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1. Lehr- und Lesebuch für gewerbliche Fortbildungsschulen und Fachschulen sowie zur Selbstbelehrung - S. 509

1882 - Kiel : Homann
Iii. Bilder aus der deutschen Geschichte. 509 ziehen sich zurück. Die Haufen der Unseren fahren auseinander, angstvoll rennt das Volk in die Häuser und wieder auf die Straßen; auch in der Stadt beginnt die Flucht. Laut ertönt Schrei, Zuruf und Klage. Wer noch ein Gespann hat, reißt die Rosse zur Deichsel; die Tuchmacher werfen ihre Ballen, die Kaufleute ihre wertvollsten Kisten auf das Geflecht, oben darauf die eigenen Kinder und die der Nachbarn. Zu den abliegenden Thoren drängt Fuhrwerk und der Haufen flüchtiger Menschen. Ist ein sumpfiges Bruchland, schwer zugänglich, oder ein dichter Wald in der Nähe, so geht die Flucht dahin. Unwegbare Verstecke, noch von der Schwedenzeit her bekannt, werden jetzt wieder aufgesucht. Tort sammeln sich große Scharen, enge gedrängt; unter Rinder und Füllen birgt sich der Städter und Laudmann mehrere Tage, zuweilen noch länger. Nach der Schlacht bei Bautzen hauste die Gemeinde Tillendorf bei Bunzlau über eine Woche im nahen Walde, ihr treuer Seelsorger, Sanftleben, begleitete sie und hielt in der Wildnis auf Ordnung; auch ein Kind hat er dort getauft. Wer aber in der Stadt bei seinem Eigentum oder in feiner Pflicht zurückbleibt, der ist eifrig, die Seinen oder die Habe zu verstecken. Lange ist der Fall überlegt, und erfinderisch ist der Schlupfwinkel ausgedacht. Hat gar die Stadt den besondern Grimm des Feindes zu fürchten, weil sie durch preußischen Eifer auffällig wurde, daun drohen ihr Brand, Plünderung, Verjagen der Bürger. In solchem Falle tragen die einzelnen Mitglieder der Familie das Geld festgenäht in ihren Kleidern. Eine angstvolle Stunde verrinnt in fiebrigem Hoffen. Auf der Straße rasseln die ersten Verkünder des Rückzugs, beschädigte Geschütze, von Kosaken geführt. Langsam ziehen sie zurück, ihre Mannschaft ist un- vollständig, von Pulver geschwärzt, mehr als einer wankt verwundet. Die Infanterie folgt, Wagen kommen, überfüllt mit wunden und halbtoten Kriegern. Die Nachhut postiert sich, am Thor und an den Straßenecken den Feind erwartend. Halbwüchsige Buben laufen aus den Häusern und tragen den Soldaten noch zu, wonach sie gerufen, einen Trunk, ein Brot; sie halten den Wunden die Tornister und helfen bei schnellem Verbände. Staubwolken auf der Landstraße. Der erste feindliche Reiter nähert sich dem Thore, vorsichtig spähend, den Karabiner auf dem rechten Schenkel; da fällt aus der Nachhut ein Schuß, auch der Chasseur feuert seinen Karabiner ab, wendet das Pferd und zieht sich zurück. Gleich darauf dringt der feindliche Vortrab in schnellem Trabe vor; die preußischen Tiralleurs ziehen sich von Stellung zu Stellung zurück und feuern. Endlich hat der letzte die Häuserreihe verlassen. Leere Straßen, lautlose Stille. Auch die Knaben, welche die preu- ßischen Tiralleure begleitet haben, sind verschwunden, die Vorhänge der Fenster werden herabgelassen, die Thüren geschlossen, aber hinter Vorhang und Fenster spähen ängstliche Blicke auf den heranziehenden Feind. Plötzlick ein rauher tausendstimmiger Ruf: Vivo l'empsreur! und wie eine Wasserflut stürzt französisches Volk in die Stadt. Sogleich dröhnen die Kolbenschläg?

