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1. Vom großen Interregnum bis zur Reformation - S. 23

1893 - Langensalza : Schulbuchh. Greßler
23 dem Rumormeisler. Sehr viele Landsknechte waren nämlich verheiratet und führten Weiber und Kinder mit ms Feld. Außerdem schlossen sich jedem Regimente zuchtlose Weiber und Dirnen, Marketender, Händler und Sudler (Garköche) an. Dieser Troß, oft von bissigen Hunden begleitet, hatte die Aufgabe, für die Landsknechte zu kochen, zu backen, zu nähen und zu waschen, Kranke zu pflegen, bei Belagerungen Reisigbündel zu flechten n. dgl. Es war eine überaus schwierige Aufgabe, den Troß im Zaume zu halten, deshalb übertrug man einem besonderen Weibel, der Hauptmannsrang hatte, die Aufsicht. Er mußte dafür sorgen, daß der Troß den Bewegungen des Heeres nicht hinderlich wurde, den Feinden aber als ein gefahrdrohender Haufen erschien. Zur Unterstützung des Weibels waren ihm Rumormeister beigegeben, die mit ihrem „Vergleicher", einem langen Stocke, zankende Buben und keifende Weiber schnell zur Ordnung zu bringen wußten. Waren die Gesetze übertreten worden und der Schuldige ermittelt, ri®et’ = so führte der Profoß denselben dem Schultheißen vor. Dieser berief f^err'n-Hauptleute, Fähndriche und Weibel zum Gerichte. Nachdem es gehegt, die Bänke für die Gerichtsleute, einer aus jedem Fähnlein, der Tisch für den Schreiber und der Stuhl für den Schultheißen innerhalb der Schranken aufgestellt waren, eröffnete letzterer das Verfahren mit einer Ansprache, worin er auf die ihm erteilte Vollmacht zu richten hinwies, die Gerichtsordnung verlas und dann mit der ganzen Gerichtsversammlung feierlich schwor, keinem zu Lieb und zu Leid, weder aus Neid oder Haß, Gunst, Freundschaft, Gevatterschaft, noch aus -Dfiet (Lohn) ober aus Gab (Bestechung), sondern so zu richten, wie wir begehren von Gott gerichtet zu werden. Darauf wurden einige Vorfragen erledigt, z. B. ob der Tag „nicht zu früh oder zu spät, nicht zu heilig oder zu schlecht" sei, ob unter den Richtern kein Übel beleumundeter sei u. s. f. Nun erst trat man in die eigentliche Verhandlung ein. Dem Angeklagten ward dabei ein „Fürsprech" gestellt. Die Anklage mußte dreimal, an drei verschiedenen Tagen, wiederholt und bewiesen werden, ehe das Urteil erfolgte. Lautete es auf Tod, so bestimmte das ..Keyserliche Kriegßrecht" folgendes: „Der Schultheiß hat den Stab entzweigebrochen und das Urtheil gesprochen. Nach solchem überantwort der Profoß den gefangen Armen dem scharpff oder Nachrichter . . . der führt den Armen gefangen auch im Ring herumb / der nimpt ur-laub von den Knechten / bitt sie wollen jm verzeihen / wirdt darneben \

