190
Das siebenzehnte Jahrhundert.
kannten die Umgestaltung an, nur der päpstliche Stuhl zögerte aus Wohl-
wollen für Spanien noch 28 Jahre. Die nach langer Unterbrechung einbe-
Bragcm' rufenen portugiesischen Stande bestätigten die Revolution und trafen über
Steuererhebung und Kriegswesen mehrere gute Einrichtungen. Ohne große
Hann iv. Anstrengung behauptete sich Johann I V. gegen das machtlos ankämpfende
\u '' Spanien. Sein ältester Sohn Alfons Iv. folgte ihm. Aber seine an Blöd-
1656-o?; sinn grenzende Schwachheit machte ihn zur Selbstregierung unfähig und sein
* 1(!83‘ unsittliches Leben zog ihm die Verachtung des Volkes zu. Dadurch gelang
es seiner französischen Gemahlin mit Hülfe eines von dem jüngern Bruder
des Königs Don Pedro geleiteten Aufstandes, Alfons zur Entsagung des
was. Thrones zu bringen. Don Pedro, mit der geschiedenen Königin vermählt,
führte hierauf mit Einwilligung der Cortes, anfangs als Regent und dann,
als sein in stumpfsinniger Muße in Cintra lebender Bruder gestorben war
(1683), als König (Peter Ii.) die Regierung. Während seiner Regentschaft
Jjg; wurde mit Holland ein Friede geschlossen, der den Portugiesen Br afi-
lien und den Rest ihrer ostindischen Besitzungen sicherte. Dagegen wurde
der.krieg mit Spanien hitziger geführt. Als aber Portugal von Frankreich
und England Unterstützung erhielt und der französische General Schom-
1665. b e r g den Spaniern zwei große Niederlagen beibrachte (bei Almexial und
Villa Vchosa), da fügte sich der Madrider Hof in die Nothwendigkeit und
1668. ánnte im Frieden von Lissabon die Unabhängigkeit Portugals an.
Aber die Sicherstellung des portugiesischen Thrones war ein Nachtheil für die
Freiheit der Nation. Die Cortes, die während der Revolution und der
darauf erfolgten Kämpfe und Stürme große Macht erworben, wurden bald
o dem Fürstenhaus Braga nza beschwerlich. Ihre Einberufung unterblieb
hann v. allmählich und König Johann V. regierte wie ein Herr, „der von Gott und
170ü ^ Rechtswegen König ist."
§.607. Die Empörung von Catalonien und Portugal führte den Sturz
1643. von Olivarez und die Erhebung Haro's zum Premierminister herbei.
Aber bald erregte der Steuerdruck und die Aushebung für die Armee auch in
Neapel und Sicilien drohende Bewegungen. — Dort schaarte sich das
über die Härte und Habsucht der Steuererheber empörte Volk um einen Fischer
1647. von Atrani (bei Amalsi), M asan iello (Thomas Aniello), bemächtigte sich
der Hauptstadt und zwang den Vicekönig in der Burg Schutz zu suchen. Zwar
wurde Masaniello, der einige Tage als Oberhaupt von Neapel das
größte Ansehen genoß, bald jedoch in Geistesverwirrung verfiel, von seinen
Feinden ermordet; allein der Aufstand war darum nicht unterdrückt. Viel-
mehr bluteten alle Spanier, die in die Hände der Rebellen sielen, als Opfer
für Masaniello und Neapel wurde als Republik regiert. Erst als die spanische
Regierung den verhaßten Vicekönig abrief und die Steuerlast minderte, kehrte
Kcirl u. allmählich die Ruhe zurück. Auf Philipp Iv. folgte sein unmündiger, an
1cs0~ Körper und Geist schwacher Sohn K'arl Ii., für den seine Mutter, eine
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Extrahierte Personennamen: Johann_I_V. Johann Alfons_Iv Alfons Pedro Peter_Ii Johann_V. Johann_V. Gott Thomas_Aniello Masaniello Masaniello Kcirl Philipp_Iv Philipp
Extrahierte Ortsnamen: Spanien Hann Spanien Cintra Holland Spanien Frankreich England Madrider_Hof Lissabon Portugals Portugal Neapel Sicilien Neapel Neapel
Das Zeitalter Ludwigs Xiv.
207
langen der gespornten Bekehrer, die das Haus des Abtrünnigen veriießell und in
doppelter Anzahl bei den Standhaften einrückten, wirkten mächtiger als alle
Lockungen des Hofs und alle Verführungen der Priester. Taufende entflohen ins
Ausland, um auf fremder Erde ihres Glaubens zu leben; aber noch sehr groß
war die Zahl derer, die unter allen Drangsalen standhaft blieben, als die Auf- 22
Hebung des Edikts von Nantes dem Verfolgungsfystem die Krone auf- ~i'6s5,'
setzte und die Huguenotten in Verzweiflung stürzte. Ihr Gottesdienst ward gänz-
lich verboten, ihre Kirchen wurden niedergerissen, ihre Schulen geschlossen, ihre
Prediger, sofern sie dem für ihre Bekehrung verheißenen Preis widerstanden, des
Landes verwiesen. Und als die Auswanderung in erschreckendem Maße zunahm,
wurde dieselbe unter Galeerenstrafen und Güterverlust untersagt. Aber trotz aller
Drohungen und Verbote trugen über 500,000 französische Calviniften ihre Be-
triebsamkeit, ihren Glauben und ihr Herz in das protestantische Ausland. Die
Schweiz, die Rheinpfalz, Brandenburg, Holland und England (Spitalsield in
London) boten den Verfolgten ein Asyl. Ihre Bildung, ihre Industrie, ihre gei-
stige Rührigkeit blieb nicht ohne Einfluß auf die Cultur der Völker, zu denen sie
geflüchtet. Aber in Frankreich war der Wohlstand und die beneidete Blüthe der
südlichen Landschaften dahin! Die Seidenwebereien und die Kunst des Strumpf-
wirkens wurde durch flüchtige Huguenotten dem Auslande mitgetheilt; calvinische
Schriftsteller richteten ihre Feder gegen Frankreich und calvinische Krieger traten
in die Reihen der Feinde beim Wiederausbruch des Krieges. Schmeichler priesen
den König als Vertilger der Ketzerei; aber der Heldenmuth der Bauern in den
Cevennen und die Tausende von Huguenotten, die mit stiller Hausandacht
sich begnügten, bewiesen, wie wenig der Religionsdruck dem gehofften Ziele zu-
führte. Als sich nämlich die Verfolgung auch in die stillen Thaler der Eeven-
nen erstreckte, wo Abkömmlinge der Waldenser, die sich den Ealvinisten ange-
schlossen, in Glaubenseinfalt und nach alter Sitte dahinlebten, da fanden die
Dränger hartnäckigen Widerstand. Die Verfolgung erhöhte den Muth der Ge-
drückten, die Mißhandlungen steigerten ihren Glaubenseifer zur Schwärmerei.