2. Lehr- und Lesebuch für gewerbliche Fortbildungsschulen und Fachschulen sowie zur Selbstbelehrung - S. 510

1882 - Kiel : Homann
510 Iii. Bilder aus der deutschen Geschichte. an den Hausthüren; öffnet sich eine Thür nicht schnell, so wird sie zornig erbrochen. Und nun folgt der wüste Streit, welchen der schutzlose Bürger mit dem gereizten Feinde auszumachen hat; unerschwingliche Forderungen, Drohung, nicht selten Mißhandlung und Todesgefahr, überall Geschrei, Jammern und Gewaltthat. Schränke und Truhen werden erbrochen, Wertvolles und Wertloses geraubt, verdorben, zerschlagen, am meisten bei solchen, welche geflohen sind, denn die Habe ihres ungastlichen Hauses ist nach Soldatenbrauch dem Eindringenden verfallen. Die Behörden der Stadt werden auf das Rathaus geschleppt und die Quartiere der Truppen, über Lieferung von Lebensmitteln und Fourage, und über eine unmögliche Kontribution, welche die Stadt zahlen soll, beginnt die peinliche Ver- handlung. Können die feindlichen Führer nicht durch Geschenke befriedigt werden, oder soll die Stadt eine Strafe erhalten, so werden angesehene Einwohner zusammengetrieben, festgehalten, bedroht, vielleicht beim Aufbruche als Geiseln fortgeführt. Lagert ein größeres Corps um die Stadt, so bivouakiert auch wohl ein Bataillon auf dem Markte. Schnell ist der Franzose eingerichtet, aus den Vorstädten hat er sich Stroh herbeigeholt, die Lebensmittel hat er unterwegs geraubt, zum Brennholz zerschlägt er die Thüren und Möbel, häßlich dröhnt das Krachen der Äpte in den Balken und Schränken. Hell flackern die Lagerfeuer auf, lautes Lachen, fran- zösische Lieder klingen um die Flammen. Und zieht am Morgen nach einer Nacht, die der Bürger ängstlich durchwachte, der Feind wieder ab, dann sieht der Städter erstaunt die schnelle Verwüstung in der Stadt, und vor dem Thore die plötzliche Verwandtschaft der Landschaft. Das unabsehbare Getreidemeer, welches gestern um seine Stadtmauern wogte, ist verschwunden, von Roß und Mann zerwühlt, niedergestampft, zertreten; die Holzzäune der Gärten sind zer- brochen, Sommerlauben, Gartenhäuser weggerissen, Fruchtbäume abgehauen. In Haufen liegt das Brennholz um die erlöschenden Wachtfeuer, der Bürger mag darin die Bretter seines Wagens, die Thore seiner Scheuer finden; kaum erkennt er die Stelle, wo sein eigener Garten war, denn mit Lager- stroh und wüstem Unrat, mit dem Blut und Eingeweide geschlachteter Tiere ist der Platz bedeckt. Und in der Ferne, wo die Häuser des nächsten Dorfes aus dem Baumlaube ragten, erkennt er auch die Umrisse der Dächer nicht mehr; nur die Wände stehen wie ein Trümmerhaufe. Herb war es, solche Stunden zu durchleben und auf Tage fiel wohl manchem der Mut. Auch dem Begüterten würde es jetzt schwer, den Seinen nur das Leben zu fristen. Alles war aufgezehrt und verwüstet, die Lebensmittel der Stadt und Umgegend, und kein Landmann brachte das Unentbehrliche auf den Markt, weit in das Land mußte man senden, um den Hunger zu stillen. Aber der Mensch wird bei einer schnellen Folge großer Ereignisse kälter, zäher, härter gegen sich selbst; der starke Anteil, welchen jeder einzelne an dem Schicksal des Staates nahm, machte gleichgültiger gegen die eigene Not. Nach jeder Gefahr empfand man mit Behagen, daß man das liebste, das Leben doch gerettet. Man hoffte. Gustav Freytag.

3. Lehr- und Lesebuch für gewerbliche Fortbildungsschulen und Fachschulen sowie zur Selbstbelehrung - S. 520

1882 - Kiel : Homann
520 Iii. Bilder aus der deutschen Geschichte. reichs gewähren. Uns aber und unseren Nachfolgern an der Kaiserkrone wolle Gott verleihen, allezeit Mehrer des Deutschen Reichs zu sein, nicht an kriegerischen Eroberungen, sondern an den Gütern und Gaben des Friedens aus dem Gebiete nationaler Wohlfahrt, Freiheit und Gesittung. Gegeben Hauptquartier Versailles, den 17. Januar 1871. Wilhelm. Am 21. März 1871 wurde sin Berlin der erste Reichstag des Deutschen Reichs eröffnet und nach kurzen Verhandlungen die Verfassung des Nord- deutschen Bundes zur Verfassung des Deutschen Reichs umgestaltet. Zum Deutschen Reiche gehören nunmehr außer den bereits im Nord- deutschen Bunde vereinigt gewesenen Staaten noch die Königreiche Bayern und Würtemberg, das Großherzogtum Baden, das Großherzogtum Hessen auch mit seinem südlichen Teile, denn der nördliche Teil war schon dem Norddeutschen Bunde einverleibt, und endlich die durch den Frankfurter Frieden neugewonnenen „ unmittelbaren Reichslande" Elsaß und Deutsch-Lothringen. Der das Deutsche Reich bildende Slaatenbund besitzt eine selbständige Reichsgewalt, deren Ausübung dem König von Preußen übertragen ist. Ihm steht der Bundesrat, welcher jetzt aus 58 Vertretern der Bundes- mitglieder zusammengesetzt ist, zur Seite. Die vom Bundesrathe vor- geschlagenen Gesetze und Einrichtungen werden von den aus gewählten Ab- geordneten des deutschen Volkes bestehenden Reichstage beraten. Das Deutsche Reich nimmt mit seinen Einzelstaaten einen Flächen- raum von ungefähr 9900 Hstm. ein. Bringt man aber davon die Küsten- gewässer, vorzüglich die Hasse der Ostsee, in Abzug, so beträgt derselbe nur 9812^2 Ihm. oder 540 000 qkm. Es nimmt daher das Reich nach seinem Flächengehalt unter den europäischen Staaten die dritte Stelle — (nur Rußland und Österreich sind größer), nach seiner Einwohnerzal die zweite ein, denn dieselbe, die am 1. Dezember 1880 42 726 920 Seelen betrug, wird nur von der Rußlands übertroffen. Nur wenige Prozente der Bevölkerung gehören dem nichtdeutschen Sprachstamme an. In Deutschlands Osten sind noch die Nachkommen slavischer Völkerschaften, besonders der Polen seßhaft; im Norden Schleswig blieben wohl auch noch eine Anzahl Dänen und in den Reichsländern Franzosen wohnen; die rein deutsche Bevölkerung erreicht die Höhe von 38 Millionen. In Bezug auf das religiöse Bekenntnis teilen sich, wenige tausend Andersgläubige ausgenommen, Evangelische und Katholiken, so in die Bewohner des Deutschen Reichs, daß die Zahl der ersteren etwa 25, die der letzteren 15 Millionen beträgt. Die Tapferkeit und Tüchtigkeit der deutschen Heere hat das Deutsche Kaiserreich gründen helfen, sie werden es auch in der Zukunft zu behüten haben; daher wird mit allen Kräften des Volkes Wehrhaftigkeit gehegt und gepflegt. Jeder wasfentüchtige Deutsche gehört dem deutschen Reichs- heere an und zwar in der Regel vom 20. bis zum 32. Jahre, zunächst drei Jahre den Fahnen, vier Jahre der Reserve und fünf Jahre der Landwehr.

