18 Erzählungen aus dem Leben zur Warnung
zu essen, welche ihm nicht gehörten. Wie gut war es,
dass ihn August warnte.
3. Die kleinen Diebe.
Clausens Kinder hatten bemerkt, dass in dem Garten
des Nachbars Ehrmann zwei Birnenbäume standen, welche
herrliche Früchte trugen. Sie kamen auf den Gedanken,
über den Zaun zu steigen und sich einige Birnen zu holen
Was für ein Gedanke war das? Der Nachbar merkte
endlich, dass er bestohlen wurde, und versteckte sich eines
Tages, als es dunkel wurde, im Garten um den Dieb zu
ertappen. Es dauerte auch nicht lange, so sah er Klausens
Kinder über den Zaun steigen. Scheu und ängstlich sahen
sie umher, und als sie keinen Menschen im Garten er-
blickten, liefen sie eilig nach den Birnenbäumen hin. Eben
wollten sie mit ihrer Beute davon gehen, als der Herr
des Gartens hervor kam und ihnen in den Weg trat.
Wie erschrocken und beschämt standen nun die kleinen Diebe
da; wie flehend baten sie Ehrmann, dass er ihnen doch
die schlechte Handlung vergeben und sie bei ihrem Vater
nicht verklagen möchte! Ehrmann ließ sich erbitten, weil
sie ihm versprachen, dass sie nie und nimmermehr wieder
Etwas stehlen wollten. Aber die bösen Kinder hielten
leider nicht Wort; denn nach einigen Wochen fand Ehrmann
eines Morgens alle seine reifen Weintrauben abgerissen.
Nun ging er zu dem Vater dieser bösen Kinder, und bat
chn, dieselben wegen ihrer wiederholten Diebereien zu
strafen. Aber diese leugneten hartnäckig, dass sie Obst ge-
stohlen hätten rmd der Vater glaubte ihnen. Ehrmann
ging seufzend fort und sagte bei dem Weggehen: Kinder,
euch wird es in der Welt schlecht gehen; denkt an mich! —
Diese Vorhersagung ging auch wirklich in Erfüllung. Die
kleinen Diebe blieben bei ihrer schändlichen Gesinnung,
wurden Betrüger, und nahmen ein trauriges Ende.
4. Das wohlthätige Kind.
Eor einigen Jahren brannte nahe bei der Stadt B. ein
ganzes Dorf ab; indem bei einem heftigen Sturme das
Feuer mit unbeschreiblicher Schnelligkeit ein Haus nach
dem andern ergriff, ehe die Nachbaren zur Rettung herbei
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T33: [Kind Vater Mutter Frau Mann Jahr Sohn Gott Haus Eltern], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T39: [Kind Vater Mutter Frau Mann Haus Jahr Eltern Sohn Knabe], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume]]
TM Hauptwörter (200): [T50: [Haus Pferd Bauer Herr Wagen Mann Tag Kind Weg Leute], T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind], T13: [Baum Wald Feld Wiese Garten Gras Winter Mensch Sommer Haus], T111: [Kind Mutter Vater Eltern Frau Jahr Knabe Schule Haus Mann], T100: [Gott Herr Herz Wort Leben Hand Himmel Vater Kind Mensch]]
Extrahierte Personennamen: August Clausens Ehrmann Ehrmann Ehrmann Ehrmann
41
und zur Beförderung der Sittlichkeit.
im Gefängnisse sitzen. Sein Herz wurde nie wieder ganz
ruhig; denn er konnte den Gedanken an diese That Lebens-
lang nicht aus seiner Seele tilgen.
24. Traurige Folge der Wildheit.
Ferdinand, der Sohn einer armen Wittwe, war von
seiner frühesten Kindheit an ein wilder, ungehorsamer und
leichtsinniger Knabe. Sein Vater hatte ihn strenge gehal-
ten, starb aber, als er erst fünf Jahre alt war, und die
Mutter war zu weichherzig, als dass sie sich hatte ent-
schließen können, den wilden Ferdinand zu züchtigen, wenn
er ungehorsam gewesen war; sie wollte ihn so gern blos
durch liebreiche Ermahnungen und Warnungen ziehen.