2. Vom großen Interregnum bis zur Reformation - S. 26

1893 - Langensalza : Schulbuchh. Greßler
26 fam als Hostie in den Mund, oder warfen eine Handvoll Erde hinter sich, als ob sie ihre Rechnnng mit der Welt als abgeschlossen betrachteten. Darauf gingen Freiwillige oder durchs Los bestimmte Läufer voran. Sie bildeten den „verlorenen Haufen", d. h. Leute, die auf sicheren Tod gefaßt sein mußten. Ihnen folgte unter dem Feldgeschrei: Her, her! der „helle Haufen", d. i. das Viereck der Knechte. Im Handgemenge bemühten sie sich, mit ihren langen Spießen die Feinde niederzuwerfen und zu durchbrechen. Ihre kurzen Waffen richteten sie besonders gegen die unteren Gliedmaßen der Feinde, denen sie knieend oder kriechend nahten, „sie schnitten blutige Hosenbänder". Ihre Lehrmeister im Kriege waren die Schweizer gewesen, von denen sie anfangs oft geschlagen wurden. Bald aber zahlten sie das Lehrgeld mit Zinsen heim, so daß die Schweizer ihnen unterlagen. Im Lager führten die Landsknechte oft ein zügelloses Leben, welches alle Verordnungen, Drohungen und Strafen nicht hemmen oder bessern konnten. Sebastian Frank (ein Wiedertäufer, geb. 1500 zu Donau-wörth) sagt in seiner „Chronika" folgendes darüber: „Kummen sie dann nach dem krieg mit dem bluotgelt und schweiß der armen heim, so machen sie ander Icut mit inen werklos, fpacieren müessig in der statt creuzweiß umb mit jedermans ärgernus und sind niemand nicht nutz dann den warten (feint) sie anders auch bisen nutz), und stellen sich, als fei inen geboten, sie sollen eilents wider verderben. Die anderen, denen die beut nicht geraten ist, laufen draussen auf der gart umb, das zno Teutsch bettlen heißt. Die andern, denen die beut geraten ist, fitzen in würtzhäufern, schlemmen und demmen, biß sie kein Pfenning nter haben, laden gest, sagen von großen streichen, was sie sich under den pauren erlitten haben, und bringen also die andern auch von trer arbeit auf zno dem müeffiggang, brmgens einander (trinken einander zu) auf einen zukünftigen krieg, und berfüert einer den andern, daß die welt voll krieger und müefsiggenger Wirt. Darnach so die beut hindurch ist, do hüeten sich die armen pauren, die müeffen sich leiden und herhaben. Da sahen sie an zu garten, terminieren und zu teutsch betten und sich auf die armen leut strecken, biß wider ein guot gefchrei kumpt, darob jedermann erschrickt, dann sie allein nit." Wie hart auch der eifernde Frank sich über die Landsknechte äußern mochte, wie fcharf auch die Verfügungen der Landesherren gegen die zur Landplage gewordenen „Gartbrüder" waren: das Leben des Landsknechtes entbehrte doch des poetischen Schimmers nicht ganz, mit welchem

3. Das Zeitalter der Reformation, Das Jahrhundert des großen Krieges, Das Zeitalter der unumschränkten Fürstengewalt - S. 57

1900 - Langensalza : Schulbuchh. Greßler
57 hinaus, um den Holofernes Münsters: den Bischof Franz im Lager durch ihre Schönheit zu bestricken und dann zu verderben. Ihr Vorhaben wurde entdeckt; sie mnßte den Tod erleiden. Die von den Täufern erwartete Hilfe Gottes und der Menschen blieb aus; alle die volltönenden Prophezeiungen des Propheten erwiesen sich eitel. Münster sah sich seiner eignen Kraft überlassen. Die Not stieg, und entsetzlich wütete der Hunger; Gras und Kreidewasser, Leder und Häute wurden begehrte Nahrungsmittel der Menge. Johann der Gerechte that sich mit seinem Anhang gütlich an weißem Brot und süßem Wein. Die Glaubensschwachen sannen heimlich auf Abfall und Flucht; andere ließen ihre Unzufriedenheit laut werden; vernichtend traf sie der Zoru des Königs; zu Dutzenden fielen die Köpfe; jeder Widerspruch erstickte im Blute. Manche fanden als Überläufer Rettung in: Lager der Feinde. Entsetzlich erschien diesen der Anblick der Halbverhungerten: über dem nackten Gebein gerunzelte Haut; ein Hals, der den Kops kaum tragen konnte, spitze Lippen, dünne durchsichtige Wangen; mit Mühe hielten sie sich aufrecht. Solche Überläufer führten schließlich die Feinde in der Johannisnacht (1535) in die Stadt. Der Handstreich glückte. Doch die Täufer mit ihren gespenstisch abgezehrten Gestalten, mit ihren gleich Totenschädeln grinsenden Gesichtern leisteten eine Gegenwehr, die ihrer wilden Begeisterung würdig war. Bis zum Mittag hatten die Landsknechte des Bischofs um den Sieg zu kämpfen. Die einmal entfesselte Wut der Landsknechte, deren Habgier die Hälfte aller Beute von dem Bischöfe zugesagt worden, brachte ein grauenhaftes Blutbad über die unglückliche Stadt. Den Besonnenen wurde es schwer, der Metzelei Einhalt zu thun. Die Täufer sollten ausgerottet werden. Selbst die Frauen wurden verjagt. König Johann und seine Helfershelfer waren gefangen genommen worden; sie starben eines qualvollen Todes. Die Herrschaft des Bischofs ward wieder hergestellt. Allmählich kehrten die von den Täufern Vertriebenen zurück; doch auch so hatte Münster zwei Drittel seiner Bewohnerschaft eingebüßt. Um ihrem kommunistischen Reiche das Dasein zu ermöglichen und zu erhalten, hatten die Täufer die sittlichen Grundlagen, auf denen jede menschliche Gemeinschaft sich ausbaut, umzustürzen versucht. Wahnwitz und Herrschsucht, wüste Roheit und schwärmerischer Schwung, Wollust und Blutdurst waren die Blüten, die dem Boden der Gleichheit entsproßten, wie die Täufer ihn bereitet hatten. Maßloses Elend war die Frucht ihrer Beglückungsversuche: Vernichtung für die Täufer selbst,