4. Lehr- und Lesebuch für gewerbliche Fortbildungsschulen und Fachschulen sowie zur Selbstbelehrung - S. 116

1882 - Kiel : Homann
116 Ii. Kulturbilder aus Welt und Werkstatt. südlich" von dem Grenzwall belegen ist. Die jetzige, oblonge Grundform, aus späteren Veränderungen entstanden, mißt 200 X 128 m Flächenraum. Die ursprüngliche quadratische Form ist noch an den zwei Seiteneingängen zu erkennen. Die außen von einem doppelten Graben umzogene, durchschnittlich 1,40 m dicke Ringmauer, besteht aus Bruchstein und hat teilweise noch gegenwärtig eine Höhe von 1,70 m. Auf jeder der 4 Seiten befindet sich ein Thor; zu den Seiten derselben stehen in der Flucht der Ringmauer und nach innen wetend zwei viereckige Türme, die zur Verteidigung der Thorwege dienten. Innen zieht sich am Fuß der Ringmauer ein etwa 2 m breiter abgeböschter Wallgang hin und neben demselben ein 8,55 m breiter Weg, der Wall- weg. Zwei Straßen in der Richümg der Thore teilten den innern Raum in vier rechteckige Teile, welche zur Unterkunft der Truppen bestimmt waren. Von den Römerkastellen im Rheinlande ist das bei Neuwied noch größer als das Hornburger. Von noch größerem Umfange waren die römischen Standlager und die Befestigungen der eigentlichen Militärstädte, unter denen Trier eine der bedeutendsten war. Sie haben stärkere Ringmauern, mehrere Mauertürme, mächüge Thore, von Lenen die Porta nigra zu Trier fast vollständig bis auf unsere Tage erhalten ist. Dieser gewalüge Thorbau besteht aus rotgraueu Sandsteinqnadern von 1—1,5 ja 1,70—2 m Länge und 56 cm Höhe; sie sind noch fast ganz roh, indem spätere Be- arbeitung vorbehalten geblieben zu sein scheint. In der That hatte man an einigen Stellen damit den Anfang gemacht, hier passen die ohne Mörtel innerlich durch eiserne Klammern verbundenen Steine so genau zusammen, daß sie auf einander gerieben sein müssen und man kaum die Fugen erkennt. Die Quadern bekleiden jedoch nur die äußeren und inneren Flächen der Mauern, während das Innere aus Gußwerk besteht. Im Jahre 1035 wurde die Porta nigra, die bis dahin als Stadlhor gedient hatte, mit der damit zusammenhängenden Kaserne in eine Kirche verwandelt. Zu dem Ende wurde das Erdgeschoß innerlich und äußerlich mit Erde verschüttet, so daß der obere Teil, zu welchem von außen eine Treppe von 104 Stufen führte, als Kirche und der untere als Begräbnisplatz benutzt wurde. Im Laufe des Mittelalters litt das durch mancherlei Anbauten, Türmchen und Erker vielfach entstellte Gebäude bedeutend, indem es häufig als Festung benutzt und zerstört wurde. Im Revolutionskriege ver- lor es durch die Franzosen das bleierne Dach, wodurch indes der erste Anlaß zur Herstellung seiner ursprünglichen Gestalt gegeben wurde. Im Jahre 1805 begann man mit Herausschaffung der aufgeschütteten Erbe und seit 1815 steht die alte Porta nigra im wesentlichen wieder frei. Doch hat der östliche Turmbau an welchen sich das noch erhaltene Altarstück der Simeonskirche anschließt, in unbekannter Zeit sein oberstes Stockwerk eingebüßt. Mit der bei den Römern beliebten Städteanlage an dem Ufer eines Flusses wurde wie in Trier, Mainz, Koblenz, Köln rc. gewöhnlich auch die Errichtung einer Brücke verbunden und die Leistungen der Römer m Brückenbau waren ausgezeichnet und bewundernswürdig. Die älteste Brücke über den Rhein schlug Cäsar im Jahr 55 v. Chr., wahrscheinlich südlich von Bonn, in der Nähe von Neuwied. Die Brücke war, nach seiner eigenen Beschreibung, 11,40 in breit, stand über nur 18 Tage, bis zu seinem Rückzüge, wo er sie hinter sich abbrach. Zwei Jahre später ließ er abermals bei Andernach nach demselben System eine Brücke aber den Rhein schlagen, die nach seiner Rückkehr nur teilweise abgebrochen und an ihrem Endpunkt durch einen Turm von 4 Stockwerken befestigt ward. Außer hölzernen Schiffbrücken errichteten die Römer später aber auch steinerne Brücken über die deutschen Flüsse und zwar ebenfalls zunächst lediglich zu militärischen Zwecken. Namentlich wurden unter der Regierung Trajans zahlreiche und bedeutende Brückenbauten ausgeführt. Berühmt war die Brücke, welche er durch den ersten Architekten seiner Zeit, Apollodor von Damaskus im Laufe des Jahres 103 n. Chr. unweit des eisernen Thores über die Donau errichten ließ, deren Trümmer sich iwch erhalten haben und bei dem niedrigen Wasserstande des Jahres 1858 von österreichischen Ingenieuren genau untersucht und aufgenommen worden sind. Die Länge der Brücke bettug 1020 na; sie bestand ohne die beiden Wider- lager an den Ufern aus 20 Pfeilern, welche sich über den Fundamenten bis auf 43 na Höhe erhoben haben sollen und in ihren Achsen 48 na von einander

