2
Überschau der geographischen Verhältnisse des Reiches.
Deutschlands Wehrmacht zu Land beträgt im Frieden 545 000
Mann = nicht ganz 1% der Gesamtbevölkerung, in Kriegsstärke über
3 Millionen. Tie wird an Zahl nur von jener Rußlands übertroffen.
Auch in der Ausbildung seiner Seestreitkräfte hat es die übrigen Staaten
überholt und wird nur noch von England — von diesem allerdings um ein beträcht-
liches — übertroffen.
Seine wirtschaftliche und militärische Machtstellung sichert dem Reich großen
politischen Einfluß und macht es im Berein mit seinen Verbündeten zu
einem „Schirmer des Friedens" in Europa.
A. Überschau der geographischen Verhältnisse des Reiches.
l. Deutschlands Naturgrenzen.
Der Alpenwall im S., Salzach und Inn, der Böhmerwald, das Erzgebirge
und die Sudeten scheiden Deutschland vom Kaisertum Osterreich, der Wasgenwald
von Frankreich. Im N. sichern es die Nord- und Ostsee. Deutschlands Grenzen
find demnach nur teilweife von der Natur vorgezeichnet. Gegen Rußland, Däne-
mark, Holland, Belgien und zur Hälfte gegen Frankreich, alfo hauptsächlich im No.
und Nw. des Reiches, fehlen natürliche Marken. Deutschlands Grenzfäume find zu-
meist offen, und diefer Umstand begünstigt neben der zentralen Lage des Reiches
in hohem Maß die Ausbildung des deutfcheu Verkehrs.
Deutfchlauds Landgrenzen. Nur % der deutschen Grenzen wird von Gebirgen
gebildet, und auch diese besitzen wieder zahlreiche Lücken oder niedrige, leicht über-
schreitbare Pässe, so daß ihre verkehrshemmende Bedeutung keine allzu beträcht-
liehe ist.
a) Die Alpengrenze. Die Allgäuer und Königsseer Alpen sind im S. durch
hohe Gebirgsriegel abgeschlossen, dagegen zeichnet sich der übrige Anteil der Deutschen
Alpen durch Durchgängigkeit ganz besonders aus. Nach Vorarlberg und der Schweiz
sühren Bodensee und Oberrheintal, nach Tirol Lech-, Isar- und Inntal, ins
Salzburgische das Salzachtal. Den Hauptverkehr trägt heute das Jnntal (Linie
München—innsbruck), das zum Brenner sührt. Nächstdem sind die für dieses
Gebiet wichtigsten Alpenbahnen die Arlbergbahn, die vom Bodensee aus Inns-
brück und den Brenner erreicht, und die Linie München-Salzburg, die in der
Tauernbahn Anschluß nach Kärnten und Trieft findet. Als Touristenstraße ge-
winnt die 1897 neu erbaute Kesselbergstraße steigende Bedeutung, die den Kochel-
und Walchensee miteinander verbindet und wohl eine der schönsten Eingangspforten
in die Alpen überhaupt bildet. — Der Lage vor den großen Alpendurchgängen ver-
dankten die schwäbischen Städte, besonders Augsburg und Ulm, im Mittelalter ihre
hohe wirtschaftliche und geistige Blüte. Ihre Rolle hat heute München über-
nommen.
b) Die bayerisch-österreichische Grenze zwischen den Alpen und dem
Böhmerwald ist völlig offen. Jahrhundertelang bildete sie die breite Durchgangs-
Pforte ostwestlicher und westöstlicher Völkerzüge (Völkerwanderung, Hunnenzug,
Einwanderung der Bayern, Avarenkämpfe, Ungarnkriege, Kreuzzüge, Türken-
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Extrahierte Ortsnamen: England Europa Deutschlands Salzach Böhmerwald Deutschland Frankreich Deutschlands Holland Belgien Frankreich Deutschlands Vorarlberg Oberrheintal Ulm Böhmerwald Bayern
Tie geographische Lage des Deutschen Reiches. 5
vielbenutzte Schienenwege (Gotthard, Brenner, Tauernbahn, Semmering) haben
seinen verkehrshindernden Einfluß bedeutend gemindert. Die unmittelbare Nach-
barschaft der bedeutendsten Kultur- und Handelsstaaten begünstigt in hohem
Maß den Handel und Verkehr Deutschlands.
