155
nach Kopfzahl, ja sogar fast gnzliche Steuerfreiheit der-sprach. Aber Niemand traute seinen Verheiungen. Sein Bruder, Herzog Wilhelm, der gleich nach dem Ausbruch der Unruhen von Berlin nach Braunschweig geeilt war, bernahm vorlufig die Regierung. Ein Versuch des flchtigen Fürsten, den verlorenen Thron wieder zu gewinnen, schlug gnzlich fehl (November 1830)*). Am 2. December 1830 erklrte die Bundesversammlung den Herzog Karl fr unfhig zur Re-gierung und bertrug dieselbe seinem Bruder Wilhelm, der unter Zustimmung smmtlicher Agnaten am 25. April 1831 die Herrschaft antrat. Eine neue freisinnige Verfassung ward ausgearbeitet und diese am 12. Dctober 1832 als Grundgesetz des Landes bekannt gemacht.
In Kurhessen, wo das Volk die Rckkehr seines alten Frstenstammes wie eine Befreiung von fremdem Joche begrt hatte, herrschte seit langer Zeit allgemeine Mistimmung. Kurfürst Wilbelm I., der so gerne alle Erinnerung an die franzsische Herrschaft ausgelscht htte, war 1821 gestorben. Das Volk hoffte von seinem Sohne und Nachfolger Wil-Helm Ii. durchgreifende Verbesserungen, aber seine Lage ward nur noch schlimmer. Wilhelm Ii. stand seinem Vater an Hang zur Willkr gleich, berbot ihn aber an Hrte und Mitrauen. Die Steuerlast steigerte sich, die ffentlichen Ein-nahmen wurden von ihm beliebig verwandt. Ohne alle Noth, einzig zu seinem Vergngen, hielt er eine strkere Kriegsmacht, als es sein Bundesverhltm verlangte; der polizeiliche Druck stieg aufs Hchste, und ein frmliches Sphersystem breitete sich der das ganze Land aus. Whrend seine Gemahlin, eine Schwester des Knigs Friedrich Wilhelm Iii. von Preußen, von ihm gnzlich vernachlssigt wurde, lebte er ffentlich mit seiner zur Grfin von Reichenbach erhobenen Geliebten, die auf die Regierung einen verderblichen Einflu ausbte.
Unter solchen Umstnden muten die von der Juli-revolution ausgehenden Funken einen empfnglichen Zndstoff
*) Er ging nach Paris und trieb sich dann wie ein fahrender Ritter umher. Nach Deutschland kam er nicht wieder. Er starb am 18. August 1873 zu Genf.
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Extrahierte Personennamen: Wilhelm Karl Karl Wilhelm Wilhelm Friedrich_Wilhelm_Iii Friedrich Wilhelm August
Extrahierte Ortsnamen: Berlin Kurhessen Reichenbach Paris Deutschland Genf
- 156 -
finden. Die ersten Unruhen entstanden in Kassel in Folge einer Brodtheuerung (6. Sept. 1830), nahmen aber bald einen politischen Charakter an. In Kassel bewaffnete sich die Brgerschaft, und die Aufregung theilte sich dem ganzen Lande mit. Auf das Militr konnte sich der Kurfürst nicht unbedingt verlassen. Am 15. September ward er zu dem Versprechen genthigt, die Landstnde einzuberufen, was er nie gethan hatte. Eine neue Verfassung, die einen bedeutenden Fortschritt bildete, ward entworfen, und am 5. Januar 1831 die Verfassungsurkunde vom Kurfrsten unterzeichnet. Dieser zufolge gab es seitdem eine Stndeversammlung, welcher Theil-nhme an der Gesetzgebung, der Steuerbewilligung und an der Verwaltung der Staatseinnahmen zugesichert ward. Die Presse war, mit einigen Beschrnkungen in der Ausbung, fr frei erkannt. Da der Kurfürst sich an die Schmlerung seiner Gewalt nicht gewhnen konnte, und ein Versuch, die Grfin Reichenbach nach Kassel kommen zu lassen, beinahe einen Ausstand hervorrief, so verlie er seine Residenz und ging nach Hanau und von da nach Frankfurt a. M., um mit der Reichen-bach ungestrt leben zu knnen. Seinen Sohn, den Kurprinzen Friedrich Wilhelm, ernannte er (Septbr. 1831) zum Mitregenten, da er nach der Verfassung sein Land von einem fremden Gebiete aus nicht regieren durfte, und dieser ber-nahm von jetzt an allein die Regierung.