Angeführt von einem jungen Handwerker warfen die in leinene Kittel gekleideten
Camisarden „die nackte Brust den französischen Marschnllen entgegen." Ein
grauelvoller Bürgerkrieg, in dem über 100,000 Menschen bluteten, füllte die
friedlichen Thaler der Eevennen und fand erst sein Ende, als der französische
Machthaber den von flüchtigen Predigern im Dunkel der Wälder zum Fanatis-
mus begeisterten Kämpfern Freiheit des Glaubens zugestanden. An zwei Mil- 1704.
Horten Huguenotten blieben fast rechtlos und ohne Gottesdienst, bis mildere Zei-
ten die strengen Ketzergesetze ermäßigten. — Auch die frommen Waldenser in den
Thalern von Piemont wurden auf Anstiften französischer Religionseiferer um die-
selbe Zeit verfolgt.
4) Ludwigs Xiv. Uebermuth und Oestreichs Bedrängniß.
§. 019. Die Reunionen. Die Artikel des Nymweger Friedens
waren von den europäischen Machten angenommen worden, wie sie Frank-
reich vorgeschrieben. Ermuthigt durch diese Furchtsamkeit schritt nunmehr
Ludwig zu den unerhörten Reunionen. Es wurde die Behauptung aufge-
stellt, eineanzahlortschaften undgebietstheile seien als ehemaligepertinenz-
oder Dependenz-Stücke der im Westfälischen und Nymweger Frieden an
Frankreich gefallenen Landschaften und Städte in der Abtretung inbegriffen.
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Extrahierte Personennamen: Ludwigs Ludwigs Oestreichs_Bedrängniß Ludwig Ludwig
Extrahierte Ortsnamen: Nantes Rheinpfalz Brandenburg Holland England London Frankreich Frankreich Ludwigs_Xiv Westfälischen Frankreich
253
Das Zeitalter Ludwigs Xiv.
schen Königsgesetz, ein Verfahren, das in der neuesten Zeit seine blutigen Früchte
getragen hat. — August Ii. wurde als König von Polen anerkannt. Am längsten
dauerte der Krieg mit Rußland. Erst als Peter die schwedische Küste mit Feuer und
Schwert barbarisch verheeren ließ, willigte endlich die Regierung im Frieden von
Nystädt in die Abtretung der reichen Provinzen Jngermanland, Esthland,
Lievland und eines Theils von Ca re lien an die Russen gegen die geringe Entschä-
digung von zwei Millionen Thaler.
§. 650. 2) Rußland. Wie ganz anders ging Rußland aus dem Kampfe
hervor. Der Zaar, der nunmehr den Kaisertitel annahm, hatte seinem
Reiche blühende, cultivirte Länder erworben, seiner neugegründeten Seemacht
zwei Meere erschlossen, die wenig bevölkerte Provinz Jngermanland durch
erzwungene Uebersiedelung volkreich gemacht, Petersburg, das der europäischen
Cultur naher lag als Moskau, zum Sitz der Regierung und zur Hauptstadt
des Reiches erhoben und durch großartige Anlagen und Bauwerke in Aufschwung
gebracht. Durch Anlegung von Canälen und Landstraßen erleichterte Peter den
inner» Verkehr seines unermeßlichen Reiches; mit den Seestaaten des Auslandes
wurden direkte Handelsverbindungen angeknüpst und zu dem Ende Seehäfen
angelegt und die Schiffahrt befördert. Gewerbe und Manufakturen
erfreuten sich besonderer Begünstigungen und neu erschaffene Berg we rke för-
4 derten den inneren Reichthum des Landes zu Tage. Dies hatte zur Folge, daß
am Ende des zweiundzwanzigjährigen Krieges der russische Staat nicht nur schul-
denfrei war, sondern das Finanzwesen sich in so gutem Zustande befand, daß der
Kaiser unmittelbar nachher einen Krieg gegen Persien, hauptsächlich für 1722-24
Handelszwecke, unternehmen konnte. Auch die ganze Verwaltung des Reichs
bekam durch Peter eine neue Gestalt. An die Stelle des alten Bojarenhofs
trat der vom Kaiser abhängige und von ihm ernannte Senat als oberstes
Reichsgericht in Petersburg; und in den Ukasen wurde nicht mehr wie
früher der Zustimmung der Bojaren zu dem Willen des Souveräns gedacht.
Zehn neue Regierungs-Kollegien mit bestimmtem Geschäftskreis leiteten
die Verwaltung in den Provinzen. Eine nach französischem Muster eingerichtete
Polizei sicherte die Hauptstadt, aber leider glaubte Peter, daß eine geheime J n-
quisitionskanzlei auch zur guten Polizei gehöre, und ließ daher dieses von
Iwan Wasiljewitsch gegründete schreckliche Institut bestehen. — Ja selbst eine
Akademie der Wissenschaften wurde in Petersburg gegründet, aber von ihren
gelehrten Forschungen hatte das rohe Volk keinen Gewinn. — Eine der folgen-
reichsten Neuerungen Peters des Großen war die Aufhebung der Patriar- 1700.
