Vorwort.
Die Überzeugung, daß besoudere Vorkehrungen nötig sind, um unsern
Schülern und Schülerinnen ein besseres und tieferes Verständnis für unser
Staatsleben und für unsere öffentlichen Einrichtungen überhaupt mitzu-
geben, wird immer allgemeiner; das vorliegende — sicherlich verbesserungs-
fähige — Büchlein ist ein Versuch, diesem Bedürfnis zu entsprechen.
Gewiß muß auf diesem Gebiete das meiste der Geschichtsunterricht tun;
und es wird schwer sein, ohne einen Geschichtsunterricht, der, selber von
liebevollem Verständnis für Staat und Volk getragen, das allmähliche
Werden unsrer politischen Zustünde anschaulich macht, ein kräftiges Staats-
gefühl zu erzeugen. Aber auch, wenn dieser Unterricht seine Pflicht tut,
wird es nützlich sein, das, was erarbeitet worden ist, rückblickend zu-
sammenzufassen, zu ergänzen und so dem Schüler ein Gesamtbild unsrer
politischen Verhältnisse vor Augen zu stellen.
Damit ist nicht gesagt, daß eine systematische Behandlung beabsichtigt
wäre. Für die Form dieses Buches ist durchaus bestimmend, daß es für
Schüler geschrieben ist. Ich habe nicht nach erschöpfender Genauigkeit
gestrebt, von peinlich sorgfältigen Desinitionen sehe ich ab, ich bin be-
müht gewesen, einfach zu sprechen und alles Komplizierte fernzuhalten.
Schwierig bleibt der Gegenstand auch so. Er wird nur dann schmack-
haft werden, wenn der Lehrer an die Erfahrung des Schülers anknüpft,
an das, was er von Regierung, Parlament, Steuern und dergleichen
bereits weiß; wenn bereits der gesamte bisher erteilte Geschichtsunterricht,
dem inneren Leben der Staaten, dem Wirtschaftlichen, dem Sozialen sein
Augenmerk zugewandt hat; wenn diese Bespechungen auch schließlich in-
sofern die rechte Form erhalten, daß alle mechanische Eiuprüguug fern-
gehalten wird. Denn natürlich kommt es in erster Linie darauf an,
lebendiges Interesse an diesen Dingen zu erzeugen.
Man wird nun fragen, an welcher Stelle denn der Geschichtsunter-
richt unsrer höheren Knabenschulen, der im allgemeinen so belastet ist, daß
er mit der Minute rechnen muß, für solche zusammenfassende Besprechungen
1*
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
TM Hauptwörter (100): [T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T3: [Lage Karte Land Europa Geographie Klima Größe Verhältnis Grenze Gliederung], T41: [Staat Recht Volk Adel König Land Verfassung Gesetz Stand Verwaltung], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel]]
TM Hauptwörter (200): [T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte], T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen], T7: [Staat Gesetz Verfassung Recht Reichstag Reich König Regierung Volk Verwaltung]]
4
Vorwort.
Zeit habe. Am Schluß der Untersekunda denke ich, läßt sich ohne Schwierig-
keit Zeit erübrigen, freilich nur daun, wenn ein Teil des bisherigen Pen-
sums dieser Klasse, nämlich die Zeit Friedrichs des Großen, nach Ober-
tertia verlegt wird. Dies ist aber durchaus möglich; das Pensum der
Obertertia ist das einzige Geschichtspensum, das bisher etwas knapp be-
messen war. Vermag es der Lehrer dieser Klasse die Schüler bis zum
Beginne der französischeu Revolution zu führen, was auch aus anderen
Gründen erwünscht ist, so können am Schluß der Untersekunda einige
Wochen erspart werden, um die wichtigsten Abschnitte dieser kleinen Staats-
lehre zu besprechen. Den ganzen Inhalt freilich wird man an dieser
Stelle nicht bewältigen können; insbesondere der vierte Abschnitt, der von
der Volkswirtschaft handelt, gehört noch nicht hierher. Diese Fragen
können gelegentlich an passenden Stellen auf der Oberstufe erörtert werden.
