Autor: Meyer-Wimmer, J., Dreyer, Friedrich, Meyer, Johannes
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und die gewaltsame Bekehrung seines Landes duldete. Erzbischof von Köln war seit 1577 Gebhard Truchseß, der anfangs zum Papismus hielt, nach und nach aber von der Wahrheit der evangelischen Lehren sich überzeugte. Wie andere seiner vornehmen Genossen, war auch er nicht von strengem Lebenswandel; er hatte mit der Gräfin Agnes von Mansfeld, einer Kanonissin im freiadligen Stift zu Gerresheim, ein Liebesverhältnis angeknüpft. Er entschloß sich, dasselbe zum Ehebunde zu erheben (1583), nachdem er vorher zur Reformation übergetreten (1582). In den aus diesem Schritte entspringenden Feindseligkeiten unterlag er kaiserlichen und spanischen Truppen, wurde mit dem päpstlichen Banne belegt und mußte fliehen. Den Erzbischof Heinrich von Bremen aber, der auch Bischof von Paderborn und Osnabrück war, verhinderte nur ein früher Tod am förmlichen Übertritte. Sofort nahmen Jesuiten, von jener Waffengewalt unterstützt, die Gebiete beider Kirchenfürsten ein; sie eroberten ganz Westfalen, das nun thatsächlich eine bayrische Provinz wurde. Denn Ernst, der auch von sehr leichten Sitten war, erhielt zu den drei Bistümern, die er bereits besaß, noch das Erzstift Köln und dann noch Münster dazu. Die Bischöfe von Bamberg, Würzburg und Salzburg rotteten (1586) den Protestantismus in ihren Landen vollständig aus und bevölkerten die Klöster wieder. Die freie Stadt Köln, in der es eine starke protestantische Strömung gab, bestrafte den Besuch der reformierten Predigt mit Kerker und Geldbußen. Die Bürgerschaft von Aachen hatte allen Mandaten, durch die der Kaiser dem Papismus wieder zur Alleinherrschaft in der alten Krönungsstadt hatte verhelfen wollen, festen Widerstand geleistet. Jetzt wurde die Stätte, von der die alte deutsche Kaiserherrlichkeit ihren Ausgang genommen, am 30. Juni 1508 in kaiserliche Acht erklärt. Kurfürst Ernst von Köln wurde mit der Vollstreckung derselben beauftragt, und nun rückte spanisches Kriegsvolk vor Aachens Mauern. Die ganze Stadt wurde zum Papismus zurückgezwungen. Im Herbst darauf brach der fanatische Admiral Francisco M endo za mit 20 000 Spaniern in Deutschland ein und stellte im ganzen Rheingebiete auf beiden Seiten des Stromes unter furchtbaren Greueln die Alleinherrschaft der Kirche Roms wieder her. In Augsburg und Regensburg gewannen die Katholiken die Oberhand und vertrieben ihre Gegner. Herzog Wilhelm V. von Bayern, Albrechts Nachfolger, unterwarf sich vollständig den Jesuiten und übertrieb seine Bußübungen in beinahe unglaublichem Maße; er stiftete neue Jesuitenkollegien und brachte durch seine Frei-
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„sonderlicher Freund der edlen Artoll'rei". Nicht fromme Hymnen liebte er, nicht Orgelklang und Chorgesang, sondern vielmehr den brausend dumpfen „Basso" der Geschütze, die Tonreihe der „Arkelei" von der „Quartanschlange" an bis zur „Karthaune". Dies Brüllen seiner gewaltigen Stücke war ihm der liebste Ton.
Zwistigkeiten mit der Stadt konnten nicht ausbleiben; sie resultierten aus der unklaren Rechtsstellung, welche gewisse Gemeinwesen im Reiche einnahmen. Denn abgesehen von den entschieden reichsunmittelbaren oder entschieden landsässigen Städten gab es in Deutschland noch andere Orte, welche sich zwar in einer gewissen Abhängigkeit von der Landesherrschaft befanden, auf der andern Seite aber viele landesherrliche Rechtebesaßen. Diese nicht reichsfreien und zugleich nicht landsässigen Städte pflegte die Sprache des deutschen Staatsrechts als »Civitates mixtae« zu bezeichnen. In diesem eigentümlichen Rechtsverhältnis lag sehr häufig die Veranlassung zu ärgerlichen Streitigkeiten, welche jetzt in dem Zeitalter der „Staatsraison" sämtlich zu Unguusteu der Bürgerschaften entschieden wurden. So geschah's z. B. in dem goldnen Mainz, zu Erfurt, zu Magdeburg und Braunschweig, — so auch zu Münster.