chenwürde und die Errichtung der h e i l i g e n S y n 0 d e als oberster Kirchen-
behörde, welcher der Kaiser Verhaltungsbefehle ertheilte. Eine nach dem Tode
des Patriarchen Adrian von Peter angeordnete zwanzigjährige Verwesung sei-
ner Stelle hatte das Volk zuvor eines kirchlichen Oberhauptes entwöhnt. Hätte
Peter noch seinen Plan, dem ganzen Reiche ein allgemeines Gesetzbuch zu ver-
leihen, ausgeführt, so wäre die Staatsorganisation zur Vollendung gebracht wor-
den. — Aber wie viel Peter auch für Cultivirung seines Landes that, er selbst
blieb bis an das Ende seines Lebens ein der Völlerei und rohen Sinnesgenüssen
ergebener Despot. Eine zweite, in Begleitung der Kaiserin Katharina unternom-
mene Reise durch Deutschland nach Holland und Frankreich bewies, wie weit noch
die russischen Sitten hinter der europäischen Civilisation zurückstanden; und Pe-
ters Verfahren wider seinen einzigen Sohn Alex ei, auf den er die Abneigung
gegen dessen verstoßene Mutter übertragen, zeugt von der harten Gemüthsart des
Machthabers. Durch Trotz und störrisches Wesen hatte Alexei die Liebe seines
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Extrahierte Personennamen: Ludwigs August Peter Peter Peter Peter Iwan_Wasiljewitsch Adrian_von_Peter Peter Peter Katharina
Extrahierte Ortsnamen: Esthland Petersburg Moskau Persien Petersburg Petersburg Deutschland Holland Frankreich
Innere Zustande.
257
rakter, wenngleich von liebenswürdigem Wesen, erlangte nach Entsagung
aller Ansprüche auf Polens machtlose Krone die seiner Gemüthsart weit ent-
sprechendere Herrschaft über das Herzogthum Lothringen. Um Frankreichs
Beitritt zur pra g mati sch en S a n cti o n zu erlangen, willigte Karl Vi.
in die höchstnachtheiligen Friedensbedingungen, wornach Franz Stephan,
Herzog von Lothringen, des Kaisers Schwiegersohn, sein Erbland gegen das
durch das Erlöschen des Mediceischen Hauses erledigte Toskana ver- 1737-
tauschte, Lothringen und Bar dagegen an Stanislaus und nach dessen Tod
an Frankreich kam, und Neapel und Sicilien als Königreich dem
spanischen Prinzen Don Carlos (§. 638.) überlassen wurde.
Noch 29 Jahre regierte hierauf Stanislaus, der Gönner der Jesuiten, mit dem
Titel eines Königs in Lüneville und Nancy, geliebt und geehrt von seinen Unterthanen,
ein Wohlthäter der Armen, ein Beförderer der Künste und Wissenschaften, ein Verschö-
nerer der lothringischen Städte. Polen dagegen ging unter Friedrich August Iii. seiner
völligen Auflösung entgegen. Der sogenannte P acificationsreichstag erklärte
jeden für infam oder vogelsrei, der fremde (also auch sächsische) Heere ohne besondere Be-
willigung der Republik in's Königreich führen würde und verschärfte aus Besorgniß, der
König möchte für den Glauben seiner Jugend noch einige Neigung haben, die harten
Dissiden tengesetze. „Kaum sollte man überhaupt ein Regentenleben dieser Art, wie 1736.
König Augusts Iii. war, eine Regierung nennen; denn der regiert doch nicht, der blos
durch sein körperliches Dasein wirkt? Mißhclligkeiten der großen Familien arteten unter
ihm bis zu wahren Fehden aus. Die roheste Uncultur des Mittelalters herrschte unter dem
allgemeinen Haufen der Nation, und die Großen, deren einzige Cultur oft kaum nur aus
Reisen nach Frankreich entsprang, konnten selten Patriotismus oder wahren Charakter
haben, denn wie sollte Patriotismus oder kraftvoller Geistescharakter bei der Erziehung
entstehen, die sie gewöhnlich genossen; oder bei der eitlen, unthätigen, schwelgerischen
Lebensart sich erhalten, die unter den Edelsten ihrer Art fast allgemein herrschend war?"
Da der König und sein Minister Brühl sclavisch um Rußlands Gunst buhlten, so wurde
der Einfluß dieses drohenden Nachbarstaates immer mächtiger.
§. 653. 4) Preußen. Friedrich Wilhelm, der große Kurfürst Kurfürst
von Brandenburg, gab seinen Staaten einen mächtigen Aufschwung, theils in-Wilhelm
dem er die getrennten, seit dem Anfänge des 17. Jahrhunderts dem kurfürstlichen 164°-88-
Hause zugefallenen Landestheile Preußen und Cleve (§. 563.) mit dem
Hauptland in nähere Verbindung brachte und zu einem zusammenwirkenden
Ganzen umschus, theils indem er Einwanderungen aus gebildeten Landern in die
durch den 30jährigen Krieg verödeten Provinzen begünstigte (französische Hugue-
notten) und der Gewerbthatigkeit und den Künsten des Friedens kräftig aufhals,
theils durch Bildung einer bedeutenden Kriegsmacht, womit er dem Lande
eine unabhängige, selbständige Stellung erkämpfte. Auf diesen einsichtsvollen,
kräftigen und besonnenen Fürsten folgte sein prachtliebender Sohn, Kurfürst
Friedrich Iii., dem der äußere Glanz, womit Ludwig Xiv. den Hof von Ver-F^rich
sailles umgeben, als der höchste Triumph irdischer Majestät erschien. Er setzte Ih- d-)
daher den größten Werth auf eine prunkvolle Hofhaltung; eine verschwenderische im-
Pracht in Kutschen, Marställen, Garderobe u. dgl., glänzende Feste und cere-
monielle Feierlichkeiten gingen ihm über alles. Mit Neid sah er aus die Kurfür-
sten von Hannover und Sachsen, denen das in seinen Augen unschätzbare
Gut einer Königskrone zu Theil geworden, und wie groß war seine Freude,
Weber, Geschichte. Ii. 6. Ausl. 17
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Extrahierte Ortsnamen: Lothringen Frankreichs Lothringen Toskana Lothringen Frankreich Neapel Sicilien Lüneville Frankreich Brandenburg Sachsen
Innere Zustände.