5. Lehr- und Lesebuch für gewerbliche Fortbildungsschulen und Fachschulen sowie zur Selbstbelehrung - S. 118

1882 - Kiel : Homann
118 Ii. Kulturbilder aus Welt und Werkstatt. 500 Pfeilern getragenen Leitungskanal, der teilweise mehr als 28 m sich über der Sohle der überschrittenen Thäler erhob. Die Aquädukte, einmal durch die Barbaren zerstört, blieben nachher in Trümmern liegen und erst der neuesten Zeit war die Wiederaufnahme dieses Zweiges der Baukunst durch Ausführung großer Eisenbahn- viadukte vorbehalten. Ähnlich verhält es sich mit den Kunststraßen, die das römische Gebiet in Deutschland nach allen Richtungen durchzogen. Die Bauart derselben war je nach Be- dürfnis, Terrain und Material verschieden, doch verfolgen sie fast immer gerade Linien und vermeiden gewöhnlich sumpfigen Boden. Die Dammschüttung zwischen zwei Verkleidungsmauern oder Pfahlreihen betrug bei einer Brücke zwischen 2,50 bis zu 1,70 m, zuweilen gegen 5 m über dem natürlichen Boden und die Fahrstraße be- gleiteten zu beiden Seiten zwei etwas erhöhte Kieswege für Fußgänger. Bei der vollkommensten Gattung bestand der Damm aus vier verschiedenen Lagen: zu unterst eine trockene oder in Mörtel gelegte Schicht glatter Steine, darüber eine Lage zer- schlagener Steine, sodann eine mit Ziegelbrocken vermischte Mörtelschicht und endlich ein Pflaster aus glatten, in regelmäßig vieleckigen Formen zugehauenen Steinen Die Wohngebäude in deutsch-römischen Mederlassungen bestanden wahrschein- lich meistens nur in Ziegel- oder selbst in Lehmfachwerk ausgeführten Holzbauten, so daß kaum Überreste davon nachzuweisen sind. Die weitläufigen und stattlichen Wohngebäude der Reichen waren dagegen aus festen und kostbaren Materialien nach festem Plaue gebaut. Der Hauptteil war der von Säulenhallen umgebene insgemein rechteckige innere Hof, um welchen sich die anderen Gebäude anreihten. Die im Jahre 1833 zu Fließen bei Trier entdeckten Überreste einer Villa aus der Zeit Konstantinus zeigen eine große Anzahl verschiedenartiger Räume, die sich zu einer in der Haupt- form viereckigen Anlage zusammenreihen.' Verschiedene Verbindungsgänge sondern die einzelnen Räume: heizbare Wintergemächer und Wohnräume für den Sommer, Bade- einrichtungen und andere Lokalitäten, mit Mauern umgebene Höfe schließen sich dem Gebäude an. Die vorgefundenen Mosaikfußböden zeugen von der ehemaligen prunk- vollen Ausstattung der Gemächer. Bedeutender sind die Überreste eines großen Prachtbaues zu Trier, bekannt unter dem Namen der Thermen, neuerdings von einigen als Kaiserpalast Konstantinus bestimmt. Heinrich Otte. 60. Stadt und Land, Kunst und Handwerk zur Zeit der Merowinger. Seit dem Ende der Wanderzeit saßen die Germanen in allen Pro- vinzen des westlichen Römerreichs unter Königen. In Deutschland war der Osten bis zur Elbe und Saale von Slaven überzogen und einzelne Haufen derselben hatten sich in thüringischen und hessischen Dörfern bis hinauf zum Main festgesetzt. Den Norden des deutschen Bodens hielten Friesen und Sachsen; der Süden vom Harz bis zu den Alpen: das Land der Thüringer, Alemannen, Burgunden und Bayern war im Besitz oder im Kampf mit den Franken. Es begann eine Zeit verhältnismäßiger Ruhe; überall waren die Völker genötigt, sich in neuen Verhältnissen einzurichten, auf der Ackerscholle, in den Mauern römischer Städte und um die Friedhöfe neugebauter Kirchen. Wie sie hier die Bildung fremdländischer Leute aufnahmen, wie sie handelten und ihren Acker bauten, wird in folgendem gemustert. Denn was auf diesen Gebieten des Lebens aus dem Altertum erhalten blieb und damals neu geschaffen wurde, das dauerte länger und formte mehr an Charakter und Leben des Volkes, als die Missethaten seiner Fürsten