Aber darauf achtete der Wildfang nicht. Oft bat sie ihn
sehr rührend, er möchte doch nicht mehr so gefährliche
Sprünge machen, und sein Leben nicht durch Klettern in
Gefahr setzen; aber-kaum war er ihr aus den Augen, so
sprang und kletterte er, wie zuvor, und oft kam er dann
so erhitzt nach Hause, dass die gute Mutter über ihn er-
schrak. So viel sie ihn auch warnte, dass er doch ja
nicht kaltes Wasser trinken möchte, wenn er erhitzt wäre,
so ließ sich der Knabe doch nicht abhalten, seinen Durst zu
befriedigen, wenn er von Schweiß triefte. Aber was ge-
schah? An einem schwülen Tage kam er, äußerst erhitzt,
nach Hause, und klagte über Seitenschmerzen und Übel-
keit. Die geängstete Mutter versuchte vergebens, ihm Lin-
derung zu verschaffen, und da seine Klagen immer stärker
wurden, so holte sie endlich einen Arzt herbei. Als dieser
Ferdinanden genauer befragt, und seinen Körper unter-
sucht hatte, fand es sich, dass er sich durch heftiges Sprin-
gen einen gefährlichen Bruch zugezogen hatte. Ihr könnt
denken, liebe Kinder, welch einen Schreck die arme Mutter
hierüber hatte; und sie würde außerdem noch durch die
Unkosten gelitten haben, welche ihr diese Krankheit ihres
wilden Sohnes verursachte, wenn nicht der menschen-
freundliche Wundarzt dem Knaben ein Bruchband geschenkt
hätte.^ Doch dies war nicht einmal das einzige und größte
Ünglück, welches sich Ferdinand durch seine Wildheit zu-
gezogen hatte; denn bald zeigte es sich, dass er auch an
der Brust Schaden gelitten hatte, und also ein elender,
schwächlicher Mensch bleiben werde. Er hätte die Stütze
TM Hauptwörter (50): [T33: [Kind Vater Mutter Frau Mann Jahr Sohn Gott Haus Eltern], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
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Extrahierte Personennamen: Ferdinand Ferdinand Ferdinand Ferdinand
20 Erzählungen aus dem Leben zur Warnung
Des Morgens war es ihr erstes Geschäft, die ganze kleine
Wohnung zu reinigen, die Betten zu machen und frische
Luft in die Stube zu lassen. Wie hätte wol Albert ein
unordentlicher Mensch werden können, da seine Mutter ihm
ein so gutes Beispiel gab! Man sah auch an ihm, wie
gut es ist, wenn Kinder sich früh an Ordnung und Rein-
lichkeit gewöhnen. So ging Albert z. B. nie mit unge-
kämmten Haaren, oder schmutzigen Händen in die Schule,
wie leider so manche unordentliche Kinder thun; auch
waren seine Kleider immer rein gebürstet, seine Stiefel ge-
hörig geputzt und in seinen Schulbüchern fand man keinen
Fleck und kein Ohr. Auch seine schriftlichen Schularbeiten
waren immer nett und rein, so, dass der Lehrer sie mit
besonderem Vergnügen durchsehen konnte. Seinen Hut
oder seine Mütze warf er nie unter den Tisch, und mit
der Tinte ging er immer sehr behutsam um; auch fehlte
es ihm nie an einem Taschentuche. Der reinliche und or-
dentliche Albert war daher die Freude seiner Ältern und
seiner Lehrer.
6. Der Lügner.
Heinrich wurde von seinem Vater nach dem Posthauft
geschickt, um daselbst einen Brief abzugeben, an welchem
lehr viel gelegen war. Auf dem Wege dahin begegnete ihm
Franz mit einigen anderen Knaben. Franz war ein zänki-
scher Knabe, und besonders war er mit Heinrich beständig
im Streit; weil dieser eine heftige Gemüthsart hatte, und
also leicht gereizt war. Auch diesmal geriethen sie mitein-
ander in Streit, weil keiner dem andern aus dem Wege
gehen wollte. In der Hitze des Streits ließ Heinrich den
Brief fallen, trat darauft und beschmutzte ihn dabei so sehr,
dass die Aufstchrift desselben nicht mehr zu lesen und das
Papier durchlöchert war. Was sollte er nun anfangen?