267
eines engherzigen, pietistisch beschrankten Commandanten büßte; Schiller entging
vielleicht einem ähnlichen Schicksal durch die Flucht. — Inbayern folgte auf Bayern.
Maximilian Emanuel (1679 —1726), der durch seinen Bund mit Frank-
reich sein Land ins Verderben stürzte (§. 632.), sein Sohn Karlalbert (1726
— 1745, vergl. §. 658.), der nicht minder durch seine Eitelkeit und Prachtliebe,
wie durch den unglücklichen Versuch, mit Hülfe der Franzosen die östreichischen
Lander an sich zu reißen (tz. 658.), das schrecklichste Elend über sein Volk brachte.
In Bayern herrschte am Hofe wie im Land Rohheit, Unwissenheit und
Aberglauben in unglaublichem Grade. Jagdhunde, Pferde und Kirchenfeste
verursachten hier einen eben so großen Aufwand wie anderwärts Opern und Hof-
feste, und zehrten am Wohlstände des Landes. Unter M aximi l i an I o sep h
(1745—1777) erlebte Bayern bessere Zeiten, wenn schon auch seine Kräfte nicht
hinreichten, die Wunden zu heilen und die tiefen Mißstände zu heben. Er ließ
Justiz und Gerichtswesen bessern und die Strafgesetze schärfen, weil die Zahl der
Verbrecher und Landstreicher zu einer erschrecklichen Höhe gestiegen war; er hob
die Universität Ing olstadt aus dem Zustande der Barbarei und Rohheit, in
die sie seine Vorgänger hatten gerathen lassen; aber die Jesuiten blieben nach wie
vor im Alleinbesitz der akademischen Stellen und waren bei Hofe einflußreiche
Beichtväter und Prinzenerzieher; er beförderte Künste und Wistenschaften, allein
in dem von Geistlichen und Mönchen geleiteten und von der Nacht des Aberglau-
bens bedeckten Lande blieb dievolksbildung stets zurück und die Wissenschaft ohne
praktischen Einfluß. Die Finanzuntcrnehmungen des wohlmeinenden Kurfürsten
wurden unter den Händen hartherziger und eigennütziger Amtleute eine Quelle
neuer Bedrückungen und was halfen alle Wünsche zur Hebung und Befserstel-
lung des Bauernstandes, wenn er das Jagdwesen und den Wildstand unverändert
forrbestehen ließ, damit er selbst und der rohe Landadel ihrer gewohnten Jagdlust
leben könnten? Auf ihn folgte Karltheodor von der Rheinpfalz (1777 —
1799). — Kein deutsches Land hat wohl so viele Leiden und Drangsale aufzu-
weisen als das Kurfürstenthum Sachsen unter Friedrich August Ii. (1694 ®ac£,,en-
—1733), dem Bruder Johann Georgs Iv. (tz. 495.) und seinem Sohn Frie-
drich Aug ust Iii. (1733—1763). Jener, ein leichtsinniger, gottvergeffener
Fürst, opferte seiner Sinnenlust, seiner Prachtliebe und seiner Eitelkeit den Glau-
den seiner Väter, die Liebe seiner Unterthanen und den Wohlstand seines Landes.
In kurzsichtiger Verblendung verscherzte er durch seinen unbesonnenen, aus poli-
tischen Beweggründen unternommenen Uebertritt zur katholischen Kirche die sichere
Stellung Kursachsens als Haupt des protestantischen Deutschlands, um die leere
Würde eines polnischen Wahlkönigs zu erlangen. Ueber Opern und Concerten,
über Festlichkeiten und Lustschwelgereien, über Mätressen und Jagden übersah der
gewissenlose Fürst die Thränen seines Landes während des schwedischen Kriegs
und die Leiden des gedrückten schwerbesteuerten Volks (vergl. tz. 643.645.651).
Nicht besser war der Zustand Sachsens unter Friedrich August Iii., der sich ganz
der Leitung des hoffärtigen, schwelgerischen und despotischen Grafen Brühl
überließ (vergl. tz. 652. 658). — Nach einer fünfjährigen Zwischenregierung
(1763—1768) kam Friedrich August Iv. auf den Thron, den er 59 Jahre
lang (1768—1827) mit Ehren besaß. Unter ihm erlebte Sachsen glückliche und
glänzende Zeiten und manche Wunde konnte vernarben; aber nach einigen Jahr-
zehnten trafen die Schläge des Unglücks mit neuer Gewalt Haupt und Glieder,
Land und Volk. An dem Aufschwung, den zu seiner Zeit Kunst, Literatur und
Wissenschaft in Deutschland nahm, hatte Sachsen und Thüringen keinen gerin-
gen Antheil; das Schulwesen erfuhr große Verbefferungen, und die Friedenszeit
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Extrahierte Personennamen: Schiller Maximilian_Emanuel_( Maximilian Friedrich Friedrich August Johann_Georgs Johann Friedrich Friedrich August Friedrich Friedrich August
Extrahierte Ortsnamen: Bayern Rheinpfalz Sachsen Deutschlands Sachsens Sachsen Deutschland Sachsen
268
Erste Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts.
in den 70er und 80er Jahren wirkte wohlthatig auf Handel, Gewerbsamkeit
und Ackerbau; die regsamen, häuslichen und sparsamen Bewohner der Städte
und Dörfer gelangten wieder zu Glück, Wohlstand 'und Zufriedenheit. —
Hannover. Während dieser Friedenszeiten nahm auch in Hannover der materielle Wohl-
stand zu. Die Abhängigkeit von England gereichte dem Lande nicht zum Nach-
theil, indem die englischen Könige ihr deutsches Stammland stets mit einiger
Vorliebe behandelten und ihm von ihrem Ueberfluß manches zuwendeten. Die
unter Georg Ii. gegründete Universität Göttingen (1737) war eine weithin
strahlende Leuchte in Norddeutschland. — Für das Aufblühen der Kunst und
Literatur, für das Wachsthum der Bildung und Wistenschaft waren die deut-
schen Residenzstädte und die zahlreichen Fürstenhöfe, namentlich in der zweiten
Halste des 18. Jahrhunderts, höchst förderlich; wäre nur dieser hohe Bildungs-
grad und Literaturblüthe ein genügender Ersatz gewesen für die Verarmung des
Volks, für dieabnahme der Charakterstärke, der Thatkraft und der männlichen
Tugend und für den Untergang aller politischen Freiheit, alles öffentlichen Le-
bens, aller praktischen Volksthatigkeit.