Dank seiner zentralen Lage in Europa vermittelt Deutschland hauptsächlich
den Warenaustausch zwischen dem industriellen W. und dem vorwiegend ackerbau-
treibenden O. des Erdteils wie den Verkehr zwischen dem germanischen N. und
dem romanischen S. Zwei westöstliche und zwei nordsüdliche Weltverkehrslinien
durchschneiden das Reich in seiner ganzen Ausdehnung, nämlich die Linien: Paris—
Berlin—petersburg (Nordexpreß) und Paris—münchen—wien—konstantinopel
(Orientexpreß); dann die Linien Berlin—münchen—rom (Nord-Südexpreß) und
London—köln—gotthard—genua. Eine wachsende Bedeutung gewinnen diese
Linien durch ihre Anschlüsse im O. und So.
An das russische Bahnnetz schließen sich an:
1. die Transsibirische Bahn mit den Endpunkten Wladiwostok, Dalni
und Port-Arthur am Stillen Ozean,
2. die Linie Samara—orenberg—taschkent,
3. die Transkaspische Bahn mit dem Endpunkt Andischan am Fuß
des zentralasiatischen Hochlands.
Ferner erhält die Orientlinie in Konstantinopel ihre Fortsetzung in den Ana-
wüschen Bahnen und der Bagdadbahn, die den Zweck hat, die fruchtreichen Euphrat-
und Tigrisländer aufs neue der Kultur zu erschließen und eine neue Umlegung des
Wegs nach dem vielbegehrten Indien zu bewirken. Deutschland ist so das wichtigste
Durchgangsland des europäischen Binnenverkehrs.
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Extrahierte Personennamen: Gotthard Andischan
Extrahierte Ortsnamen: Deutschlands Europa Deutschland Berlin—petersburg Nordexpreß Wladiwostok Stillen_Ozean Konstantinopel Indien Deutschland
70 Vergleichende Übersicht der wichtigsten Verkehrs- und Handelswege bis zur Gegenwart.
Bündnis zwischen Lübeck und Hamburg hervorgegangene Hanse eine mächtige
Stellung zur See; sie errichtete Faktoreien in Brügge, London, Pergen und
selbst in Rußland. Demnach bildeten im Mittelalter hauptsächlich das Mittel-
meer, die Nord- und die Ostsee den Schauplatz des Seeverkehrs.
Mit der Ausbreitung des Islams erweiterte sich auch der Landverkehr, Er
erstreckte sich nunmehr vom Sudan bis nach Turan. Zu ansehnlichem Aufschwung
verhalsen ihm dann die Kreuzzüge. Denn der Weg, den die Kreuzfahrer die
Donau abwärts nach Asien und Kleinasien einschlugen, wurde auch zur Handels-
straße, die sich bis nach Indien fortsetzte.
Die meisten Güter nahmen den Weg von Konstantinopel durchs Mittet-
meer nach Genua und Venedig und von dort über die Alpen nach Süddeutsch-
land. Dadurch gewannen die Alpenstraßen die größte Bedeutung sür den Ver-
kehr. Zu den im Altertum bereits bekannten erschloß das Mittelalter die Pässe
über den Mont Cenis und den St. Gotthard; auch benutzten die Warenzüge
der Venezianer und Augsburger Kaufleute vom Etschtal her neben dem Brenner
vielfach den Übergang über die Reschen-Scheideck.
Dem Verkehr in der Richtung von Süd nach Nord dienten außerdem Haupt-
sächlich folgende Wege:
1. die schon im Altertum benutzte Rhone-Saone-Rheinlinie;
2. der aus der Oberrheinischen Tiefebene zur Ostsee führende
Straßenzug (Mainz—frankfurt—kassel—braunschweig—lübeck);
3. die Fortsetzungen der vom Brenner her nach Augsburg ziehenden
Straße. Entweder ging der Verkehr über Ulm und das Neckartal
(Blüte der schwäbischen Städte) zum Rhein und von dort weiter nach
Frankreich und England, oder er führte über Nürnberg und Bam-
berg nordwärts, um einerseits über Kassel nach Nordwestdeutsch-
land, anderseits über Leipzig nach Hamburg und Stettin weiter-
zuführen.
4. Ein Verkehrsweg aus sehr früher Zeit war ferner die Straße Adria
(Venedig)—Wiener Becken—marchtal—mährische Pforte—oder- bzw.
Weichseltal.
