480 Iweiundzwanzkgstes Hauptstück.
seine Politik den alten Grundsätzen treu, und noch bevor
ihm die Eroberung von Röchelte freie Hand gab, hatte er
einen Plan angelegt, der den Spaniern das Uebergewicht
in Italien raubte. Karl Gonzaga von Revers
und R e t h e l, nächster Agnat Herzog Vincenzh.
von Mantua, übrigens mit Leib und Seele Franzos,
war 1627 auf die Nachricht, der kinderlose Herzog sey
am Sterben, nach Mantua gereist, von demselben an-
erkannt, in der Nacht, da Vincenz starb, mit einer Ver-
wandten des Erblassers, die man aus dem Kloster holte,
getraut, und folgenden Tags als Herzog proklamirt und
begrüßt worden. Das ärgerte den Minister Olivarez nicht
wenig: Mantua sey doch ein spanisches Lehen, und man
habe ihn nicht einmal gefragt. Auf seinen Antrieb er-
hoben die Herzoge von Guastalla und Savoyen Erban-
sprüche , und der Kaiser forderte als oberster Lehensherr
sämmtliche Prätendenten vor seinen Richterstuhl. Karl
Revers trotzte; Urban und Venedig, froh, ein Gegenge-
wicht gegen die trotzigen Spanier zu finden, leisteten
Hülfe, und Richelieu sandte 25,000 Mann, welche die
Savoyer im Frühling 20 bei Susa schlugen, und obgleich
den 18. Juli 1630 20,000 Oestrcicher die Stadt Mantua
eroberten, mußte doch laut des Friedens von Chierasco,
der den 6. April 31 zu Stande kam, Revers mit Man-
tua und Montferrat belehnt werden.
Die Absendung jener 20,000 Oestrcicher nach Ita-
lien hatte ohne Zweifel der bayrische Maximilian, damit
Ferdinand in Deutschland geschwächt würde, angerathen
und durchgesetzt; denn die Spaunung zwischen Beiden
wurde immer größer, und freundlich hatten sie sich zum
letztenmal bei einem Tauschgeschäfte berührt. Maximilian
hatte nämlich seit 1620 kraft des Münchner Vertrags
das Land ob der Enns pfandschaftlich inne, aber, weil
er den Katholizismus gewaltsam wieder einführte, so viel
mit Aufständen zu schaffen, daß ihm der Besitz Nichts
eintrug; es geschah daher auf seinen Wunsch, daß ihm
Ferdinand, wie früher die Churwürdc, so 1628 auch das
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Revers Karl Urban Richelieu Chierasco Maximilian Maximilian Ferdinand Maximilian Maximilian Ferdinand
Extrahierte Ortsnamen: Italien Mantua Mantua Mantua Venedig Mantua Ita- Deutschland
Aeyntes Hasprstück.
m
woben und 6 Casieüanen, dle Landbotenkammer aus 60
Abgeordneten des Adels und 40 Abgeordneten der Städte;
ausserdem, daß der Reichstag Steuern zu verwiegen hat,
prüft er ihm vorgelcgte Gesetzentwürfe durch Commis-
sionen, die aus seiner Mitte erwählt werden, und mit
anwesenden Staatsräthen discutiren; das französische Ck-
vilrecht und das Institut der Friedensrichter wird ringe-
führt, jeder Civil- und Criminalprozeß öffentlich verhan-
delt, und die Sklaverei aufgehoben." Preussens westlich
von der Elbe gelegne Provinzen, 3 Provinzen von Han-
nover, das Herzogthum Braunschweig, den größten Theil
Churhessens, das oranische Fürstenthum Corwey und ein
Stück von Mannsfeld, welches Sachsen für den kotbusser
Kreis abtrat, vereinigte Napoleon zu dem neuen König,
reich Westfalen, behielt sich die Hälfte der Domänen,
sowie in Magdeburg eine Besatzung von 12,000 Mann
vor, und übertrug die Herrschaft seinem Bruder Hiero-
nymus. Auch Westfalen empfieng constitutionelle Ein-
richtungen, nicht nur weil es seiner verschiedenartigen
Bestandtheile wegen dieses innre Band nöthig hatte, son-
dern noch mehr, weil Napoleon wünschte, zwei seiner
Schöpfungen sollten ein ungünstiges Licht auf absolute
Fürsten werfen, Westfalen auf die Mitglieder des Rhein-
bundes, Warschau auf die Beherrscher von Preussen und
von Rußland. „Alle Unterthanen sind vor dem Gesetze
gleich; die Leibeigenschaft hat ein Ende, der Adel kein
Vorrecht mehr auf Stellen oder Würden, noch auf Frei-
heit von irgend einer öffentlichen Last; das französische
Civilgesetzbuch, sammt öffentlichen Gerichten, Jurys, fran-
zösisches Münz-, Maß- und Gewichtsystem geht auf West-
falen über; 100 Abgeordnete werden durch die Versamm-
lungen der Departements gewählt, und zwar 70 aus
den Grundeigenthümern, 15 aus den Kaufleuten und
Fabrikanten, 15 aus der Klasse der Litteraten oder An-
drer, die sich Verdienste um den Staat erworben haben,
und diese Landstände werden nach erfolgter Einberufung
über Steuern und Gesetze abstimmen.» Der größre Theil
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Extrahierte Personennamen: Aeyntes_Hasprstück Mannsfeld Napoleon Napoleon
370
Neuntes Hauptstlck.