:r. Der östreichische Erbfolgekrieg £4-50—494s.
1714.
1716.
1717.
21. Juli
1718.
§.657. Karls Vi. Türkenkrieg e. Kaiser Karl Vi. warein gut-
müthiger, aber in keiner Weise bedeutender Fürst, der die im Anfänge seiner
Regierung errungene Vergrößerung der östreichischenmonarchie in seinen spa-
tern Jahren durch nachtheilige Friedensschlüsse und Vertrage theilweise wieder
einbüßte. Kaum war der spanische Erbfolgekrieg zu Ende, so brach diepforte
den Carlowitzer Frieden (§. 620.) und entriß, im Einverständniß mit
den über den religiösen und materiellen Druck der venetianischen Herrschaft
empörten Griechen, jenem reichen und harten Handelsstaate den Peloponnes
(Morea) wieder. Oestreich, zur Gewährleistung jenes Friedens verpflichtet
und für seine eigenen Erwerbungen besorgt, schloß mit den Venetianern ein
Bündniß. Dies benutzten die durch das Waffenglück in Griechenland über-
müthigen Osmanen zur Kriegserklärung an Oestreich. Aber auch diesmal
behielten die kaiserlichen Heere die Oberhand. Eugens glänzende Siege bei
Peterwardein und Belgrad zwangen diepforte zu dem nachtheiligen
Frieden von Passarowitz, worin sie zwar im Besitz des eroberten Pe-
loponneses blieb, aber an Oestreich Temeswar, die Walachei bis zur
Aluta und Belgrad nebst einem beträchtlichen Stücke von Bosnien und
Servien abtreten mußte, so daß jetzt Nissa, Widdin, Nikopoli und Sophia
die Grenzfestungen des osmanischen Reichs gegen Ungarn bildeten.
Der Sultan überzeugte sich, daß das türkische Kriegswesen dem durch neue
Erfindungen stets verbesserten und ausgebildeten europäischen nicht mehr ge-
wachsen wäre und suchte mit Hülfe des tapfern, aus Frankreich und Oestreich
verwiesenen, in Konstantinopel zum Islam übergetretenen Abenteurers Bonne-
val (Achmet Pascha) Heerwesen und Artillerie nach europäischem Muster umzu-
gestalten. Aber diese Neuerung, verbunden mit einer Verkaufssteuer (Accis),
erzeugte einen gefährlichen Aufstand der Janitscharen, durch den die Abschaffung
TM Hauptwörter (50): [T34: [Krieg Frankreich England Deutschland Preußen Frieden Rußland Napoleon Kaiser Jahr], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte], T40: [Polen Ungarn Land Rußland Preußen Stadt Donau Provinz Hauptstadt Königreich]]
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Extrahierte Ortsnamen: Hannover Hannover England Norddeutschland Karls Griechenland Oestreich Belgrad Belgrad Bosnien Nikopoli Ungarn Frankreich Konstantinopel Bonne-
Das Zeitalter Ludwigs Xiv.
235
gewechselt, der tägliche Verkehr mit Geldscheinen geführt. Was anfangs freiwillig
geschah, wurde später durch Edikte gefordert. Die habsüchtigen Großen bereicher-
ten sich, indeß der Bürgerstand bei dem gänzlichen Bankbruch, der sich bald
herausstellte, seine Habe verlor. Das ausschweifende Leben stürzte den Herzog
Regenten früh ins Grab, worauf Ludwig Xv. die Regierung selbst übernahm 7722.
und die Leitung des Ministeriums seinem alten Lehrer Fleury, einem friedfer-
tigen, auf Hebung des Ackerbaues, der Industrie und des Seewesens bedachten
Prälaten in die Hände gab.
tz. 638 a. 2) Spanien. Philipp V. war ein schwacher, von Weibern be-
herrschter Regent. Nach dem Tode seiner ersten Gemahlin leitete ihn die Gräfin
Ursini noch unumschränkter als zuvor, bis die neue Königin, Elisabeth von
Parma, sie gleich nach ihrer Ankunft aus Spanien entfernte. Bei dem zuneh-
menden Trübsinn Philipps kam alle Macht in die Hände der Königin und ihres
vertrauten Ministers, des ränkevollen Italieners Alb ero Nt, der nunmehr ein
absolutes Kabinetregiment begründete und den Ehrgeiz seiner Gebieterin zu Kriegs-
und Eroberungsplänen benutzte. Er hob das spanische Seewesen und suchte dann
die durch den Utrechter Frieden seinem König entrissenen Staaten in Italien wie-
der zu erobern. Schon war Sardinien und Sicilien in den Händen der
Spanier, als die drohende Haltung der Quadrupelallianz (Frankreichs, Eng-
lands, Oestreichs und Hollands) den furchtsamen Philipp so schreckte, daß es
einer von dem Herzog Regenten von Frankreich gebildeten weiblichen Hof-Cabale
nicht schwer ward, Alberoni zu stürzen. Er erhielt Befehl innerhalb zwei Tagen 1719-
das Reich zu verlassen; die Eroberungen wurden aufgegeben. Aber der ränke-
vollen Königin Elisabeth gelang es doch nach einigerzeit, für ihren ältesten Sohn
Karl das Königreich Neapel und Sicilien und für ihren zweiten Sohn
Philipp dasherzoglhum Parma, Piacenza und Guastalla zu erwerben.
So erhielten diese Staaten bourkonische Herrscher. — Philipp V. 1724.