Wenn er nach Hause kam, und Alles gestand, was vorgefal-
len war, so hatte er harte Strafe zu erwarten; denn sein
Vater war sehr strenge und hatte ihm diesmal ausdrücklich
gesagt: Bestelle ja den Brief recht ordentlich, denn es ist mir
;ehr viel daran gelegen. Heinrich kam in dieser Verlegen-
heit endlich auf den schlimmen Gedanken, sich durch eine
Lüge aus der Noth zu helfen. Er versicherte also dem
Vaier, auf dessen Frage, mit großer Dreistigkeit, dass er den
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
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Extrahierte Personennamen: Albert Albert_z Albert Heinrich Heinrich Franz Franz Franz Franz Heinrich Heinrich Heinrich Heinrich Heinrich
44 Erzählungen aus dem Leben zur Warnung
2) Ganz besonders der Geruch. Dieser ist bei der
Wurzel und dem Kraute der wahren Petersilie, wenn man
sie zwischen den Fingern reibt, sehr stark; bei dem Schier-
ling aber schwach.
3) Die Blüthe. Ein sehr zuverlässiges Merkmal
sind drei lange herunterhängende grüne Blättchen unter
den weißen kleinen Schirmblümchen, die immer an dem
kleinen Schierling, nie aber an der Petersilie zu sinden
sind. — Am besten aber ist es, wenn man sich in der
Wirthschaft, statt der gewöhnlichen glatten Petersilie, der
krausblättrigen bedient, die gar nicht mit dem Schierlinge
verwechselt werden kann, da dieser niemals krause
Blätter bekommt.
28. Vergiftung durch Grünspan an einem
silbernen Löffel.
Ein junges Mädchen aß ein Stück kalten Fisch, auf wel-
chem ein silberner Löffel gelegen hatte, der vorher etwa
30 Stunden in Essig stehen geblieben, und deshalb voller
Grünspan war; was man aber natürlich vorher nicht be-
merkt hatte. Bald nach dem Genusse des Fisches bekam
das Mädchen Übelkeit, Angst k. ; und nur das Trinken
vieler warmen Milch, und die Hülfe eines geschickten Arz-
tes retteten die Kranke von einem sonst gewissen Tode.—
29. Schädlichkeit des Tragens fremder Haare
und Kleider.
Galina, ein berühmter Wundarzt in Paris, wurde zu
einem jungen Frauenzimmer gerufen, welches um den Hals
einen Ring von eiternden Knötchen bekommen hatte. Nach-
dem er lange der Ursache dieses Ausschlages nachgespürt,
entdeckte er endlich, dass er von einer Haarschnur herrühre,
die das Frauenzimmer zum Putz um den Hals trug. —
Viele Sachen dieser Art werden von Haaren solcher Men-
schen verfertigt, welche in Hospitälern an bösen Krank-
heiten starben; und da man oft unterlässt, sie vor dem Ge-
brauche gehörig zu reinigen, so entstehen daraus allerlei
Krank.heiten. — Eben das gilt von falschen Haarlocken,
von dem Tragen fremder Kopfaufsätze und Kleider krank-
hafter, vielleicht schwindsüchtiger Personen, und von dem
Schlaffn in fremden Betten. —
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und zur Beförderung der Sittlichkeit. 45
30. Folgen der Quacksalberei.
Zwei Kinder eines Bürgers zu G .. ■ in Baden, zwischen
"7 und 9 Jahre alt, wurden von einem starken Ausschlage
am Kopfe befallen. Die Mutter der Kinder sprach mit
ihrein Nachbar, der in der Arzneikunde pfuschte, und
eben damals eine Salbe aus sogenanntem Fliegengift und
frischer Butter zubereitete. Dieser versicherte ihr denn, dass
eben diese jetzt verfertigte Salbe das unfehlbarste Mittel
wider Kopfausschläge sei. Die Mutter, darüber sehr er-
freut, kaufte sogleich von dieser Wundersalbe, und rieb sie
ihren Kindern nicht nur an den schadhaften Theilen, son-
dern auch hinter den Ohren und am Halse tüchtig ein.