Der Bischof verlangte nämlich das »Jus praesidii«, das Besatzungsrecht; die Stadt verweigerte dasselbe und klagte gegen ihren Herrn beim Reichskammer- und Reichshofgerichte. Die Entscheidung derselben erging gegen die Bürgerschaft. Der Rat zu Münster wußte nunmehr, was von dem Bischof Christoph Bernhard zu erwarten war; er bemühte sich deshalb um Hilfe bei der Hansa und den vereinigten General-Staaten Hollands. Der Bischof Bernhard dagegen verlegte seine Residenz nach Dülmen, und in der Stadt scheint jener alte, wilde Sinn, welchen wir so oft bei mittelalterlichen Bürgern antreffen mußten, wieder aufgelebt zu sein. Auf den Straßen und den lindenbeschatteten Plätzen von Münster erklang das Spottlied:
„Berndkm von Gaolen Kann Puchen, kann prahlen, —
Kann stinken, kann leigen,
Kann Lüde betragen!"
Alle Verhandlungen nutzten nichts; die Forderungen und der Groll waren auf beiden Seiten viel zu hoch gespannt. Münster hoffte sicher auf die Hilfe der Holländer. Da stieg denn wohl die leidenschaftliche Erregung gegen Bischof Bernhard so weit, daß der städtische Abgeordnete van Eitzen in Gegenwart des kaiserlichen Residenten Friquet
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ausrief: „Wir wollen lieber des Türken, ja des Teufels sein, als diesem Bischöfe uns unterwerfen! Die Religion, die kümmert uns nicht mehr!" — Es ist das Echo des Geusenwahlspruches: „Weit lieber Türf als Pfaff'!", welches nach Deutschland herübertönt! Endlich kam's zum Kampfe, und die überlegene Streitmacht Bernhards siegte. Am 10. Juli 1661 konnte der Fürst seinen Einzug in die überwundene Stadt halten. Er hatte — sehr bezeichnend — den gesamten Landadel zur Teilnahme an der Festlichkeit aufgefordert; die recht bedeutende Kriegsmacht, welche ihn umgab, zeigte den Bischof Bernhard im Glanze eines Triumphators. Seine „Constablerkapelle", d. H. sein Artilleriepark, „hatte Türm' und Mauern weich gemacht"; er hielt sein Siegesmahl in den zerschossenen Stadtbefestigungen zwischen Kugeln und Bomben, welche hier und dort den Grund bedeckten, und ließ, sobald man „über dem Weine" eine Gesundheit ausbrachte, achtzig Karthaunen lösen. Ein von den Jesuitenschülern aufgeführtes „lustiges" Drama „Daniel und Evil-Merodach" folgte diesem Siegesfeste, und die Kanonen der Basteien, die Feldstücke der Citadelle spielten das Finale. Das Schicksal einer so berühmten Stadt wirkte auf das gesamte Städtewesen Deutschlands merklich ein. Jene Scheu, welche fürstliche Gewalthaber bis dahin noch vor größeren Städten gehabt hatten, war nun ganz und gar verschwunden. Katastrophen anderer Städte schlossen sich diesem Falle der Stadt Münster unmittelbar und in schneller Reihenfolge an. —
Ein Ringen und ein Kämpfen überall um die letzten Reste alter Selbständigkeit des deutschen Bürgertumes; — aber ein Ringen und ein Kämpfen ohne Heldenmut, -— ohne Begeisterung, ohne Größe, ohne Todesfreudigkeit! — Und nicht allein, daß deutsche Bürger sich jetzt den hochgebietenden Fürsten demütig fügen lernten, — daß die stolze Ader republikanischen Sinnes in ihnen ausblutete: nein, sie lernten selbst, vom Reiche scheiden und fügten sich in Kleinmut auch der fremden Macht, dem fremden Herrscher!
Wir bringen ein Beispiel dafür!
Auch die Katastrophe von Straßburg gehört in eine Geschichte dieser Zeit; sie vor allem führt uns mitten ein in diese wirre, trübe, vaterlandslose Zeit!