Für die höheren Mädchenschulen schreiben die ,,Ausführungsbestim-
mungen" vom 12. Dezember 1908 für die zweite Klaffe „Belehrungen
über die Zustände der Gegenwart in Verwaltung und Ordnung von Staat
und Gemeinde sowie über die sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse"
vor. Jedenfalls wird man in der ersten Klasse, sowie auf dem Seminar
und in den höheren Klassen der Studienanstalten auf diese Belehrungen
zurückkommen und sie ergänzen müssen. Es würde mich freuen, wenn
sich das Büchlein auch für diese Schulen brauchbar erwiese.
Der Inhalt gliedert sich in vier Teile. Der erste Teil bringt All-
gemeines über den Staat, der zweite und dritte enthalten die Darstellung
des Deutschen Reiches und Preußens. Der vierte Teil bringt einiges
aus der Volkswirtschaft, das zur ersten Orientierung dienen und zum
Nachdenken anregen soll: kurzgefaßte Bemerkungen zur Kenntnis der
Produktionszweige und Wirtschaftsstufen, einiges zum Verständnis unsres
heutigen Wirtschaftslebens (Geld, Kredit. Banken, Kolonien), endlich eine
erste Einführung in die großen Gegensätze Individualismus und Sozia-
lismus; hier und da auch statistische Angaben zur Erläuterung. Ich
weise noch darauf hin, daß dieses Schriftchen im Anschluß an mein „Lehr-
buch der Geschichte für höhere Lehranstalten" und mein „Geschichtliches
Lehrbuch für höhere Mädchenschulen" abgefaßt ist. Nicht weniges von
dem, was es enthält, wird bereits in den für die Mittelstufe bestimmten
Teilen, wenn auch in knapperer Form, behandelt.
Für Ratschläge und Anregungen werde ich immer dankbar sein.
Frankfurt a. M., im Februar 1909.
Neubauer.
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte], T21: [Erde Sonne Tag Jahr Mond Zeit Stunde Punkt Abschnitt Periode]]
TM Hauptwörter (100): [T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit], T41: [Staat Recht Volk Adel König Land Verfassung Gesetz Stand Verwaltung], T30: [Periode Abschnitt erster zweiter Zeitraum dritter Jahr Kapitel Sonne Planet], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele]]
TM Hauptwörter (200): [T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte], T52: [Arbeiter Arbeit Zeit Betrieb Jahr Fabrik Maschine Staat Preis Kapital], T54: [Staat Zeit Volk Deutschland Leben Reich Jahrhundert Macht Entwicklung Gebiet], T8: [Abschnitt erster Periode zweiter Zeitraum dritter Kap Buch Kapitel vierter]]
§ 2. Einheitsstaaten und Staatenverbindungen.
9
wird dem Menschen, der es nicht gelernt Hot, sein Vaterland zu lieben
und diese Liebe handelnd zu betätigen, an seiner Herzens- und Charakter-
bildung immer etwas fehlen.
Wir Deutsche haben diese Wahrheit erst durch die schweren Er-
fahrungen der napoleonischen Zeit erkennen müssen, als das deutsche
Staatswesen zusammenbrach, weil die Deutschen nach Heinrich v. Treitschkes
Ausdruck zu einem Volk von „Privatmenschen" geworden waren, die dem
Staate gleichgültig gegenüberstanden oder ihn auch als „ein notwendiges
Übel" betrachteten.
Allerdings kann lebendiger Gemeingeist und Staatsgesinnung sich
nur dann entfalten, wenn das Volk politische Rechte besitzt und durch
deren Ausübung zum Bewußtsein der politischen Pflicht erzogen wird,
wenn es durch eine gewählte Volksvertretung einen geordneten Anteil an
der Regierung hat und die Gemeinden ihre Angelegenheiten im wesent-
lichen selbst verwalten. Der Absolutismus des 17. und 18. Jahr-
hunderts hat das große Verdienst, überhaupt einheitliche Staaten ge-
schaffen zu haben; der aufgeklärte Absolutismus insbesondere (vgl. § 3),
dessen glänzendster Vertreter Friedrich der Große ist, hat die Volkswohl-
fahrt auf allen Gebieten auf das stärkste gefördert. Aber er folgte der
Losung: alles für das Volk, nichts durch das Volk; er forderte nur
Gehorsam, nicht freie Mitarbeit am Staat. In Preußen ist zuerst Frei-
herr vom Stein für Selbstverwaltung und eine Volksvertretung einge-
treten?) Heute sind alle europäischen Staaten Verfassungsstaaten.
