Los hatte keine ständige Residenz, zog vielmehr von einer Königspfalz zur andern. Die wichtigsten Pfalzen waren: Lüttich, Äeristal, Ingelheim, Worms, Schlettstadt, Regensburg. Die Reichsteile, in denen er sich gerade aufhielt, hatten nach bestimmten
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Vii. Die Ausbreitung des Deutschtums im Mittelalter.
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Bauern in völlige Abhängigkeit zu bringen. Sie waren nunmehr „an die Scholle gebunden" und wurden in steigendem Maße zu Frondiensten verpflichtet. Aus dieser Lage sind sie erst durch die Bauernschutzpolitik der großen Lohenzollernkönige des 18. Jahrhunderts und durch die Äardenbergsche Reform befreit worden.
Das Dorfbild hatte auf dem Kolonialboden eine andere Gestalt als im alten Deutschland. Während hier infolge der un» regelmäßigen Gewanneinteilung das „Laufendorf" mit seiner regellosen Mannigfaltigkeit herrschte, wurde im Kolonialgebiet das Dorf entweder im Anschluß an die slavische Anlage als „Rundling" um einen Dorfplatz angelegt, oder aber die Gehöfte zogen sich in regelmäßigen Abständen an der Straße hin, die sich in der Mitte meist zu einem länglichen Platz erweiterte, auf dem die Kirche und die Dorfschmiede standen. In diesen Straßen- oder Fadendörfern lagen die Acker größtenteils in unmittelbarer Rahe des Äauses, ein großer Vorteil gegenüber der „Streulage", die im alten Deutschland herrschte; der Flurzwang fiel dadurch ohne weiteres fort.
Eine Ausrottung der slavischen Einwohner hat nicht stattgefunden. Teilweise mögen sie weiter nach Osten ausgewandert sein, zum größten Teil aber sind sie langsam zu Deutschen geworden. Im Anfang des 16. Jahrhunderts war in Brandenburg der Slave vom Deutschen noch deutlich zu unterscheiden, und noch nach der Einführung der Reformation ist in der Lickermark wendisch gepredigt worden. Brs heute hat sich ein Rest der alten Bevölkerung noch im Spreewald erhalten.
3u blutigen Kämpfen ist es nur an der Ostseeküste jenseits der Werchselmundung bis zum Finnischen Meerbusen hin gekommen. Die Preußen hat seit etwa 1230 der Deutsche Ritterorden zu Deutschen und Christen gemacht. Lier ist allerdings die eingesessene Bevölkerung, nachdem sie erbitterten Widerstand geleistet, zum Teil ausgerottet worden. Vom Kulmer Lande her drangen die Deutschen Äerren, die von den polnischen Grenzherzogen gegen die wilden Nachbarn zu Lilfe gerufen waren, allmählich vor, zunächst im Weichseltale, dann auch nach Nordosten zu. Jede neue Eroberung wurde durch den Bau einer Burg gesichert, von der aus ritterliche Brüder ine Herrschaft des Ordens hüteten und ausübten. Ringsum legten häufig Handel- und gewerbtreibende Bürger eine Stadt an, und das Land zwischen Weichsel und Memel wurde mit Rittern und Bauern aus allen deutschen Gauen besetzt. Seit 1309 war die Mantnbm Äochmeisterfitz. Zn Kurland und Livland, dem Sitze des ursprünglich hanseatischen Ordens der Schwertbrüder, der sich bald mit den Deutschstem vereinigte, kam es freilich zu keiner Ansiedlung
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Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Deutschland Brandenburg Finnischen_Meerbusen Weichseltale Weichsel Kurland Livland