Die Krone Frankreich folgerte bekanntlich aus dem Frieden zu Nyniwegeu für sich das Recht der Oberherrschaft über alles Land von Lothringen und Elsaß. Wohl sah die Bürgerschaft der alten, edlen Reichsstadt Straßburg es voraus, daß sie nun baldigst an-
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wunderschöne hieß im deutschen Liede! Aus Beschämung und aus Trauer erschienen die Bürger weder auf den Straßen noch an den Fenstern; nur der Pöbel und — der Rat empfingen die neuen Herren. Ludwig Xiv. war indes der L-tätte deutscher Schmach näher gekommen; am 3. Oktober erfolgte in der lothringischen Festung Vitry die Bestätigung der Kapitulation, und am 4. huldigte der Rat durch Eid und Handschlag seinem neuen Herrn, dem Commandant- de - Ville Ms. de Chamilly! Nur einer von den Bürgern Straßburgs hat damals deutschen Mut gezeigt. Er hatte sich aufgerafft, war ans Fenster getreten und hatte sein Gewehr auf die französischen Soldaten abgeschossen, die dort unten jubelnd, lachend dahinzogen. „Ich sterbe willig," war sein letztes Wort, „nachdem ich diese Schmach dort meiner Vaterstadt genommen habe, daß nicht eine Hand sich bereit fand zur Gegenwehr, — daß nicht ein Schuß wider den Feind gefallen ist!"
Die erzählten Begebenheiten sind Illustrationen zu dem politischen
Elende, welches über das deutsche Volk, das deutsche Bürgertum gekommen war. Jener waffenfrohe Sinn, welcher das frühere Bürgertum so rühmlich ausgezeichnet hatte, er war erloschen, war verschwunden!
Am klarsten wird uns dieses tiefe Elend des politischen Zustandes unseres deutschen Bürgertums, wenn wir den Blick auf unsere vielberufenen Reichsstädte richten. Noch fristeten einundfünfzig derselben ein klägliches Scheindasein als Städte von der „Rheinischen und
schwäbischen Bank". Sie existierten eben, sofern es nicht einem mächtigen Nachbar gefiel, sich einfach ihrer zu bemächtigen. Kaum daß sie noch zu Regensburg, dem nunmehrigen Mittelpunkte des „Reiches", eigene Residenten hielten. Wenn diese lächerlich ohnmächtigen Reichsstädte, welche in der That zu Acker- und Handwerkerstädten herabgesunken waren, gegen den „Türken" oder irgend welchen anderen Reichsfeind ihr matrikelmäßiges Kontingent stellen mußten, so montierte und armierte der Rat natürlich das jämmerlichste Gesindel, welches
nur irgend bei einer Werbetrommel sich einfinden konnte. Diese Reiter und Fußgänger von Bopfingen, Aalen, Jsny und Gingen halfen mit den Knechten der gefürsteten Abteien und den stolz in angestammte Wappensarben bunt gekleideten Mannschaften deutscher Reichsritterschaft wesentlich dazu, der Reichsversassung jenen schneidenden Spott zu verschaffen, welchen die jungen Militärstaaten über sie ausgossen. Daß er Waffen tragen durfte, war sonst des deutschen Bürgers Stolz gewesen, und das Wort „Spießbürger" hatte für einen Ehrentitel einst gegolten.
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Aber die Ritterschaft ließ sich durch diese moralische Niederlage nicht aufhalten. Immer unerträglicher war ihre wirtschaftliche Lage geworden; immer verbitterter sah sie sich auch unter dem neuen Regiment politisch zurückgestellt; immer verhaßter erschien ihr der Städter im gesellschaftlichen Wettbewerb um die aristokratische Führung der Nation. Im Jahre 1521 gärte es überall; die schwäbischen Adligen planten ihren Austritt aus dem fürstenfreundlichen schwäbischen Bunde; die Ritterschaft am Mittel- und Oberrhein hatte Sickingen in Landau zum Hauptmann ihrer neuen „brüderlichen Vereinigung" gewählt und erwartete voll Spannung die weiteren Maßregeln ihres Hauptes.