Im Knigreich Sachsen war es nicht die Unzufriedenheit mit den Sitten und dem Wandel der regierenden Personen, was den Ausbruch von Unruhen hervorrief, sondern der Verfall der ffentlichen Zustnde. Das Gerichtsverfahren war schleppend und verworren. Die Städte standen unter sich selbst ergnzenden Magistraten, die nach oben hin eine sehr unvollstndige, nach unten hin gar keine Rechenschaft ablegten. Die meist adeligen Besitzer der Rittergter besaen Vorrechte, welche das Landvolk in tiefster Abhngigkeit von ihnen erhielten. Die Willkr der Polizei gegen die unteren Klassen war grenzenlos. Die Strenge der Censur beeintrch-tigte den Leipziger Buchhandel, eine der vornehmsten Erwerbs-quellen des Landes. Die Industrie war durch hohe Abgaben niedergehalten und die Steuern drckten durch ungleiche Verkeilung den durch den groen Krieg schon ohnedies her-
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Extrahierte Personennamen: Friedrich_Wilhelm Friedrich Wilhelm
103
franzsisches Heer unter Marschall Gerard einrckte und die Citadelle von Antwerpen belagerte (Nov. 1832). Nachdem sich der tapfere General Chasse der einen Monat lang verteidigt hatte, bergab er am 23. December die Citadelle. Chasse und seine Besatzung wurden als Kriegsgefangene nach Frankreick gefhrt, daselbst aber mit groer Auszeichnung be-handelt. ' Doch Wilhelms Hartnckigkeit war noch nicht ber-wunden; erst als eine franzsisch-englische Flotte die hollndischen Ksten blofirte, und in Folge des groen Schadens, den die Blokade dem hollndischen Handel zufgte, auch dte Generalstaaten in den König drangen, gab dieser endlich nach, nahm die 24 Artikel an (4. Mrz 1838) und bewilligte die freie Schifffahrt auf der Scheide. Bald darauf legte der greife König die Krone zu Gunsten des Prinzen von Dranien nieder (7. Dct. 1840), der nun als König Wilhelm Ii. den hollndischen Thron beftieg.*)
König Leopold I., ausgezeichnet durch alle Tugenden des Regenten und des Staatsmannes, hat unter den schwierigsten Zeiten die Unabhngigkeit Belgiens behauptet und die von ibm angenommene Verfassung mit gewissenhafter Treue be-obachtet. Durch Einsicht und Geschick wute er dem belgi-schen Handel und Kunftflei neue Quellen zu erffnen, so da sich das Land unter ihm in geistiger und materieller Hinsicht ungestrt entwickeln konnte. Obgleich Protestant, verstand er es doch, sich inmitten der heftigsten Kmpfe der Parteien
*) Unter Wilhelm Ii., dem es gelang, ein gutes Verhltni mit Belgien herzustellen, verbesserten sich die hollndischen Finanzen, und auch die Nersassuugskmpfe fhrten zum Ziele, indem am 3. Nov. 1848 die neue Verfassung vollendet ward. Aber erst unter der folgenden Regierung Wilhelms Iii., der 1849 den Thron bestieg, kam die libe-rale Richtung zum Siege, als Thorbecke, der bedeutendste der liberalen Staatsmnner, durch eine Reihe von organischen Gesetzen das Land in einen befriedigenden Zustand versetzte Die katholische Bewegung der letzten Jahre erstreckte sich auch auf Holland, aber der Posten fr eine Gesandtschaft beim Papste fiel weg. Im April 1872 ward der Gedchtnitag der Losreiung Hollands von Spanien, die Einnahme von Briel durch die Meergeusen am 1. April 1572, durch ein Nationalfest begangen. In demselben Jahre starb Thorbecke, der seit 1871 wieder am Ruder stand.
