§. 62. Kampf der Plebejer mkt den Patriziern um Rechtsgleichheit. 57
Die eigentliche Seele des Staats aber war der Senat, welcher
die Aufsicht über die Staatsgewalt und den Cultus, das Recht der Ge-
setzvorschläge und die Entscheidung über Krieg und Frieden hatte.
Tarquinius aber wollte die Wiedergewinnung seines Thrones nicht
unversucht lassen; er wiegelte zuerst die Vejenter, dann den König Por-
se n n a von Clnsiu m zum Krieg gegen Rom auf. Letzterer hatte die Stadt
beinahe erobert, wenn nicht Horatius Cocles mit außerordentlicher
Tapferkeit die Brücke über die Tiber vertheidigt hätte. Von dem schmerz-
verachtenden Mnthe des Mucius Scävola erschreckt, zog er wieder ab.
Nochmals versuchte es Tarquinius, mit Hilfe der Latiner Rom zu
gewinnen. Sie wurden aber von dem Dictator Aulus Posthum ins
am See Regillus (466 v. Ehr.) so aufs Haupt geschlagen, daß Tar-
quinius nun alle Hoffnung aufgeben mußte, und die Latiner sich wieder
mit Rom verbündeten.
Die Last dieser langwierigen Kriege lag besonders schwer auf den
Plebejern, welche während derselben tief in Schulden geriethen und nach
abgewendeter Gefahr von den hartherzigen patrizischen Gläubigern durch
Dienstbarkeit, Gefängniß und Schläge mißhandelt wurden.
Als man die ihnen in der Noth versprochenen Erleichterungen nach
errungenem Siege nicht gewähren wollte, veranstalteten sie im Jahr 404
den Auszug auf den heiligen Berg und verschanzten sich dort.v.chr
Da waren die stolzen Patrizier zum Bitten und Unterhandeln genöthigt.
Menenius Agrippa bewog sie zwar (durch seine Fabel von der Em-
pörung der Glieder gegen den Magen) wieder in die Stadt zurück zu
kehren, aber nur gegen Gewährung bedeutender Erleichterungen und ei-
gener Vorsteher und Beschützer, die den Titel Djolkstribunen erhielten.
Die Dolkstribunen (zehn an der Zahl) waren unverletzlich, wurden
jedes Jahr vom Volke gewählt, konnten jeden Plebejer gegen Ungerechtigkeit
schützen und jeden Vorschlag des Senats, der ihnen volksschädlich däuchte, durch
ihren Einspruch (Veto!) zurückweisen.
Diese Rechte suchte der Patrizier Marcus Coriolnnus den Ple-
bejern während einer Hungersnoth wieder zu entreißen, indem er vor-
schlng, ihnen nur um diesen Preis das vorhandene Getreide abzngeben.
Als er deshalb auf den Tod angeklagt wurde, floh er zu den Vols-
kern und führte sie gegen Rom. Auf die Bitten seiner Mutter und
Gattin ließ er sich jedoch bewegen, wieder abzuziehen und starb in der
Fremde.
2. Kampf der Plebejer mit den Patriziern um Rechtsgleichheit.
8> 62. Unter fortwährenden Kriegen mit den umliegenden Völkern dauerte
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•I
Zweite Abtheilung.
Geschichte -er Welt nach Christus.
I. Die römische und christliche Welt in den ersten vier
Jahrhunderten.
I. Das römische Kaiserreich seit Auguftus bis
Constantin.
D t t t m a r's histor. Atlas. Tas. Vii. u. Vi. b
1. Das Christenthum und seine beginnende Verbreitung.
§. 78. Machdem die Heiden sich aus ihren eigenen Wegen abgemüht hatten,
das verlorne Heil zu finden, und das Sehnen nach Erlösung, wenn
auch dunkel und unbewußt, immer stärker wurde; während die Juden
unter dem schweren Joch des Gesetzes seufzten, das sie nicht erfüllen
konnten, und nach dem verheißenen Messias, wenn auch zum größereu
Theil mit sehr irdischeu Hoffnungen ausblickten: — da wurde unter der
Regierung des Kaisers Augustus, zur Zeit des Königs Herodes, Jesus
zu Bethlehem im jüdischen Lande aus deni im Laufe der Zeit herabge-
kommenen königlichen Geschlechte David's geboren.