Punkt zurückführen müsse, von welchem sie sich auf reichs-
beständige Weise nie habe entfernen können.« Aehnliche
Patente erließen Oranien - Fulda , Churhessen und Hessen-
Darmstadt, Isenburg, Leiningen, Gesammthaus Hohen-
lohe, Salm-Reifferscheid-Bedburg und Nassau-Usingen:
«man wolle keineswegs entscheiden, ob die Fortdauer der
Reichsritterschaft zu den Zcitvcrhältnissen passe; aber da
Andre zugegriffen haben, sey man genöthrgt, ebenfalls zu
occupiren, was im Vasallennexus stehe, im Umfang der
Fürstenthümer liege, oder so daran grunze, daß kein an-
dres Fürstenhaus ein größres Recht Nachweisen könne.«
Darmstadt, Kassel und Oranien dehnten diese Schritte
sogar auf einige Grafen aus; selbst was bei andern Für-
sten zu Lehen gieng, wurde rasch besetzt. Eine Note des
Kaisers an den Münchener Hof würdigte dieser nicht einmal
der Erwiederung. Preussen meinte, der Reichstag solle
urtheilen; seinerseits jedoch werde es von den Grund-
sätzen nicht zurückweichen, welchen es in den fränkischen
Fürstenthümern bereits Kraft gegeben habe. Napoleon
antwortete der um seinen Schutz flehenden Ritterschaft:
«er werde sie aufrecht halten; übrigens möge sie güt-
lichen Vergleich suchen, und dieses Vorhaben unverweilt
in Wien, Petersburg und Berlin zur Kenntniß bringen.«
Die Sache schwebte noch, als 1805 neue Ereignisse ihren
Lauf begannen.
Während Napoleon als Wiederherstetler des Frie-
dens in Europa seine belorbeerte Stirne auch mit dem
Olivenzweig umkränzte, ordnete er gelegentlich die von
Frankreich abhängigen Republiken. Im Okt. 1801 ver-
lieh er den batavischeu Provinzen ihre alten Namen und
Marken wieder, ertheilte dem Staatsbewind von 12 Per-
sonen ausschließendes Recht, Gesetze zu beantragen, den
35 Gesetzgebern Vollmacht, dieselben durch Ja oder Nein
gut zu heissen oder zu verwerfen, und nur einem Ausschüsse
von 12 Gliedern (dem Nachbilde des französischen Tri-
bunats) Befugniß vorläufiger Diskussion. Batavien stellte
Truppen an Frankreich, und unterhielt französische Gar-
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Extrahierte Personennamen: 370
Neuntes_Hauptstlck Napoleon Napoleon
Extrahierte Ortsnamen: Fulda Hessen-
Darmstadt Isenburg Leiningen Salm-Reifferscheid-Bedburg Darmstadt Kassel Münchener_Hof Wien Petersburg Berlin Europa Frankreich Frankreich
400
Zehntes Hauptstück.
von Berg, der Landgraf von Darmstadt heissen Groß.