6. Lehr- und Lesebuch für gewerbliche Fortbildungsschulen und Fachschulen sowie zur Selbstbelehrung - S. 128

1882 - Kiel : Homann
128 Ii. Kulturbilder aus Welt und Werkstatt. schanzte Städte und befestigte Häuser der Reisigen erhoben sich jetzt überall auf deutschem Boden, nicht nur an Rhein und Donau, in Franken, Schwaben und Bayern, auch im alten Sachsenland und in den Ostmarken gegen Slaven und Ungarn. Und die Städte waren in den letzten Jahrhunderten wie über Nacht entstanden, daß man bei vielen nicht zu sagen wußte, wann sie begonnen hatten; der größte Kulturfortschritt vollzog sich leise, doch im Zwang der Stunde und die Zeitgenossen, welche daran arbeiteten, wußten wenig, wie unermeßlich der Segen war, den sie dadurch ihren Enkeln bereiteten. Und wer von der Erscheinung zurückblickt auf ihren Grund, der vermag gerade hier die geheimnißvolle Arbeit schöpferischer Kraft wie in einer Werkstätte zu belauschen, und ehrfürchtig zu erkennen, wie dem Menschengeschlecht Unglück in Glück und Verderb in den edelsten Fortschritt umgewandelt wird. Es war ein Unglück für die Deutschen, daß die Zahl der freien Landleute sich seit der Völkerwanderung mit reißender Schnelligkeit ver- ringerte, die Zahl der Dienstpflichtigen und Unfreien sich unaufhörlich ver- mehrte ; es war traurig, daß alle Gewalten, welche das Leben der Deutschen regierten, um die Wette dazu beitrugen: die Könige und ihre Beamten, welche zu vornehmen Gebietern des Volkes geworden waren; die christliche Kirche und ihre Bildung, welche den Vornehmen stärker vom Volke schied; nicht weniger endlich das geprägte Silber und Gold, welches Reiche erhob und Arme niederdrückte. Aber durch dieselben Gewalten wurde auch der Fortschritt gewonnen, auf einem Umwege, doch darum nicht minder glorreich. Zuerst half eine alte Vorschrift der Kirche, aus romanischen Ländern nach Deutschland ge- bracht, daß Bistümer nur in Städten angelegt werden sollten. Wo der Dom eines Bistums sich auf deutschem Grunde erhob, da mußte die Umgebung mit Menschen gefüllt und gegen die Landschaft abgeschlossen werden. Der Bischof oder Reichsabt zog an seinen Herrensitz seine große Familie von kunstfertigen Unfreien; der Heilige, dessen Gebeine in der Kirche Wunder thaten, sammelte an seinen Festtagen große Mengen Volkes in dem Stadtraume; auf den freien Plätzen erhoben sich die Buden der Kaufleute; sehr früh erwarben die geistlichen Herren für die Waren, die zu der großen Messe geführt wurden, auf der Straße des Königs Schutz und Zollfreiheit. Die Landschaft gewöhnte sich, in des Bischofs oder Abtes Stadt zu pilgern, in regem Marktgewühl zu handeln. Zumal wo Deutsche gegen Slaven, Avaren und Ungarn kämpften, auf dein eroberten Grenzgebiet an der Elbe und Donau, erwiesen sich die Kirche des Heili- gen und die Stadtmauer als das einzige Mittel, die Umgegend dauernd zu behaupten. So wurden Bremen, Hamkurrg, Lübeck, Magdeburg, Merse- burg, Naumburg, Zeitz, Quedlinburg, Halberstadt, Hildesheim, Fulda, Bamberg, Salzburg und viele andere Städte gegründet. Dasselbe geschah, wo ein König oder großer Landesherr auf seinem Wirtschaftshof einen Palast, die „Pfalz" gebaut hatte; auch solche Orte erhielten schnell weiten Umfang, denn dorthin forderte der Gebieter sein Heer und die Gewaltigen seines Reiches. Herren und Mannschaft kamen