Aus den Nachstellungen des Herodes errettet, wuchs er in der Stille
auf bis zu seinem 30. Jahre, in welchem er nach überwundener Ver-
suchung-sein Lehramt antrat, indem er zur Buße und zum Glauben an
das Evangelium aufforderte. Von seinen zwölf Jüngern begleitet, zog
er drei Jahre lang im jüdischen Lande umher, predigte Dom Reiche
Gottes und beglaubigte sich durch Wunder und Zeichen als den Sohn
des lebendigen Gottes.
Aber die Seinen nahmen ihn nicht auf; Israel im Ganzen
verwarf ihn und brachte ihn zum schmählichen Kreuzestod, den er als
Priester und Opfer in Einer Person zur Versöhnung der Sünden der
ganzen Welt erduldete. Nach drei Tagen jedoch erstand er wieder vom
Tode, befahl seinen Jüngern das Evangelium allen Völkern zu ver-
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Extrahierte Personennamen: Christus Constantin Augustus Augustus
Extrahierte Ortsnamen: Bethlehem Gottes Gottes Israel
78
§. 79. Die Germanenwelt zur Zeit des Augustos.
Leibeigenen hatten gar kein eigenes Recht. Bei vielen germanischen
Stämmen fand stch ein Adel, aus welchem die Graven oder Gaurichter,
die Herzoge oder Kriegsführer und die Oberpriester gewählt wurden.
Jeder Germane baute sich seine Wohnung auf feinem Grundeigentum.
Seine Beschäftigung war Viehzucht und Jagd, als Vorübung für den Krieg.
Denn Krieger zu seyn und nicht auf dem Bette, sondern im Kampfe zu
sterben, war der höchste Ruhm und Wunsch.
Dazu wurden auch die Knaben von frühester Jugend an gewöhnt und
erzogen. Hatte der Jüngling ein gewisses Alter erreicht, so wurde er für
wehrhaft erklärt und empfieng in feierlicher Versammlung die Waffen,
welche er nie mehr ablegte.
Erst spät, selten vor dem 30. Jahre traten die alten Deutschen in die
Ehe und erwiesen ihren Frauen eine Achtung, wie man sie bei keinem an-
dern Volke traf, wogegen auch die Frauen ihren Männern mit unwan-
delbarer Treue anhiengen.
Ihre Nahrung war einfach und naturgemäß. Fleisch und Milch bil-
deten die Hauptnahrung, Bier, aus Gerste und Hafer bereitet, ihr Lieb-
lingsgetränk. Wenn Krieg oder Jagd zu Ende waren, so lagen sir auf
ihrer Bärenhaut und verkürzten sich die Zeit mit Trinken und Spielen,
den beiden Hauptuntugenden der alten Deutschen. Das Würfelspiel be-
sonders trieben sie mit solcher Leidenschaft, daß mancher seine eigene Per-
son und Freiheit auf den letzten Wurf setzte, und sich dann, wenn er ver-
loren, freiwillig in die Knechtschaft ergab. „Das nennen sie Treue!"
setzt der Römer Tacitus hinzu.
In Beziehung auf Kleidung und Bewaffnung waren sie sehr-
sorgfältig. Der Schmuck der Frauen war ihr langes Haar und ihr selbst-
gewobenes Linnengewand mit dem Gürtel; der Mann trug Felle wilder
Thiere oder künstliche Rüstungen aus Eisen und Stahl.
Die Grundzüge ihrer Religion sind in der Edda, einer Sammlung
altnordischer Sagen, enthalten. Ueber dem ganzen All steht der sich selbst
gleiche Schöpfer, A llfa d ur, aus welchem ein Göttergeschlecht und die Welt
hervorgieng. An der Spitze des erstern steht Odin (Wodan). Beide
aber, die Götter und die Welt, sind nicht ewig, sondern werden einst von
Allfadur zertrümmert, worauf er eine neue Welt schaffen wird, in welcher
kein Uebel mehr ist.
Gegen dieses ihnen so gefährliche Volk suchten die Römer mit aller
Macht die Rheingrenze zu befestigen und legten daselbst viele Castelle
an. August's edler Stiefsohn Drusas drang in den Jahren 12 — 9 v.
Chr. viermal in das Innere Deutschlands ein, starb aber in Folge eines
Sturzes mit den: Pferd auf dem Rückzuge von der Elbe.
