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bekommt sie im Frühjahr und verliert sie im Herbst. Sie entwickeln
sich, wie wir auf unsern Spaziergängen gesehen haben, aus den
Knospen. In ihnen schlummern sie, bis die warme Frühlingssonnc
sie zum Leben weckt. Dann wird es ihnen zu eng in ihrem Häus-
chen; sie dehnen und strecken sich, bis die Wände platzen, stecken
zuerst nur vorsichtig die Spitzen heraus und darnach auch all-
mählich die übrigen Theile. Wenn es aber im Herbst wieder an-
fängt, kalt zu werden, so verlieren sie ihre schöne, grüne Farbe,
werden gelb oder roth und lösen sich, welk geworden, nach und nach
von den Zweigen. Dann ist der Winter vor der Thür, der Feld
und Flur und mit ihnen auch den kahl gewordenen Baum mit
Schnee und Eis bedeckt. Nur einige Bäume bleiben auch im
Winter grün. Es sind die Tannen und Kiefern, der Buchsbaum
und die Stechpalme. Erstere kommen dann auch auf den Weih-
nachtstisch und werden festlich von uns geschmückt, wie ihr ja Alle
wißt. Aber hat die Tanne denn auch wirklich Blätter? Hier ist
ein Tannenzweig. Zeigt mir die Theile, welche die Blätter sein
sollen! In wiefern sind sie anders gestaltet, als gewöhnliche
Blätter? Sie sind a. steif, b. lang und schmal, c. spitz. Mit wel-
chem Dinge haben sie etwas Aehnlichkeit? In wiefern sind sie davon
verschieden? Wegen ihrer Aehnlichkeit mit Nadeln nennt man die
Bäume, die solche Blätter tragen Nadelbäume, Nadelholz,
die andern Bäume aber Laubholz. Wohin gehört also die Linde?
die Lärche? die Eiche? der Wallnußbaum? die Kiefer? Wann aber
nennt man einen Wald wol eine Nadelwaldung? wann eine
Laubwaldung?
Von diesem Kirschzweige will ich jedem von euch ein Blatt
geben, damit ihr das Folgende genauer daran erkennen könnt.
a. Theile des Blattes.
Der Stiel, die Ober- und Unterseite, die Spitze, die Kanten,
das Gerippe.
b. Eigenschaften des Blattes.
Es ist grün, spitz, länglich und an den Kanten eingeschnitten.
Hier ist noch für Jeden das Blatt eines Pflaumenbaumes.
Ob ihr dieselben Theile daran finden könnt, wie am Kirschblatt?
Ob es auch dieselben Eigenschaften hat? Sucht denn nun auch die
Verschiedenheiten auf!
Unterscheidung zwischen dem Blatt eines Apfelbaumes
und dem eines Birnbaumes.
1. Das Blatt des Apfelbaumes ist fast überall gleich breit
und nur am Ende etwas zugespitzt; das Blatt des Birnbaumes
läuft von oben an allmählich spitz zu.
2. Derrand desapfelbaumblattes hat größere Einschnitte als der
Rand des Birnbaumblattes; jene sind abgerundet (gekerbt), diese spitz
(gesägt).
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b. Der Stamm. Die Bäumchen an der Chaussee um die
Stadl kannst du mit deinen Händchen umspannen, sie sind noch
dünn. Wenn sie älter werden, wird ihr Stamm auch dicker. Dickere
Stämme haben die Bäume in deinem Garten. Wolltest du sie um-
fassen, so müßtest du deine Arme gebrauchen. Die Linde aus dem
Kirchhof kannst du aber auch nicht umarmen; sie ist zu dick, hat
einen zu großen Umfang. Vielleicht werden zwei oder drei von
euch zusammen sie umfassen können, wenn ihr euch die Hänve reicht
und einen Kreis um sie schließt. Kennt Jemand noch einen andern
Baum, der ungefähr einen ebenso dicken Stamm hat? Im Walde
stehen mitunter noch stärkere Bäume, die dann auch meistens sehr
alt, viel älter als eure Eltern, oft mehrere hundert Jahre alt sind.
Meistens steht der Stamm senkrecht auf der Wurzel. Doch
behält er nicht immer eine gerade Richtung bei, sondern nimmt
eine schiefe oder krumme au. Bei verschiedenen Bäumen ist er auch
verschieden hoch. Bei einigen Apfelbäumen ist er z. B. so niedrig,
daß du schon das Ende mit deinem ausgestreckten Arm erreichen
kannst, bei andern kann ich es kaum. Der Stamm der Pappeln
vor unserm Hause ist aber so hoch, daß selbst der größte Mann ihr
oberes Ende nicht erreichen kann, selbst dann nicht, wenn er auch
eine lange Stange in seiner Hand hat. Aehnlich ist es auch bei
andern Bäumen. Ist der Stamm nun recht hoch und dabei gerade
gewachsen, so nennt man ihn schlank. Bei einigen Baumarten
treffen wir oft schlanke Stämme an, z. B. bei den Tannen und den
Pyramidenpappeln; bei anderen seltener z. B. bei den Eichen.