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Extrahierte Personennamen: Gerard Wilhelms_Hartnckigkeit Wilhelms Wilhelm Leopold_I. Leopold_I. Wilhelm Wilhelms Thorbecke
Extrahierte Ortsnamen: Antwerpen Belgiens Holland Hollands Spanien
- b09
seine Unglcksgefhrten, jeder auf einem besonderen Wagen, und einen Geistlichen zur Seite, dert Weg zu dem Platze an, auf welchem sich Maximilian ergeben' hatte und wo das Executionscommando aufgestellt war. Die beiden Generale blieben von den erhaltenen Schssen auf der Stelle tobt; Maximilian, der dem Tode unerschrocken entgegensah, richtete sich noch einmal auf und wurde erst durch einen auf ihn. in nchster Nhe abgefeuerten Schu vollends getdtet. *) So endete Maximilian, im Alter von fnfunddreiig Jahren, ein Opfer Napoleonischer Politik, die ihn zu ihren selbstschtigen Zwecken mibrauchte und ihn schonungslos preisgab, als diese Zwecke unerreichbar erschienen. -- Am 15. Juli kam Juarez mit seinen Ministern wieder in der Hauptstadt an.
In West'ndien, dessen Inseln unter mehreren europischen Nationen getheilt sind, hat sich auf Haiti ein selbststndiger Negerstaat entwickelt, wo seit 1822 der Mulatte Boher, Petion's Nachfolger (vgl. S. 32), als Prsident regierte. Er hatte stets mit inneren Parteiungen zu kmpfen, und der Druck der Steuern erregte solche Unzufriedenheit, da er 1843 zur Flucht nach Jamaica genthigt und abgesetzt wurde. Im Jahre 1844 ri sich der ehemals spanische Antheil der Insel unter dem Namen Republik Santo Domingo" oder dominicanische Republik" von Haiti los und bildete unter dem Mulatten Santana einen eigenen Staat. In Haiti erklrte sich der Negergeneral Soulouque im Jahr 1849 unter dem Namen Faustini. zum Kaiser und lie sich am 18. April 1852 krnen. Sein Hofwesen war dem Napoleons I. nachgebildet ; er ernannte Fürsten, Herzoge (z. B. von Marmelade, von Limonade, von gefrorenen Bonbons), Grafen (z. B. von der Spritze, vom Diamanten), Barone und Ritter. Die immer zunehmende Schuldenlast unter seiner Regierung fhrte
*) Man hatte ihm die Gunst gewhrt, nicht nach seinem Gesichte zu zielen, weil er wnschte, da man seine Leiche seiner Familie mg-lichst ohne Entstellung ausliefere. Er hatte jedem Soldaten des Exe-cutionscommaudos ein Geschenk von 20piastern ausgesetzt und auch die Shne des Generals Miramon in seinem Testamente freigebig bedacht.
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Extrahierte Personennamen: Maximilian Maximilian Maximilian Maximilian Maximilian Maximilian Santana Faustini Napoleons_I.
Extrahierte Ortsnamen: West'ndien Haiti Jamaica Haiti Haiti Negergeneral_Soulouque Napoleons
153 -
Glaubenssachen entschieden. Nach dem Untergange des oft-rmischen Reiches ist Moskau der Mittelpunkt der griechischen Kirche, der Czar das Oberhaupt aller ihrer Bekenner gewor-den und sein Beruf, die durch Nationalitt und Religion der-wandten Slavenstmme zu einem Ganzen zu vereinigen. Solche Ideen, wenn auch zum grten Theile der Phantasie an-gehrig, muten doch bei der damaligen Weltlage beunruhigend wirken und Unsicherheit und Besorgni bei den Regierungen hervorrufen, die aus Furcht vor der Revolution der russischen Politik zugefhrt wurden. Rulands Uebergewicht auf dem Continente war entscheidend.
Auf ganz anderen Grundlagen beruhte Englands Gre. Durch seine geographische Lage, seinen Reichthum, seine See-macht, durch seine freie Verfassung, die in das Wesen der Bevlkerung bergegangen war, bildete es dem russischen Ab-solutismus gegenber einen natrlichen Gegensatz. England und Rußland muten einander nothwendig berall entgegen-treten. _ Im Kaukasus, in Canada und Afghanistan bekun-deten sich die Aeuerungen eines Antagonismus, der frher oder spter zu einem entscheidenden Zusammensto führen mute.
Xv.
Die revolutionren Bewegungen in Deutsch-land. bestreich und Preußen.
Die Julirevolution wurde auch fr Deutschland ein folgenschweres Ereigni. Ihre grte Bedeutung lag in-dessen darin, da sie auf den Umschwung der Ideen wirkte; tatschlich wurden nur einige deutsche Staaten zweiten und dritten Ranges davon berhrt.