Die Folge hiervon war sehr traurig; wie solches ja jedes
Mal der Fall ist, wenn ein Ausschlag durch äußere Mittel
zurückgetrieben wird; die Kinder wurden immer kränker
und starben nach wenigen Tagen.
31. Einpressende Kleidung bringt Krankheit,
Verkrüppelung und Tod.
In B. starben in einer angesehenen Familie zwei liebens-
würdige Töchter, die eine von 18, die andere von 16 Jah-
ren, an einer Brustkrankheit, die sie sich selbst durch un-
mäßige Einzwingung der Taille zugezogen hatten.
Eine Hausmutter in S. hatte das Leiden, lauter sieche
Kinder zu haben, die an Engbrüstigkeit litten und nie recht
froh sein konnten, weil sie jeden Morgen tüchtig einge-
schnürt „wurden. Ein verständiger Arzt, der den Grund
dieses Übels entdeckte, beredete die Mutter, von diesem
höchst nachtheiligen Schnüren abzulassen, und rettete so
noch die armen Kinder vom gänzlichen Verderben.
32. Das Aufhalten ln Zimmern, welche gescheuert
und noch feucht sind, oder worin viele frische Wäsche
aufbewahrt wird, bringt Krankheit und Tod.
feuchte Dünste schaden auch dem stärksten und gesundesten
Körper. Dies behaupten nicht nur alle Ärzte, sondern die
Erfahrung lehrt es auch hinlänglich. Der Gastwirth F.
int, ein vollkommen gesunder Mann, 34 Jahre alh begab
sich auf ein abgelegenes Stübchen, um da ganz ungestört
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46 Erzählungen aus dem Leben zur Warnung
ein Mittagsschläfchen zu halten. Auf dieser kleinen Stube
lag eine Menge feuchter Wäsche, die stark ausdünstete.
„Pfui, die bösen Dünste!" sagte er zu seiner Frau, die ihn
hinauf führte und einschloss, damit, während er schlief, keine
Wäsche vom Zimmer gestohlen werden möchte. Ei, ant-
wortete ihm seine Frau, kehre dich doch an die Dünste
nicht, du wirst hier ungewiegt schlafen! Sie hatte Recht,
er schlief in seinem Großvaterstuhle ungewiegt; aber er
erwachte auch nicht wieder. — Denn als seine Frau ihn
gegen Abend wecken wollte, war an kein Erwachen zu den-
ken; die Dünste der frischen Wäsche hatten ihm einen Schlag-
fluss zugezogen, an dem er gestorben war.
Werden gescheuerte Stuben zu frisch bezogen, so ver-
ursachen sie wenigstens Kopfschmerzen; auch wol Glieder-
reißen und Gicht; wenn nicht noch etwas Schlimmeres.—
33. Schädlichkeit der Kohlendämpfe.
Ein Reisender besuchte im Winter einen guten Freund,
und die (Ltube, in der er mit dem Sohne des Hauses schla-
fen sollte, wurde gegen Abend geheizt. Kaum hatten sich
beide niedergelegt, als der Reisende, von dem heftigsten
Kopfweh und von Übelkeit befallen, schon wieder erwachte.
Er stieg aus dem Bette, um einen Trunk Wasser zu nehmen
und seinen Schlafkameraden zu wecken, fällt aber bei dessen
Bette betäubt zu Boden. Jener erwacht auch in einem
ähnlichen Zustande; indessen gelingt es ihm doch, die Thür
zu öffnen und um Hülfe ju rufen. Als man hinzueilt,
findet man in der Stube einen gewaltigen Kohlendunst, der
durch das zu frühe Zumachen des Ofens entstanden war.