übergab in einem Anfall von Schwermuth die Regierung seinem ältesten Sohne;
als dieser aber schon nach 8 Monaten starb, übernahm er dieselbe wieder, ohne
sich jedoch um die Staatsgeschäfte zu kümmern, die der holländische Abenteurer
Rippecda nach den Wünschen der Königin leitete. Dadurch verlor Spanien
immer mehr an Einfluß auf die Gestaltung der Dinge in Europa. Als endlich
Philipp V., dessen Melancholie mit'den Jahren wuchs, unter Gram und Sorgen 1746.
ins Grab sank, folgte ihm sein zweiter Sohn (erster Ehe) Ferdinand Vi., auf
den des Vaters Gemüthskrankheit übergegangen war, so daß er zuletzt in unbeilbare 1746-59.
Schwermuth versank und nur bei Harfenspiel und Gesang, wie auch Philipp und
weiland König Saul, Erleichterung fand; daher der Opernsänger Farinellia^ff^
großen Einfluß bei Hofe gewann. Nach Ferdinands Tod folgte dessen Halbbruder inneapel.
Karl, bisher König von Neapel und Sicilien, welches Reich er seinem dritten ^Apa-
Sohn Ferdinand überließ. nie».
tz. 638 b. 3) Italien, a) Oberitalien. Die Herzoge von Sa-
voyen und Piemont wußten durch kluge Benutzung der politischen Umstände
und durch glückliche Bündnisse mit mächtigen Fürsten in Kriegszeiten ihr Gebiet Karl
zu erweitern und die Verluste gegen die Schweiz durch Erwerbungen in Italien E'mmuel
auszugleichen. Karl Emanuel der Große zog aus den französischen Reli- kw
gionskriegen (§. 537. ff.) und der kirchlichen Spaltung der Schweiz mancherlei
Vortheile, wenn schon die großen Hoffnungen, die er genährt hatte, nicht alle in deusi.^
Erfüllung gingen. Vi ctor Amadeus I., erwarb bei Gelegenheit des Man- ^Kar?"'
tuanischen Erbfotgestreits (h. 572.) einen schönen Theil des Herzogthums Mont- ^Ema-
ferrat. Unter seinem Sohn Ka r l Em anu el Ii. brachte eine streitige vor-1037 - 75.
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Extrahierte Personennamen: Ludwigs Ludwig_Xv. Philipp_V. Philipp_V. Elisabeth_von
Parma Philipps Philipps Philipp Philipp Karl Karl Philipp_dasherzoglhum_Parma Philipp Guastalla Philipp_V. Philipp_V. Rippecda Philipp_V. Philipp_V. Ferdinand_Vi Ferdinand Philipp Philipp Ferdinands Karl Karl Ferdinand_überließ Ferdinand Karl Karl_Emanuel_der_Große Karl Amadeus_I.
Das Zeitalter Ludwigs Xiv.
237
wohner und verjagten ihre bisherigen Gebieter. Nach einem langen wechselvollen i73o.
Kampfe, wahrend dessen es dem deutschen Abenteurer B a r o n T h e o d o r von 1736.
Neu Hof gelang, sich auf einige Zeit zum König von Corsika aufzuschwin-
gen, riefen endlich die Genuesin die Franzosen zu Hülse. Aber die Corsikaner
vertheidigten sich lange mit großer Tapferkeit, besonders seitdem Paoli an ihrer 1755.
Spitze stand, so daß die Franzosen nur mit der größten Mühe und Anstrengung
sich der Insel endlich bemächtigten, worauf Genua dieselbe vertragsweise an
Frankreich abtrat. Paoli und seine Genossen fanden Schutz in England. Wah- 1768.
rend des östreichischen Erbfolgekriegs (§. 660.) wurde Genua von kaiserlichen 1743.
Truppen eingenommen und sollte gezwungen werden, die Landschaft Finale an
Sardinien abzutreten. Allein die Genuesen erregten einen Aufstand und schlugen
die Oestreicher mit großer Tapferkeit zu ihren Mauern hinaus; und alle Anstren-
gungen der Feinde, die Stadt wieder zu erobern, waren vergeblich. Im Aache-
ner Frieden (§. 661.) erhielt die Republik ihr ganzes früheres Gebiet zurück.
— Mailand nebst Mantua blieben seit dem Frieden von Utrecht 1748-
(§. 636.) im Besitze Oestreichs.
li) Mittel-Italien. Die alte Republik Florenz wurde zuerst in ein
Heczogthum (§. 383.) und um 1569 in ein Großherzogthum Toskana
verwandelt und noch zwei Jahrhunderte von der M e d i cei sch en Familie nicht
ohne Ruhm verwaltet. Cosmo, ein kluger, unternehmender, aber treuloser
Fürst, erweiterte das Gebiet durch Erwerbung von Siena und andern Territo-
rien, und begründete die Unabhängigkeit des Herzogthums durch die schlaue Ent-
fernung der spanischen Besatzungen aus den bedeutendsten Städten seines Landes.
Hierauf überwand er die Fl0rentinisch en Emigranten, die, unter der
Leitung des entschlossenen St r 0 zzi und unterstützt von dem Papste und meh- iss4.
reren italienischen Fürsten, feindliche Angriffe auf Toskana machten, um den Flo-
rentinischen Freistaat wieder herzustellen, und richtete dann seine ganze Thatigkeit
auf Vernichtung der republikanischen Formen und der ständischen Freiheiten und
auf Begründung einer unumschränkten einherrlichen Gewalt. Dies geschah nicht
ohne große Strenge, List und Grausamkeit, „denn der Herzog war argwöhnisch
und die Florentiner sprachen gern von alten Zeiten. Wider Friedensstörer und
Rebellen wurde ein eigenes Jnquisitionsgericht angeordnet, zum Ermorden der
Rebellen durch Belohnungen ausgefördert. Bei Consiscation aller Güter und bei
Lebensstrafe sollte Niemand ein Gewehr tragen. Kaum verhinderte noch To-
re lli, daß nicht, der vermeinten religiösen und politischen Ruhe zu Ehren, aller
Buchhandel zu Grunde gerichtet wurde." Von diesem Cosmo sagten die Ausgewan-
derten,,, in ihrem schönen Tyrrhenerlande, wo sonst Gerechtigkeit und Ehre so viel
gegolten, erscheine jetzt der als der Beste, der sich am meisten mitblut befleckt und
die meisten Wittwen und Waisen gemacht habe." Als Cosmo durch solche Mit-
tel seine Herrschaft befestigt, war er bemüht, den Wohlstand des Volks durch
Beförderung des H andels und der Fabriken zu heben; auch die schönen
Künste fanden in ihm einen freigebigen Gönner. Mit Kaiser Augustus, dem man
den ersten Großherzog Cosmo mit Recht verglichen, hatte er auch in Familien-
unfallen eine traurige Aehnlichkeit; doch haben sich die Verbrechen, wodurch seine
Kinder fast sammtlich den Tod gefunden haben sollen, durch neuere Forschung als
Erdichtungen herausgestellt. Man erzählte einst: „Ein Herzog v. Ferrara vergif-
tete Lucrezia, Tochter des Großherzogs, seine Gemahlin; ein Fürst Orsini fand
Gründe, Isabella ihre Schwester zu erwürgen; der Cardinal Johann von Medici '
wurde über einer Iagdstreitigkeit von Garcia, seinem Bruder, ermordert; diesen
tödtete Cosimo, ihr beider Vater, eigenhändig;" (beide Brüder wurden das Opfer
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Extrahierte Personennamen: Ludwigs Corsika Augustus Augustus Lucrezia Isabella Cardinal_Johann_von_Medici Johann Garcia
Extrahierte Ortsnamen: Genua Frankreich England Sardinien Mailand Mantua Utrecht Siena Ferrara
238
Erste Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts.