4. Das Zeitalter der Reformation, Das Jahrhundert des großen Krieges, Das Zeitalter der unumschränkten Fürstengewalt - S. 129

1900 - Langensalza : Schulbuchh. Greßler
129 gärten zu, daß ich gen Holzhausen und Gellershausen zusehen konnte, ob's sicher wäre. Da fanden sich Bürger und Weiber zu mir, an mir einen Trost zu haben und mit mir zu reisen. Als wir nun bei den Heideäckern waren, ritten acht Reiter, es waren Kroaten, oben auf der Höhe. Da sie unser gewahr wurden, errannten sie uns eilends. Zwei Bürger entkamen, ich mußte am meisten aushalten. Sie zogen mich aus, Schuhe, Strümpfe und Hosen, und ließen mir nur die Kappe. Mit den Hosen gab ich ihnen meinen Beutel Geld, den ich vor den ersten Mausern gerettet hatte. Die Not war so groß, daß ich nicht an meinen Beutel dachte, bis ich ihn zum letzten Male sah. Sie hieben auch mit ihren Säbeln auf mich hinein, und ich hielt meine Arme und Hände entgegen, habe durch Gottes Schutz nur eine kleine Wunde unten an der Faust bekommen. Unterdessen wurden sie einen Bauern gewahr, welcher sich in den Büschen besser verkriechen wollte. Es war der reiche Kaspar von Gellershausen; auf solchen ritten sie alle zu, und blieb nur einer bei mir, welcher ein geborener Schwede und gefangen worden war. Dieser sagte zu mir: „Pfaffe, lauf, du mußt sonst sterben." Auch sagte er, er wäre gut schwedisch. Ich faßte Vertrauen zu dem Rate und bat ihn, wenn ich liefe, sollte er mir zum Scheine nachreiten, als wenn er mich einholen wollte. Und also geschah es, daß ich den Kroaten entkam. Der reiche Kaspar aber mußte an jenem Orte elend sterben. Sie haben ihm die Kniekehlen entzweigehauen. Darüber ist er an diesem Ort liegen geblieben und wurde nach Abzug der Feinde gesunden. Ich aber lies im Eichenholze ungefähr eine ganze Stunde fort» während, konnte keinen dichten Busch ersehen, worin ich mich verbergen konnte, fiel endlich gar in eine Wasserlache. Ich war so matt vom Lausen, daß ich nicht weiter konnte. Also saß ich, bis es Nacht wurde, stand aus und ging immer dem dichten Gebüsch nach; so kam ich heraus, daß ich gen Seidenstadt hinaussehen konnte. Ich schlich mich ins Dorf, und weil ich Hunde bellen hörte, hoffte ich Leute zu Haus anzutreffen, aber da war niemand. Ich ging deswegen in einen Stadel und wollte mich zur Nacht auf dem Heu behelfen. Da schickt Gott, daß die Nachbarn, die im Strauchloche sich verkrochen gehabt, eben hinter diesem Stadel zusammenkommen und beraten, wo sie sich wieder sammeln und wo sie hingehen wollen. Das konnte ich deutlich hören, stieg deswegen herab und ging auf das Haus zu. Da war der Bauer gerade hinein, hatte ein Licht angezündet, stand im Keller und rahmte Deutsche Stutturgejchtchte. Iii. 9