7. Lehr- und Lesebuch für gewerbliche Fortbildungsschulen und Fachschulen sowie zur Selbstbelehrung - S. 129

1882 - Kiel : Homann
Ii. Kulturbilder aus Welt und Werkstatt. 129 mit großem Troß und suchten außer dem Obdach, auch die Genüsse, welche die Zeit bot, sie kauften Waren, sahen Neuigkeiten, welche ausgestellt wur- den und lachten über die Possen des wandernden Spielmannes, der mit seiner Harfe und seiner Bande herzugeeilt war. An solchen Plätzen ent- standen Aachen, Frankfurt, Ulm, Nürnberg, Goslar, Braunschweig. Seitdem im 9. Jahrhundert die Normannen von der See, die Un- garn im Süden räuberisch das offene Land durchzogen, vergaßen die Deutschen in der Not der Stunde überall die alte Abneigung gegen um- mauerte Wohnsitze. Herrenhose und Häuser der Dienstmannen, Abteien und größere Dörfer wurden befestigt, in vielen erwuchs das städtische Le- den. Was von neuen Städten um 1100 zwischen Rhein und Elbe, zwi- schen Nordsee und Donau lag, war freilich einer modernen Hauptstadt sehr unähnlich. Noch schloß der umfriedete Raum Ackerflächen und Gär- ten ein, die Mehrzahl der Einwohner waren Landbauer, welche ihre Ge- spanne aus der Stadt auf die Außenäcker führten, das Ganze zunächst eine große Dorfanlage um Kirche, Bischofshaus oder Palast. Wie auf dem Dorf galt dort das Hofrecht des Bischofs oder Königs, denn die Bürger waren Dienstpflichtige und Unfreie; unfrei vor andern fast alle Handwerker. Dazwischen saßen aber auch Freie, einzeln oder in größerer Zahl, Kaufleute, Landbesitzer der Umgegend oder fromme An- hänger der Kirche, außerdem reisige Dienstmannen ihres Herrn. Aber Freie und Unfreie waren vor fremder Gewalt gesichert, sie standen im Schutz eines mächtigen Herrn, der mild über ihnen waltete und unter den eng Zusammenlebenden bessere Ordnung zu halten vermochte. Und sie hatten Gelegenheit zu Verdienst, wie ihn das offene Land nicht bot. Ta- gesverkehr und gemeinsamer Vorteil milderte sehr bald den Gegensatz zwischen Freien und Unfreien. Denn der freie Kaufmann entnahm von dem hörigen Handwerker die Waren, Metallarbeit und wollene Gewebe und vertrieb sie mit seinen bewaffneten Knappen im Lande. Handwerk, Handel und Geldverkehr traten in enge Verbindung und gewannen dadurch einen plötzlichen Aufschwung. Der Segen der Arbeit und ihre Leben schaffende Kraft wurden dem Volke deutlich. Wer um 1100 von Köln nach Hamburg, von Augsburg nach Nürn- berg reiste, der kümmerte sich gar nicht darum, daß die eine Stadt um ein Jahrtausend älter war als die andere. Aber man merkte damals doch einen Unterschied in Aussehen, Kraft und Wohlstand zwischen den alten Römerstädten auf deutschem Boden und den neu gewordenen. Utrecht, Mainz, Köln, Trier, Regeusburg, Speier, Augsburg waren die altberühm- ten Städte des Reiches, Sitze großer Bischöfe oder alter Kaiserpfalzen; zwischen den großen Kirchen und geschwärzten Römertürmen und neben den Dienstleuten der Bischöfe hatte sich dort eine größere Zahl Freier angesiedelt; Köln war um 1100 bereits eine große Handelsstadt; Utrecht ein Mittelpunkt der flamländischen Wollenindustrie; die Zahl der steiner- nen Gebäude war größer, die Stadtmauer wahrscheinlich und besser mit Türmen und Außenwerken geschützt, das Selbstgefühl der Bürger kecker, auch ihre Freiheiten besser und ihr Vornehmen stolz. Aber obgleich sie Ahreus, Lehr- und Lesebuch für Fortbildungsschulen. 9

8. Lehr- und Lesebuch für gewerbliche Fortbildungsschulen und Fachschulen sowie zur Selbstbelehrung - S. 61

1882 - Kiel : Homann
i Lebensbilder. 61 Aber je blühender das Haus, desto größer der Hausstand, und nehmen wir alle, die Dienste bietend, auch der geistigsten Art, unserem Hause sich anschließen, hinzu: Hauslehrer, Lehrerinnen und Hausarzt, so ist unser Haus zu einem Abbilde des organisierten Volkslebens geworden, ein Staat im kleinen. Unser Haus öffnet nicht bloß seine Thür dem Gleichgesinnten und Gleichgestellten und pflegt der Geselligkeit und Gastfreundschaft; unser Haus öffnet auch seine Thore der Not und der Armut. Nicht Bettler ziehen wir an uns, aber Hausarme hängen an uns als Schutzbefohlene und gerade in ihre Häuser treten wir hinein, wo uns wahrhaft daran liegt, Hülfe zu bringen und zwar rechte Hülfe. So hat sich aus kleinen Anfängen ein stattlicher Palast erhoben. Unser Haus ist eine Welt geworden und spiegelt die Welt im Kleinen. Und so entlehnen wir gerne von den Engländern, deren Haus durch Pflege des Familienlebens sich neben das deutsche zu stellen berechtigt ist, die Bezeichnung unseres Hauses als Burg. Unser Haus ist die Burg aller Sitte, aller Sittlichkeit, damit aber die Burg und Bürgschaft aller Kraft und aller Tüchtigkeit, die von da hinausgeht in die Welt. Unser Haus ist die Burg unsers Volkes und Vaterlandes, die Burg aller wahren reinen Menschlichkeit. — Nach W. Müller. 39. Zimmerspruch. Das neue Haus ist aufgericht't, Gedeckt, gemauert ist es nicht, Noch können Regen und Sonnenschein Von oben und überall herein: Drum rufen wir zum Meister der Welt, Er wolle von dem Himmelszelt Nur Heil und Segen gießen mrs Hier über dieses offne Haus. Zu oberst woll er gut Gedeihn In die Kornböden uns verleihn; In die Stube Fleiß und Frömmigkeit, In die Küche Maß und Reinlichkeit, In den Stall Gesundheit allermeist, In den Keller dem Wein einen guten Geist; Die Fenster und Pforten woll er weih'n, Daß nichts Unseliges komm' herein, Und daß aus dieser neuen Thür Bald fromme Kindlein springen für. Nun Maurer decket und mauret aus, Der Segen Gottes ist im Haus. Uh land. 1. Der Maurer schreitet frisch heraus, Er soll dich nieder brechen; Da ist es mir, du altes Haus, Als hörte ich dich sprechen: „Wie magst du mich, das lange Jahr Der Lieb' und Einwacht Tempel war, Wie magst du mich zerstören? 40. Das alte Haus. Dein Ahnherr hat mich einst erbaut Und unter frommem Beten Mit seiner schönen, stillen Braut Mich dann zuerst betreten. Ich weiß um Alles wohl Bescheid, Um jede Lust, um jedes Leid, Was ihnen widerfahren.