5. Im Osten Europas lies vom Kaspischen Meer ein Handelsweg die Wolga
auswärts bis zur Quelle und von hier nach Nowgorod, dem Stapelplatz
der Hanse; er stand wieder über die Ostsee mit Lübeck in Verbindung.
Auf diesem Weg gingen vielfach die Seidenzeuge Chinas und die Ge-
würze Indiens dem w. Europa zu.
Tie wichtigeren w est östlichen Verkehrswege waren:
1. die Donaustraße;
2. die aus dem Sei nebecken nach dem Rhein (Straßburg) und von hier
durch Süddeutschland nach dem Wiener Becken ziehende Straße;
3. die Mainlinie;
4. eine Straße von den belgischen Häfen über Köln, Kassel und Leipzig
nach Breslau;
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Extrahierte Personennamen: Gotthard
Extrahierte Ortsnamen: Hamburg London Rußland Turan Donau Asien Kleinasien Indien Konstantinopel Genua Venedig Nord Altertum Oberrheinischen Ostsee Mainz—frankfurt—kassel—braunschweig—lübeck Augsburg Ulm Rhein Frankreich England Kassel Nordwestdeutsch- Hamburg Stettin Venedig Europas Chinas Indiens Europa Rhein Kassel Leipzig Breslau
156
C. Länderkunde.
Festung Bologna lbolönja^ (15oi mit einer altberühmten Universität. Bei
diesem wichtigen Verkehrsknotenpunkt führt die Bahn über den Apennin.
Ehemals am Meere, jetzt infolge einer Küstenhebung 10 km landeinwärts
liegt Ravenna.
§ 234. c) Das Apenmnland. Der Apennin durchzieht die Halbinfel
und fetzt sich jenseits der Straße von Messina auf der Nordseite von Sizilien
fort. Der mittlere Teil drängt sich hart an das Adriatische Meer. Hier, in
der wilden Doppelkette der Abrnzzen, erreicht der Gran Sasso d'jtalia
(= Großer Fels Italiens) mit 2900 m beinahe die Höhe der Zugspitze.
89. Landschaft aus dem Apennin bei Perugia.
Die mit knorrigen Ölbäumen, kegelartigen Zypressen und schirmartigen Pinien gezierte Landschaft wird im
Hintergrund abgeschlossen durch die kahlen grauen Bergketten des Apennin, deren ehemalige erdige Boden-
decke infolge der Entwaldung durch Sturzregen zu Tal gespült ist. Die Menschen haben ihre Siedlungen
seit ältester Zeit gern aus dem Gipfel der Berge und Hügel angelegt.
Der Apeumu besteht vorwiegend aus Kalkgestein und ist arm an Eisen-
erzen und Steinkohlen. Die Berghäuge werden von den Regengüssen stark
abgespült, und so sind die oberen Lagen der Gebirge kahl und felsig, ohue
die duftigen Almen und deu Nadelholzgürtel der Alpen.
Die Ostseite der Halbinsel verläuft bis auf den Vorfpruug des Monte
Gärgano einförmig, nur im W finden sich Buchten, Küstenebenen, größere
Flüsse, Seen und große Städte. Im S der Westküste, auf Sizilien und den
ihm nördlich vorgelagerten Liparischen Inseln erfolgen noch immer verheerende
Ausbrüche durch den Vesuv (1300 m), Ätna (3300m) und Strömboli.
Aufgabe. Wiederhole unter Benutzung des Bildes den beigegebenen Text
und suche Perugia auf der Karte!
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I. Europa, — 3. Die außerdeutschen Länder Europas.
129
K 302. Pflanzengürtcl. Unter den Almen liegt der Waldgürtel,
der im N bis etwa 1600 m, im S bis 1800 m hinaufreicht; er besteht in
seinem unteren Teile aus Laub-, nach oben zu aus Nadelwald; je weiter
uach unten, desto mehr nimmt der Mensch dauernd den Boden in Besitz.
Es sind vier Gürtel zu unterscheiden:
1. Bis 1300 m reicht der gemischte Laub- und Nadelwald. Hier
baut der Älpler Korn, Obst, in den tieferen Tälern sogar Wein und wohnt
in größeren Ortschaften.
2. Bis höchstens 1900 m steigt der Nadelwald hinan, unterbrochen von
Bergwiesen, die einträgliche Rindviehzucht gestatten; die Menschen wohnen
noch in Dörfern, wenn auch Ackerbau nicht mehr möglich ist.
