Vorwort.
Als geographische Quellen sind in erster Linie solche Werke an-
zusprechen, die auf Grnnd eingehenden Studiums oder vornehmlich
durch wissenschaftliche Beobachtungen an Ort und stelle zustande
gekommen siud und aus Erforschung und Erschließung kleinerer
oder größerer Erdräume abzieleu (Werke oou den Professoren Dr. Alb.
Peuck, Dr. Theobald Fischer. Dr. Friederiken, Dr. Bezzenberger, Dr.
Fridtjof Nansen, von Drygalski, Dr. Carl Chuu, von Alexander von Hum-
boldt, Sven von Hedin u. a.). Daneben kommen die mehr gemein-
verstündlich gehaltenen volkstümlichen Neisebeschreibnngen in Betracht
(z. B. von Ehlers, Perl, Wilda, Meurer, Georg Ebers, H. vou Sodell,
Wegeuer, Passarge, Hausjakob, Baumgartner, Güßfeldt, Wilhelm von
Massow n. a.). Wenn die letzteren auch meist nur flüchtige Eindrücke
von Land und Leuteu wiedergeben, so sind sie doch fast ausnahmslos aus
Tagebuchnotizen oder Briefen hervorgegangen und enthalten darum
eine Fülle naturwahrer, lebensvoller, gleichsam in Handlung gesetzter an-
schaulicher Einzelzüge, packende Beschreibungen und Schilderungen, so daß
der Lesende den Darstellungen leicht nud mit Interesse solgen und sich an
ihnen erquicken und bilden kann. Hierzu treten Schilderungen von Land und
Leuten, die sich auf jahrelangen Aufenthalt iu fremden Landen grün-
den (z. B. Dr. Wettstein, Blumenan; Ernst Hacket, Java; Dr. Carl Peters,
die Engländer); Missionsberichte (von Flierl, Kleintitschen, D. Merensky),
Erlebnisse und Beobachtungen von Militärpersonen (Moltke in der
Türkei; Dominik, Kamernn; Schwabe, Deutsch Südwest-Asrika) und Staats-
mäunern (Bismarck in Ungarn), Darstellungen von Selbstgesehenem
und Selbsterlebtem aus der Heimat (vgl. die Quellenstücke über Deutsch-
land), Schilderungen von Dichtern (Heines Harzreise), typische Ab-
Handlungen in Zeitschriften (Nanticns, Veröffentlichungen des Instituts
sür Meereskunde, Westermanns Monatshefte, Deutsche Erde) u. dgl.
Auf diese vielseitigen Stoffquellen hinzuweisen und wertvolle Teile der-
selben für den Unterricht darznbieten, ist die nächste Aufgabe des vorliegen-
den „Quellenlesebuches".
Für die Stoffauswahl siud folgende Grundsätze maßgebend gewesen:
1. Es wurden mehr schnlwissenschaftliche als schöngeistige
Werke bevorzugt und aus ihueu Abschnitte gewählt, die schulpraktischen
Wert haben und sich durch Darbietung konkreter Einzelzüge, durch Behaud-
luug typischer Landschaften und charakteristischer Züge aus dem Volksleben
besonders auszeichnen.
2. Der Inhalt soll Zeitgemäßes bieten: Neben Landschaftsschilderungen
und geologische» Darstellungen wurden Abhandlungen aus dem Volksleben,
der Missionstätigkeit, dem Landwirtschafts-, Bergbau-, Gewerbe- und Handels-
betriebe gegeben, das Vaterland aber in den Mittelpunkt des Ganzen gestellt
(bei den fremden Erdteilen wurden besonders Schilderungen des Deutsch-
tums im Ausland berücksichtigt).
A*
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T1: [Geschichte Dichter Zeit Buch Werk Jahr Gedicht Nr. Bild Geographie]]
TM Hauptwörter (100): [T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit], T3: [Lage Karte Land Europa Geographie Klima Größe Verhältnis Grenze Gliederung], T46: [Universität Berlin Jahr Schule Wissenschaft Leipzig Professor Akademie Hochschule Gymnasium], T4: [Handel Land Industrie Stadt Verkehr Gewerbe Ackerbau Viehzucht Deutschland Zeit], T25: [Wissenschaft Kunst Zeit Sprache Geschichte Schrift Buch Werk Jahrhundert Erfindung]]
TM Hauptwörter (200): [T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte], T29: [Geschichte Geographie Nr. Erdkunde Lesebuch Bild Iii allgemein Lehrbuch deutsch], T172: [Dichter Zeit Gedicht Schiller Werk Goethe Maler Dichtung Lied Hans], T86: [Insel England Irland Schottland Kolonie Hafen Stadt Küste Hauptstadt Kamerun], T74: [Zeit Wissenschaft Philosophie Geschichte Philosoph Werk Lehrer Schrift Sokrat Schüler]]
Extrahierte Personennamen: Theobald_Fischer Fridtjof_Nansen Drygalski Carl_Chuu Alexander_von_Hum- Alexander Sven_von_Hedin Ehlers Meurer Georg_Ebers Wilhelm_von
Massow Wilhelm Wettstein Ernst_Hacket Ernst Carl_Peters Flierl D._Merensky Moltke Dominik Heines_Harzreise
Außereuropäische Erdteile.
A. Die Gebiete in der Nähe der Pole.
I. Die norwegische Polarerpedition unter Mausen von 1893—1896.
(„In Nacht und Eis/' Die Norwegische Polarexpedition 1893—1896*). Von
Fridtjof Nansen. Mit einem Beitrag von Kapitän Sverdrup, 211 Abbildungen,
8 Chromotafeln und 4 Karten. Autorisierte Ausgabe. 3 Bände, 30 Mark. Leipzig,
F. A. Brockhaus. 1897. Ii. Band S. 35, 38-40, 58, 61-63, 176, 226—228, 244
bis 247, 286—287.)