Mancher ist auf ähnliche Weise im Kohlendämpfe
wirklich erstickt. —
34. Nadeln im Munde halten, ist eine gefähr-
liche Untugend.
Ein Fräulein von K. im Preußischen, t 7 Jahre alt, hatte
die böse Gewohnheit, beim Nähen und Stricken, wie beim
Ausziehen, die Nadeln zwischen den Zähnen zu halten.
Einst, als Gesellschaft bei ihr war, und viel gesprochen,
gescherzt und gelacht wurde, hielt sie wieder eine Stecknadel
zwischen den Zäünen, und hatte das Unglück, sie unvermerkt
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und zur Beförderung der Sittlichkeit. 25
wollte die Mutter nicht zugeben, weil sie dadurch leicht
hätte angesteckt werden können. Weinend ging Wilhelminc
in ihre Kammer, zog sich hastig aus, und steckte aus Furcht
den Kopf unter das Deckbett. Von Zeit zu Zeit zog sie
ihn dann scheu hervor, um Luft zu schöpfen, und sich ängst-
lich in der Kammer umherzusehen. Auf einmal glaubte sie
an der Kammerthür eine lange weiße Gestalt zu erblicken.
Voller Schrecken zog sie sich das Deckbett über den Kopf,
und der Angstschweiß lief ihr von der Sstirn. Lange konnte
sie es in dieser Lage nicht aushalten; sie wagte es endlich
auf einen Augenblick, den Kopf hervorzuziehen, und siehe
da, die schreckliche weiße Gestalt stand nicht nur immer
noch an der Kammerthür, sondern bewegte sich auch. Jetzt
sing Wilhelmine laut an zu schreien, und in dem Augen-
blicke trat ihre Mutter in die Kammer. Aber Kind, was
ist dir denn! rief sie ihr zu; träumst du? oder wachest du?
Ach Mutter, Mutter! die weiße Gestalt! Ich glaube gar,
du siebst Gespenster, erwiederte die Mutter; ermuntre dich,
und fasse Muth. Was ängstiget dich denn? Es kam nun
heraus, dass Wilhelmine ein weißes Handtuch, welches
an der Kammerthür hing, und worauf der Mond schien,
für eine weiße Gestalt gehalten hatte. Die Mutter hatte
an der Kammerthür gehorcht, ob Wilhelmine schliefe, und
indem sie die Thür öffnete, hatte sich das Handtuch be-
wegt. Wilhelmine schämte sich ihrer kindischen Furchtsam-
keit, und sah seit dieser Zeit nie wieder Gespenster.
Furcht ist beständig bei Unwissenheit und Aberglau-
den. Weish. 17, 6. 12. 13.
Trau auf Gott und fasse Muth;
Blinde Furcht thut niemals gut.
12. Das neugierige Mädchen.
Margarethe war als ein höchst,neugieriges Mädchen
bekannt, und schon oft hatten ihre Ältern sie wegen ihrer
thörigten Neugierde bestraft. Sobald sie nur das geringste
Geräusch auf der Straße hörte, lief sie an das Fenster, um
zu sehen, was es gäbe; und eines Tages machte die heftige
Neugierde sie so vlind, dass sie mit dem Kopfe gegen die
Fensterscheiben fuhr, und sich sehr beschädigte, indem sie
nicht einmal bemerkt hatte, dass das Fenster zugemacht war.
Nicht selten verlor sie auf der Straße ihr Strickzeug, oder
TM Hauptwörter (50): [T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust], T33: [Kind Vater Mutter Frau Mann Jahr Sohn Gott Haus Eltern], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd]]
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26
Erzählungen aus dem Leben
Das, was sie eben in der Hand hielt, indem sie hastig lief,
um zu sehen, weshalb sich die Leute versammelten. Bei-
nahe wäre sie einst dabei ums Leben gekommen, denn in-
dem sie in ihrer Unbesonnenheit zusah, wie ein Ochse, der
sich losgerissen hatte, und eben wieder gefangen worden war,
mit Stricken gebunden wurde, riss sich das wüthende Thier
abermals loñ, und nur mit genauer Noth flüchtete sich Mar-
garethe in ein Haus, büßte aber doch darüber ihre Schürze
ein, welche der Ochse im Vorbeirennen mit den Hörnern
fasste und ihr vom Leibe riss. Ihre Neugierde verleitete
sie auch, zu horchen, und man sahe sie oft des Abends
unter fremden Fenstern stehen, um zu hören, was die Leute
in der Stube sprächen. Aber bei diesem Horchen lief sie
einst sehr übel an; denn ein Mann, der sie dabei ertappte,
züchtigte sie ohne Umstände dafür recht derb, und ließ sie
dann mit der Warnung gehen: Künftig horche nicht wie-
der, sonst hast du noch etwas Schlimmeres zu erwarten.