Sein finsterer Bruder Tiberius unterwarf mehr durch Arglist als
Tapferkeit den Nordwesten Deutschlands voin Rhein bis zur unteren
Elbe, und es schien, als wollten sich die Deutschen das römische Joch
recht gerne gefallen lassen, das ihnen der Statthalter Saturninus
durch freundliche Behandlung annehmlich zu machen suchte. Als aber
sein Nachfolger Quinctilius V arus sie durch Ruthen und Beile zum
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159
§. 146. Schweden, Polen und Rußland.
schloßen daher allein mit Ludwig den Frieden von Utrecht, 1713
nach welchem Philipp V. als König von Spanien und Indien anerkannt
wurde, jedoch mit der Bedingung, daß Frankreich und Spanien ewig
getrennt bleiben sollten. -
Karl Vi. führte den Krieg fort, verlor aber Landau und schloß nun 1714
den Frieden von Rastadt, worin er die spanischen und einen Theil
der französischen Niederlande, ferner Neapel, Mailand, Mantua und
Sardinien erhielt, die Kurfürsten von. Bayern und Köln aber wieder
in ihre Länder und Würden eingesetzt wurden. Diesep Friede wurde zu
Baden im Aargau auch auf das deutsche Reich ausgedehnt, das
Landau an Frankreich abtreten mußte, aber von ihm Freiburg, Alt-
breisach und Kehl zurückerhielt.
Ein Jahr darnach (1715) starb Ludwig Xiv., nachdem er alle seine
rechtmäßigen männlichen Nachkommen, mit Ausnahme seines 5jährigen
Urenkels, des nachmaligen Ludwigs Xv., hatte vor sich ins Grab
sinken sehen.
11. Schwedens Steigen und Sinken; Polens Verfall und Rußlands Erhebung.
146. Während dieser Kriege im Westen lag auch Schweden mit
Dänemark, Rußland und Polen im Kampfe.
Schweden war durch den westphälischen Frieden die erste nordische Macht
geworden, hatte aber theils von dem begehrlichen Adel, theils von der Will-
kühr und Verschwendung der Königin Christine, der geistvollen, aber un-
weiblichen Tochter Gustav Adolf's, viel zu leiden. Diese hatte 1644 die Re-
gierung übernommen, gab sich aber lieber wissenschaftlichen Beschäftigungen
hin und vernachlässigte die Regierungsgeschäfte. Sie verkaufte in ihrem Hang
zur Verschwendung viele Krongüter und neigte sich zur katholischen Religion,
so daß ein allgemeines Murren entstand. Da entsagte sie 1654 der Regie-
rung und übergab dieselbe ihrein Vetter Karl X. Gustav von Pfalz-
Zweibrücken, trat dann zu Innsbruck öffentlich zum Katholizismus über und
lebte noch lange in Rom im Umgang mit Männern der Wissenschaft.
Karl X. machte sich durch einen Krieg mit dem Polenkönig Johann
Casimir Schweden gefürchtet, und gewann von Dänemark mehrere In-
seln und einen Theil von Norwegen. Sein Nachfolger Karl Xi. erhielt
Schweden in gleichem Umfang, demüthigte den anmaßenden Adel, hob
Handel und Gewerbe und brachte sein Land zu größer Blüthe.
Sein Sohn Karl Xii. war bei des Vaters Tod noch minderjährig,
und so schien sich seinen Feinden eine Gelegenheit zu bieten, Schwedens
Macht wieder zu brechen. Dies versuchte zuerst Rußland.
Nußland war vom Jahr 1598 an, wo der Mannsstamm Ru-
ricks erlosch, durch Thronstreitigkeiten in große Verwirrung gestürzt
worden, bis mit der Erwählung Michaels Iii.
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Extrahierte Personennamen: Ludwig Ludwig Philipp_V. Philipp_V. Karl_Vi Karl Diesep Ludwig_Xiv. Ludwig_Xiv. Ludwigs_Xv. Ludwigs_Xv. Christine Gustav_Adolf's Gustav Karl_X Karl Gustav_von_Pfalz- Gustav Karl_X Karl Johann
Casimir_Schweden Johann Karl_Xi Karl Karl_Xii Karl Schwedens
Extrahierte Ortsnamen: Polen Utrecht Spanien Indien Frankreich Spanien Landau Niederlande Neapel Mailand Mantua Sardinien Baden Landau Frankreich Freiburg Kehl Schwedens Schweden Polen Rom Norwegen Schweden Michaels
176
§- 156. Napoleons Herrschaft.
larid ein, nahm ein österreichisches Heer unter Mack bei Ulm gefangen,
besetzte Wien und nöthigte durch feinen Sieg bei Austerlitz Oe-
sterreich zum Frieden von Preß bürg und zzrr Abtretung von
Venedig und Tyrol.