Herzoge, und genießen königlicher Ehrenbezeigungen;
das Haupt der Familie Nassau nimmt den Herzogs-,
Graf von der Leyen den Fürstentitel an. Gemeinschaft-
liche Angelegenheiten, sowie Streitigkeiten der Bundes-
glicder werden zu Frankfurt in einer Bundesversammlung
abgehandelt, welche in zwei Collegien zerfällt, in das der
Könige und das der Fürsten: der Fürst Primas hat den
Vorsitz; soll eines der beiden Collegien allein berathen,
so präsidirt der Primas bei den Königen, der Herzog
von Nassau bei den Fürsten. Zeiten der Versammlun-
gen , Art, ste zu berufen und Beschlüsse abzufassen, so-
wie den Nang der Mitglieder des Fürstencollegiums wird
eiu Fuudamentalstatut auseinandcrsetzcn. Der französische
Kaiser ernennt als Protektor beim Abgang des Fürsten
Primas dessen Nachfolger. Zur Abrundung der einzelnen
Territorien finden mancherlei Länderwechsel Statt; inson-
derhcit erhält der König von Bayern die Reichsstadt Augs-
burg, der Fürst Primas Frankfurt. Bisher reichsun-
mittelbare Fürsten, Grafen und Herrn kommen unter die
Souverainetät desjenigen Buudessürsten, in dessen Ge-
biet ihre Besitzungen iuclavirt sind; liegen diese Besitzun-
gen zwischen den Territorien zweier Bundesfürsten, so
werden sie genau vertheilt. Die Rechte der Souveraine-
tät bestehen in der Gesetzgebung, obersten Gerichtsbarkeit,
Oberpolizei, Militärconscription und Erhebung der Ab-
gaben. Bisher regierende, nun aber mediatisirte Für-
sten oder Grafen behalten ihre Domänen als Privat-
eigenthum, behalten auch, nebst den daraus fließenden
Einkünften, alle Rechte, welche der Souverainetät nicht
wesentlich ankteben; hinsichtlich der Abgaben wird ihr
Grundeigenthum den Domänen desjenigen Hauses, unter
dessen Souverainetät sie kommen, oder falls kein Prinz
dieses Hauses Grundeigenthum besäße, den Domänen der
am meisten privilegirten Klasse gleichgestellt; in peinlichen
Fällen genießen mediatisirte Fürsten und Grafen das Aus-
trägalrecht, und ihr Vermögen kann nicht confiscirt, wohl
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592 Elftes Hauptstück.
unter Verfassung gestanden hatten, und in diesen das
Lehenssystem völlig abgekommen war, erließ Pius unter
dem 6. Juli 1816 ein zeitgemäßes Edikt, welches jedoch
sein Nachfolger Leo Xu. aufhvb, indem er durch das
Motuproprio vom 5. Okt. 1824 dem Adel überall die
frühern Vorzüge einräumte, und die bischvffliche Gerichts-
barkeit in vollem Umfang herstellte. Großherzog Ferdi-
nand von Toskana bekam zu dein Hauptlande noch den
Stato degli Presidi, den vor 1801 neapolitanischen Thcit
der Insel Elba, die ehemals römisch-kaiserlichen Lehen
Verino, Montanto, Monte und Santa Maria, und die
Oberlehnsherrlichkeit über das Fürstenthum Piombino.
Hebet* Lucca, Modena, Parma wurde das früher schon
Erwähnte destnitiv angeordnct. Die Gränze zwischen
Lombardei und Piemont bilden der Lago maggiore und
Ticino; zur Verstärkung Sardiniens gegen Frankreich
fiel die Republik Genua nach kurzem Daseyn den 17. Dec.
1814 an König Victor Emanucl, welcher auch unbe-
schränktes Bcfestigungsrecht, sowie für die Landesbezirke
Chablais und Faucigny und für alles, was nördlich von
Ugine zu Savoyen gehört, volle Neutralität sollte anzu-
sprechen haben. Es war dieß ein Ausfluß derjenigen
Neutralität, welche die am 20. März 15 von den Un-
terzeichnern des pariser Friedens gegebne Erklärung der
schweitzerischen Eidgenossenschaft, weit diese Ocstrcich und
Frankreich auseinanderhält, bewilligt hat: Genf, Wallis
und Neuchâtel kamen als eigne Kantone wieder hinzu;
die durch Alexanders Erzieher, durch den antiken Repu-
blikaner la Harpe, geschirmte Waadt behauptete ihre
Selbstständigkeit; sowohl der Congreß als ein am 7. Aug.
15 in Zürich beschworner Bundesvcrtrag bestimmten die
äussern und innern Verhältnisse der 22 Republiken: in
kleinen und demokratischen Kantonen blieb die höchste Ge-
walt bei den Landsgcmeinden; in aristokratischen und
größern gehört sie dem großen Rath, so daß unterge-
ordnete Städte und das Land nur einige Stellvertreter
haben, während Hauptstädte und in diesen die patrizi.
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Extrahierte Personennamen: Leo_Xu Leo Maria Victor_Emanucl Alexanders
Extrahierte Ortsnamen: Toskana Elba Lucca Modena Frankreich Genua Frankreich Genf Alexanders Waadt