der Malaria), „Schmerz brachte die unglückliche Mutter zu Grabe; der Groß-
herzog ließ auch seine älteste Tochter wegen unanständiger Liebschaft vergiften."
Gebeugt von den vielen häuslichen Leiden übertrug Cosmo noch vor seinem Ende die
is7s"sü° Regierung seinem Sohne Francesco, einem Fürsten, „der mit den sinnlichen
'Richtungen eines Spaniers die geistigen Liebhabereien eines Florentiners am grie-
chischen Alterthum und an den schönen Künsten verband." Wie sein Vater be-
günstigte auch Francesco Handel und Fabriken, wobei er sich selbst betheiligte und
hohen Gewinn nahm; aber sein Liebesverhaltniß zu der schönen Venenanerin
Bianca Capello, die mit ihrem Geliebten Bonavcnturi entflohen und in
Florenz Schutz gesucht hatte gegen die Verfolgungen ihrer Familie, verursachte
ihm viel häusliches Leid. Nach der Ermordung Bonaventuri's. und nach dem
Tode der Großherzogin gelang es der rankevollen Bianca, Francesco's rechtmäßige
Gemahlin zu werben. Ihr gleichzeitiger Tod wurde einer vergifteten Speise zu-
nand \. geschrieben, welche Bianca für ihren Schwager, den Cardinal Ferdinand be-
1 fßoö hatte, die aber durch sonderbare Fügung ihr und ihrem Gemahl verderb-
lich wurde. Ferdinand I. besaß den Herrschersinn und die Klugheit wie die Kunst-
liebe und Sinnlichkeit der frühem Mediceer. Seine großartigen und ausgedehnten
Handelsunternehmungen erwarben ihm unermeßliche Schatze und setzten ihn in
den Stand, manche nützliche Einrichtung zu treffen. Livorno blühte auf. Mit
großer Klugheit wußte er sich zwischen den Spaniern und Franzosen, die ihn wech-
selsweise bedrohten und anlockten, durchzuwinden, so daß er das Großherzogthum
1609^21 ""abhängig und vergrößert seinem Nachfolger übergeben konnte. Unter Cosmo Ii.
~ ' behauptete Toskana noch seinen Reichthum und seine Blüthe, wenn schon der
ausgedehnte Handel nach Osten und Westen sich zu mindern begann. In Kün-
sten und Wissenschaften nahm Florenz, eine der schönsten und reichsten Städte
des Erdbodens, immer noch einen hohen Rang ein; aber sinnliche Genüffe
'1621 -28. hatten die Kraft der Bürgerschaft gebrochen und allen Freiheitssinn erstickt.
nandu. Die nachfolgende vormundschaftliche Regierung und dann die lange Herr-
1628-70.^^ Ferdinands Ii. war ein Wendepunkt zum Schlimmen in der Flo-
rentinischen Geschichte. Der gesammelte Schatz ging größtentheils verloren, als
sich der Großherzog ganz an Habsburg anschloß und die leeren Hände der Spa-
nier und Oestreicher mit den ersparten und erworbenen Summen seiner Vor-
gänger füllte. Die Geistlichkeit gelangte zu großer Macht und zu politischem
Einfluß; und die verkehrten Maßregeln der Regierung verbunden mit Pest und
Mißwachs schlugen dem Lande tiefe Wunden, die selbst der äußere Glanz nicht
zu verhüllen vermochte. Toskana ging von der Zeit an demselben Verfall ent-
Cosmo gegen, in den schon die meisten übrigen Staaten des reizenden Italiens gerathen
n;7o'_ waren. Banditenschaaren trieben überall ungestört ihr Raubwesen und spot-
1723. teten aller Gesetze und Obrigkeit. — Cosmo Iii., von Mönchen und Geist-
lichen erzogen, hielt die Verherrlichung der Kirche, die Bekehrung der Ketzer
und die Bereicherung des Klerus für seine erste und höchste Regentenpflicht.
Seine lange Regierung wurde das Grab des Florentinischen Wohlstandes.