Darauf machte Napoleon seinen Bruder Joseph zum König von
Neapel, und seinen Bruder Ludwig zum König von Holland, stiftete
1806den Rheinbund, um Deutschland zu unterjochen, und führte dadurch
die Auflösung des fast 1060jährigen römisch-deutschen Reichs
herbei.
Da erklärte ihm Preußen den Krieg, wurde aber durch die unglück-
liche Doppelschlacht bei Jena und Auerstädt (14. Okt. 1806),
durch die Besetzung Berlins, und die Schlacht bei Friedland (9. Juli
1807) zum Frieden von Tilsit gezwungen, in welchem Friedrich
Wilhelm Iii. von Preußen sein halbes Land verlor, das größ-
tentheils Napoleons Bruder Hieronymus (Jerome) als Königreich West-
phalen erhielt. (Während dieses Kriegs ordnete Napoleon auch die Kon-
tinentalsperre an, durch welche Englands Handel ganz vom Festland
abgeschlossen werden sollte.) Die Engländer aber beschoßen Kopenhagen
und nahmen die dänische Flotte weg, wogegen Napoleon dem mit ihm
verbündeten Schweden Pommern nahm und mit Karl Xiii. Frieden schloß.
Darnach wurde auch das Haus Braganza in Portugal gestürzt, die
Bourbonen in Spanien zur Entsagung gezwungen, und Napoleons
Bruder Joseph als König in Spanien eingesetzt, während Napoleon
seinem Schwager Mürat den Thron von Neapel verlieh. Dagegen
entbrannte ans der pyrenäischen Halbinsel ein allgemeiner Aufstand,
welchen die Engländer mit einem Heer unter Melles ley (dem nach-
maligen Herzog von Wellington) unterstützten. Napoleon mußte
den Kampf in Spanien seinem Bruder überlassen, um gegen Oesterreich
1809 zu ziehen, das chm den Krieg erklärte.
Er siegte mit den Rheinbundstruppen über die Oesterreicher bei Regens-
burg, Landshut und Eckmühl, nahm Wien ein und beendigte, trotz sei-
nes Verlustes bei Asperu, deu österreichischen Krieg durch den Sieg
bei Wagram und den Frieden von Wien.
Oesterreich verlor Salzburg und Berchtesgaden, den größten Theil sei-
ner polnischen, und alle italienischen und dalmatischen Besitzungen. Die
Tyroler erhielten für ihren Aufstand gegen Bayern Verzeihung, ihr Anfüh-
rer Hofer aber wurde 1810 auf Befehl Napoleons erschossen.
Ilm nun seiner Dynastie vor der Welt den Schein der Legitimität zu
geben, vermählte sich Napoleon mit Marie Louise, der Tochter
des Kaisers von Oesterreich (1810), ernannte 1811 seinen aus dieser
Ehe geboruen Sohn zum König von Rom, vereinigte Etrurien, Hol-
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Extrahierte Personennamen: Napoleons Napoleon Joseph Ludwig Ludwig Friedrich
Wilhelm_Iii Friedrich Wilhelm Napoleons Napoleon Napoleon Karl_Xiii Karl Napoleons Joseph Napoleon Napoleon Napoleons Napoleon Marie_Louise
Extrahierte Ortsnamen: Napoleons Wien Venedig Tyrol Neapel Holland Rheinbund Deutschland Jena Berlins Friedland Tilsit Napoleons Englands Schweden Haus_Braganza Portugal Spanien Napoleons Spanien Neapel Wellington Spanien Oesterreich Wien Wien Oesterreich Salzburg Berchtesgaden Oesterreich Rom Etrurien
178 §. 158. Europäische Ereignisse von 1815 bis 1830.
Elba verwiesen, der Bourbon Ludwig Xviii. eingesetzt und Frankreich
ans seine Grenzen von 1792 zurückgeführt.
Während aber der Wiener Cvngreft die Verhältnisse Europa's
ordnen wollte, landete Napoleon wieder in Frankreich (den 1. März
1815), wurde mit Begeisterung von: Heer empfangen und stellte das Kai-
serthum wieder her. Aber schon nach 100 Tagen wurde seine Herrschaft
durch die Schlacht bei Waterloo (oder Belle Alliance) am 18. Juni
1813 zertrümmert, er selbst als Gefangener Europa's nach der Insel Helena
geführt, wo er am 5. Mai 1821 starb.