(1. Abschied von der „Fram".) Am 14. März (1895) endlich ver-
ließen wir um Mittag unter donnerndem Salut die „Fram", nachdem wir
zum dritten Male Lebewohl gesagt und gegenseitig die herzlichsten Glück-
wünsche ausgetauscht hatten. Einige der an Bord Bleibenden gingen noch
eine kleine Strecke mit, doch kehrte Sverdrup bald wieder um, weil er zum
Mittagessen um 1 Uhr an Bord sein wollte. Auf dem Gipsel eiues Eis-
Hügels sagten wir beide uns Lebewohl; die „Fram" lag hinter uns, und ich
erinnere mich noch, daß ich eine Zeitlang stehen blieb und Sverdrup nach-
blickte, der auf seinen Schneeschuhen gemächlich heimwärts zog. Beinahe
hätte ich gewünscht, mit ihm umzukehren, um wieder im gemütlichen, warmen
Salon ausruhen zu können. Ich wußte nur zu gut, daß eine lange Zeit
vergehen würde, bis wir wieder unter einem behaglichen Dache schlafen und
speisen würden. Daß aber die Zeit so lange dauern sollte, wie sie in
Wirklichkeit dauerte, hat damals keiner von uns auch uur geahnt. Wir alle
glaubten, daß die Expedition entweder glücken werde und wir dann noch in
demselben Jahre heimkehren würden, oder daß sie — nicht glücken werde.
(2. Mit Schlitten und Kajak dem Nordpol zu.) Sonntag,
17. März . .. Das Eis wurde während der folgenden Tage fortwährend
ebener, so daß wir an einem Tage oft 15 Kilometer und mehr zurücklegen
konnten. Hin und wieder pflegte ein Unfall vorzukommen, der uns auf-
hielt; so riß uns z. B. eines Tages eine emporragende scharfe Eisspitze ein
Loch in einen Sack mit Fischmehl, so daß der ganze kostbare Inhalt auslief
und wir länger als eine Stunde brauchten, um alles wieder zu sammeln
i) Nansen fuhr mit der „Fram" (norwegisch — Vorwärts) von Vardö (am Va-
ranger Fjord) aus, die sibirische Küste entlang, bis nahe au die Nen-Sibirische Insel-
gruppe und dann im Polareis nach X bzw. Nw. Am 14. März 1895 verließ er nebst
seinem Begleiter Johansen, mit Schlitten, Hunden, Kajak und Schneeschuhen ausgerüstet,
das unter 84° 4' n. Br. und 102° östl. L. liegende Schiff, um zu Fuß den Nordpol zu
erreichen. Am 8. April 1895 mußten beide unter 86° 13'36" n. Br. und 95° östl. L.
umkehren; sie erreichten Franz-Joseph-Land und traten auf der „Windward" die Heimreise
nach Vardö an. Die im Eis steckende „Fram" (Kapitän Sverdrup) trieb nach Nw und
gelangte 7 Tage nach Nansens Heimkehr, an der Westküste Spitzbergens entlang, am
20. August 1896 nach Skjärvö (zwischen Hammerfest und Tromsö).
Marquardt, Quellenlesebuch. 1
TM Hauptwörter (50): [T24: [Schiff Meer Insel Küste Land Fluß See Wasser Hafen Ufer], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T49: [Land Klima Europa Meer Lage Asien Winter Insel Afrika Zone]]
TM Hauptwörter (100): [T15: [Schiff Flotte Hafen England Jahr Insel Engländer Meer Küste Kriegsschiff], T28: [Schiff Meer Wasser Land Küste Ufer Insel See Flut Welle], T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T21: [Schnee Winter Wasser Sommer Berg Regen Luft Boden Land Erde], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume]]
TM Hauptwörter (200): [T110: [Tag Jahr Stunde Nacht Monat Uhr Zeit Winter Sommer Juni], T129: [Schiff Hafen Flotte Meer Küste Fahrzeug See Kriegsschiff Land Dampfer], T34: [Meer Wasser Land Küste Insel See Flut Fluß Tiefe Welle], T12: [Wagen Wasser Stein Rad Fuß Maschine Pferd Bewegung Hand Schiff], T50: [Haus Pferd Bauer Herr Wagen Mann Tag Kind Weg Leute]]
Extrahierte Personennamen: Fridtjof_Nansen Kapitän_Sverdrup Sverdrup Nansen Johansen August Marquardt
Schlitten während der ganzen Zeit fast tragen mußten; schließlich wurde
es aber zu arg. Ich war auf Schneeschuhe» eine gute Strecke vorausgeeilt,
fand aber keine Aussichten auf Vorwärtskommen und erblickte selbst von
den höchsten Hügeln überall nur dasselbe Eis. Es ist ein wahres Chaos
von Eisblöcken, das sich bis an den Horizont ausdehnt. Es hat keinen
Sinn, noch weiter vorzudringen; wir opfern die kostbare Zeit und erreichen
nichts. Ich beschloß daher, umzukehren und uusern Kurs auf Kap Fligely^)
zu richten ...
Mittwoch, 24. Juli. Endlich hat das Wunder sich ereignet. Land,
Land, nachdem wir unsern Glauben daran schon beinahe aufgegeben hatten?
Nach fast zwei Jahren sehen wir wieder über die nie endende weiße Linie
dort am Horizont etwas aufsteigen. Diese weiße Linie hat sich seit vielen
Jahrtausenden über dieses einsame Meer ausgedehnt und wird sich in künf-
tigen Jahrtausenden ebenso darüber ausdehnen. Wir verlassen das Eis
und lassen keine Spur hinter uns zurück; denn die Fährte unserer kleinen
Karawane über die endlosen Ebenen ist längst verschwunden. Ein neues
Leben beginnt für uns, während das Eis immer dasselbe bleibt.