5. Das Zeitalter der Reformation, Das Jahrhundert des großen Krieges, Das Zeitalter der unumschränkten Fürstengewalt - S. 131

1900 - Langensalza : Schulbuchh. Greßler
131 die Herren sich alle versammelten; niemand aber wollte meiner achten, noch mich kennen. Ich setzte mich allein an einen Tisch im Finstern; da wurde ich gewahr, wie ein fein ehrbarer Hut am Nagel hing. Ich dachte, wenn dieser bei ihrem Aufbruche liegen bliebe, so wäre es mir gut. Geht doch ohnedies alles zu Grunde nach dem Abzug. Und was ich wünschte und gedachte, das geriet mir. Es ging an ein Scheiden, Heulen und Abschiednehmen, ich legte den Kopf auf den Tisch wie ein Schlafender. Als nun fast jedermann im Abziehen war, hängte ich den langen Störcher an die Wand, that einen Tausch und ging mit den anderen Herren hinaus auf die Gasse. Da war diese Verabredung unter den Leuten offenbar geworden. Und unzählig viele Leute faßen mit ihren Paketen auf der Gasse, auch viele Wagen und Karren waren angespannt, die alle, als das Thor aufging, mit fortwanderten. In Summa etliche taufend Leute zogen in Traurigkeit fort. Ich und mein Hause kamen um zwölf Uhr Mitternacht nach Themar, welche Stadt sich mit uns aufmachte, so daß wir abermals etliche hundert mehr wurden. Als wir gegen Morgen in ein Dorf kamen, wurden die Leute erschreckt, daß sie Haus und Hof auch zurückließen und mit uns fortzogen. Wir waren etwa eine Stunde in der Herberge gewesen, so kam die Nachricht, daß die Kroaten diesen Morgen wären zu Themar eingefallen, hätten geplündert, dem Bürgermeister den Kopf aufgespalten, die Kirche ausgeplündert, auch die Orgelpfeifen auf den Markt hinausgetragen. Da war's hohe Zeit, daß wir gewichen waren." Nach etlichen Tagen wagte Bötzinger, nach Heldburg zurückzukehren. Was er dort fand, erzählt er mit folgenden Worten: „Ich kam als erster nach Heldburg zurück, gerade da man die Erschlagenen auf einem Karren nach dem Gottesacker führte. Als ich solches sah, ging ich auf den Gottesacker und fand siebzehn Personen in einem Grabe liegen, darunter waren drei Ratspersonen, der eine mein Schwiegervater, der Kantor, etliche Bürger, der Hofmeister, Landknechte und Stadtknechte. Waren alle greulich zugerichtet. Nach diesem ging ich in meiner Schwiegerin Haus, da fand ich sie krank und vorn Rädeln und Zwicken mit Pistolenschrauben so Übel zugerichtet, daß sie mir kaum Rede stehen konnte. Sie gab sich darein, sie müßte auch sterben. Darum befahl sie, ich solle mein Weib und meine Kinder, welche der Feind mitgenommen, suchen lassen. Gern hätte ich zu Heldburg etwas gegessen, es war aber weder zu essen noch zu trinken da. Laufe deswegen 9*

6. Das Zeitalter Friedrichs des Großen, Deutschland in der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts, Das Zeitalter Kaiser Wilhelms I. - S. 369