Frankreich wurde durch den zweiten Pariser Frieden (1815) aus
die Grenzen von 1790 beschränkt, mußte 700 Millionen Franken Kriegsent-
schädigung zahlen und 5 Jahre lang in 17 Grenzfestungen ein Bundesheer
aufnehmen. Ludwig Xviii. wurde wieder eingesetzt, die Familie Bonaparte
bei Todesstrafe aus Frankreich verbannt.
Die Wiener Congreßacte aber ordnete die europäischen Staaten-
vcrhältnisse wieder, jedoch in Beziehung aus Deutschland nickt auf eine
solche Weise, welche dem Vaterlandsfreunde genügen konnte, indem z. B.
der Antrag Preußens, Lothringen und das Elsaß sammt Straßburg wie-
der mit Deutschland zu vereinigen, an dem Widerstande Englands und
Rußlands scheiterte.
Sämmtliche (38) Staaten Deutschlands wurden zu dem deutschen Bund
vereinigt, welcher durch den Bundestag zu Frankfurt repräsentirt wird.
6. Die europäischen Ereignisse von 1815 bis 1830.
§. 158. Die Gerichte Gottes, welche über Europa hingegangen waren,
bewogen die Monarchen von Oesterreich, Preußen und Rußland zur
Stiftung des heiligen Bundes, in welchem sie sich verpstichteten, ihre
Völker dem Evangelium gemäß zu regieren und sich gegenseitigen Bei-
stand zu leisten.
Allgemein wirkten die bittern Erfahrungen ein Sehnen nach Umkehr
zu dem im Christenthume liegenden Heil; und während das Papstthum
durch Wiederherstellung des Jesuitenordens und anderer religiösen Institute
seinen früheren Einstnß zu gewinnen suchte, fieng die protestantische Kirche
an, wieder durch schriftgemäßere Verkündigung der evangelischen Lehre, durch
Bibelverbreitung, M i ssion s th ä ti gkeit und Errichtung von An-
stalten christlicher Liebe das neucrwachtc Glaubcnsleben zu fördern. In Be-
ziehung aus das politische Leben suchte man das Heil in der Veränderung der
Staatsverfassungssorm, besonders in der c o n st i t uti o n ellen Monar-
chie, und so traten in verschiedenen Ländern neue Constitutionen ins Leben.
Während aber auf der einen Seite Rückgriffe zu unumschränkter
Herrschaft versucht wurden, brach das verborgene Feuer der Revolution
in Spanien und Portugal, Neapel und Piemont von Neuem
1820—1821 aus, wurde aber durch österreichische und französische Heere
wieder gedämpft.
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Extrahierte Personennamen: Ludwig_Xviii Ludwig Napoleon Helena Ludwig_Xviii Ludwig
Extrahierte Ortsnamen: Elba Frankreich Frankreich Frankreich Frankreich Deutschland Lothringen Deutschland Englands Deutschlands Frankfurt Gottes Europa Oesterreich Christenthume Spanien Portugal Neapel
180 §. 160. Ein Blick auf die nächste Vergangenheit, Gegenwart u. Zukunft.
mengetrctene Nationalgarde, — einem Kampfe, der Karl X. seine Krone kostete.
— Er und seine Familie wurden aus Frankreich verbannt, und der Sohn des
1793 guiüotinirten Herzogs von Orleans (Egalité), Ludwig Philipp,
wurde zum erblichen König der Franzosen erklärt, und beschwor
am 7. August die neue Charte. .
Noch int August desselben Jahrs erhoben sich die belgischen (katho-
lischen) Provinzen des Königreichs der Niederlande gegen das Haus
Oranien, woraus sie von Holland getrennt, und als neutrales Kö-
nigreich anerkannt wurden, dessen Krone der Prinz Leopold von
S a ch s e n - K o b u r g erhielt (1831).
Im Nov. 1830 brach der Aufstand in Polen aus, das sich von
Rußland lossagte. Der polnische Commaànt Scrzynecky siegte wohl
anfangs, unterlag aber nachher bei Ostrolenka; Paskewitsch erstürmte
Warschau und Polen wurde Rußland einverleibt (1832). Auch
in Parma, Modena und dem Kirchenstaate erfolgten 1830 Aufstände,
wurden aber bald unterdrückt.
In Deutschland, wo verschiedene Staaten sich Constitutionen gege-
den hatten, entstanden zur Förderung der Nolksfreiheiten geheime
Vereine, welche aus Veranlassung der Ermordung Kotzebne's (1819)
entdeckt und mit Strenge unterdrückt wurden. Der Einfluß der fran-
zösischen Julirevolution führte auch in Deutschland zu Unruhen, und zwar
in Braunschweig, Sachsen, Hessen-Cassel und Hannover, und diese hatten
die Einführung von Constitutionen zur Folge, woraus auch Preußen
eine Provinzial-Ständeverfassung gab und Oesterreich 1832 seine alten
Landstände erneuerte.