„Man erhub das Geld, das auf unnütze Pracht und Stiftung neuer Klöster
und Pensionirung von Proselyten verwandt wurde, durch unerträgliche Ab-
gaben von den Unterthanen, und je weniger bei der abnehmenden Wohlhaben-
heit des Landes die alten Steuern abwarsen, desto härter trieb man ihre letzten
Reste ein und desto gieriger erfand man neue. Der Staat seufzte unter einer
drückenden Last von Schulden und aller Wohlstand war vertrocknet." Noch kläg-
licher sah es in der Herrscherfamilie selbst aus. Die Großherzogin ließ sich nach
einer 13jährigen Ehe scheiden und führte in Paris ein Leben in niedrigster Sin-
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Extrahierte Personennamen: Francesco Bianca_Capello Ferdinand Ferdinand Ferdinand_I. Ferdinands
Extrahierte Ortsnamen: Florenz Bonaventuri's Livorno Florenz Ferdinands Italiens Paris
388
Napoleon Bonaparte's Machtherrschast.
soldung der höhern und niedern Geistlichkeit durch dm Staat und ihre Bestatü
gung durch die Curie in Rom die frühere Unabhängigkeit vernichten. Der Bund
des weltlichen und geistlichen Gebieters war weder heilsam noch dauerhaft. Jeder
strebte nach ausschließlicher Gewalt und der römische Bekehrungseifer nahm bald
Aergerniß an der Bestimmung der Verfassung, daß nicht blos alle christlichen
Confessionen, sondern auch die Juden bürgerliche und kirchliche Rechtsgleichheit
haben und sich vollkommener Toleranz erfreuen sollten.
18. April
1802. Das Concordat, dessen Abschluß am ersten Ostertag durch ein öffentliches Dank-
fest gefeiert ward, enthielt folgende wesentliche Bestimmungen: 10 Erzbischöfe und 50
Bischöfe werden von der Regierung ernannt und besoldet und vom Papst bestätigt. Alle
Geistlichen, sowohl die unbeeidigten, als die beeidigten und verheiratheten, entsagen ihren
Stellen, können aber aufs Neue eingesetzt werden. Die Ausgeschlossenen werden wieder in
den Schoos der Kirche ausgenommen und erhalten bis zu ihrem Lode vom Staate einen
Gehalt. Das cingezogenc Kirchengut verbleibt in den Händen der gegenwärtigen Besitzer;
die Zahl der Feiertage wird beschränkt.
Große Gewalt und Einstuß erhielt der monarchische Staat durch die Ueber-
weisung des U n t e rri ch t s w e se n s an die weltliche Regierung. Da-
durch, daß alle Lehrer und Schulanstalten vom Staate abhängig waren, erlangte
dieser auf die Geistesrichtung des Volkes denselben Einfluß, den früher die Kirche
besessen.
Die Sorgfalt des Consuls war hauptsächlich den höhern Lehranstalten (beson-
ders der von Monge eingerichteten polytechnischen Schule in Paris) zugewendet.
Diese wurden von der Staatskasse reich fundirt, während man die Bürger- und Ele-
mentarschulen (Primär- und Secundärschulen) den Gemeinden überwies, sie aber der
Kaiserl. Aufsicht der Staatsbehörde unterwarf. Zur Zeit des Kaiserthums wurde die von der
V= Regierung abhängige kaiserliche Universität an die Spitze des gesammtcn Schul-
wesens gestellt, mit dcr Bcfugniß, alle Lehranstalten zu organisiren und zu überwachen, die
Lehrer zu prüfen und das ganze Unterrichtswesen zu leiten, eine großartigemaßregel, wo-
durch die Leitung des Unterrichts der Geistlichkeit entzogen und der Regierung anheim-
Natianal'sieben ward. Das von dem Directorium an die Stelle der aufgehobenen Academieen er-
Jnstitut. richtete N ati o n al-Jnstitut zur Pflege und Förderung der Künste und Wissenschaften
wurde von Napoleon neu organisirt und erweitert, war aber nur eine gelehrte Prunkan-
stalt, in der dem Consul und nachmals dem Kaiser Weihrauch gestreut wurde.
*) Stammtafel der Familie Bonaparte ans Ajaccio auf Korsika.
Carlo Bu o naparte^Laetitia, geb. Ramolini (f 1800 zu Rom).
1. Joseph Bonaparte, 2. Napoleon B., 3. Lucian B., 4. Elisa^Baceiochi,
(Grafvon Survillierê) Fürst v. Canine. 41820.
+ 1844. + 1840.
5. Ludwig B., 0. Pauline^Borghcse, 7. Karoline^Mürat, 8. Hieronymus B.
Herzog v. St. Leu + 1825, Gräfin v. Lipona(Napoli) Herzog v. Montfort
ch 1846. ch 1839. (Gouverneur des Jn-
validenhotels in
Paris.)
Napoleon Bonaparte^.J o seph in e B ea u h a rn ai s (geb. Lascher de la Pagerie)
Eugen, Hortense^mit Ludwig Bonap.
Herzog v. Leuchtenberg Herzoqin v. St. Leu
1 1824. f 1837. |
I
Ludwig Napoleon,
(seit 1848 Präsident der franz. Republik,
seit dem 2. Dec. 1852 Kaiser der Franzosen).
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TM Hauptwörter (100): [T69: [Kirche Kloster Stadt Schule Bischof Gemeinde Orden Land Priester geistliche], T96: [Ludwig Karl König Frankreich Kaiser Xiv Napoleon Krieg Franz Italien], T41: [Staat Recht Volk Adel König Land Verfassung Gesetz Stand Verwaltung], T46: [Universität Berlin Jahr Schule Wissenschaft Leipzig Professor Akademie Hochschule Gymnasium], T63: [Jahr Senat Plebejer Gesetz Volk Recht Staat Bürger Gewalt Rom]]
TM Hauptwörter (200): [T98: [König Jahr Mitglied Verfassung Regierung Republik Präsident Kammer Gewalt Staat], T194: [Kirche Kloster Schule geistliche Gottesdienst Gemeinde Geistliche Leben Staat Priester], T16: [König Heinrich Karl Frankreich Neapel Sohn England Philipp Herzog Bruder], T99: [Stadt Verwaltung Provinz Gemeinde Beamter Kreis König Spitze Land Angelegenheit], T199: [Universität Berlin Bibliothek Leipzig Schloß München Jahr Museum Schule Gymnasium]]
Extrahierte Personennamen: Napoleon Monge Napoleon Carlo_Bu Joseph_Bonaparte Napoleon_B. Napoleon Lucian_B. Grafvon_Survillierê Ludwig_B. Ludwig Hieronymus_B.
Herzog Napoleon Eugen Eugen Ludwig_Bonap Ludwig Leuchtenberg Herzoqin Ludwig_Napoleon Ludwig Napoleon
Extrahierte Ortsnamen: Rom Paris Ajaccio Korsika Rom Paris