(4. Winterquartiers) Bärenjagd.) Da wir auch am folgenden
Tage (28. August) am Weiterkommen nach Süden verhindert waren und
der Herbst jetzt herannahte, beschloß ich endlich, den Winter über hier zu
bleiben. Ich glaubte, wir hätten noch mehr als 223 Kilometer zu gehen,
um Eira-Hasen") oder das Winterquartier Leigh-Smiths zu erreichen. Es
könnte uus wohl lange Zeit kosten, um dorthin zu gelangen, und dann
würden wir noch nicht sicher sein, eine Hütte zu finden. Und wenn wir
hinkämen, würde es mehr als zweifelhaft fein, ob vor Eintritt des Winters
noch Zeit genug wäre, ein Haus zu bauen, sowie Vorräte für den Winter
zu sammeln. Es war daher unzweifelhaft das sicherste, sofort mit den
Vorbereitungen für das Überwintern zu beginnen, solange noch reichlich
Wild zu bekommen war, auch war hier eine gute Stelle zum Überwintern.
Das, was ich jetzt gern zuerst getan hätte, war, die Walrosse zu schießen,
die während der ersten Tage auf dem Eise gelegen hatten, doch waren sie
jetzt natürlich verschwunden. Das Meer schwärmte aber von ihnen; sie
bellten und schnaubten Nacht und Tag. Um für eine Begegnung mit ihnen
bereit.zu sein, entleerten wir unsere Kajaks, damit wir bei dieser einiger-
maßen gefährlichen Jagd damit leichter manövrieren könnten.
Während wir so beschäftigt waren, bekam Johanfen zwei Bären in
Sicht, eine Bärin und ihr Junges, die von Süden her am Rande des
Eises entlang kamen. Unverzüglich ergriffen wir unsere Büchsen und gingen
ihnen entgegen. Als sie die Küste erreichten, waren sie in Schußweite, und
Johansen jagte der Mutter eine Kugel durch die Brust. Sie brüllte, biß
in die Wunde, taumelte ein paar Schritte weiter und stürzte hin; das
Junge wußte nicht, was der Mutter fehlte, war um sie herum und be-
schnüffelte sie. Als wir uns näherten, lief es eine kleine Strecke den Ab-
hang hinaus, kam aber bald wieder zurück und beugte sich über die Mutter,
als ob es sie gegen uns verteidigen wollte. Ein Schrotschuß machte seinem
1) Im Norden von Franz-Joseph-Land.
2) ®om 28. Aug. 1895 bis 19. Mai 1895 auf der Frederick-Jackson-Jnsel (Franz-
Joseph Laud).
3) Westlich von Kap Flora, im Südwesten von Franz-Joseph-Land.
TM Hauptwörter (50): [T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T30: [Tier Vogel Mensch Pferd Hund Fisch Thiere Nahrung Eier Wasser], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd]]
TM Hauptwörter (100): [T21: [Schnee Winter Wasser Sommer Berg Regen Luft Boden Land Erde], T28: [Schiff Meer Wasser Land Küste Ufer Insel See Flut Welle], T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T82: [Hand Pferd Schwert Fuß Schild Kopf Waffe Lanze Ritter Mann], T23: [Stadt Feind Tag Heer Mauer Mann Lager Nacht Kampf Soldat]]
TM Hauptwörter (200): [T110: [Tag Jahr Stunde Nacht Monat Uhr Zeit Winter Sommer Juni], T42: [Vogel Nest Junge Eier Schnabel Storch Taube Flügel Fuchs Frosch], T6: [Berg Fuß Höhe Gipfel Gebirge Schnee Meer Fels Ebene See], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T51: [Kind Himmel Nacht Sonne Tag Gott Wald Baum Blume Feld]]
Extrahierte Personennamen: August Johanfen Johansen Joseph_Laud
— 5 —
unserer Schlittenreise nach Norden nichts bemerkt, was aus die Nähe von
Land von irgend erheblicherer Ausdehnung hingewiesen hätte. Das Eis schien
ungehindert zu treiben, namentlich in nördlicher Richtung. Die Weise, in
welcher die Drift direkt nach Norden setzte, sobald der Wind südlich war,
war höchst überraschend. Nur mit der größten Mühe konnte der Wind die
Rückdrist nach Südosten veranlassen. Wäre innerhalb einer müßigen Ent-
sernnng im Norden von uns irgendwelches Land von Bedeutung gewesen,
so hätte es die Bewegung des Eises in dieser Richtung hindern müssen.
Außerdem scheint auch die große Menge Treibeis, die mit großer Ge-
schwindigkeit an der Ostküste von Grönland entlang nach Süden, bis hinab
nach Kap Farewell^) und darüber hinaustreibt, dasselbe anzudeuten. Solche
ausgedehnte Eisfelder müssen ein größeres Meer haben, von dem sie her-
kommen, als dasjenige, durch welches wir trieben. Hätte die „Fram", statt
im Norden von Spitzbergen loszukommen, ihre Drift fortgesetzt, so würde
sie sicherlich an der Küste von Grönland entlang herabgekommen sein. Wahr-
scheinlich würde sie aber nicht nahe an diese Küste hinangelangt sein, son-
dern eine gewisse Menge Eis zwischen sich und ihr gehabt haben. Und
dieses Eis muß aus einem Meer nördlich von unserer Breite kommen.
Dagegen ist es sehr wahrscheinlich, daß auf der andern Seite des Pols,
zwischen diesem und dem nordamerikanischen Archipel, Land von beträcht-
licherer Ausdehnung vorhanden ist. Mir scheint es nur vernünftig, anzu-
nehmen, daß die vielen Inseln nach Norden eine Fortsetzung haben.