Dcr Horcher an der Wand
Hört seine eig'ne Schand. —
13. Das wiss begierige Mädchen.
Caroline zeigte schon in ihrer frühesten Kindheit eine
große Begierde zu lernen, und sich nützliche Kenntnisse zu
erwerben. Wenn sie etwas Neues sah, so ruhete sie nicht
eher, bis sie es genauer kennen gelernt hatte. Konnte sie
nicht durch eigenes Nachdenken herausbringen, wozu eine
Sache nützlich wäre, und warum sie so sein müsse, wie sie
war: so hörte sie nicht auf, zu fragen, bis ihre Wissbe-
gierde befriedigt war. Sehr gern ging sie in die Schule,
und wenn auch das Wetter noch so schlecht war, so scheuete
sie doch nie den weiten Weg nach derselben. Außerordent-
lich groß war ihre Freude über ein neues, lehrreiches Buch.
Sie blätterte nicht etwa blos darin, wie es viele Kinder
thun, sondern sie las es langsam und mit großer Aufmerk-
samkeit durch, und daher blieb sie auch me die Antwort
schuldig, wenn man sie fragte: was in dem Buche enthal-
ten sei? Beinahe in allen weiblichen Arbeiten, und beson-
ders im Nähen und Stricken, war sie sehr geschickt, und
um es noch mehr zu werden, wurde sie die Gehülfinn ei-
ner Frau, welche sie unter der harten Bedingung unter-
richten wollte, dass sie ein ganzes Jahr hindurch, vom
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
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und zur Beförderung der Sittlichkeit. 27
frühen Morgen bis zum spaten Abend, für sie arbeiten
sollte, ohne Bezahlung dafür zu verlangen. Aber als dies
saure Jahr endlich überstanden war, hatte sie auch die
Freude, nicht nur sich selbst durch ihrer Hände Arbeit red-
lich ernähren zu können, sondern auch ihrer alten kränk-
lichen Mutter eine Stütze im Alter zu sein. Da ihre Wiss-
begierde sie antrieb, den Umgang verständiger Menschen zu
suchen, von welchen sie lernen konnte, so blieb sie vor vie-
len Thorheiten und Versuchungen bewahrt, und erfreute
sich der Achtung und Liebe aller guten Menschen
Den Geschickten hält man werth,
Den Ungeschickten Niemand begehrt. —
14. Aberglaube.
(Gustav war so leichtgläubig, dass er Alles für wahr
annahm, was er hörte, ohne zu untersuchen, ob es auch
wahr sein könne. Diese Leichtgläubigkeit hatte ihn auch
zum Aberglauben gebracht; denn wenn ihm Jemand sagte:
in diesem oder jenem Hause spukt ein Gespenst, so glaubte
er es, und erzählte es Andern als zuverlässig gewiss; oder
wenn man ihm weismachte, in dem Hause, vor welchem
eine Eule schreie, oder ein Hund heule, müsse bald Je-
mand sterben, so zweifelte er nicht im Geringsten daran,
und er legte also eine Wirkung einer solchen Ursache bei,
die unmöglich diese Wirkung hervorbringen konnte, das
heißt: er war abergläubig.