3. Bis 2700 m reicht die Gegend der Almen.
4. Die unbewohnte Gegend des ewigen Schnees.
§ 203, Täler und Pässe. Besonders reich ist die Talbildung. Den
ganzen N der Alpen durchläuft ein Längstal vom Genfer See bis nahezu
an das Ostende ff. die Karte!); es trennt die Nördlichen Kalkalpen vom
Jnnengürtel der Ostalpen. Auf der Südseite der Alpen tritt die Längs-
talbildnng erst östlich vom Comer See aus.
Die Quertäler sind kürzer, enger und steiler als die Längsfurchen,
aber wichtiger, da sie dem Verkehr die Wege weisen. Die wichtigsten Quer-
täler durchfließen die Renß, der Rhein vom Splügen bis zum Bodensee,
der Tessin, die Etsch und der Eisak. Im 0 muß man, um von einer Seite
des Gebirges zur anderen zu gelangen, gewöhnlich mehrere Ketten über-
steigen, die freilich niedriger sind.
Während einst die Alpenpässe durch ihre Enge, durch steile Schluchten
und Abgründe, schwindelnde Brücken und Lawinensturz dem Verkehr man-
cherlei Schwierigkeiten und Gefahren bereiteten, wnrden in den letzten Jahr-
zehnten für den Bau von Eisenbahnen mehrere Hauptketten von Tunneln
durchbohrt.
Die wichtigsten Übergänge sind:
1. Der Mont Cenis-Paß. Bahn von Paris und Lyon nach Turin.
2. Die Simplonstraße, von Brienz nach Domo d'ossola. Kürzester
Schienenweg von England nach Brindisi durch den längsten Alpentunnel.
3. Der St. Gotthard vermittelt durch seinen Tunnel zwischen Göschenen
und Airolo ebenfalls die Verbindung Englands mit Brindisi und die West-
deutschlands mit Italien.
4. Der Splügen stellt den kürzesten Weg zwischen Bodensee und Comer
See dar. (Straßenpaß.)
5. Der Brenner ist der am meisten benutzte Weg vom mittleren und
östlichen Deutschland nach Rom und Venedig über München — Innsbruck—
Bozen—verona.
6-.Der Semmering leitet die Bahn von Wien: 1. nach Trieft, 2. nach
Venedig, Bologna und Rom.
Heringe Erdkunde für Präparandenamtaltcn. g
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Extrahierte Personennamen: Domo_d'ossola Gotthard
Extrahierte Ortsnamen: Europa Europas Rhein Paris Lyon Turin Brienz England Brindisi Airolo Englands Brindisi Italien Comer
See Deutschland Rom Wien Venedig Bologna Rom
Der Kilimandscharo von der Lendjoro-Steppe, links der Kibo (6000 m), rechts der Mawensi (5350 m), der Sattel (4700 i.i).
Termitenhügels verfallen und frisch. Schirmakazien. Zwei Affenbrotbäume.
Dornbüsche und Steppe schmücken sich zu Beginn der Regenzeit mit frischem (Brün. Im Garten der Znifsionsstation prangen Bananen und Sykomoren. Über
den rötlichen Lateritboden der Steppe führt der Karawanenpfad, der auch die kleinsten Hindernisse meidet. Rechts an dem riesigen Affenbrotbaum ist von den
Eingebornen zur Gewinnung wilden Honigs eine Röhre aufgehängt.
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Abb. 7, §26. Berchtesgaden mit dem Watzmann.
<Verlag Würthle & Sohn Nachf., Salzburg.)
Berchtesgaden ist der Sammelpunkt der Reisenden, die den Königssee und seine Umgebung be-
suchen. — Blick nach Süden über den malerisch gelegenen Marktflecken auf den Watzmann
(2700 m); links von diesem (östlich) ist der Königssee zu denken.
schönen Gebirgskessel >f. Text und Abb. 7, g 26]. Ostlich von diesem Ort be-
findet sich ein Steinsalzbergwerk. Die hier gewonnene Salzsole wird durch Rohr-
Leitungen nach Berchtesgaden, Reichenhall (an der Saalach, einem Neben-
fluß der Salzach) und anderen Orten geführt und hier (in holzreicher Gegend!)
versotten. Noch reicher an Salzlagern ist das benachbarte österreichische Salz-
kammergut, eine ebenfalls reich mit schönen Bergseen geschmückte Alpenlandschaft.
c) Die übrigen Randgebirge der Süddeutschen Hochebene.