8 2. Einheitsstaaten und Staatenverbindungen.
Wir unterscheiden:
1. Einheitsstaaten;
z. B. Preußen, England, Frankreich.
2. Personal- und Realunionen1 2);
Personalunion bestand bis 1837 zwischen England und Hannover,
auf Realunion beruht die Österreichisch-Ungarische Monarchie.
1) Freiherr vom Stein: „Man tötet, indem man den Eigentümer von aller Teil-
nahme an der Verwaltung entfernt, den Gemeingeist und den Geist der Monarchie".
Staatsrat Frey, ein Mitarbeiter Steins: „Zutrauen veredelt den Menschen, ewige
Vormundschaft hemmt sein Reifen"-
2) Personalunion besteht darin, daß zwei Staaten zufällig dieselbe Person zum
Herrscher haben. Realunion ist ein auf bestimmten rechtlichen Vereinbarungen be-
ruhender Bund zweier Staaten, kraft dessen die Person des Herrschers gemeinsam ist;
zu der Gemeinsamkeit des Herrschers können noch andere gemeinsame Angelegenheiten
kommen.
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TM Hauptwörter (100): [T41: [Staat Recht Volk Adel König Land Verfassung Gesetz Stand Verwaltung]]
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Extrahierte Personennamen: Heinrich_v Heinrich Friedrich_der_Große Friedrich Frey
Extrahierte Ortsnamen: Volkswohl- England Frankreich England Hannover
§3. Die Staatsformen (Verfassungen).
11
Im alten Deutschen Reich ist der Reichstag die Vertretung
der Stände. Es siegt schließlich die ständische „Libertät" über
die kaiserliche „Majestät"; die Stände werden durch den west-
fälischen Frieden souverän.
In den deutschen Einzelstaatcn dagegen, z.b. in Brandenburg-
Preußen wird, wie in Frankreich, die Macht der Stünde durch
die fürstliche Gewalt gebrochen und der Absolutismus begründet.
In England endlich wird das Parlament allmählich ans
einer Vertretung der Stünde zur Vertretung des ganzen Volkes,
und es entwickelt sich aus der ständisch beschränkten Monarchie
die verfassungsmäßig beschränkte Monarchie.
e) Die verfassungsmäßig beschränkte (konstitutionelle) Mo-
narchie, in welcher dem Monarchen eine aus einer oder zwei
Kammern bestehende Volksvertretung zur Seite steht und der Grund-
satz gilt, daß Gesetze nur durch Übereinstimmung des Monarchen
und der Volksvertretung zustande kommen.
Preußen, das Deutsche Reich.
ck) Die Monarchie mit parlamentarischer Regierung. Hier
ist die Gewalt des Monarchen so weit eingeschränkt, daß er seine
Minister regelmäßig der Partei entnimmt, die im Parlament die
Mehrheit hat, und daß er von dem Einspruchsrecht gegen Par-
lamentsbcschlüsse keinen Gebrauch macht.
So ist es in England, ferner in Italien, Belgien, den
Niederlanden, Spanien.
Für diese Art der Monarchie hat zur Zeit Louis Philippes
Thiers die Formel ausgestellt: Le roi regne, mais il ne gou-
verne pas.
2. Die Republik.
a) Die aristokratische Republik, in der ein Adel die Herrschaft
führt (Aristokratie heißt ursprünglich Herrschaft der Besten).
Z. B. Sparta (Kriegeradel), Nom (zuerst der Geburtsadel
der Patrizier, dann ein Beamtenadel). Venedig und im 17. und
18. Jahrhundert die Niederlande (Kaufmanusadel).
d) Die demokratische Republik, in der entweder der Volksgemeinde
oder der Volksvertretung die höchste Gewalt zusteht (Demokratie
heißt Herrschaft des Volkes).