Der Herzog Friedrich Wilhelm von Braunschweig, der am 16. Juni 1815 in der Schlacht von Quatre Bras fiel, hatte zwei minderjhrige Shne, Karl und Wilhelm, hinter-lassen, von denen der ltere ihm in der Regierung folgen sollte. Der damalige Prinz-Regent von England, nachmalige König Georg Iv., der zugleich König von Hannover war,
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Extrahierte Personennamen: Friedrich_Wilhelm_von_Braunschweig Friedrich Wilhelm Karl Karl Wilhelm Georg_Iv.
Extrahierte Ortsnamen: Moskau Englands England Kaukasus Canada Afghanistan Deutsch-land Deutschland England Hannover
55
ding in die Stadt schaffen oder den Flammen übergeben
sollte, trat Laokoon, ein Priester des Apollo, in ihre Mitte
und ries: „Unselige Mitbürger, welcher Wahnsinn treibt euch?
Meint ihr, die Griechen seien wirklich davongeschifft, oder eine
Gabe der Danaer verberge keinen Betrug? Kennt ihr den
Odysseus so? Entweder ist eine Gefahr in dem Rosse ver-
borgen, oder es ist eine Kriegsmaschine, die von in der Nähe
lauernden Feinden gegen unsere Stadt angetrieben werden
wird! Was es aber auch sein mag, traut dem Thiere nicht!"
Mit diesen Worten stieß er eine mächtige eiserne Lanze, die
er einem neben ihm stehenden Krieger entriß, in den Bauch
des Pferdes. Der Speer zitterte im Holz und aus der Tiefe
tönte ein Wiederhall, wie aus einer Kellerhöhle. Aber der
Geist der Trojaner blieb verblendet.
Inzwischen zogen einige Hirten unter dem Bauche des
Rosses einen Griechen hervor, der auf den Rath des schlauen
Odysseus zurückgeblieben war, um durch eine ersonnene Er-
zählung die Trojaner über die Bestimmung des Pserdes zu
beruhigen und um so sicherer ihrem Verderben entgegen zu
führen. Vor den König Priamos gebracht, streckte Sinon,
so hieß der Grieche, flehend die Hände gen Himmel und
rief unter Schluchzen: „Wehe mir, welchem Lande, welchem
Meere soll ich mich anvertrauen, mich, den die Griechen aus-
gestoßen haben, und die Trojaner niedermetzeln werden!"
Diese Seufzer rührten die Jünglinge selbst, die ihn Anfangs
als Feind gepackt und roh behandelt hatten. Alle Krieger traten
theilnehmend herzu und hießen ihn sagen, wer und woher
er sei, auch guten Muthes sein, wenn er nichts Feindliches
im Sinne führe. Jener ließ die erheuchelte Furcht endlich
fahren und sprach: „Ich bin ein Argiver, das will ich ja
nicht leugnen: wenn Sinon auch unglücklich ist, so soll er
doch nicht zum Lügner werden. Vielleicht habt ihr etwas
von dem Fürsten Palamedes gehört, der von den Griechen
auf Odysseus Anstiften abscheulicher Weise gesteinigt wurde,
weil er den Feldzug gegen eure Stadt mißrieth: als sein
Verwandter zog ich in diesen Krieg, arm und nach seinem Tode
ohne Stütze. Und weil ich es wagte, mit Rache für die Er-
mordung meines Vetters zu drohen, zog ich den Haß des
falschen Odysseus auf mich und wurde diesen ganzen Krieg
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74
weiden, deren Zahl nie abnimmt. Wenn du diese Heerden
unverletzt erhältst, dann möget ihr, obschon unglücklich, nach
Jthaka kommen: wenn du sie aber verletzest, dann weissage
ich dir Verderben sammt deinen Freunden, und wiewohl du
auch selbst entrinnst, wirst du doch spät, unglücklich, und von
allen Genossen entblößt heimkehren."