1. Den Schwäbisch - Fränkischen Jura siehe beim Schwäbischen § 27
Stufenland.
2. Der Böhmerwald (Grenzgebirge zwischen?) ist der Greis unter den deutschen
Gebirgen (die Alpen ein Jüngling). Er ist bereits bis auf den slachwelligen Sockel
abgetragen. Gewaltige Wälder (auch Urwälder), Sümpfe und Moore (uudurch-
lässiger Granitgrund!) geben ihm einen düsteren, geheimnisvollen Charakter.
Der Paß von Taus, die Verbiuduugsstraße zwischen Bayern und Böhmen,
teilt den Böhmerwald in einen schmalen nördlichen und einen breiten, vielkettigen
südlichen Flügel (Arber 1460 m). Durch eine Bruchlinie (darin der Regen) wird
vom Böhmerwald der freundliche Bayerwald abgetrennt. In der Bruchlinie
erhebt sich eine merkwürdige Quarzmauer, der Pfahl, 60 km lang und 40—50 m
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4. Das Land im Dämmerlichte der Geschichte.
15
ärmlicher Ausstattung. Die Blütezeit der Kultur hat bei uns nur ein Paar-Jahrhunderte, etwa durch das 8. und 7. Jahrhundert v. Chr., gedauert. Über die ethnologische Zugehörigkeit der Hallstattbevölkerung Bayerns herrscht die Vermutung, daß sie illyrische Veneter wareu, eine Annahme, die etymologisch aus einigen Resten von topographischen Namen gestützt wird, wie dem alten Namen des Bodensees — lacus venetus, dem Namen des Venetberges in Tirol, vielleicht auch dem des Venedigers u. a. Unbegründet und irrig aber ist die weitverbreitete Bezeichnung der Bevölkernng sowohl der Bronzezeit als der Hallstattleute als „Kelten".
4. Das Land im Dämmerlichte der Geschichte.
Von Franz Weber.*
Mit dem Anbruch des 5. Jahrhunderts vor ^unserer Zeitrechnung beginnt eiu neues Stilelement in den im antiken Sinn barbarischen Ländern Mitteleuropas aufzutreten, das den größten Teil des Kontinents bis aus die klassischen Länder ergreift und auf Jahrhunderte beherrscht. Diese Stilart ist aber nicht wie die früheren von Süd und Ost her von den Mittelmeergebieten hereingedrnngen, sondern es läßt sich ihr Ursprung mit Sicherheit aus dem westlichen Enropa, dem Sitz der keltischen Gallier, nachweisen. Hier in Frankreich hatte sich seit alter Zeit unter dem Einfluß der griechischen Küstenstädte ein nationaler Stil gebildet, der nunmehr seine Blüte erreicht hatte. Wahrscheinlich im Zusammenhang mit dieser erlangten Kulturhöhe stehen die nach sagenhaften Nachrichten der antiken Schriftsteller um diese Zeit beginnenden Wanderzüge der Kelten, die durch die Vermehrung der Bevölkerung und das Bedürfnis nach Ausdehnung veranlaßt worden sein und halb im Dämmer der Sage, halb im Frühlicht der Geschichte über Mitteleuropa bis Kleinasien und über Italien sich ergossen haben sollen. Auf diesen Wanderzügen soll auch das Land zwischen den Alpen und dem Main, das heutige Bayeru, wie auch Böhmen von keltischen Stämmen dauernd besetzt worden sein und zwar nördlich von Helvetern und Bojern, südlich von Vindelikern und Norikern. Inwieweit zu diesem sagenhaften geschichtlichen Gerippe die archäologischen Überreste und Funde des Landes die Gewandung abgeben können, soll hier an deren Hand näher untersucht werden.