Aus unserer Expedition, glaube ich, können wir uns jetzt einen ziem-
lich klaren Begriff machen von der Weise, wie das Treibeis beständig
auf der Wanderung von der einen Seite des Polarbeckens, nördlich von der
Beringstraße und der Küste von Sibirien, quer über die Regionen um den
Pol nach deni Atlantischen Ozean begriffen ist. Wo man einst eine feste,
unbewegliche, massive Eisdecke anzunehmen geneigt war, die den nördlichsten
Punkt der Erde als ein fester Eismantel bedecken sollte, sinden wir jetzt ein
ewig wanderndes, ausgebrochenes Treibeis.
Der Beweis, der mich schon vor unserer Expedition fest an diese
Theorie zu glauben veranlaßte, wird durch das sibirische Treibholz geliefert,
das beständig nach Grönland geführt wird, sowie dnrch den auf dem Eise
gefundenen Schlamm, da derselbe kaum anderer als sibirischer Abstammung
sein kann. Wir fanden während unserer Expedition, selbst als wir auf dem
86. Grade waren, mehrere Anzeichen dieser Art, die uns wertvolle Finger-
zeige bezüglich der Bewegung des Eises gaben.
Die Kraft, die das Eis in Bewegung setzt, wird sicherlich zum größten
Teil von den Winden geliefert, und da auf dem Meere nördlich von Sibirien
südöstliche und östliche Winde vorherrschen, während sie im Norden von
Spitzbergen nordöstlich sind, so müssen sie das Eis in der Richtung führen,
in welcher wir die Drift gefunden haben. Aus zahlreichen von mir an-
gestellten Untersuchungen habe ich das Vorhandensein einer langsamen
Strömung im Wasser unter dem Eise festgestellt, die in derselben Richtung
läuft. Jedoch wird es noch einige Zeit dauern, bis das Resultat dieser
Untersuchungen ausgearbeitet und als sicher betrachtet werden kann.
*) Südspitze von Grönland.
TM Hauptwörter (50): [T49: [Land Klima Europa Meer Lage Asien Winter Insel Afrika Zone], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht]]
TM Hauptwörter (100): [T50: [Klima Land Meer Gebirge Europa Zone Norden Küste Süden Winter], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T21: [Schnee Winter Wasser Sommer Berg Regen Luft Boden Land Erde], T0: [Meer Insel Halbinsel Küste Ozean Afrika Land Europa Kap Straße]]
TM Hauptwörter (200): [T193: [Meer Halbinsel Gebirge Norden Süden Osten Westen Küste Insel Europa], T34: [Meer Wasser Land Küste Insel See Flut Fluß Tiefe Welle], T24: [Luft Wasser Wärme Körper Erde Wind Regen Höhe Temperatur Schnee], T175: [Mensch Leben Natur Körper Seele Tier Thiere Arbeit Erde Pflanze], T152: [Auge Haar Gesicht Nase Krankheit Körper Mensch Mund Ohr Kopf]]
zunächst gegen Ssw, dann gegen W und jetzt um 5 Uhr wieder direkt
gegen S. Wir kamen aber nur langsam vorwärts und waren in kürzester
Frist von Schollen gänzlich blockiert. Der Wind kam aus So und die
Lufttemperatur betrug —2°; der Himmel war bezogen und ließ Witterungs-
Umschlag erwarten.
(2. Entdeckung des Gaußberges.) Am 15. März hatte ich ge-
legentlich eines Spazierganges über das Eis Philippi eine erste Rekognos-
ziernngsschlittentonr vorgeschlagen und bei ihm Geneigtheit gefunden.
Der zweite Offizier Vahsel war in gleicher Weise bereit; als Dritter im
Bunde wurde als besonders zuverlässig der Norweger Johannsen bestimmt.
Die Fahrt sollte nach Süden gehen, bis sie auf das Land stieß, und so
eine erste Verbindung mit diesem herstellen. Sie wurde schnell vorbereitet,
und, mit Proviant für zehn Tage versehen, verließen am 18. März zwei
Schlitten mit je neun Hunden das Schiff. Außer den drei Teilnehmern
wurden jedem Schlitten noch zwei Mann mitgegeben, um leichter das uu-
ebene Scholleneis in unserer Nähe überwinden zu helfen, was auch inner-
halb von 2^ Stunden gelang; dann brach die Schlittentour südwärts auf.
Das Wetter war fast während der ganzen Zeit ihrer Abwesenheit schön und
sonnig, der Schnee hart und pulvrig, so daß er gut überhielt. Auf dem
ebenen Eisfeld südlich von uns haben die Schlitten schnellen Fortschritt
gehabt. Da im Felde um uns herum keine Bewegung bemerkt wurde, son-
dern nur der übliche Wasserhimmel in Westnordwest und das uns schon
gewohnte offene Wasser im Osten zu sehen war, machten wir uns über das
Schicksal der Expedition keine Sorgen.
Sie blieb acht Tage fort und war nur in den letzten Tagen durch
Wetter aufgehalten gewesen, uämlich durch einen Föhnwind am 21. März,
der die Temperatur bis zu — 10 hob und überall Tauwirkungen erzeugte,
so daß sich die Ausbreitung des Wassers um uns herum steigerte und die
Eisberge tropften. Am 24. März war Schneefall eingetreten, dem am
Tage darauf ein starker Sturm folgte. Als dieser aber vorüber war, traf
am 26. die Expedition glücklich beim Schiffe ein. Zuerst kam Philippi
allein zu Fuß über das Eis, im warmen Timiak und mit zerschnndener
Nase, da er auf dem unebenen Eise zu guter Letzt gefallen war. Dann wur-
den Leute den Schlitten entgegengeschickt, und um 6 Uhr abends waren
auch Vahsel und Johannsen zur Stelle. Sie hatten 3% Tage bis zum
Lande gebraucht, nachdem sie schon am ersten Tage in dem Rande eines
großen Eisberges das Inlandeis erreicht zu haben geglaubt hatten. Am
Abend des zweiten Tages war ihnen in der Ferne eine dunkle Partie im
Eise erschienen, die sie am dritten mit Sicherheit als eisfreies Land er-
kannten; sie hatten darauf zugehalten, so den Ganßberg erreicht und
zweimal bestiegen. Bei der Erleichterung, welche die Schlitten mittler-
weile gehabt, hätten sie den Weg zurück auch in 2^ Tagen zurücklegen
können, doch war der Schneesturm dazwischen gekommen und hatte sie zu
zweitägigem Liegen im Zelte verurteilt.