9. Lehr- und Lesebuch für gewerbliche Fortbildungsschulen und Fachschulen sowie zur Selbstbelehrung - S. 66

1882 - Kiel : Homann
66 I. Lebensbilder. sie wie z. B. Paris oder wie Berlin und Petersburg oder wie hundert andere auf den von den Flußarmen umflossenen Inseln die von der Natur gegen feindliche An- griffe geschlltzt waren oder wie z. B. Cobleuz und Paffau, wie Lyon und zahllose andere auf einer Halbinsel, bei welcher zwei schiffbare Flüsse sich vermischten, deren Arme, Inseln und Halbinseln sie nachher durch kunstvolle und graziöse Brückenbogen unter einander verbunden haben. Namentlich häufig findet man die Städte wie z. B. Heidelberg, wie Minden und viele andere auch da, wo die Ströme aus dem Gebirge hervorbrechen und in die Ebene hinaustreten, innerhalb der großen malerischen Bergthore oder auch wie Schaffhausen bei den großartigen Stromkatarakten, wo eine Veränderung in der Art des Verkehrs oder der Beschiffung so zu sagen eine Umspannung oder Umpackung, eine Station nötig wurde. Das Verlangen der Bürger nach Schutz und Verteidigung bewirkte es, daß da, wo keine Flußinsel sich darbot, vereinzelte Hügel, isolierte Berge, kleine Felsenköpfe in der Mitte der Ebenen aufgesucht wurden, auf denen die Stadt ihre Citadelle, ihre Akropolis bauen, ihre Tempelschätze und Heiligtiimer in Sicherheit bringen konnte. So entstanden die Hügelstädte Jerusalem, Rom, Athen, Nürnberg, Moskau und andere, die sich alle an Höhen anlehnen und die rohen Felsen und Gipfel derselben mit einer malerisch ausgegossenen Gruppe von Bauten überschüttet haben. „Schaut die türmende Stadt, wie sie auf dem felsigen Kern sich erhebt; prangend kündigen sie von Ferne die beleuchteten Kuppeln." Auch die Ufer der Landseeen und die Küsten der Meere sind aus derselben Ur- sache rings umher mit Städten geziert und anch hier suchen sich dieselben die ange- nehmsten Plätze aus, — die Meerengen wie Messina, die Kllsteninseln wie Venedig, das sich so reizend in seinen Lagunen und Kanälen spiegelt. Dann wiederum die kleinen Buchten und natürlichen Häfen, um die sie rings herum wie Konstanünopel um sein goldenes Horn ihre Häuser plazieren. Zuweilen auch treten sie dort wieder auf niedrige felsige, meerumschlungene Vorgebirge hinaus, eben dieselben, fassen sie in einen Ring imposanter Mauern, schützen den Isthmus, der die Halbinsel an das Festland kettet, durch ein mächtiges Thor und füllen den Ring innerhalb mit ihren stattlichen Gebäuden. So liegt unter vielen andern das rings von der Brandung umschäumte Ragusa. Demnach besitzen fast überall die Bürger und ihre Städte die Hauptlebensstellen des Landes, die vom Schöpfer der Welt bezeichneten Herz- und Glanzpunkte der Landschaft. Wie Könige nehmen sie allewege die dominierenden Sitze ein, die eben daher 'zugleich meistens die wohlgefälligsten sind. Den Flecken und Dörfern der Bauern, den Bergschlössern des Landadels, bei denen es nicht so sehr darauf ankommt, überlassen sie die Nebeupositionen, die unzugänglichen Thalschluchten, die wilden Heiden, die rauhen Gebirge, die flußlosen Gebiete des dunkeln Innern. Ii. Ii. Sind die Städte schon in ihrem ganzen Aufweten in der Landschaft, ihrer Umgebung und Lage nach gewöhnlich sehr malerisch und anziehend, so sind sie dies alles in ihren innern Gestaltungen in noch weit höherem Grade. Vor allen Dingen gewinnt das Stückchen Natur, das selbst noch in der Stadt geblieben ist, und in ihren Mauern mit eingeschlossen wurde an Reiz und ästhetischer Bedeutung. Gleich wie die kleinen Werke der Menschen im Schoße der gewaltigen Schöpfung, da wo alles freie Natur ist, — ein trauliches Häuschen, wenn auch nur eine Köhlerhütte am Rande eines Waldes, — die Kirchtürme und ein Dörfchen in der Mitte des mächtigen Gebirges, — oder nur ein Fußpfad in der Wildnis — so hat umgekehrt inmitteu der steinernen Stadt, wo alles Kunst, Berechnung und Regel ist, ein Gärtchen, ein offener Wieseugrund, ein Stückchen Gehölz, sa nur ein einziger Baum, eine Rebe, die am Fenster emporrankt einen dreifach erhöhten Wert. _ Und eben weil die Natur in den steinernen Rahmen der Städte sogar lieblich erscheint, wird sie gerade dort auch besonders innig geliebt, weit mehr als auf dem platten