8. Ein Blick aus die nächste Vergangenheit, aus die Gegenwart und auf die
Zukunft.
§. 160. Aoch aber glomm das Feuer unter der Asche fort, und weder
die verschiedenen Besprechungen, noch die Wiener Conferen-
zen konnten das rechte Mittel zur völligen Unterdrückung desselben
finden, wenn auch Metternichs Geist, welcher die Glieder des deutschen
Bundes leitete, und Ludwig Philipps Politik, der seinen „Bürgerthron"
mit Gewandtheit festzustellen wußte, den Ausbruch desselben noch ver-
hinderten und eine 30jährige Friedensperiode herbeiführten.
Nur einmal drohte der Bruch derselben, als das Ministerium Thiers
in Frankreich 1810 das alte Gelüsten der Franzosen nach der Rheingrenze
anregte. Aber in jenen Tagen sah dann auch Deutschland, seine Fürsten und
Volker einiger, als je, in dem festen Willen, dem Gelüsten des westlichen
Nachbars mit allem Ernst entgegentreten, so daß in Vielen wieder die Hoff-
nung auf die Wiederherstellung der ehemaligen Größe Deutschlands neu
auflebte.
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Extrahierte Ortsnamen: Frankreich Niederlande Haus
Oranien Holland Polen Warschau Parma Modena Deutschland Deutschland Braunschweig Sachsen Hessen-Cassel Hannover Oesterreich Frankreich Deutschland Deutschlands
182 §. 160. Ein Blick auf die nächste Vergangenheit, Gegenwart u. Zukunft.
Erhebung von Schleswig-Holstein, der Aufstand in Ungarn, der Wiener
Barrikadenkampf, und die Erstürmung der Hauptstadt, worauf Kaiser
Ferdinand die Regierung an seinen Neffen Franz Joseph abtrat, der
eine centralisirende Verfassung gab.
In Frankfurt wurden die Grundrechte und die Reichsver-
fassung festgestellt und König Friedrich Wilhelm Iv. von Preußen
zum Erbkaiser gewählt, der aber die Würde ablehnte. Darauf erhoben
sich demokratische Aufstände in Sachsen, Rheinpreußen, der Pfalz und
Baden, wurden aber durch preußische Heere gedämpft, während der
letzte Rest (die Linke) der Frankfurter Nationalversammlung, die sich als
Rumpfparlament nach Stuttgart übergesiedelt hatte, zur Auflösung ge-
zwungen wurde. Auch der ungarische Aufstand wurde durch österreichische
und russische Heere besiegt.
In Frankreich führte der Staatsstreich vom 2. Dec. 1851
zur Wiederaufrichtnng des b o n a p a r t i st i s ch e n K a i s e r t h u m s, das
sich besonders durch engen Anschluß an England zu erhalten suchte, so
daß die Verbindung dieser beiden Mächte dem europäischen Westen das
Uebergewicht zu geben str-ebt. Zuvor aber waren in Deutschland von
Preußen durch Stiftung der Union und durch den Erfurter Reichs-
tag Versuche zur Gründung eines Bund es staats gemacht worden.
Ein Gegenbündniß von Bayern, Oesterreich, Sachsen, Hannover
und Württemberg aber führte, nachdem die Heere der beiden Großmächte
schon schlagfertig einander gegenüberstanden, zu den Olmützer Puncta-
tionen und zur Rückkehr zum Bundestag.
Ob das, was seitdem zum Ausbau der innern Ordnung der euro-
päischen Staatenwelt angestrebt ward, Bestand haben wird, hängt allein
davon ab, ob Fürsten und Völker in aufrichtiger Buße zu der verlas-
senen Heilsquelle, aus welcher einzig und allein auch alle wahre Frei-
heit stießt, umkehren, und wieder Dem die volle Ehre geben, dem sie
ein von falscher Freiheit bethörtes empörerisches Geschlecht zu nehmen
versucht hat.
Was die in den mittleren Staaten Europas noch bestehende äußere
Ruhe in sich birgt, — ob nicht der um die orientalische Frage schon
so heftig entbrannte Kampf zwischen dein Osten und Westen in einen
gewaltigen, alles erschütternden W e l t k a m p f übergehen wird: das
muß die nächste Zukunft enthüllen, bei deren düsterem, Unheil und
schwere Gewitter verkündendem Dunkel uns nur der Ausblick auf das
Reich Dessen zu trösten vermag, der „allen Gebundenen eine Erledigung,
allen Gefangenen eine Oeffnung" bringt, der da herrschet mitten unter
seinen Feinden, und dem die Heiden zum Erbe, und der Welt Enden
zum Eigenthum gegeben find.