Die Freude über den glücklichen Ausgang dieser Fahrt war groß und
noch größer die über die Entdeckung des Berges, war es doch nun auch
äußerlich sicher, daß wir es mit Land zu tun hatten, woran bei dem Aus-
sehen des Eises ja allerdings nicht mehr zu zweifeln gewesen war. Der
Berg gab nun aber die Möglichkeit, auch das Land zu ersteigen und zu
TM Hauptwörter (50): [T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T21: [Erde Sonne Tag Jahr Mond Zeit Stunde Punkt Abschnitt Periode]]
TM Hauptwörter (100): [T21: [Schnee Winter Wasser Sommer Berg Regen Luft Boden Land Erde], T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T15: [Schiff Flotte Hafen England Jahr Insel Engländer Meer Küste Kriegsschiff], T32: [Tag Jahr Monat Mai Juli März Juni April Ende Oktober]]
TM Hauptwörter (200): [T110: [Tag Jahr Stunde Nacht Monat Uhr Zeit Winter Sommer Juni], T6: [Berg Fuß Höhe Gipfel Gebirge Schnee Meer Fels Ebene See], T34: [Meer Wasser Land Küste Insel See Flut Fluß Tiefe Welle], T182: [Krieg Jahr Zeit Land Deutschland Regierung Frankreich Volk Folge Revolution], T175: [Mensch Leben Natur Körper Seele Tier Thiere Arbeit Erde Pflanze]]
— 10 —
nach Westen hin für uns der gegebene Weg war; vielleicht konnte man dort
mit dem Schiffe auch etwas weiter südlich hinab. Der Ganßberg war eine
einzelne fremdartige Unterbrechung und in dem ewigen Einerlei der einzige
Halt; er stand frei im Julandeisrande, von tiefen Schmelzkehlen umgeben,
ein einzelner gerundeter Kegel, an der Westseite mit Schnee verkleidet, der
durch die östlichen Winde dort angesetzt ist. Dahinter aber hob sich das
Eis bald zu größeren Höhen empor. Das Herunterholen des Ballons,
nachdem ich etwa zwei Stunden in den luftigen Höhen geweilt hatte, ging
ebenso leicht wie der Aufstieg, nur bei den Schäkeln der Kette, die von
hundert zu hundert Metern die einzelnen Stücke miteinander verbanden, waren
kurze Aufenthalte.
(4. Reiches, unberührtes Tierleben.) Eine Robbe schwamm in
einer breiten Spalte und lag darin furchtlos oben an der Wasseroberfläche;
rührte man sie an, so tauchte sie unter, um wenige Schritte weiter unter
heftigem Strudeln des Wassers wieder oben zu erscheinen. Als ein junges
Tier ins Wasser geworfen wurde, kroch die Alte ihm nach und schob es mit
der Nase empor. Björvig half ihm auf die Scholle hinauf, worauf die
Alte behende nachkletterte. Die alten Robben blöken fast wie Kühe, während
die Laute der Jungen mehr denen der Schafe gleichen. Bisweilen hört
man von ihnen auch einen trillernden Laut, wenn man sich ihnen naht.
Auch pfeifende Töne wurden vernommen, wenn sie unter dem Eise durch
das Wasser schössen. Wir haben in der Folgezeit viele von diesen Robben
gegessen und an die Hunde verfüttert, sowie andere der Felle, der Skelette
und des Tranes wegen getötet. Besonders die jungen Tiere schmeckten vor-
trefflich und beseitigten die letzten Spuren von Abneigung, die unsere See-
leute auch im Salou anfangs gegen diese Nahrung gehabt hatten. Zwischen
den Robben standen Kaiserpinguine umher oder schössen in unserer Anwesen-
heit aus den Spalten hervor. Über dem Ganzen schwebten Raubmöwen,
um sich der Reste der getöteten Robben zu bemächtigen, wenn wir die
Stätte verließen. Bald danach haben sich auch Kaptauben, Petersvögel
(Oceanites) und Riesensturmvögel gezeigt, so daß jetztx) das Tierleben immer
reicher und reicher wurde ...
Am 1. November war die erste Kaptaube erschienen und am 11. der
erste Oeeauites. Am 13. kamen Adelies^) bis zum Schiff heran und
flößten unseren jungen Hunden, die mit ihnen ebenso wie mit den ruhigen
Kaiserpinguinen zu spielen versuchten, nicht geringen Schrecken ein, als sie
in großer Lebhaftigkeit mit ihren starken Schnäbeln auf sie zuschlugen.
Mehrere davon wurden nun au Bord gehalten und gewährten uns viel
Unterhaltung. Sie sind lange nicht so schön wie die großen. Ihre Füße
sind fleischrot, ihr Rücken graumeliert wie bei den Kaiserpinguinen; ihr
Kopf ist ebenfalls schwarz, die Brust rein weiß und ohue den schwarzen
Seitenstreifen der Kaiserpinguine. Der Schnabel ist kurz und dick, ohne
weitere Schattierungen. Charakteristisch sind die weißen Ringe um die
Augen, die den Adelies ein boshaftes Aussehen geben, das auch ihrem
Charakter entspricht. Da Vanhöffens Geburtstag bevorstand, versuchte
Gazert die Stimme der Pinguine mit dem Phonographen aufzunehmen,
1) Im Frühjahr.