1902 - Langensalza : Schulbuchh. Greßler
369 eine große Sterblichkeit unter den kleinen Kindern und den Greisen eingetreten und daher ein jeder Bürger ersucht sei, nur die Hälfte seiner gewöhnlichen Portion zu verbrauchen und die andere in die Apotheken abzuliefern, um — wie es in dem offiziellen Deutsch heißt — „diesen interessanten Teil der Bevölkerung" (die kleinen Kinder und die Greise) zu retten. Ein anderes Plakat gab diejenigen Keller und unterirdischen Räume an, in denen die bedrohten Einwohner noch Schutz finden könnten. Und welch eine Luft in diesen Kellern, in welchen Mann und Weib, alt und jung, Herr und Knecht oft zu fünfzig zusammenlagen, kaum am Tage sich herauswagend, um sich an den Häusern hinzuschleichen — und auch das nicht ohne Gesahr. Eine halbe Stunde vor der Kapitulation wurden einer alten Frau, die aus dem Keller kam, von einem Granatsplitter beide Beine fortgerissen, und sie starb noch auf dem Wege ins Lazarett. Selbst in den Kellern kamen vielfache Verwundungen, ja Todesfälle vor, wenn die oberen Stockwerke getroffen wurden und zusammenstürzten. Man sagt, daß während der Belagerung dreitausend Menschen gestorben sind, teils an Bleisuren, teils wegen der sonstigen gesundheitsgefährlichen Folgen der Blokade. Denn, wie gesagt, die Luft in diesen mit Mist verstopften, von Menschen überfüllten Kellern ist noch jetzt pesti-lenzialisch. Und nicht allein in den Kellern, auch in anderen großen Räumen über der Erde find diese Miasmen; so z. B. in der Markthalle, wo von der Stadt die durch die Belagerung brotlos und hauslos Gewordenen morgens und abends zu Tausenden gespeist werden. Es war ein erhebendes Liebeswerk: Kopf an Kopf saßen sie dort, an langen Tischen — zweitausend auf einmal; doch es war mir nicht möglich, den Becher Weins Au leeren, welchen einer der aufsichtführenden Bürger mir reichte; die Ausdünstungen, die in dieser sonst so hohen luftigen Halle lagerten, waren zu niederdrückend. Langsam ging man daran, die Läden wieder zu öffnen, die Möbel aus den Kellern heraufzuschaffen, die Karren, die mit Hausgerät beladen waren, fuhren durch die Straßen. Fast alle den besseren Ständen angehörigen Damen gingen in Trauer; es waren nur bleiche, traurige, kranke, kummervolle Gesichter, die mir begegneten. Ich muß gestehen, daß es mir wohlthat, mich belebte, dazwischen überall das deutsche Militär zu sehen; sie benahmen sich vortrefflich, sie sind als Sieger gekommen, Deutsche Kulturgeschichte. Iv. 24

7. Der Große Kurfürst - Friedrich der Große - S. 294

1897 - Langensalza : Schulbuchh. Greßler
294 wendischen Kassuben saßen. Wer bort einem Dorfe nahte, der sah graue Hütten nnb zerrissene Strohdächer auf kahler Fläche ohne einen Baum, ohne einen Garten — nur die Sauerkirschenbäume waren altheimisch. Die Häuser waren aus hölzernen Sprossen gebaut, mit Lehm ausgeklebt; durch die Hausthür trat inan in die Stnbe mit großem Herb ohne Schornstein; Stubenöfen waren unbekannt, selten würde ein Licht angezündet, nur der Kienspan erhellte das Dunkel der laugen Winterabende. Das schmutzige und wüste Volk lebte von Brei nnb Roggenmehl, oft nur von Kräutern, die sie als Kohl zur Suppe kochten, von Heringen und Branntwein, dem Frauen wie Männer unterlagen. Brot würde nur von den Reichsten gebacken. Viele hatten in ihrem Leben nie einen solchen Leckerbissen gegessen, in wenig Dörfern staub ein Backofen. Hielten die Leute einmal Bienenstöcke, so verkauften sie den Honig an die Stäbter, außerbeiu geschnitzte Löffel und gestohlene Rinber; basür erftanbeit sie ans den Jahrmärkten den groben blauen Tuchrock, die schwarze Pelzmütze und das hellrote Kopftuch für ihre Frauen. Nicht häufig war ein Webstuhl. Das Spinnrab kannte man gar nicht. Die Preußen hörten bort kein Volkslieb, feinen Tanz, keine Musik, Freubeu, benen auch der elenbeste Pole nicht entsagte; stumm und schwerfällig trank das Volk den schlechten Branntwein, prügelte sich und taumelte in die Winkel. Auch der Bauernabel unterschieb sich kaum von den Bauern, er führte seinen Hakenpflug selbst und klapperte in Holzpantoffeln auf dem uitgebieltett Fußb oben seiner Hütte. Schwer wurde es auch bent Preußenkönig, biefcm Volke zu nützen. Nur die Kartoffeln verbreiteten sich schnell, aber noch lange würden die befohlenen Obstpflanzungen von dem Volke zerstört, und alle cmbern Kultur* versuche sau den Wiberstaitb. Ebenso bürstig und verfallen waren die Grenzstriche mit polnischer Be-völfernng, aber der polnische Bauer bewahrte in seiner Armseligfeit und Un-orbnung wenigstens die größere Regsamkeit seines Stammes. Selbst auf den Gütern der größeren Ebelleute, der Starosten und der Krone waren alle Wirt-schastsgebäube verfallen und unbrauchbar. Wer einen Brief beförbern wollte, mußte einen besonbereit Boten schicken, beim es gab keine Post im Laube; freilich fühlte man in beit Dörfern auch nicht das Bebitrfnis banach, benn ein großer Teil der Ebelleute konnte so wenig lesen und schreiben wie die Bauern. Wer erkrankte, fanb keine Hilfe als die Geheimmittel einer alten Dorffrau, benn es gab im ganzen Laube keine Apotheken. Wer einen Rock beburfte, that wohl, selbst die Nabel in die Hand zu nehmen; benn auf viele Meilen weit war fein Schneiber zu finbeit, wenn er nicht abenteuernb durch das Laub zog. Wer ein Haus bauen wollte, der mochte zusehen, wo er von Westen her Hand Werfer gewann. Noch lebte das Lanbvolk in ohnmächtigem Kampf mit den Herben der Wölfe, wenig Dörfer, in welchen nicht in jebem Winter Menschen und Tiere becimiert würden. Brachen die Pocken aus, kam eilte aitstecfeitbe Kranfheit ins Laub, baun sahen die Leute die weiße Gestalt der Pest durch die Luft fliegen und sich auf ihren Hütten niederlassen; sie wußten, was solche Erschei-