Unter dieser Erzählung erschien die Morgenröthe. Kirke
ging nach ihrem Palaste zurück, und Odysseus eilte zu seinen
Gefährten. Bald saßen sie auf den Ruderbänken, und von
Kirke mit günstigem Fahrwinde geleitet, glitt das Schiff auf
dem Meere dahin. Odysseus theilte seinen Freunden mit,
was ihm Kirke von den Sirenen erzählt hatte, und als das
Schiff sich ihnen näherte, verklebte er seinen Gefährten die
Ohren, sich selbst aber ließ er an Händen und Füßen fest-
binden und um den Mast schlingen. Schon hörte er den
Gesang der Sirenen, die dem Odysseus zuriefen: „Komm,
preiswürdiger Odysseus, lenke das Schiff dem Lande zu, um
unsere Stimme zu vernehmen. Keiner fuhr noch vorüber,
ohne unsern süßen Gesang gehört zu haben, und dann kehrt
er fröhlich und mit höherem Wissen begabt zurück. Denn
wir wissen, was die Griechen und Troer in den Ebenen
Troja's geduldet haben, wir wissen Alles, was aus der nah-
rungssprossenden Erde geschieht."
Jetzt erwachte in Odysseus die Begierde, die Stimme
der Sirenen in der Nähe zu hören, und er gebot den Freun-
den, ihn zu lösen, doch diese legten ihn schnell in noch festere
Bande. So segelte das Schiff glücklich vorbei und Odysseus
nahm den Freunden das Wachs aus den Ohren.
Bald hörten sie, weiter fahrend, das dumpfe Getöse des
brausenden Strudels der Charybdis, und vor Schrecken ent-
fielen die Ruder den Händen der Griechen. Odysseus er-
muthigte sie und befahl dem Steuermann fern von dem
Strudel nahe dem Felsen das Schiff vorbeizulenken: von
der Skylla aber sagte er ihnen nichts. Jetzt standen sie in
der Enge des Meeres: hier drohete Skylla, dort die grausige
Charybdis, und während die Blicke der Griechen auf letztere
gerichtet waren, hatte Skylla schon sechs der tapfersten Ge-
fährten aus dem Schiffe geraubt. In den Lüsten schwebend,
mit Händen und Füßen zappelnd, riefen die Armen den
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133
trat in die Versammlung und verkündigte den Befehl der
Mager. Als Kambyses die Worte des Heroldes vernahm,
meinte er, er spräche die Wahrheit, und glaubte sich von
Prexaspes, den er hingeschickt hatte, seinen Bruder Smerdis
zu tödten, hintergangen, und sprach: „Prexaspes, hast du
mir also das Geschäft ausgerichtet, das ich dir auftrug?"
Dieser aber sprach: „Herr, das ist nicht wahr, daß dein
Bruder Smerdis sich wider dich empört hat, denn ich selbst,
nachdem ich deinen Befehl vollzogen, habe ihn mit eigenen
Händen begraben." Bald kam Prexaspes der Sache auf
den Grund, und auch Kambyses sah ein, daß sich der Mager
Patizeithes und sein Bruder Smerdis wider ihn empört
hatten.
Jetzt gedachte Kambyses seines Traumes, wie Smerdis
auf dem königlichen Throne säße und mit dem Haupte den
Himmel berühre. Er beweinte den Tod seines Bruders und
brach gegen die Mager nach Susa auf. Als er sich auf das
Pferd schwang, ging der Beschlag an seiner Dolchscheide ab,
und der entblößte Dolch fuhr ihm in den Schenkel. Da
ihm der Stoß tödtlich schien, erkundigte er sich nach dem
Namen der Stadt und erfuhr, daß sie Ekbatana heiße.
Nun sah er ein, daß eine Weissagung, er werde in Ekbatana
sterben, in Erfüllung gehe. Er aber glaubte, daß er in seiner
Hauptstadt Ekbatana in Medien sterben würde, während
die Weissagung Ekbatana in Syrien meinte. Zwanzig Tage
nach seiner Verwundung berief er die Perser zu sich und
ließ sie schwören, nicht zuzugeben, daß die Herrschaft wieder
an die Meder komme. Bald darauf starb er. Prexaspes
aber, für den es nach dem Tode des Königs gefährlich war,
den Mord des Smerdis zu gestehen, läugnete hartnäckig die
That.
Xv.
Dareios, Sohn des Hystaspes.
(522—486 v. Chr.)
Nach dem Tode des Kambyses herrschte der falsche
Smerdis (Pseudo-Smerdis) sieben Monate lang und bewies
gegen alle seine Unterthanen eine außerordentliche Milde,
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167
der Frauen und gegen die Umarmung der Kinder nach der
Insel Salamis übersetzten. Sogar die Hausthiere liefen
neben ihren Herren einher und wollten sich nicht von ihnen
trennen. Ein Hund stürzte sich ins Meer und schwamm dem
Schiffe seines Herrn nach, bis er die Küste erreichte und vor
Erschöpfung todt nieder fiel.