Der äußere Theil des Stammes heißt die Rinde. Es giebt
Eichenrinde, Birkenrinde, Buchenrinde :c. Sie sitzt nicht blos um
den Stamm, sondern umgiebt auch die Aeste und Zweige und selbst
die Zweiglein. Bei letzteren ist sie aber nur sehr dünn,*) am dick-
sten ist sie am Stamm.**) Sie kann außerdem sein:
glatt (wann ist sie so? bei welchem Baume?),
rissig, z. B. bei dem untern Theil der Birke, bei dem
Stamm der Akazie, der alten Weide re.
gelb, braun, weiß rc.
Mitunter ist sie mit Moos und Flechten bewachsen.***)
Das ist z. B. oft bei der Buche und beim Apfelbaum der Fall.
Unter der Rinde befinden sich zunächst eine Menge Fasern, die
man Jast nennt. Du kannst sie z. B. bei einem Liudenzweige deutlich
sehen.-s) Auch andere Pflanzen haben solche Fasern, namentlich der
Flachsstengel, die Nessel, der Hanf.chch)
Von dem Bast und der Rinde ist das Hol) umgeben. Das
Holz der Tanne heißt Tannenholz, das der Eiche Eichenholz. Von
*) Man zeige Zweige vor und schäle die Rinde davon ab.
**) Auch von der Rinde des Stammes zeige der Lehrer mehrere Stücke, etwa
von der einer Buche, einer Birke rc.
***) Es werde Rinde mit beiden Gewächsen vorgezeigt,
t) Der Lehrer zeige es!
tt) Auch hier bilde die unmittelbare Anschauung den Haupttheil des Unter-
richts!
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tungen. Die Lerche z. B. trillert himmelansteigend ihr munteres
Lied. Da merke der Schüler auf ihren Gesang und lerne ihn von
den Tönen anderer Vögel unterscheiden, so etwa, daß er jedesmal
angiebt, wenn der Schall zu seinem Ohre dringt. Dohlen und
Krähen fliegen krächzend von der Wiese, wo sie sich Nahrung ge-
sucht haben, heimwärts: da lerne er auf ihr eigenthümliches Schreien
und auf ihren eigenthümlichen Flug achten. Mäuse schlüpfen ver-
stohlen von einem Loch zum andern, Käfer und anderes Gethier
ruhen unter Steinen und andern schützenden Gegenständen; Fisch-
te in schwimmen im Bache stromaufwärts und weilen spielend am
plätschernden Wehr rc. Ueberall ist der starre Winter gewichen und
Leben und Bewegung an die Stelle getreten, so daß sich auch hier
ein Beobachtungsfelv darbietet, das die jugendliche Kraft in vollem
Maße in Anspruch nimmt.
In den auf diesen Gang durch die Natur folgenden für die
Heimatskunde angesetzten Stunden stelle der Lehrer eine Repetition
der erhaltenen Eindrücke mit den Schülern an und zwar in dop-
pelter Weise. Einmal lasse er sie der Reihe nach und zwar so viel
als möglich ohne Hülfe, angeben, was sie gesehen und gehört haben.
Es nimmt das zwar etwas Zeit in Anspruch, da sie aber gut an-
gewendet ist und der Lehrer Gelegenheit hat, die Art und Weise
der Anschauung, den Umfang, die Genauigkeit und Vollständigkeit
derselben an seinen Schülern kennen zu lernen, so kann dieser Um-
stand nicht weiter in Betracht kommen. Dann lasse er zweitens
über einzelne Dinge von sämmtlichen Schülern angeben, was sie
daran bemerkt haben, z. B° über die Wiese, über die Bestellung des
Ackers, über die Veilchen rc. Was dabei der Eine nicht weiß, fällt
vielleicht dem Andern ein, namentlich, wenn der Lehrer ein wenig
nachhilft, so daß nach und nach eine kleine Beschreibung, wenn auch
nur in wenigen charakteristischen Zügen, entsteht. Eine solche Be-
schreibung würde sich etwa so ausnehmen:
Die Wiese.
Die ganze Wiese ist mit Gras bewachsen. Viele Halme sind
noch vom vorigen Jahr und sehen daher schmutzig grün und welk
aus. Es sprießen aber auch schon junge Blätter hervor, die kräf-
tig und von schön grüner Farbe sind. Hin und wieder ist auch
schon ein Blümchen zu finden, namentlich das Gänseblümchen, die
Dotterblume (Caltha palustris) und die Kuhblume (Taraxacum
offic.). — Die Wiese liegt niedrig; daher ist es feucht darauf.
An manchen Stellen hat sich.das Wasser zu Lachen und Tüm-
peln angesammelt. Damit es abziehen könne, hat man Gräben,
gezogen, die auch fast ganz damit gefüllt sind. — Mitunter trifft
man Krähen, Dohlen und andere Vögel auf der Wiese. Sie suchen
sich Nahrung, namentlich Gewürm. An den vielen Maulwurfs-
haufen erkennen wir, daß auch in der Erde Thiere leben, vor allem
die Maulwürfe selbst, dann auch Würmer und anderes Gethier, dem
sie nachstellen.