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TM Hauptwörter (100): [T41: [Staat Recht Volk Adel König Land Verfassung Gesetz Stand Verwaltung], T74: [Frankreich England Spanien Krieg Frieden Rußland Italien Holland Preußen Deutschland], T63: [Jahr Senat Plebejer Gesetz Volk Recht Staat Bürger Gewalt Rom]]
TM Hauptwörter (200): [T7: [Staat Gesetz Verfassung Recht Reichstag Reich König Regierung Volk Verwaltung], T98: [König Jahr Mitglied Verfassung Regierung Republik Präsident Kammer Gewalt Staat], T176: [Frankreich England Rußland Deutschland Preußen Krieg Italien Spanien Schweden Holland], T145: [Bauer Adel Land Stadt Bürger Herr Stand Recht Gut König]]
Extrahierte Personennamen: Louis_Philippes
Thiers
Extrahierte Ortsnamen: Frankreich England Deutsche_Reich England Italien Belgien Spanien Sparta Venedig Niederlande
12
I. Der Staat.
In den Demokratien des Altertums übt die Volksgemeinde
unmittelbar die höchste Gewalt aus; z. B. in Athen.
In den demokratischen Republiken der Neuzeit liegt die höchste
Getvalt im wesentlichen in der Hand der Volksvertretung:
so in Frankreich, mit Einschränkung in den Vereinigten Staaten,
wo dem Präsidenten besondere Rechte zustehen, und in der
Schweiz, wo in gewissen Füllen Abstimmungen des ganzen
Volkes stattfinden.
Der Präsident wird entweder vom Volk gewählt (so in den
Vereinigten Staaten) oder von der Volksvertretung (so in der
Schweiz und in Frankreich).
8 4. Die Staatseinkünfte (Finanzen).
Die Einkünfte des Staats stammen entweder aus eigener wirtschaft-
licher Tätigkeit des Staates oder aus Abgaben der Staatsbürger,
k. Einkünfte aus eigener wirtschaftlicher Tätigkeit des Staates:
a) aus Grundeigentum.
Diese Einuahmeqnelle hat ihre größte Bedeutung im natural-
wirtschaftlichen Zeitalter; vgl. die Krongüter zur Zeit der fränkischen
Könige und in der deutschen Kaiserzeit.
Aber auch heute bezieht z. B. der preußische Staat aus den
Domänen und Forsten nicht unbeträchtliche Einnahmen.
b) Aus Staatsbetrieben.
Z. B. aus dem Betriebe der Postz und der Eisenbahnen (vgl.
die preußischen Staatseiscnbahnen); aus Berg- und Hüttenwerken
und Salinen; aus Fabrikbetrieb.
Wenn die Erzerigung oder der Vertrieb eines Gegenstandes
dem Staate vorbehalten wird, spricht man von einem Monopol;
vgl. das Tabak- und Kafseemonopol Friedrichs des Großen,
das Tabakmvnopol Österreichs, Frankreichs, Italiens.
2. Einkünfte aus Abgaben an den Staat (Steuern).
Wir unterscheiden direkte und indirekte Steuern:
a) Direkte Steuern sind solche, die (nach der Absicht des Gesetzgebers)
derjenige, der sie zahlt, auch tragen und nicht auf andere überwälzen
soll, bei denen also der Steuerzahler auch der Steuerträger ist. 1
1) Früher sprach man von einem Postregal ebenso wie von einem Münz-,
Bergwerks- und Zollregal. Regalien sind staauiche Hoheitsrechte, die für die Staats-
finanzen nutzbar gemacht werden.
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TM Hauptwörter (200): [T39: [Million Mark Geld Jahr Summe Steuer Thaler Staat Ausgabe Einnahme], T7: [Staat Gesetz Verfassung Recht Reichstag Reich König Regierung Volk Verwaltung], T54: [Staat Zeit Volk Deutschland Leben Reich Jahrhundert Macht Entwicklung Gebiet], T78: [Mill Staat Million Deutschland Reich Europa Einwohner Land Jahr deutsch]]
Extrahierte Personennamen: Friedrichs
Extrahierte Ortsnamen: Athen Frankreich Vereinigten_Staaten Schweiz Schweiz Frankreich Friedrichs Frankreichs Italiens
14
I. Der Staat.
1. Zölle, die von gewissen Waren beim überschreiten der Grenze
erhoben werden. Wir unterscheiden:
a) Finanzzölle, die allein deshalb erhoben werden, um die
Staatseinnahmen zu erhöhen, z. B. die Zölle auf Kolonial-
waren, Kaffee, Tee, Kakao;
d) Schutzzölle, die den Zweck haben, die Einfuhr ausländischer
Waren im Interesse der inländischen Gütererzeugung zu er-
schweren und ihren Preis zu erhöhen, also die inländische
Gütererzeugung zu schützen; z. B. Zölle auf Eisenwaren, Seiden-
waren, Baumwollwaren, auf Getreide u. a.