Sickingen hatte auf Seite Karls V. am Kriege gegen Frankreich teilgenommen. Aber der Kampf hatte ihm nur Verlust und Enttäuschung gebracht. Jetzt zog er heimwärts mit müßigen Truppen. Lag es nicht nahe, diese für die Freiheit des Adels im Kampf gegen die fürstliche Geistlichkeit einzusetzen? Einen Ansang zu machen mit dem großen Gedanken der Säkularisation geistlichen Gutes? Die Idee hatte Sickingen und seine Kreise schon früher beschäftigt; möglich, daß sie jetzt von neuem, nun praktisch verwendbar auftauchte. Freilich, über den innersten Beweggründen Sickingens in diesem Augenblick, da er dem Reich die Treue brach, lagert nicht minberes Dunkel, wie über dem entsprechenben Momente im Leben Wallensteins, des zweiten großen Conbottieres der beutfchen Geschichte. Es waren treulose Erwägungen, ungewohnt dem beutfchen Gemüt, ungewohnt auch dem Geschichtschreiber, der sie nachzudenken die Pflicht hat.
Sickingen schien sich anfangs gegen Worms oder Speier wenben zu wollen, schließlich brach er gegen das Kurfürstentum Trier los, gegen das er wegen Reichsverweigerung im einzelnen gerechte Beschwerde hatte. Am 27. August 1522 sagte er die Fehde auf, am 8. September erschien er vor der Stadt Trier und versprach den Bürgern, sie „von dem schweren antichristlichen Gesetz der Pfaffen zu erlösen und zu christlicher Freiheit zu bringen". Allein die Bürger hörten ihn nicht, und der Erzbischos Richarb von Greifendem, ein hochgemuter und kriegerischer Herr, zwang ihn, das Feld zu räumen; unter entsetzlichen Verwüstungen zog er sich ins untere Nahethal, den Hauptsitz seiner Macht, zurück.
Das alles nun, die revolutionären Bewegungen unter dem Adel wie der Zug Sickingens, hatte sich vereinigt, ohne daß das Reichsregiment imstanbe gewesen war, einzugreifen: woher hätte es hierzu
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Extrahierte Personennamen: Karls_V. Karls_V. August Erzbischos_Richarb_von_Greifendem
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Wählen nur zwei Beispiele, um dieses völlige Gesunkensein politischen Sinnes klar zu stellen. Betrachten wir an dem ersten derselben vor allem die veränderte Stellung des Bürgertums den Fürsten gegenüber! —
Die Stadt Münster in Westfalen hat eine überaus reiche Geschichte. Da, wo jetzt die herrlichen Kirchen sich erheben, im Südergau des alten Landes der Bructerer, lagen in der Vorzeit zwei reiche, große Sassenhöfe, der „Brockhof" und der „Kampvorderhof". Westlich von ihnen schlich ein Bächlein träge durch das Wiesenland; die Furt, die durch das Wasser führte, trug den altheidnischen Namen „Mimigardene". Hier hatte einst in alten Tagen Sankt Suidbert ein Kirchlein gegründet, um welches sich nach und nach der herrlich blühende Ort „ad monasterium" ansetzte. „Fest wie Münster!" So lautete ein altes Sprichwort im Westfalenlande! Münster hatte im Reformationszeitalter die furchtbaren Unruhen der Wiedertäufer erblickt; — Münster begrüßte am 5. Mai 1648 in feinen alten Mauern auch den Anbeginn der neuen Zeit. Man schmückte das herrliche alte Rathaus mit maienfrischen Laubgewinden aus; man ließ gar seine und „empfindsame" Symphonieen aus den Fenstern' der Häuser rings umher ertönen; ja, die Ratsherren legten ihre schmucksten Spitzenkragen über den Sammetwämsern an, die Gilden stolzierten mit den blankgeschliffenen Hellebarden aus und ab, und die „Stadtguardia" marschierte unter ihrem Hauptmanne Reumont in tadelloser Weise auf. Gegen Mittag erschien der Graf von Penneranda, Spaniens Arnbaffador, mit großer Pracht in sechs hohen Kutschen, jede mit sechs Rossen bespannt, umgeben von reichgeschmückten Dienern, welche voll altkastilianischen Stolzes gravitätisch einherschritten. In diesem prachtvollen Aufzuge, geleitet von einem Reitergeschwader, begab sich der Graf in den Friedenssaal, um von erhöhter Bühne aus zuvörderst die Unabhängigkeit der sieben vereinigten niederländischen Provinzen auszusprechen. Diesem Separat-frieden folgte im Herbste dann der allgemeine. Auf dem Bischofshofe wurde das Friedensinstrument von den Gesandten der Römischen Majestät unterschrieben, und von den Bastions donnerten nun die Stücke, dreifache Ladung heut enthaltend.