8. König Friedrich Wilhelm II. - König Friedrich Wilhelm IV. - S. 255

1897 - Langensalza : Schulbuchh. Greßler
255 Teil der Oberlausitz, den wittenbergischen Kreis, Teile der Kreise von Meißen und Leipzig n. a., im ganzen 374 Quadratmeilen mit 845 000 Einwohnern; es bekam seine älteren Besitzungen zwischen Rhein und Elbe fast vollständig wieder; Westfalen, de» größten Teil des Kurfürstentums Köln, die nasfanischen Fürstentümer Tietz, Siegen, Hadamar, Dillenburg, von französischen Gebieten einige Departements an der Mosel und Maas; einen Teil seiner polnischen Besitzungen; von Dänemark, dem es dafür Laueuburg überließ, den vormals schwedischen Teil von Pommern. Es gelangte so in der That wenigstens der Seelenzahl, wenn mich nicht den Quadratmeilen nach wieder auf den Stand wie vor dem Tilsiter Frieden. Aber es verzichtete auf das wichtige Ostfriesland und damit auf die überaus wichtige Stellung an der Nordsee, wie aus die eilten Besitzungen seines Herrscherhauses in Süddeutschland, die fränkischen Fürstentümer; es erhielt ein Landgebiet, das überall offen, in langer Linie von Memel im äußersten Nordosten Deutschlands bis Saarbrücken im äußersten Südwesten reichte, und hatte also, vou Österreich und Schweden ganz abgesehen, künftig seine Grenzen zugleich gegen Rußland und gegen Frankreich, gegen ein Riesenreich von damals etwa 40 und einen festgefügten Staat von 28 Millionen zu hüten; zwischen seine östlichen und westlichen Provinzen, den Staat in zwei Stücke zerschneidend, schoben sich eifersüchtige Mittelmächte und Kleinstaaten, Hannover, Braunschweig, Hessen ein; und während es so nach allen Seiten dem Angriff von außen Blößen bot, öffnete sich zugleich in den inneren Schwierigkeiten ein breites Thor, indem drei Fünftel seiner Unterthanen protestantisch, zwei Fünftel katholisch waren, uni) die letzteren, vorwiegend dem westlichen Stück des Staates angehörig, die Wirkung der natürlichen und geschichtlich ausgeprägten Verschiedenheit der westdeutschen und nordostdentschen Bevölkerung verstärkend, eine innere Verschmelzung der beiden Staatshälften, welche an sich seine leichte Aufgabe war, noch erheblich erschwerten. 31. Dir ;wei Helden des Befreiungskrieges: Blücher und Gneifenau. Karl Aug. Varnhagen von Ense, Biographische Dentinale. 2te Ausgabe. Berlin 1851. 1. Blücher war von großer, schlanker Gestalt, von wohlgebildeten, starken Gliedern. Das Alter weniger als Krankheitsleiden gaben ihm zuletzt eine vorwärts gebeugte Haltung. Doch sein Haupt erhob sich in aller Schönheit, welche das Alter, das so vieles nimmt, verleiht. Ein herrlicher Schädel, nur noch spärlich bedeckt von grauen Haaren, eine prächtige Stirne, eine starke, gekrümmte Nase, scharfe, heftig rollende uni) doch im Grunde sanft blickende hellblaue Augen, dunkelgerötete Wangen, ein feiner, aber vom starken, herabhängenden Schnurrbart fast überschatteter Mund, ein mohlgesormtes starkes Kinn, — alles dies stimmte zu einem kräftigen Menschenantlitz überein, dessen ausgearbeitete Züge