2. Verbrauchssteuern, welche von Verbrauchsgegenständen er-
hoben werden, die im Jnlande erzeugt werden;
z. B. eine Biersteuer, eine Branntweinsteuer, Zuckersteuer,
Salzsteuer.
Zu den indirekten Steuern gehören auch gewisse Steuern, die von
bestimmten Vorgängen des Handelsverkehrs erhoben und als Verkehrs-
steuern bezeichnet werden: Steuern von Verkaufsgeschüftcn aller Art,
insbesondere von Börsengeschäften, von Wechseln, von Urkunden. Die
Erhebung geschieht meist in der Form, daß die Verwendung eines
Stempels gefordert wird; daher nennt man sie auch Stempelsteuern.
8 5. Das Heerwesen.
1. Die erste Entwickelungsstufe ist die der allgemeinen Wehrpflicht
der Freien. Auf dieser Stufe pflegt das Fußvolk zu überwiegen.
So z. B. in Sparta, Athen, Rom und bei den germanisch-
romanischen Völkern bis zum Aufkommen des Rittertums.
2. Die Stufe der ritterlichen Heere. Ein ritterlicher Berufsstaud
übernimmt die Pflicht und das Recht, Waffen zu tragen, und schließt
sich als Adel gegenüber den übrigen Volksgenossen ab.
Vgl. die germanisch-romanischen Völker in der Zeit des Lehns-
wesens.
3. Die Stufe der geworbenen Heere. Sie tritt ein, nachdem die Geld-
wirtschaft aufgekommen ist, die dem Staate ein geordnetes Finanz-
wesen und die Soldzahlung ermöglicht. Die Reiterei tritt wieder
hinter dem Fußvolk zurück.
a) Die Zeit der Söldnerheere, die nach Bedarf angeworben werden;
vgl. die Landsknechte des 16. und 17. Jahrhunderts.
TM Hauptwörter (50): [T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte]]
TM Hauptwörter (100): [T72: [Bauer Arbeiter Steuer Jahr Stadt Staat Abgabe Gemeinde Land Verwaltung], T36: [Million Mark Jahr Geld Thaler Mill Summe Wert Gulden Pfund], T59: [Heer Mann Soldat Krieg Jahr Offizier Land König Truppe Waffe], T43: [Zeit Volk Jahrhundert Geschichte Reich Staat Leben Kultur Deutschland Mittelalter], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele]]
TM Hauptwörter (200): [T39: [Million Mark Geld Jahr Summe Steuer Thaler Staat Ausgabe Einnahme], T145: [Bauer Adel Land Stadt Bürger Herr Stand Recht Gut König], T52: [Arbeiter Arbeit Zeit Betrieb Jahr Fabrik Maschine Staat Preis Kapital], T60: [Mann Heer Jahr Offizier Soldat Landwehr Truppe Krieg Armee Regiment], T101: [Baumwolle Kaffee Tabak Getreide Reis Zucker Holz Ausfuhr Wein Zuckerrohr]]
16
Ii. Das Deutsche Reich.
Zwei Aufgaben vornehmlich waren bei der Reichsgründung zu
lösen:
1. Dem neuen Reich mußte die Einheit und Kraft gegeben werden,
die es zur Überwindung innerer Gegensätze und zum Schutz gegen übel-
gesinnte Nachbarn braucht; und zugleich mußte den Einzelstaaten so
viel Selbständigkeit gelassen werden, als irgend angängig war (vgl.
Bismarcks Ausspruch: „Wir wollen kein verstimmtes, wir wollen ein
freiwilliges Bayern").
Heute besitzt das Reich eine einheitliche auswärtige Politik, es
ist Wehreinheit, Rechtseinheit, Wirtschaftseinheit. Auf den übrigen
Gebieten der Staatsverwaltung sind die Einzelstaaten im wesentlichen
selbständig.