2) (Sine kleinere Art als die Kaiserpinguine,
— 12 —
Partie war oft bizarr gestaltet und gewährte der Phantasie den freiesten
Spielraum zu Vergleichen mit Statuen, Tieren und Gerät. Es handelte
sich meist um schneeweiße Kuppen, die auf dem tiefblauen im Wasser flot-
tierenden Postamente ruhten; ihr unterer noch von Wellen bespülter Teil
war stärker aufgelöst als die obere, manchmal auf einer schlanken Eissäule
ruhende Partie. Die Kuppen bestehen wohl in der Hauptsache aus mehr-
fach geschichteten und zusammengefrorenen Schneelagen, welche man mit dem
Nuder des gelegentlich ausgesetzten Bootes leicht zu durchstechen vermochte.
Die größeren Schollen maßen hier 2, selten 3 m im Durchmesser, und wir
mußten sie sorgfältig zu vermeiden trachten, da das außerordentlich spröde
Eis leicht einen Schaden an der Schiffsschraube hervorgerufen hätte. Zwi-
fchen den bald langgestreckten, bald atollartig gestalteten Treibeisfeldern war
das Meer öfter so ruhig wie ein See. Wir nutzten diesen Umstand mehr-
fach aus, um mitten in dem Eise unseren Arbeiten nachzugehen. Allerdings
hatten sich während der oft einen ganzen Tag dauernden Untersuchungen,
bei denen das Schiff still lag, die Eisfelder hinter uns vielfach verschoben,
und so waren wir genötigt, sie sowohl gleich am ersten Tage, wo wir auf
das Eis trafen, wie auch späterhin (z. B. am 3., 5. und 11. Dezember) zu
durchbrechen, um wieder offenes Wasser zu gewinnen. Hierzu zwang uns
auch manchmal der Umstand, daß das Eis in Gestalt langer Zungeu sich
vorschob, die senkrecht zu unserem Kurse gestellt waren. Es war stets ein
großartiger, aber auch mit mannigfachen Beklemmungen verbundener Moment,
wenn die keineswegs für die antarktischen Eisverhültnisse berechnete und zu
diesem Zwecke uicht verstärkte „Valdivia" mit Volldampf gegen die Eisfelder
anfuhr, erst direkt vor ihnen stoppte und sich nun durch die krachenden
Schollen ihren Weg bahnte.
(3. Die Kerguelen.) Zwischen dem 48. und 50. südlichen Breiten-
grad und dem 68. und 71. östlichen Längengrad liegt eine Inselgruppe,
deren Flächeninhalt etwa 180 Quadratmeilen beträgt. Die Kerguelen, wie
die Gruppe zu Ehren ihres Entdeckers genannt wird, setzen sich aus einer
Hauptinsel und ans nicht weniger denn 130 größeren und kleineren Jnselchen
zusammen.
Bei der Nennung ihres Namens tauchen eigenartige und fesselnde
Erinnerungsbilder auf. Die Berge sind teilweise mit ewigem «schnee und
in Gletscher auslaufenden Firnfeldern bedeckt; Fjorde, oft von Steilabstürzen
begrenzt und von Vasalttrümmern umsäumt, schneiden tief in das Land ein;
tafelförmige Terrassen, aus horizontalen Basaltschichten sich aufbauend,
prägen der vulkanischen Landschaft ihren Charakter auf; aus zahllosen Süß-
wassertümpeln sammeln sich die Schmelzwasser, um in malerischen Kaskaden
über die Steilwände der Fjorde herabznrnnschen; grüne Matten, gebildet
aus einer eigenartigen Flora, bedecken das flache Vorland und ziehen sich
oft weit an den Hängen hinauf, und endlich wird dies alles belebt von einer
überwältigend reich entfalteten Vogelwelt, die an anmutender Harmlosigkeit
mit den den Strand bedeckenden Elefantenrobben wetteifert . . .
Die Stärke der Windstöße schildern sowohl die Teilnehmer an
früheren Expeditionen wie auch die Robbenschläger in den lebhaftesten
Farben. Sie brechen so plötzlich in manche Buchten herein, daß die
Schiffe mit den stärksten Kabeln und Ankern vertäut werden müssen,
daß die Boote umschlagen und der Wanderer auf dem Lande sich platt
TM Hauptwörter (50): [T24: [Schiff Meer Insel Küste Land Fluß See Wasser Hafen Ufer], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T49: [Land Klima Europa Meer Lage Asien Winter Insel Afrika Zone]]
TM Hauptwörter (100): [T28: [Schiff Meer Wasser Land Küste Ufer Insel See Flut Welle], T70: [Boden Teil Land Wald Gebirge Ebene Gebiet See Klima Tiefland], T21: [Schnee Winter Wasser Sommer Berg Regen Luft Boden Land Erde], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T16: [Ende Körper Strom Bild Hebel Hand Auge Wasser Gegenstand Seite]]
TM Hauptwörter (200): [T34: [Meer Wasser Land Küste Insel See Flut Fluß Tiefe Welle], T6: [Berg Fuß Höhe Gipfel Gebirge Schnee Meer Fels Ebene See], T95: [Gestein Schicht Wasser Boden Erde Granit Gebirge Masse Sand Teil], T129: [Schiff Hafen Flotte Meer Küste Fahrzeug See Kriegsschiff Land Dampfer], T32: [Wald Baum Boden Eiche Steppe Höhe Ebene Wüste Teil Tanne]]
— 15 —
B. Australien - Polynesien.
I. Darwin bei Feuerländern und Anstralnegern.
(„Reise eines Naturforschers um die Welt" von Charles Darwin.
Autorisierte deutsche Ausgabe, Aus dem Englischen übersetzt von I. Victor Carus. Mit
vielen Holzschnitten. 2. durchgesehene Auflage. Stuttgart. E. Schweizerbartsche Ver-
lagshandlung (E. Nägele & Dr. Sprösser), 1899. 568 Seiten, 4,80 Mark. S. 220, 221
bis 223, 474—477.)