10. Lehr- und Lesebuch für gewerbliche Fortbildungsschulen und Fachschulen sowie zur Selbstbelehrung - S. 67

1882 - Kiel : Homann
I. Lebensbilder. 67 Lande, wo man sich in der Verlegenheit ans Überfluß gleichgültiger gegen sie benimmt. Wo anders als in der Stadt findest du den eifrigen Tanbenzüchter, der die Hälfte seines Hausbodens zu Bauplätzen für diese Tiere 'hergab und einrichtete und sein inniges Behagen dabei hat, ans der Tiefe des umniauerten Haushofes seine Blicke und Gedanken den hochaufsteigenden Seglern der Lüfte nachzuschicken. Nur in der Stadt nistet die Liebhaberei der Singvögel aller Art. Da wohnt der freundliche und sinnige Mann, der sich in seinem engummauerten Stadtgärtchen mit seiner Kunst eine Voliere eingerichtet hat, in welcher er alles, was auf der Flur und im Walde singt, 'pfeift und zwitschert, versammelte. Da sitzt er im Frühling stundenlang zwischen seinen Mauern und späht und lauscht mit Behagen dem Treiben seiner Sänger, die vor seinen Augen ihre Nester bauen und ihre Jungen ätzen. In der rauhen Jahreszeit nimmt er sie alle zu sich in die Stube wie seine Kinder, und da er sie gewöhnt hat, sogar beim Scheine seiner Abendlampe zu singen und zu pfeifen, so schafft er sich mitten im Winter einen Naturgenuß, an den der Landmann nicht einmal denkt Nur in der Stadt auch begegnest du früh morgens dem gemüt- lichen Bürger, der mit einem Tütchen sorgfältig gemischten Futters in die Anlagen geht, um die unter dem Schutze der städtischen Gesetze halb zahm gewordenen Sänger, die ihren guten Freund wohl kennen, zu ätzen. Der Landmaun weiß nicht viel von solchen zarten Empfindungen. In der Stadt ist auch die ganze Kunstgärtnerei und Blumenzucht, die so viel Schönes, in der Natur Schlummerndes geweckt und herausgebildet haben, geboren. Die hängenden Gärten in Babylon, die Rosengärten der Städte Damaskus und Schiras, die Wintergärten zu Petersburg sind in der ganzen Welt bekannt. Und tritt man in das sechs Quadratruteu große Gärtchen eines Pariser oder Londoner Stadtbürgers, wie muß man nicht erstaunen über die Liebe und Sorgfalt, mit der da die Kinder der Flora gepflegt sind. Von allen Blumen und Sträuchern der Welt hat er Pröbchen zusammengebracht Die Felsen der Gebirge hat er im kleinen nachgeahmt, auch ihre Katarakte und Seeen. Das Wasser plätschert in zierlichen Fontänen und der Wind spielt mit flatternden Fahnen, mit köstlichen Windmühlen aus lustig sich drehenden Rädern. Die, welche ein Gärtchen sich nicht verschaffen können, erziehen und pflegen im Winkel ihres Hofes ein Apfelbäumchen, oder sie be- reiten sich einen Blumenflor vor ihrem Fenster. Nur die Entbehrung flößt Verlangen und Liebe ein. Und wie die Natur in der Stadt am sorgfältigsten gepflegt wurde, so wurde sie auch von jeher dort am besten besungen. Innerhalb der Städte haben unsere zartesten Naturdichter ge- wohnt. (Brockes, Kleist, Hebel.) In mancher Hinsicht leisten auch unsere Städte ohne alle Absicht und ganz von selbst der Natur einigen Vorschub und gewähren ihr allerlei hübsche Vorteile, die sie draußen nicht genießt. In gewissem Teile haben die Städte sich ihr eigenes Klima geschaffen. Die dicht zusammengedrängten Menschen, die zahllosen Feuerstellen, der reichlich gegen den Wind gewährte Schutz, und die überall zwischen dem Gemäuer sich brechenden Sonnenstrahlen haben bewirkt, daß die Temperatur in unseren Städten gewöhnlich etwas höher steht^als auf dem platten Lande. Deshalb ergrünen an den geschützten Mauern der Städte die Bäume zuerst, und knospet und regt es sich frühzeitig in den städüschen Gärten, und während das Land noch weit und breit still, tot und öde ist, prangt unsere Stadt längst rings umher im schönsten Blütenschmuck. Von den Städten, wo er zuerst festen Fuß saßt, setzt der Frühling aus und erobert von da aus das flache Land. Iii. Iii. „Eine andere O-uelle des Genusses in den Städten bietet die Erinnerung an die Vergangenheit, an die Fülle früherer Begebenheiten, den Fortschritt und Wandel der Zeit, die sich uns bei chrem Anblick offenbart und sich bei einer Existenz in ihnen überall aufdringt, dar." 5 *
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