2. Im Reiche mußte einerseits eine starke monarchische Gewalt, wie
wir sie im Interesse unsrer nationalen Einheit brauchen, und andrer-
seits eine freie, kräftige Volksvertretung geschaffen werden.
Das Deutsche Reich ist ein Bundesstaat. Die höchste souveräne
Gewalt liegt beim Reich. Reichsgesetze gehen den Landesgesetzen vor.
Indessen genießen einige Bundesstaaten gewisse Reservatrechte.
Den Oberbefehl über das bayrische Heer führt der Kaiser nur in
Kriegszeiten, in Friedeuszeiten dagegen der König von Bayern.
Ferner verwalten Bayern und Württemberg ihr Post- und Tele-
graphenwesen selbst.
„Das Präsidium des Bundes steht dem König von Preußen zu,
welcher den Namen Deutscher Kaiser führt" (Art. 11 der Reichsver-
fassung).
Der Kaiser hat folgende Rechte:
1. Er vertritt das Reich völkerrechtlich; im Namen des Reichs erklärt
er Krieg, schließt er Frieden und geht er Verträge und Bündnisse mit
andern Staaten ein.
Doch ist zur Erklärung des Krieges die Zustimmung des Bun-
desrats erforderlich, es sei denn, daß ein Angriff auf das Bundes-
gebiet oder dessen Küsten erfolgt.
2. Ihm steht das Recht zu, den Bundesrat (die Vertretung der ver-
bündeten Regierungen) und den Reichstag zu berufen, zu vertagen
und zu schließen.
TM Hauptwörter (50): [T25: [Kaiser König Reichstag Recht Reich Verfassung Staat Regierung Jahr Fürst], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte]]
TM Hauptwörter (100): [T60: [Preußen Reich Staat Bund Kaiser deutsch Reichstag König Deutschland Regierung]]
TM Hauptwörter (200): [T7: [Staat Gesetz Verfassung Recht Reichstag Reich König Regierung Volk Verwaltung], T19: [Reich deutsch Kaiser Reiche Zeit Karl Jahr Ende Konstantin groß], T67: [Preußen Bund Staat König Regierung Deutschland Verfassung Frankfurt Reichstag Bundestag], T3: [Hebel Last Brief Ende Gewicht Rolle Gleichgewicht Punkt Seite Fig]]
§ 6. Die Verfassung des Deutschen Reiches.
17
3. Er ernennt den Reichskanzler und die Reichsbeamten; er überwacht
' die Ausführung der Reichsgesetze.
Seine Anordnungen und Verfügungen bedürfen zu ihrer Gültig-
keit der Gegenzeichnung des Reichskanzlers, welcher dadurch die
Verantwortlichkeit für sie übernimmt.
4. Er führt den Oberbefehl über die gesamte Land- und Seemacht
des Reichs in Krieg und Frieden (über das bayrische Heer jedoch nur
im Kriegsfall).
5. Er übt die Staatsgewalt in Elsaß-Lothringen und den Schutz-
gebieten aus.
Der Bundesrat ist die Vertretung der 25x) verbündeten Regie-
rungen. In ihm führt Preußen 17, Bayern 6, Sachsen und Württemberg
je 4, Baden und Hessen 3, Mecklenburg-Schwerin und Brannschweig 2,
die übrigen Staaten je 1 Stimme. Die Gesamtzahl der Stimmen be-
trägt 58.2)
Dem Bundesrat stehen folgende Rechte zu:
1. Er besitzt mit dem Reichstag zusammen das Recht der Gesetzgebung.
Gesetze kommen nur zustande durch Übereinstimmung des Bundes-
rats und des Reichstags.
Also hat der Kaiser als solcher kein Einspruchsrecht gegen Ge-
setztesvorschläge; wohl aber kann er im Bundesrat seinen Einfluß
als König von Preußen geltend machen.
2. Er übt eine gewisse Verwaltungstätigkeit aus; er beschließt über
die zur Ausführung der Reichsgesetze erforderlichen Anordnungen.
3. Er hat Streitigkeiten zwischen den Bundesstaaten zu erledigen.
Der Reichstag ist die Vertretung des Volkes. Er ist nicht in
zwei Kammern geteilt, wie der preußische Landtag. Die Zahl der Abge-
ordneten beträgt 397. Sie werden für einen Zeitraum von 5 Jahren
auf Grund des allgemeinen und gleichen Wahlrechts im direkten Wahl- 1 2
1) Dazu tritt das Reichsland Elsaß-Lothringen, das im Bundesrat nicht ver-
treten ist.