Zu der Flotte bei Salamis stieß jetzt auch die übrige
Seemacht der Griechen, so daß sich die Zahl der Schiffe auf
378 belief, von denen die Athener die meisten und besten y Z'
Segler stellten. Während nun die Obersten der einzelnen
Städte sich beriethen, an welchem Orte die Schlacht zu liefern
sei, und die meisten nach dem Jsthmos segeln wollten, kam
ein Mann von Athen mit der Nachricht, der Feind wäre in
Attika eingefallen und verwüstete Alles mit Feuer und
Schwert. Die Perser waren nämlich von Böotien nach Attika
vorgerückt, hatten aber die Stadt leer gefunden. Nur im
Tempel der Burg waren einige Arme und Priester zurück-
geblieben, die das Thor vermauert und Verhacke gemacht
hatten, um die Andringenden abzuwehren. Die Perser besetzten
den Areopag und schossen von da aus brennende Pfeile nach
der Burg; dennoch vertheidigten sich die Athener hartnäckig
und wälzten ungeheure Steine auf die anrückenden Perser,
bis diese auf einem unbewachten Zugänge die Burg er-
stiegen. Hier erschlugen sie die Schützlinge im Heiligthume
der Göttin, und steckten dann Burg und Tempel in Brand.
Diese Nachricht versetzte die Griechen in solche Angst,
daß einige Anführer sofort nach ihren Schiffen eilten, um
davonzufahren, die übrigen aber eine Schlacht zu liefern be-
schlossen. Themistokles sah ein, daß durch diesen Beschluß
die verbündete Seemacht zerstreut und das Vaterland dem
Untergange entgegen geführt würde. Er begab sich daher
zu Eurybiades und suchte ihn zu überzeugen, wie nothwendig
es sei, bei Salamis zu bleiben und hier die entscheidende
Schlacht zu liefern. In dem Kriegsrathe hielt Themistokles
eine lange Rede, da unterbrach ihn der Korinthische Anführer
Adimantos mit den Worten: „Themistokles, in den Kampf-
spielen werden die mit Ruthen gestrichen, die sich zu früh er-
heben." „Ja," antwortete Themistokles, „aber die dahinten
bleiben, werden nicht gekrönt." Als jener aber behauptete,
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Extrahierte Personennamen: Themistokles
Extrahierte Ortsnamen: Salamis Salamis Athen Attika Attika Burg Salamis
3
5) Phoci s, mit dem berühmten Orakel von Delphi,
den Städten Kr iss a und Elatea;
6) das östliche Lokris;
7) Böotien mit den berühmten Orten Theben,
Aulis, Platäa, Tanagra, Haliartus,
Chäronea, Koronea, Leuctra u. a.;
8) Attira mit der berühmten, durch bewundernswürdige
Kunstwerke geschmückten Hauptstadt Athen, die durch
die langen Mauern mit den Häfen Piräeus und Pha-
leron verbunden war; ein dritter Hafen Athens war
Munychia. Andere Städte waren Marathon und
Eleusis;
9) Megaris, auf der Landenge zwischen dem korinthischen
und saronischen Busen, mit der Hauptstadt Megara.
Südgriechenland oder der Peloponnes (Morea) umfaßte
folgende neun Landschaften:
1) Korinth mit der gleichnamigen Stadt an der Land-
enge, dem Isthmus;
2) Sicyon;
3) Phlius;
4) A ch a j a;
6) Elis, mit dem berühmten Haine von Olympia am
Alpheus, wo ein Tempel des Zeus stand mit der von
Phidias aus Gold und Elfenbein gefertigten Bildsäule
des Gottes, und wo die berühmten olympischen Spiele
gefeiert wurden:
6) Messenien, mit dem Hafen Pylos und den Berg-
festen Ira und Jthome;
7) Laconien, mit der Hauptstadt Sparta am Flusse
Eurotas;
8) Argolis, mit den Städten Argos, Mycenä,
Tr ö zen;
9) Arcadien, mit den Städten Mantinea, Orchome-
nos, u. a.
Im Nordwesten Griechenlands, im jonischen Meere, liegen
die jonischen Inseln, von denen Jthaka als Heimath des
Odysseus, in späterer Zeit Korcyra, berühmt waren. Im
Osten der Halbinsel liegt das ägäische Meer, (Archipelagus
1 *
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