---------------------
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T25: [Kaiser König Reichstag Recht Reich Verfassung Staat Regierung Jahr Fürst], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte]]
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Extrahierte Personennamen: Ferdinand Ferdinand Franz_Joseph Franz Friedrich_Wilhelm Friedrich Wilhelm
Extrahierte Ortsnamen: Schleswig-Holstein Ungarn Frankfurt Sachsen Rheinpreußen Baden Stuttgart Frankreich England Deutschland Bayern Oesterreich Sachsen Hannover Europas
10 §. 5. Stände und Kasten, Priesterstaaten und priesterliche Kriegcrstaaten.
So führten feste Wohnplätze die Sorge für angemessene Kleidung in
den verschiedenen Jahreszeiten und für schützendes Obdach herbei. Es mußten
Flüsse gedämmt, Kanäle zur Bewässerung gegraben, Wälder ausgerottet,
Sümpfe trocken gelegt werden. Auch führte die Beschäftigung mit dem
Landbau nothwendig zur Beobachtung der Gestirne.
Hauptsächlich aber traten bei festen Ansiedelungen die verschiedenen
Stände mehr und mehr auseinander, und auch die vorher genügende
Sitte des Familienlebens reichte zur Lenkung so zusammengesetzter Ver-
bindungen nicht mehr hin. Es entstanden Gesetze, welche inan unter
den Schutz der Religion stellte und sie dadurch heiligte.
So trat der Priesterstand, als der Wächter der Gesetze und
Bewahrer göttlicher Dinge in die erste Reihe und es bildete sich ganz
natürlich die theokratische oder hierarchische Staatsform. Je
«lehr aber das Volk und mit ihm auch die Priester selbst die tiefere
Bedeutung ihres Gottesdienstes verloren, desto mehr suchten letztere die
bürgerlichen und religiösen Kenntnisse als Geheimlehre zu bewahren, in
ihrem Stand zu vererben und sich mit den andern unvermischt zu er-
halten. So entstand die Priesterkaste. Zu gleicher Zeit fchloßen
sich aber auch die übrigen Stände mehr und mehr gegen einander ab,
und gaben so Veranlassung zur Entstehung der übrigen Kasten, von
welchen gewöhnlich die Kri e g e r kast e als die zweite, die L a nd b a u er
als die dritte, die Gewerbetreibenden als die vierte, und —
wo sie vorhanden war — die Hirten als die letzte erscheinen.
Da nun die Theilung der Arbeit unter mehreren Kasten damals der
Vervollkommnung der verschiedenen Bernfsarten förderlich scheinen mochte
und jedenfalls die Fortpflanzung erlangter Einsicht und Geschicklichkeit von
Geschlecht auf Geschlecht sicherte, suchten die Priester die verschiedenen
Kasten durch strenge Gesetze völlig zu trennen, so daß jede Vermischung
als Versündigung erschien, und den Verlust der Kaste nach sich zog.
Solche Staaten, in welchen diese Kasteneinrichtung bestand, nennt man
Priesterstaaten, die zu den ältesten gehören, und sich bei demzend-
volk, den Indern, Alt-Aegyptern und Aethio pen fanden.
Manchmal aber kam es vor, daß die Priester mit der einheimischen oder
eingedrnngenen Kriegerkaste die Herrschaft theilen mußten, und so p r i e st er-
lich e K r i e g e r st a a t e n entstanden, wie bei den spätern A e g y p t e r n,
Chaldäern, Alt-Assy r ern, Alt-M ed ern und Persern.