Das war im Jahre 1648 geschehen. Im Herbste 1651 hatte die Stadt einen neuen geistlichen Herrn erhalten; der Domküster Christoph Bernhard von Galen war im September zum Fürstbischöfe gesalbt worden. Es war ein streitbarer Herr, der neue „Pfaff", und ein
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gegriffen werden würde; sie schickte ihre Boten an den Kaiser und an den Reichstag mit den flehendlichsten Briefen, um sich des deutschen Reiches Schutz zu sichern! Nur eine unbedeutende, vorn Regensburger Reichstage der Bedrängten Stadt gewährte Beihilfe an Geld Brachten die Gesandten heim. Die kaiserlichen Besatzungstruppen waren schon am 11. Juni 1679 aus Straßburg aßgezogen; — eigene Truppen anzuwerben, war Bei der gänzlichen, durch nicht weniger als fünfzig Kriegs-jahre herbeigeführten Not der Stadt unmöglich. Die Krone Frankreich, jetzt ihren Blendenden Schimmer werfend auch auf deutsches Land, ging nun, im Jahre 1680, offen mit dem Raub von Straßburgs Stadtgut vor; die vielberufene Reunionskammer von Breisach nahm die Ämter Wasselnheim, Barr, Jllkirch, Marlenheim für Frankreich in Beschlag. Mit Klageschriften, mit Dupliken, mit Dokumenten jeder Art bewies die Stadt das ihr geschehene, himmelschreiende Unrecht; umsonst, — die Schwarzenberg, die Montecuculi in Wien, s i e hatten nicht den Mut, zu hören! Da suchten Straßburger Bürger selbst das harte Herz Ludwigs Xiv. altem Rechte zugänglich zu machen: sie baten, daß man sie bei Deutschland lasse, — »et le roi etait trös-mal satisfait de la ville!« Endlich beschloß der kaiserliche Hof zu Wien, dieser in dem Todeskampfe liegenden Bürgerschaft einige Tausend Mann zu Hilfe zu senden; — man konnte aber keinen Reiter mehr in die gefährdete Stadt hinein bringen; sie war von allen Seiten eingeschlossen!
Diese bitteren Erfahrungen, diese Hoffnungslosigkeit, dies langsame Verschwinden jeder Hilfe machte die Straßburger gefügiger, als Männer je sich zeigen dürfen auch in der höchsten Not. Hatten diese deutschen Bürger sich vorher gegen jede Annexion von Straßburg auf das äußerste gesträubt: jetzt sanken ihnen die Arme in den Schoß! Mit kleinen, „unbedeutenden" (!) Gefälligkeiten fing die große Schande an. Dem Könige zuliebe ließ im Jahre 1680 der Rat den Brückenkopf bei Kehl zerstören; ja, man fand's für angezeigt, den hochgebornen Residenten der großen, allerchristlichsten Majestät die feige, schmachvolle Versicherung zu geben, daß die Anwesenheit der kaiserlichen Diplomaten Merey mit Politik und Staats-Aktionen nicht zusammenhinge! In Angst und mit der kläglichen Miene totaler Hilfs- und Ratlosigkeit blickten diese gravitätischen Herren im Staatsrock und der Perrücke auf die Truppenbewegungen hin, welche »Sa Majeste« im Elsaß stattfinden ließ. Das Schwert saß ihnen allen an der Seite, — eine Gewohnheit, welche früher in den Heldenzeiten deutschen Bürgertumes nicht
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schwereres Schicksal über sich heraufzubeschwören." Der Minister Lou-vois, welcher an dem folgenden Tage, dem 29. September, zu Jllkirch eintraf, konnte Monclas' Worte nur wiederholen; in französischem Präsektenton fügte er ihnen allerdings noch jene ofterwähnte Äußerung hinzu, er sei nicht hergekommen, um noch lange Zeit mit Rat und Bürgerschaft zu unterhandeln; er komme nur, um seines Herrn Befehle zu vollziehen! Da die Stadt mit den Absichten des Königs bekannt sei, auch zur Überlegung und zum Entschlüsse volle Zeit gehabt habe, so müsse er auf schleunigste Entscheidung dringen. Wenn bis 7 Uhr abends keine unterwürfige Antwort erfolgt sei, so würden die Bürger Straßburgs nicht allein als Feinde, sondern auch als Rebellen (!) behandelt werden; auch werde bei einer Eroberung keine Schonung stattfinden, sondern vielmehr die Stadt einer Plünderung preisgegeben werden. Würden indessen die Bürger von Straßburg die ihnen in so huldreicher und hochherziger Weise angebotene königliche Gnade annehmen, so sollten sie bei allen ihren Rechten und geistlichen, wie königlichen »Privilegiis« gar wohl erhalten werden.