Einstmals bekam er einen Schaden aus heiler Haut,
wie man zu sagen Pflegt. Anstatt, dass er nun einen or-
dentlichen Arzt hätte um Rath fragen sollen, ließ er sich
vielmehr von einer alten Frau bereden, die Wunde mit
einem sogenannten Johannishölzchen (ein Holz, welches
am Johannistage von einem Baume geschnitten worden
ist) zu berühren, und glaubte, dass sie dadurch allein, ohne
andere Mittel heilen werde. Da die Frau ihm versicherte,
dass dieses schon Mehren geholfen hätte, welche sie na-
mentlich anführte; so verließ er sich so fest darauf, dass
er an keine ordentliche Kur dachte.
Indessen ward die Wunde immer gefährlicher, und end-
lich kam gar der kalte Brand dazu. Nun musste er doch
nach einem Arzte schicken, der ihm das Bein abnahm, und er
musste froh sein, dass er nicht gar das Leben dabei einbüßte.
TM Hauptwörter (50): [T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T33: [Kind Vater Mutter Frau Mann Jahr Sohn Gott Haus Eltern], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T52: [Mensch Leben Volk Gott Geist Zeit Religion Mann Glaube Herz], T39: [Kind Vater Mutter Frau Mann Haus Jahr Eltern Sohn Knabe], T42: [Körper Wasser Luft Blut Mensch Pflanze Haut Tier Speise Stoff]]
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50 Erzählungen aus dem Leben zur Erweckung
glücklichsten Mann auf Erden hielt. Er ward deshalb
>ehr unzufrieden, als einst ein weiser Grieche von Athen,
Namens Solon, an seinen Hof kam, und ihn, ungeach-
tet seiner vielen Reichthümer, nicht für glücklich erklären
wollte; Solon sich sogar erkühnte, ihm einen gemeinen
Bürger von Athen vorzuziehen, und am Schlüsse der Un-
terredung ausrief: Niemand ist vor seinem Tode
glücklich! —
Doch Krösus musste die Wahrheit dieser Behauptung
bald selbst erfahren.
Er fing aus Eifersucht mit dem persischen Könige
Cyrus Krieg an, war aber, ungeachtet seiner großen Macht
und vielen "Reichthümer, so unglücklich, nicht nur eine ge-
wagte Schlacht, sein Reich und alle seine Schätze zu ver-
lieren; sondern auch fast alle seine Soldaten wurden ge-
tödtet, er selbst ward gefangen und verurtheilt, auf einem
Scheiterhaufen lebendig verbrannt zu werden.
Wirklich setzte man den unglücklichen Krösus auf ei-
nen großen Holzhaufen, zündete denselben an allen Sei-
ten an, und nicht lange, so war der Bedauernswürdige
fast ganz in Dampf gehüllt. O, unglücklicher Krösus,
nun bist du unrettbar verloren! — so dachte gewiss
jeder in der zahllosen Menge der Zuschauer. Denn was
konnte jetzt den Armen retten? Etwa eine große Summe
Geldes? dies war ihm genommen; vielleicht seine Ar-
mee? die war gänzlich vernichtet: also nach mensch-
lichen Ansichten gab es für Krösus kein Rettungsmittel
mehr. —
Doch Gott, ohne dessen Willen kein Haar von unse-
rem Haupte fällt, hatte es anders beschlössen. Er ließ
geschehen, dass Krösus gerade in dem Augenblicke seiner
größten Todesgefahr sich an die vorhin erwähyte Behaup-
tung Solons erinnerte; und die Wahrheit derselben jetzt
hell erkennend, rief er aus: O Solon, Solon, So-
lon! — Der König Cyrus, welcher auch zugegen war,
ward auf den Ausruf des Krösus sehr aufmerksam, und
wünschte zu wissen, was derselbe damit sagen wollte. Er
befahl daher, den Krokus sogleich vom Scheiterhaufen und
zu ihm zu führen. Nachdem er eine Erklärung des Aus-
rufes von Krösus erhalten hatte, machte der merkwürdige
Glückswechsel desselben auf Cyrus einen so tiefen Eindruck,
dass er dem Krösus nicht nur das Leben schenkte, sondern
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Extrahierte Personennamen: Namens_Solon Cyrus Cyrus König_Cyrus Cyrus Cyrus