Der La Te^nestil, wie diese neue Periode allgemein genannt wird, hat seinen Namen von dem ersten größeren Fundort |im Kanton Neuenburg in der Schweiz, der diese neue Stilrichtuug deutlich erkennen ließ. Auch diese Periode zerfällt in mehrere Abschnitte, von denen die beiden ersten auf eine ältere Stilart, die das 5. und 4. vorchristliche Jahrhundert ausfüllt, die beiden letzten auf eine jüngere hinweisen, von denen die eine das 3. und 2., die andere das 1. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung umfaßt. Die ältere
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Extrahierte Personennamen: Franz_Weber Franz
Extrahierte Ortsnamen: Bayerns Mitteleuropas Enropa Frankreich Mitteleuropa Kleinasien Italien Main Neuenburg Schweiz
72. Die Isar als Verkehrsstraße einst und jetzt.
393
für die Wegräumung der Felsen im Flusse. Ebenso sollen die Tölzer ihrerseits bereits um 1370 für Regelung und Sicherung der Floßfahrt Sorge getragen haben.
Eineu großartigen und anhaltenden Aufschwung erfuhr der Durchgangshandel Mittenwalds und das Frachtwesen ans der Isar am Ende des 15. Jahrhunderts. Siegmund vou Tirol lag damals mit den Venezianern in Zwistigkeiten. Er ließ 1487 gelegentlich eines der großen Märkte in Bozen, aus denen deutsche und italienische Kaufleute gegenseitig Abrechnung pflogen, 130 der letzteren festnehmen und in Gewahrsam bringen. Über diese Gewalttat erzürnt und ans eine Siegmund empfindlich schädigende Gegenmaßregel bedacht scheinen die Venezianer längere Zeit ihren persönlichen Verkehr mit den großen Kanshäusern der süddeutschen Reichsstädte nach Mittenwald oerlegt zu haben. Jedenfalls hob sich infolge der Streitigkeiten mit Siegmund das Speditions-wesen Mittenwalds in bedeutendem Maße. Wenn es auch, wie ältere Geschichtschreiber meinen, sehr unwahrscheinlich ist, daß der deutsch-venezianische Handel nahezu zwei Jahrhunderte — nämlich von 1487 bis 1679 — von dein beiden Teilen so günstig gelegenen Bozener Stapelplatze entfernt und in Mittenwald konzentriert gewesen sein soll, so ist doch sicher, daß gegen Ende des 15. und während des 16. Jahrhunderts in dem letzteren Gebirgsmarkte ein geräuschvolles Leben herrschte. Dessen Spuren kann jeder noch wahrnehmen, der durch die kulissenartig einander vorgeschobenen, bildergeschmückten Häuserreihen des Ortes mit ihren torähnlichen Einfahrten, gewölbten Gängen und eisenbeschlagenen Läden und Türen im Schatten der Karwendelspitze dahinschreitet. Der mit der Verlegung der Welthandelswege im Zeitalter der großen geographischen Entdeckungen eng verknüpfte allmähliche Niedergang Venedigs, die Ableitung des Zuges der Handelsgüter nach Augsburg über Füssen und die Folgen des großen Religions- sowie des Spanischen Erbfolgekrieges beschränkten indessen nach und nach das Mittenwalder Speditionswesen zu Wasser und zu Land beträchtlich.
Welcherlei Waren beförderten nun die Floßleute auf der Isar im 15. und 16. Jahrhundert? Die urkundlichen Nachrichten wissen von einer ungewöhnlich mannigfaltigen Fülle von Gütern zu melden, womit die Flöße damals beladen wurdeu. Ihre 'Aufzählung erweist, daß die dem Flusse anvertrauten schwaukeu Fahrzeuge in jeneu Zeiten eine durchaus ähnliche Bedeutung für den Warentransport hatten wie die Lastwagen der Rottleute zu Lande, die Eisenbahnen im heutigen Wirtschaftsleben. Vor allem aber ' tritt unzweideutig die Wichtigkeit der Isar für die Zufuhr italienischer und südtirolischer Handelsgüter in vollem Maße hervor. Während die Floßlente des Loisachgebietes nur gebogenes Eibenholz, Papier, Pferdedecken, Käse, Schafwolle, Pflastersteine, Leinwand, Barchent und gestrickte Hemden, Kreide, Schuhe, Kupferwasser und Schmalz herbeiführten, brachten die Tölzer außerdem Hausgeräte, Rüstungsgegenstände, Nahrungsmittel (neben Käse und Schmalz
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94 Europa.
größeren benutzt werden. Die Wasserkraft der Alpenflüsse ist nur wenig
ausgenutzt.
Das Hochwasser tritt, da der Schnee in den Alpen später schmilzt,
erst im Frühsommer ein, der niedrigste Wasserstand im Winter. — Zu
der reichlichen Bewässerung der Alpen tragen ferner die zahlreichen Alpen-
seen bei. Der größte ist der Genfer See (570 qkm). Nenne andere
Alpenseen!