2) Durch die Verfassung ist Vorkehrung dagegen getroffen worden, daß Preußen,
dessen Umfang ja fast Zweidrittel vom Umfang des gesamten Reichs beträgt, in wich-
tigen Fragen von den anderen Staaten überstimmt werden kann. Veränderungen der
Verfassung gelten als abgelehnt, wenn 14 Summen dagegen sind. Die Bestimmungen
über Militärwesen, Kriegsmarine, Zölle und Verbrauchssteuern können nicht geändert
werden, wenn Preußen nicht zustimmt.
Neubauer, Kleine Slaaislehre.
2
TM Hauptwörter (50): [T25: [Kaiser König Reichstag Recht Reich Verfassung Staat Regierung Jahr Fürst]]
TM Hauptwörter (100): [T60: [Preußen Reich Staat Bund Kaiser deutsch Reichstag König Deutschland Regierung], T72: [Bauer Arbeiter Steuer Jahr Stadt Staat Abgabe Gemeinde Land Verwaltung]]
TM Hauptwörter (200): [T7: [Staat Gesetz Verfassung Recht Reichstag Reich König Regierung Volk Verwaltung]]
18
Ii. Das Deutsche Reich.
verfahren und in geheimer Abstimmung gewählt; es ist dasselbe Wahl-
recht, wie es 1849 vom Frankfurter Parlament beschlossen worden war.
Das Wahlrecht ist allgemein; denn zur Wahl ist jeder Deutsche
berechtigt, der das 25. Lebensjahr zurückgelegt hat. Indessen ruht
für die Personen des Soldatenstandes, solange sie sich bei der
Fahne befinden, das aktive Wahlrecht, d. h. das Recht zu wählen,
während sie das passive Wahlrecht besitzen, also gewählt werden
können.
Von der Wahlberechtigung sind ausgeschlossen: Personen, die
unter Vormundschaft stehen; über deren Vermögen Konkurs eröffnet
ist; die eine öffentliche Armenunterstützung genießen; denen die
bürgerlichen Ehrenrechte aberkannt sind.
Das Wahlrecht ist gleich, d. h. nicht nach Klassen abgestuft,
wie z B. in Preußen.
Das Wahlvcrfahren ist direkt; der Wähler wählt unmittelbar
den Abgeordneten.
Die Abstimmung ist geheim; die Wähler stimmen durch Stimm-
zettel ab, die der wahlleitende Beamte in die Wahlurne legt.
Hat keiner der Wahlkandidaten mehr als die Hälfte aller abgege-
benen Stimmen erhalten, so findet zwischen den beiden Kandidaten,
welche die meisten Stimmen erhalten haben, eine Stichwahl statt.
Die Reichstagsabgeordneten sind Vertreter des ganzen Volkes
und an Aufträge und Instruktionen nicht gebunden. Sie erhalten für ihre
Tätigkeit eine Geldentschädignng. Die Verhandlungen des Reichstags
sind öffentlich. Kein Abgeordneter darf wegen seiner Abstimmung und
wegen der in Ausübung seines Berufs getanen Äußerungen gerichtlich
verfolgt werden.
Der Reichstag übt (). oben) mit dem Bundesrat zusammen das Recht
der Gesetzgebung ans. Er hat das Recht, Gesetze vorzuschlagen. Die
Abgeordneten haben die Befugnis, Anfragen (Interpellationen) an die
Reichsregierung zu richten.
Zu den wichtigsten Beratungen des Reichstags gehört die jährliche
Feststellung des Reichs Haushaltsetats (der Einnahmen und Aus-
gaben des Reichs).
Dem Kaiser steht das Recht zu, mit Zustimmung des Bundesrats
den Reichstag auszulösen. Doch müssen binnen 60 Tagen nach der
Auslösung die Neuwahlen stattfinden, und 30 Tage später muß der neu-
gewählte Reichstag versammelt werden.