(1. Das geuerlanb1).) 17. Dezember 1832 ... Wir hielten uns
dicht an der Küste des Feuerlandes, doch waren die Umrisse des zerklüfteten,
unwirtlichen Staatenlandes in den Wolken sichtbar. Am Nachmittag warfen
wir in der Bucht des guten Erfolgs (Good Success Bay) Anker. Als
wir einfuhren, wurden wir nach der Manier der Bewohner dieses wilden
Landes begrüßt. Eine Gruppe Feuerländer, zum Teil von dem dicht ver-
wachsenen Walde bedeckt, kauerten an einem wilden, die See überragenden
Punkte, und als wir vorbeifuhren, sprangen sie auf, schwangen ihre zer-
lumpten Mäntel und stießen ein lautes sonores Geschrei aus. Die Wilden
folgten dem Schiff, und noch ehe es dunkel war, sahen wir ihre Feuer und
hörten ihr wildes Geschrei.
(2. Bei den Feuerlündern.) Am Morgen schickte der Kapitän eine
Abteilung ab, um sich mit den Feuerländern in Beziehung zu setzen. Als
wir in Rufweite gekommen waren, kam einer der vier Eingeborenen, welche
da waren, vorwärts, um uns zu empfangen, und fing an, äußerst heftig zu
rufen, um uns nach dem Platze hinzuleiteu, wo wir landen sollten. Als
wir am Lande waren, sah die Gesellschaft im ganzen beunruhigt aus; sie
fuhren aber fort, beständig zu sprechen und mit großer Geschwindigkeit zu
gestikulieren. Es war ohne alle Ausnahme das merkwürdigste und inter-
essanteste Schauspiel, das ich je erblickte: ich hätte kaum geglaubt, wie groß
die Verschiedenheit zwischen wilden und zivilisierten Menschen ist: sie ist
größer als zwischen einem wilden und domestizierten Tiere, insofern beim
Menschen eine größere Veredelnngsfähigkeit vorhanden ist. Der Haupt-
sprecher war alt und schien das Oberhaupt der Familie zu sein; die drei
anderen waren kräftige, ungefähr sechs Fuß hohe junge Leute. Die Frauen
und Kinder waren weggeschickt. Diese Feuerländer bilden eine, von den
verkümmerten, elenden, unglücklichen Geschöpfen weiter westlich sehr ver-
schiedene Rasse und scheinen den berühmten Patagoniern der Magellanstraße
nahe verwandt zu sein. Ihr einziges Kleidungsstück besteht ans einem aus
Guanacohant gefertigten Mantel, mit den Haaren nach außen. Diesen
tragen sie nur über ihre Schulter geworfen und lassen dadurch ihren Körper
ebenso oft nackt als bedeckt. Ihre Haut ist von einer schmutzig kupferig-
roten Farbe.
Der alte Mann hatte ein Stirnband mit weißen Federn rund um den
Kopf gebunden, welches zum Teil sein schwarzes, grobes und verwildertes
Haar zusammenhielt. Quer über sein Gesicht zogen zwei breite Streifen,
der eine, hellrot gemalt, reichte von einem Ohr zum andern und schloß die
Oberlippe mit ein; der andere, weiß wie Kreide, lief über und parallel mit
dem ersten, so daß selbst seine Augenbrauen so gefärbt waren. Die anderen
*) Im Süden von Südamerika (Kap Hoorn).
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Extrahierte Personennamen: Darwin Charles_Darwin Victor_Carus Schweizerbartsche
obschon wir in diesem Falle Hütten erwarten können, daß sie zugenommen
haben würde. Der Kindermord, welcher früher bis zu so einem außerordent-
lichen Grade herrschte, hat aufgehört; Ausschweifung ist in einem bedeutenden
Grade unterdrückt worden, und die mörderischen Kriege sind weniger häufig
gewesen.
Der Missionar I. Williams sagt in seinem interessanten Buche, daß
die erste Berührung zwischen Eingeborenen und Europäern unabänderlich
von der Einführung von Fieber, Ruhr oder irgend anderer Krankheiten
begleitet ist, welche große Zahlen des Volkes dahinraffen. Ferner behauptet
er: „Es ist sicherlich eine Tatsache, welche nicht widerlegt werden kann, daß
die meisten Krankheiten, welche auf den Inseln während meines Aufenthaltes
hier gewütet haben, von Schiffern eingeschleppt worden sind. Und was die
Tatsache noch merkwürdiger macht, ist, daß unter der Bemannung des
Schiffes, welche eine solche zerstörende Einschleppung verursacht, gar keine
Krankheit scheinbar vorhanden zu sein braucht." Diese Angabe ist nicht
völlig so außerordentlich, als sie auf den ersten Blick erscheint; denn mehrere
Fälle sind beschrieben worden, wo die bösartigsten Fieber ausgebrochen sind,
ohne daß die Parteien selbst, welche die Ursachen dazu waren, affigiert ge-
wesen wären. In der ersten Zeit der Regierung Georgs Iii. wurde
ein Gefangener, der in einem Kerker gefangen gehalten worden war, in
einer Kutsche mit vier Koustablern vor den Richter gebracht, und obgleich
der Mann selbst nicht krank war, starben doch die vier Konstabler an einem
sehr schnell verlaufenden fauligen Fieber; aber die Ansteckung verbreitete sich
nicht auf andere. Nach diesen Tatsachen möchte es beinahe scheinen, als ob
die Ausdünstungen von einer Anzahl eine Zeitlang zusammengeschlossen
gehaltener Menschen giftig wirkte, wenn sie von anderen eingeatmet werden,
und möglicherweise ist dies noch mehr dann der Fall, wenn die Menschen
verschiedenen Raffen angehören. So mysteriös dieser Umstand zu sein
scheint, so ist er doch nicht mehr überraschend, als daß der Körper von einem
Mitgeschöpf unmittelbar nach dem Tode und ehe noch die Fäulnis aufzu-
treten begonnen hat, häufig von einer so tödlichen Eigenschaft ist, daß ein
bloßer Stich mit einem bei seiner Sektion benutzten Instrument sich als
todbringend herausstellt.