Der Gesteinsart nach besteht die mittlere Zone der höchsten
Erhebungen in den West- und im w. Teil der Ostalpen aus
kristallinischem Urgebirge (Granit, Gneis, Glimmerschiefer). Man
nennt diese Alpen Gneis alp'en. Dieses Urgebirge in den Ostalpen wird im
N. und S. je von einer K alk alp enzo ne begleitet. Auf der italienischen
Seite fehlen die Kalkalpen vom Col die Tenda bis zum Lago Maggiore
(madschöre). Zur n. Kalkalpenzone gehören die französisch en Kalkalpen,
die Schweizer Hochflüche, die deutschen und österreichischen
Alpen^ d. s. Kalkalpenzone umfaßt die mit Porphyr und Dolomit*) durch-
setzten ^südtiroler Alpen, die Karnischen und Julischen Alpen.
4. Mau unterscheidet 3 Höhenstufen der Alpen: Voralpen bis
1500 in Höhe, Mittel alp en bis 2600 in Höhe und Hoch alp en. Tie
Abnahme der Wärme auf je 1000 in um 6° hindert die landwirtschaftliche
Benutzung höherer Lagen.
Die Voralpen umfassen den niedrigen Teil des Gebirges. Ihre Berge
sind mit hellem Laub- (Ahorn, Nußbaum, Buche) und dunklen Nadelwäldern
bestanden, dazwischen Felsen und Schuttrinnen; in den Tälern gedeihen
Getreide, Futter- und Gartenpflanzen, auf den tiefen Verghängen sogar noch
Wein. Sie sind daher auch hauptsächlich das Gebiet der Ansieölungen,
Dörfer und Städte. — Die Mittelalpen weisen in den niederen Gebieten
noch stattliche Nadelwälder, Arve, Fichten, Lärchen und Baumföhren, frisch-
grüne Bergwiesen und vereinzelte stattliche Eiuzelhöfe auf. Weiter aufwärts
finden sich nur Zwergfichten und Knieholz; aber es dehnen sich hier die
blumen- und grasreichen Alpentriften aus. Auf diesen weidenreichen,
lichtgrünen Almen finden zur Sommerzeit zahlreiche Viehherden Nahrung.
Angelehnt an die schützende Felswand, erhebt sich auf steinernem Unterbau
die hölzerne Senn hü t'te. Das breite Dach ist mit großen Steinen beschwert.
Auf fchwer erreichbaren Höhen und Berghängen folgt der Jäger der Spur der
scheuen Gemse; hoch auf unzugänglichen Felsen horstet der Adler. — Uber
den höchsten Bergwiesen thront in frostiger Hoheit Schnee und Eis; die
Hochalpen liegen jenseits der Schneelinie (2600 m) und sind das Gebiet
des „ewigen" Schnees, die Heimstätte der Lawinen und Gletscher
(S. 23). Wie entsteht das „Alpenglühen"?
5. An Wegsamleit übertreffen die Alpen alle Hochgebirge
der Erde. Es rührt dies von der reichen Talbildnng, der günstigen
Talanordnung und der tiefen Einschaltung der Kämme her.
Die wichtigsten Längstäler bilden der obere Rhein und die obere Rhone,
ferner Inn, Salzach, Mur, Drau und Save, die größten Qnertäl er Reuß
und Etsch, der Rhein von Chur bis zum Bodensee, die Rhone von Martinach
bis zum Genfer See und der Tessin.
Der Wegfamkeit entspricht der Reichtum an Verkehrsstraßen. Die
ältesten führen über die Pässe, von denen das Stilffer Joch mit
2800 m Höhe, der Mont-Cenis-Paß, der Kleine und der Große St.
Bernhard, die von Napoleon I. geschaffene Simplonstraße, die Straße
über den St. Gotthard und den Splügen, der Brenner mit Eisenbahn
und der Semmering mit der Semmeringbahn die bedeutendsten sind.
*) nach Dolomieu genannt, Dolomit ist ein Gemisch von kohlensaurem
Kalk und kohlensaurer Magnesia.
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Extrahierte Personennamen: Arve Bernhard Napoleon_I. Gotthard
Extrahierte Ortsnamen: Europa Rhein Rhein Chur Martinach Mont-Cenis-Paß