Im Ganzen beruhte aber die Einrichtung aller dieser Staaten des Al-
terthumö auf dem Stern dienst; ihre staatliche Gliederung sollte ein
Abbild der himmlischen Ordnung seyn, in welcher die Gestirne sich be-
wegen. Aber auch das konnte sie nicht bewahren vor dem Versinken in
eine blos mechanische Ordnung, welche alles freie Leben unterdrückte, was
dann wieder die Folge hatte, daß da und dort kräftige Männer aus der
TM Hauptwörter (50): [T22: [Volk Bewohner Sprache Land Bevölkerung Einwohner deutsche Religion Million Stamm], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte]]
TM Hauptwörter (100): [T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T95: [Bewohner Sprache Volk Land Bevölkerung deutsche Stamm Religion Neger Einwohner], T41: [Staat Recht Volk Adel König Land Verfassung Gesetz Stand Verwaltung], T3: [Lage Karte Land Europa Geographie Klima Größe Verhältnis Grenze Gliederung], T21: [Schnee Winter Wasser Sommer Berg Regen Luft Boden Land Erde]]
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101
K. 102. Die Kreuzzüge.
lichen Mühseligkeiten und Entbehrungen Jerusalem, eroberten es i.j.1099
nach 39tägiger Belagerung mit Sturm, und gründeten das König-
reich Jerusalem, dessen erster König Gottfried von Bouillon unter
dem Titel, „Beschützer des heil. Grabes" wurde. Nach einen, glänzen-
den Sieg bei Askalon über den Vezier des ägyptischen Chalifen starb
Gottftied i. I. 1100, und erhielt seinen jüngsten Bruder Balduin 1.
zum Nachfolger.
Zum Schutze des auf schwachen Füßen stehenden Reiches, dem die
Fürstenthümer Edessa, Antiochia und Tripolis untergeben waren, kamen
von Zeit zu Zeit -neue Zuzüge vom Abendlande; auch bildeten sich zu
diesem Zweck nacheinander drei Ritterorden: der Johanniter-
orden, der Tempelherrnorden und der deutsche Orden, von
welchen der-erste in der Folge der. reichste und mächtigste wurde.
Der Verlust des Fürstenthums- Edessa an den muhammedanischen
Statthalter Zen k,i von Aleppo führte den zw e iten K re nz zu g herbei,! 147
welcher von Ludwig Vii. von Frankreich und Kaiser Konrad Iii. un-
ternommen wurde, aber vorzüglich wegen der Treulosigkeit der palästi-
nischen Christen erfolglos blieb. Ueberhanpt hemmte die Uneinigkeit
derselben und die Eifersucht der Fürsten, so wie der Ritterorden unter-
einander jede gemeinsame Unternehmung. Dagegen bekamen die Mu-
hammedaner an dem durch Tapferkeit, Tugend und Bildung ausgezeich- _
neten Sultan Sa lad in von Aegypten einen starken Halt. Es gelang
ihm, die Christen bei Liberias, zu besiegen und ihnen Jerusalem zu
entreißen, wo er der 88jährigen Herrschaft des Kreuzes ein Ende
machte (1187).
Der Schrecken über Jerusalems Fall trieb die abendländischen Fürsten 1189
zum dritten Keuzzug, den Kaiser Friedrich Barbarossa,
König Philipp August von Frankreich und Richard Löwenherz
von England unternahmen. Aber der Kaiser fand schon in Cilieien
im Flusse Seleph seinen Tod; die beiden Könige entzweiten sich nach
der Eroberung von Accon, so daß Philipp nach Frankreich zurückkehrte;
ebenso verließ der von Richard schwor beleidigte Leopold von Oester-
reich mit den Deutschen das heilige Land. Richard erlangte zwar in
einem Vertrag mit Saladin den Küstenstrich von Joppe bis Accon und
die heiligen Orte mit Ausnahme Jerusalems, gerieth aber auf dem Rück-
weg ins Abendland in die Gefangenschaft Leopolds, der ihn an den Kaiser
Heinrich Vi. auslieferte, aus dessen Hand ihn nur ein ungeheures
Lösegeld befreite. '
Nach mehrern verunglückten Zwischenunternehmungen kam unter dem
Papst Innocenz Iii. der vierte Kreuzzug zu Stande, 1204
ans welchem die Unternehmer unter der Führung Balduin's von
TM Hauptwörter (50): [T11: [Reich König Land Stadt Jerusalem Jahr Syrien Sohn Aegypten Zeit], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
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Extrahierte Personennamen: Gottfried_von_Bouillon Askalon Gottftied Ludwig_Vii Ludwig Konrad_Iii Konrad Friedrich_Barbarossa Friedrich Barbarossa Philipp_August_von_Frankreich Philipp August Richard_Löwenherz Philipp Philipp Richard Leopold_von_Oester- Leopold Richard Leopolds Heinrich_Vi Heinrich Innocenz_Iii Innocenz
Extrahierte Ortsnamen: Jerusalem Jerusalem Antiochia Tripolis Johanniter- Edessa Aleppo Frankreich Liberias Jerusalems England Cilieien Frankreich Joppe Jerusalems Leopolds