9. Kaiser und König Wilhelm I. - Kaiser und König Wilhelm II. - S. 151

1897 - Langensalza : Schulbuchh. Greßler
151 für eine Stadt mit einer großen Bevölkerung, die Leiden einer Belagerung auf die Dauer zu ertragen, selbst wenn sie Lebensmittel genug besäße, wie dies ja bei Straßburg allerdings noch der Fall war. Aber der Mensch erträgt es nicht, von der Welt, von der Cirkulation abgeschlossen zu sein; die Luft selber vertreibt ihn zuletzt, sie treibt ihn zur Verzweiflung. Und diese Leute sprechen davon, daß Paris sich niemals ergeben würde! Wer Straßburg gesehen hat und Paris kennt, der wird sagen, daß es nur eine Frage der Zeit ist. Eine Belagerung ist zu gräßlich, auch wenn sie nicht mit solchen Greneln verbunden ist, als die Zerstörung Straßburgs. Alle Kellerlöcher mit Mist oder Eichenlohe verstopft, alle Thüren vernagelt, alle Portale mit Brettern verstellt. Es war noch alles da, wie es während der Belagerung gewesen; ich konnte noch alles deutlich sehen. Sogar die Plakate saßen noch an den Straßenecken, in welchen die Municipalkommission anzeigt, daß infolge des Milchmangels eine große Sterblichkeit unter den kleinen Kindern und den Greisen eingetreten und daher ein jeder Bürger ersucht sei, nur die Hälfte feiner gewöhnlichen Portion zu verbrauchen und die andere in die Apotheken abzuliefern, um — wie es in dem offiziellen Teutsch heißt — „diesen interessanten Teil der Bevölkerung" (i. e. die kleinen Kinder und die Greise) zu retten. Ein anderes Plakat gab diejenigen Keller und unterirdischen Räume an, in denen die bedrohten Einwohner noch Schutz finden könnten. Und welch eine Luft in diesen Kellern, in welchen Mann und Weib, Alt und Jung, Herr und Knecht oft zu fünfzig zusammenlagen, kaum am Tage sich herauswagend, um sich an den Häusern hinzuschleichen — und auch das nicht ohne Gefahr. Eine halbe Stunde vor der Kapitulation wurden einer alten Frau, die aus dem Keller kam, von einem Granatsplitter beide Beine fortgerissen, und sie starb noch aus dem Wege ins Lazarett. Selbst in den Kellern kamen vielfache Verwundungen, ja Todesfälle vor, wenn die oberen Stockwerke getroffen wurden und zusammenstürzten. Man sagt, daß während der Belagerung dreitausend Menschen gestorben sind, teils au Blessuren, teils wegen der sonstigen gesundheitsgefährlichen Folgen der Blokade. Denn, wie gesagt, die Luft in diesen mit Mist verstopften, von Menschen überfüllten Kellern ist noch jetzt pestilenzialisch. Und nicht allein in den Kellern, auch in anderen großen Räumen über der Erde sind diese Miasmen; so z. B. in der Markthalle, wo von der Stadt die durch die Belagerung brotlos und hauslos Gewordenen morgens und abends zu Tausenden gespeist werden. Es war ein erhebendes Liebeswerk: Kopf an Kopf saßen sie dort, an langen Tischen — zweitausend auf einmal; doch es war mir nicht möglich, den Becher Weins zu leeren, welchen einer der auffichtführeuden Bürger mir reichte; die Ausdünstungen, die in dieser sonst so hohen luftigen Halle lagerten, waren zu niederdrückend. Langsam ging man daran, die Läden wieder zu öffnen, die Möbel aus den Kellern herauszuschaffen, die Karren, die mit Hausgerät beladen waren, fuhren durch die Straßen. Fast alle den besseren Ständen angehörigen Damen