Noch nimmer war so harte Sprache deutschem Bürgertum geboten worden. Erst auf inständiges Bitten ward die Frist bis auf den folgenden Tag, den 30. September, 7 Uhr morgens, verlängert. Mit trüben Gesichtern, langsam einherschreitend, kehrten die Abgeordneten zurück. Aus Veranlassung des Rates versammelte sich die Geistlichkeit, die Zünfte und die Korporationen der Stadt. Niemand fand einen Rat, um die drohende Gefahr abzuwenden, und es gab auch in der That nur jene doppelte Möglichkeit, zu sterben oder sich zu unterwerfen. Das Erstere hatten die deutschen Bürger dieses Säkulums verlernt. Drum klang es düster und verzweifelt jetzt von Mund zu Munde: „Ergebung, •—- unbedingte Kapitulation!" Mit bebender Stimme verkündigte der Stadtmeister von Zedlitz endlich den Beschluß des großen Rates der Gemeinde Straßburgs; er lautete: „Wir übergeben uns an Frankreich!"
Es war ein unheilvoller Tag, — ein Tag der Schande in der Geschichte deutschen Bürgertums, jener 30. September, an welchem die Kapitulations-Akte Straßburgs zu Jllkirch unterzeichnet ward. Die nächste Folge dieser feigen That war es natnr- und sachgemäß, daß die Stadt Straßburg ihr Geschütz sowie ihre sehr bedeutenden Kriegsvorräte an Frankreich abtreten mußte. Nachmittags um 4 Uhr zogen dann die fremden Truppen frohlockend in die Stadt ein, welche die
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Autor: Meyer-Wimmer, J., Dreyer, Friedrich, Meyer, Johannes
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Inhalt Raum/Thema: Deutsche Geschichte
der Treppe des Turmes sichtbar würden, über welchem die weiße Fahne noch flatterte, und bieg alles in das (Mb bev reinsten, herrlichsten Sonnenunterganges getaucht staub — als alles leuchtete bis oben hinauf und glühte von einer gleichsam überirdischen Herrlichkeit, und von dem nahen Kleberplatze herüber die Pfeifen und Trommeln der eben frisch wieber ein-rücfenben Regimenter klangen, ba sagte ich mir: Nun ist alles gut! Tie Wunben, die der Krieg geschlagen, werben wieber vernarben (und wir alle müssen dazu beitragen, daß sie vernarben) — was wir mit Gewalt und unter unsäglichen Opfern erzwangen, müssen wir mit Liebe und freubiger Thätigkeit an uns zu fesseln suchen für immer. Straßburg liegt in Trümmern — aber siehe ba! das Wahrzeichen Straßburgs, sein Kleinob und sein Heiligtum steht — der Münster ist unser. Wir wollen ihn fortan hegen und pflegen wie unser bestes Eigentum, nnb möge der Tag nie wieberkehren, wo Bomben und Granaten gegen seine kostbaren Mauern gefchleubert werben!
Wilhelm Runge, Welt- und Zeitgeschichte von 1862—1890. Heidelberg 1890. — Karl Klein, Fröschweiler Chronik. — I. R-o derill erg, Aus meinem „Tagebuche".
Dritter Abschnitt.
Das neue deutsche Reich, seine Verfassung und Verwaltung.
Tas beutfche Volk, so friedliebenden Charakters es ist, hatte den Krieg gegen Frankreich mit opferntütiger Hingebung geführt. Mau war sofort entschlossen gewesen, ihn mit solcher Ent-schiebenheit und so lange fortzusetzen, bis wirklich eine grünbliche Nieberlage Frankreich beigebracht und bis den Franzosen das Gelüste zur Wiederholung des Krieges ausgetrieben sein würde. In dieser Entschlossenheit waren alle Teile und Stämme, alle Stäube und Klassen Deutschlanbs einig.