Ii. In Australien und auf Samoa.
(„Samoa, die Perle der Südsee", & jour gefaßt von Otto E. Ehlers,
6. Aufloge; Berlin, Hermann Paetel. 1904, 191 Seiten, 4 Mark. S. 14, 15, 17, 18,
24, 25, 31—33, 4ü, 41, 48, 49, 75—77, 80—82, 129—131.)
(1. Adelaide.) Wer etwa nach Australien kommt in der Erwartung,
auf Schritt und Tritt von boxenden Känguruhs angerempelt zu werden,
das Emu seine Eier in die Rinnsteine legen und das Schnabeltier seine
ausgebrüteten Jungen an den Straßenecken säugen zu sehen, der wird sich
schon am ersten Tage schmerzlich enttäuscht sehen. Ich hatte, durch ameri-
kanische Erlebnisse gewitzigt, meine Erwartungen auf ein möglichst geringes
Maß herabgeschraubt und fand, daß ich gnt daran getan hatte, da ich nun-
mehr angenehm überrascht wurde.
Adelaide, die Hauptstadt Südaustraliens, die ich nach etwa halbstündiger
Eisenbahnfahrt durch schönes frischgrünes Weideland erreichte, macht mit
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Extrahierte Personennamen: Williams Otto Ehlers Hermann_Paetel
Extrahierte Ortsnamen: Georgs Australien Samoa Berlin Adelaide Adelaide
— 20 —
sonstwo in der Welt, zumal sich die Schurzeit der verschieden Kolonien
über den größten Teil des Jahres verteilt. Bisher erhielten die Scherer
20 Mark für je 100 geschorene Schafe, doch ist neuerdings infolge der
niederen Wollpreise das Schergeld auf 18 Mark fürs Hundert herabgesetzt,
eine immerhin recht anständige Bezahlung, wenn man bedenkt, daß geübte
Scherer 80 bis 100, ja selbst 120 Schafe am Tage bewältigen.
Während in früherer Zeit das Schaffleisch in Australien nahezu wert-
los war, hat im letzten Jahrzehnt die Ausfuhr gefrorener Hammel nach
Europa eiueu für die Australier ebenso erfreulichen wie für die europäischen
Landwirte bedenklichen Umfang angenommen. Wenn erst einmal alle jetzt
im Bau begriffenen und geplanten Gefrieranstalten ihre Tätigkeit begonnen
haben, dann ade ihr armen europäischen Schafzüchter. Nun, hoffen wir,
daß es der hohen Obrigkeit bei uns gelingen möge, noch rechtzeitig eine
gefrorene australische Schaftrichine zu entdecken, bevor der Hammel des
fünften Weltteils die deutschen Landwirte dazu zwingt, nachdem sie das
Hungertuch allmählich verzehrt haben, am Bettelstabe weiterznnagen.
(4. Goldgewinnung.) Ballarat, mit einer Bevölkerung von etwa
45 000 Einwohnern bei weitem die bedeutendste aller australischen Binnen-
landstädte, verdankt seine Entstehung der in das Ende der vierziger Jahre
fallenden Entdeckung außerordentlich reicher Goldfelder und ist auch heute
noch eine Minenstadt in des Wortes vollster Bedeutung, wenn auch die
Zeiten, in denen das Gold gleichsam auf der Straße lag, und in denen der
Revolver eine Rolle spielte, längst entschwunden und dahin sind. Heute
liegt das Geld nicht auf, sondern unter deu Straßen Ballarats; Schachte,
die oft eine Tiefe von 3000 Fuß haben, führen hinab zu dem goldhaltigen
Quarz, von dem nicht selten mehrere tausend Kilo mühsam in riesenhaften
Stampfmühlen zermalmt werden müssen, um eine einzige Unze*) reinen
Goldes zu gewinnen. Kleinere und größere solcher Mühlen finden sich über
die ganze Stadt verstreut, und wenn man hört, daß 2 75 000 Unzen die
Ausbeute eines Jahres sind, so kann man sich ungefähr einen Begriff davon
machen, welche Unmaffen Quarzes hier gefördert und verarbeitet werden.
Ich besichtigte eine der größeren Waschanstalten, in der 80 Stampfen
einen geradezu ohrenbetäubenden Lärm vollführten. Die zerstampfte Masse
hat verschiedene Schlemm- und Mahlprozesse durchzumachen, und das Ende
vom Lied ist sehr viel weniger Gold, als der Laie sich's vorzustellen pflegt.
Die Arbeiter in den Minen erhalten 7,50 Mark Tagelohn; sämtliche Minen
sind in den Händen von Aktiengesellschaften, und alles ist so prosaisch wie
möglich. Die Romantik des Goldgräberlebens, wie Gerstäcker uns dasselbe
geschildert hat, findet sich nur noch gelegentlich in unentdeckten Golddistrikten,
wie beispielsweise letzthin in den in Westaustralien gelegenen Coolgardie-
Minen, in denen binnen wenigen Monaten Millionen verdient worden sind.
Aber die Romantik ist auch da nicht von langer Dauer gewesen: der
Kapitalist verdrängt den auf seine eigene Faust grabenden Abenteurer: eine
Quadratmeile nach der andern ging in die Hände großer Gesellschaften
über, und dem kleinen Mann, der gestern noch die Möglichkeit sah, in einem
Tage, wenn das Glück ihm lächelte, ein reicher Mann zu werden, ist heute
i) Ein englisches Gewicht für Edelmetall — 3/12 Pfund; eine deutsche Unze
— 2 Lot oder x/16 Pfund.
L
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Extrahierte Personennamen: Gerstäcker
Extrahierte Ortsnamen: Australien Europa Goldgräberlebens Westaustralien