10. Geographische Skizzen aus Europa - S. 253

1868 - Langensalza : Schulbuchh. Greßler
253 brach die Nacht ein; vom Vesuv leuchteten hoch auflodernde Flam- men; der Hof, nach welchem sich das Zimmer öffnete, füllte sich mit Äsche und Bimsstein, so daß man die Thür kaum noch öffnen konnte. Das Haus wankte vom Erdbeben. Es ward beschlossen, auszuwandern. Zum Schutz gegen den Steinregen band sich ein Jeder Kissen über den Kopf. Anderwärts war schon der Tag an- gebrochen, hier aber fiel die Asche so vicht, daß man noch in rabenschwarzer Nacht war und Fackeln brennen mußte. Man ging an's Ufer, um zu sehen, ob das Wasser fahrbar wäre. Aber der Wind war widrig, die Brandung ungestüm. Schwefelqualm und Feuersgluth trieben die Begleiter des Plinius in die Flucht. Er selbst legte sich erschöpft nieder, richtete sich dann mit Hülfe zweier Sklaven empor und sank sterbend zusammen. Erst drei Tage nach seinem Tode hörte der Aschenregen auf. Die Leiche des Admirals ward nun gleich gesucht, gefunden, war unversehrt, auf dem Ant- litz der Ausdruck sanften Schlafs.« 2) Die Ueberreste der ausgegrabenen Städte beweisen, daß die meisten Einwohner mit ihren Schätzen sich gerettet haben. Außer diesem furchtbaren Ausbruche i. I. 79 n. Chr. hat der Vesuv späterhin noch viele andere gehabt, so z. B. i. I. 1631, bei wel- chem die Oerter Giorgio, Cremano, Resina, Torre bei Greco, Torre del? Annunziata ganz oder zum Theil zerstört und von Lava bedeckt wurden. Im Jahre 1737 drang die Lava in das Karmeliterkloster bei Torre del Greco, stieg auf den im Speise- saale stehenden Tisch und schmolz die daselbst befindlichen Gläser. Am 8. August des Jahres 1779 entstieg dem Krater eine 10,000' hohe Feuersäule und der Lavastrom ergoß sich in die Stadt Otta- jano, die in Brand gerieth. In der Nacht des 15. Juni 1794 barst der Vesuv an mehreren Stellen und ein 2000' breiter Lava- strom, der in 6 Stunden eine deutsche Meile zurücklegte, wälzte sich gegen das blühende Torre del Greco und zertrümmerte deren Paläste, Kirchen, Häuser und Hütten. Während der Nacht des 18. Juni stürzte der Gipfel des Vulkans mit einem furchtbaren Krach ein. Ein Spalt des Berges war 3000' lang und 240' breit. Der Lavastrom vom 28. August 1804 war oben 350, unten 860' breit und durchlief in 24 Stunden einen Raum von 3053'. Am Abend des 31. Mai 1806 entstieg dem Krater eine 600' hohe Feuersäule und der Berg brach 600' unterhalb des Gipfels an 'rei Stellen auf. Der hervorbrechende Lavastrom richtete große Verheerungen an; besonders waren es Portici, Torre del Greco -äd Resina, die durch den Aschenregen und einen schwarzen Schlamm- regen viel auszustehen hatten. Vom 23. bis 28. Februar 1822 entlud der Krater 8 Lavaströme, die zusammen an 400' breit waren. Einer der neuesten Ausbrüche ist der vom Jahre 1855, bei welchem der Vesuv viel Lava ausströmen ließ.
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