Tie ersten Siege des August erfüllten alle beutfchen Herzen mit freubigeni Stolze; nach dem Triumphe von Seban steigerte sich bies Gesühl zu lautestem Jubel. Der Wille des deutschen Volkes heischte schon im August mit aller Entschiebenheit einen doppelten Gewinn des Sieges: einmal, man verlangte einmütig, Elsaß und Lothringen, den alten Raub der Franzosen, für
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Extrahierte Personennamen: Wilhelm_Runge Wilhelm Karl_Klein Karl August August
Extrahierte Ortsnamen: Heidelberg Frankreich Frankreich Lothringen
Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Inhalt: Zeit: Altertum, Mittelalter, Neuzeit
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man den Kaiser, Spanien, Holland und Brandenburg deutlich erkannte.
Im westphälischen Frieden war das deutsche Land Elsaß Frankreich bei der Vertheilung zugefallen. Plötzlich erklärte Ludwig, daß er zu allem dem, was er bereits vom heiligen deutschen Reiche erobert habe, auch noch alles das haben müsse, was jemals damit zusammengehangen, z. B. alle Klöster und Ortschaften, die einmal im Lehnsverband oder Erbvertrag mit Elsaß gestanden hätten, wäre dies auch tausend Jahre her. Hatten seine Rechtsgelehrten einen solchen Ort in den Akten aufgefunden, so ließ er sogleich die alten Wappen wegreißen und die Lilien aufpflanzen; dabei steckten seine Soldaten wie Mordbrenner oft ganze Städte und Dörfer in Brand, und während man in Regensburg auf dem deutschen Reichstage darüber berathschlagte, erscholl auf einmal die Nachricht: Straßburg ist französisch. Ludwig hatte die Stadt, als ihre Bürger auf der Frankfurter Messe waren, überrumpelt (1781).
Straßburg, dieser Schlüssel von Oberdeutschland, von dem Karl V. noch gesagt hatte: »wenn Wien und Straßburg zugleich bedroht wären, so würde er unzweifelhaft zur Rettung von Straßburg hineilen« — dieses wichtige Straßburg war französisch geworden, mitten im Frieden, und der verrätherische Bischof, Wilhelm von Fürstenberg, hatte den König Ludwig mit dem Gruße Simeons bei seinem Einzuge empfangen: »Herr, nun lässest du deinen Diener in Frieden fahren, denn meine Augen haben deinen Heiland gesehen.«
Ludwig stellte sogleich viele Franzosen in Straßburg an und ließ es dann durch uneheure Festungswerke uneinnehmbar machen. Er befahl, die deutsche Tracht abzulegen, und namentlich den Frauen, sich streng nach der neuesten französischen Mode zu kleiden, um sie von ihren einfachen deutschen Sitten abzuziehen. Außer jenem Bischof gab es leider der Verräther noch mehrere in Deutschland, selbst unter Gelehrten und Ministern, die der schlaue Ludwig zu bestechen wußte.
So weit war Deutschland heruntergekommen. Den Ministern ließ er namhafte Geschenke zugehen und nannte sie Kousins; die Gelehrten, die in ihren Schriften Frankreich über Alles erhoben, begnadigte er mit Pensionen und ließ ihnen schreiben, wenn er auch nicht das Vergnügen habe, ihr Herr zu sein, so gewinne er und die französische Nation doch von jedem Fortschritt der Wissenschaft und er sei deshalb den Förderern derselben immer verpflichtet. Nicht umsonst schmeichelte Ludwig diesen unpatriotischen Leuten, er wollte sich die römische Kaiserkrone verschaffen, und jene thaten das Ihrige redlich dazu, ihn als den ersten Monarchen, den die Welt habe, darzustellen. Dabei verstand er es, den französischen Hof zum brennenden Mittelpunkt des irdischen Glanzes zu machen. Seine Lustschlösser mit den großen Marmortreppen und
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Extrahierte Personennamen: Ludwig Ludwig Ludwig Karl_V. Karl_V. Wilhelm_von_Fürstenberg Wilhelm Ludwig Ludwig Simeons Ludwig Ludwig Ludwig Ludwig Ludwig Ludwig
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