TM Hauptwörter (50): [T25: [Kaiser König Reichstag Recht Reich Verfassung Staat Regierung Jahr Fürst]]
TM Hauptwörter (100): [T72: [Bauer Arbeiter Steuer Jahr Stadt Staat Abgabe Gemeinde Land Verwaltung], T60: [Preußen Reich Staat Bund Kaiser deutsch Reichstag König Deutschland Regierung], T8: [König Paris Regierung Minister Parlament Volk Frankreich Kammer Mitglied Verfassung]]
TM Hauptwörter (200): [T7: [Staat Gesetz Verfassung Recht Reichstag Reich König Regierung Volk Verwaltung], T5: [Jahr Recht Person Gemeinde Staat Steuer Familie Kind Lebensjahr Vermögen]]
§ 7. Die Reichsverwaltung. — § 8. Die Reichsfinanzen.
19
§ 7. Tie Ncichsverwaltung.
Die oberste Reichsverwaltung unterscheidet sich dadurch von der Ver-
waltung Preußens und der meisten anderen Staaten, daß sie nicht die
Form eines Ministeriums hat, dessen Mitglieder einander gleichberechtigt
und für ihre Amtshandlungen verantwortlich sind, sondern daß der
Reichskanzler allein die Verantwortung trägt. Ihm sind Staatssekre-
täre untergeordnet, welche die Reichsämter verwalten:
Die Reichsämter sind:
1. Das Auswärtige Amt.
Die diplomatischen Vertreter bei auswärtigen Staaten führen
entweder den Titel Botschafter (bei folgenden Mächten: Österreich-
Ungarn, England, Frankreich, Rußland, Italien, Spanien, der
Türkei, den Vereinigten Staaten, Japan) oder Gesandte.
Die Vertretung der wirtschaftlichen Interessen deutscher Reichs-
angehöriger im Auslande und ihr persönlicher Schutz ist Aufgabe
der Konsuln. Diese sind entweder besoldete Berufskonsuln oder
unbesoldete Wahlkonsuln, d. h. Kaufleute, die nebenher die Kon-
sulatsgeschäfte wahrnehmen.
2 Das Reichsamt des Inneren.
Ihm fällt unter anderem die Sorge für die weitverzweigte Ar-
beiterversicheruug zu.
3. Das Reichsjustizamt.
4. Das Reichsschatzamt.
5. Das Reichspostamt.
6. Das Reichseisenbahnamt.
7. Das Reichsmariueamt.
8. Das Reichskolonialamt.
Die Heeresverwaltung untersteht, abgesehen von Bayern, Sachsen
und Württemberg, welche eigene Kriegsminister haben, dem preußischen
Kriegsministerium. 8
8 8. Tie Rcichsfiminzen.
Die wichtigsten Einnahmequellen des Reichs sind folgende:
1. Indirekte Steuern:
a) Die Grenzzölle. Diese sind teilweise Schutzzölle, teilweise Finanz-
zölle.
d) Die Verbrauchssteuern, die von Tabak, Zucker, Salz, Brannt-
wein, Bier und Schaumwein erhoben^werden.
2*
TM Hauptwörter (50): [T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger], T25: [Kaiser König Reichstag Recht Reich Verfassung Staat Regierung Jahr Fürst], T34: [Krieg Frankreich England Deutschland Preußen Frieden Rußland Napoleon Kaiser Jahr]]
TM Hauptwörter (100): [T60: [Preußen Reich Staat Bund Kaiser deutsch Reichstag König Deutschland Regierung], T72: [Bauer Arbeiter Steuer Jahr Stadt Staat Abgabe Gemeinde Land Verwaltung], T61: [Mill Staat Deutschland Reich Europa deutsch Million Land England Einwohner]]
TM Hauptwörter (200): [T7: [Staat Gesetz Verfassung Recht Reichstag Reich König Regierung Volk Verwaltung], T19: [Reich deutsch Kaiser Reiche Zeit Karl Jahr Ende Konstantin groß], T39: [Million Mark Geld Jahr Summe Steuer Thaler Staat Ausgabe Einnahme], T176: [Frankreich England Rußland Deutschland Preußen Krieg Italien Spanien Schweden Holland], T62: [Gericht Recht Gesetz Richter Jahr Volksversammlung Senat Plebejer Beamter König]]
Extrahierte Ortsnamen: Ungarn England Frankreich Italien Spanien Japan Sachsen Württemberg