I. Christliches Glauben und Leben.
1. Gott grüße -ich!
Gott grüße dich! Kein andrer Gruß Gott grüße dich! Wenn dieser Gruß
gleicht dem an Innigkeit. so recht vom Herzen geht,
Gott grüße dich! Kein andrer Gruß gilt bei dem lieben Gott der Gruß
paßt so zu aller Zeit. soviel wie ein Gebet.
Sturm.
2. Gott grüßt manchen, -er ihm nicht dankt.
Gott grüßt manchen, der ihm nicht dankt, z. B. wenn dich früh
die Sonne zu einem neuen, kräftigen Leben weckt, so bietet er dir
Guten Morgen; wenn sich abends dein Auge zum erquicklichen
Schlummer schließt, Gute Nacht. Wenn du mit gesundem Appetite
dich zur Mahlzeit setzest, sagt er: Wohl bekomms! Wenn du
eine Gefahr noch zur rechten Zeit entdeckst, so sagt er: Nimm dich
in acht, junges Kind oder altes Kind, und kehre lieber
wieder um! Wenn du am schönen Maitag im Blütenduft und
Lerchengesang spazieren gehst und es ist dir wohl, sagt er: Sei
willkommen in meinem Schloßgarten! Oder du denkst
an nichts und es wird dir auf einmal wunderlich im Herzen und
naß in den Augen und denkst: Ich will doch anders werden, als ich
bin, so sagt er: Merkst du, wer bei dir ist? Oder du gehst
an einem offenen Grabe vorbei und es schauert dich, so denkt er just
nicht daran, daß du lutherisch oder reformiert bist, und sagt: Ge-
lobt sei Jesus Christ! Also grüßt Gott manchen, der ihm nicht
antwortet und dankt. Hebel.
3. Ergebung.
1. Am Ende ists doch gar nicht schwer, ein selger Mensch zu sein:
man gibt sich ganz dem Herren her und hängt an ihm allein.
2. Man ist nicht Herr, man ist nicht Knecht, man ist ein fröhlich Kind
und wird stets selger, wie man recht den Herren lieb gewinnt.
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und zuletzt vermass er sich sogar, wenn sich etwas Erkleckliches
damit verdienen liesse, wolle er eigens das ganze Kunststück
noch einmal machen.
Von dem vielen Reden und Trinken ward er endlich müde,
legte sich auf die Ofenbank und schlief ein. Als die letzten
Gäste eben das Wirtshaus verlassen wollten, bemerkten sie, dass
er allerlei ängstliche Gebärden machte und ein banges Stöhnen
ausstiefs. Er fuhr mit den Händen in der Luft herum, als ob
er sich an etwas halten wollte, dann schrak er wieder heftig
zusammen. Es war offenbar, dass er den Fall noch einmal
durchträumte, den er am Vormittag getan hatte, und die Gäste
fanden eine grosse Belustigung darin, seine seltsamen Bewegungen
anzuschauen, besonders als sie bemerkten, dass er jeden Augen-
blick von der Bank hinunterfallen müsse. Endlich machte er
wieder eine Bewegung und fiel wirklich unter schallendem Ge-
lächter der Anwesenden von der Bank herab in die Stube. Sie
erwarteten, ihn nun aufwachen zu sehen; aber er blieb liegen,
ohne ein Glied zu rühren, und als sie herzutraten und ihn an-
fassten , war er — tot. — Er hatte vergessen, dem die Ehre
zu geb.en, der ihn am Morgen unversehrt den Sturz in die Tiefe
hatte tun lassen, so hat er sich am Abend von einer Bank
herab zu Tode gefallen. Caspari.
5. Bon Kleidern.
Wenn du einen Flecken an deinem Kleide oder irgendwo einen
Riß hast, denkst du oft: Pah! das sieht man nicht, und die Leute
haben anders zu tun, als immer alles an mir auszumustern. Du
gehst dann frank und frei herum, und es kann oft sein, du hast recht,
es sieht niemand den Flecken und den Riß.
Wenn du aber etwas Schönes auf dem Leibe hast, sei es nur ein
schönes Halstuch oder ein frisches Hemd mit weißer Brust oder gar
eine goldene Nadel und dergleichen, da gehst du oft mit herausforderndem
Blicke hinaus und schlägst die Augen nieder, um nicht zu bemerken!,
wie alle Leute, was sie in den Händen haben, stehen und liegen lassen
und gar nichts tun, als deine Herrlichkeit betrachten. So meinst du;
aber das ist auch gefehlt, kein Blick wendet sich nach dir und deiner Pracht.
Das eine Mal meinst du, man sieht dich gar nicht, und das andere
Mal, die ganze Welt hat auf dich gewartet, um dich zu beschauen;
aber beides ist gefehlt.
Gerade so ist es auch mit deinen Tugenden und Lastern.
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Wenn du einen bösen Weg gehst, meinst du, es kennt dich kein
Mensch und keiner sieht sich nach dir um. und es ist stockdunkel.
Wenn du aber dem Rechtschaffenen nachgehst, redest du dir oft ein,
jeder Pflasterstein hat Augen, jedes Kind kennt dich und deine Gedanken
und tausend Sonnen scheinen. Aber das Gute wie das Schlimme
wird oft von der Welt übersehen. Ein Auge sieht alles, das ist
Gottes Auge.
Drum halte dich selber vor deinem Gotte über dir und deinem
Gewissen in dir in Ehren. Dann brauchst du nicht das eine Mal zu
fürchten, daß dich alles sieht, und dir dabei etwas vorzulügen und das
andere Mal zu zürnen, daß dich niemand sieht. Auerbach.
6. Sonntagsfrühe.
1. Gottessülle, Sonntagsfrühe,
Ruhe, die der Herr gebot!
Meine Seele, wach und glühe
mit im hellen Morgenrot!
2. Könnt ich in dem Zimmer bleiben,
wann das Volk zur Kirche wallt?
Könnt ich Alltagswerke treiben,
wann der Glockenruf erschallt?
3. Wo die holden Worte weilen,
die der Herr auf Erden sprach,
lasset auch das Brot mich teilen,
das er seinen Jüngern brach.
4. O das nenn ich selge Stunde,
wo man dein, o Herr, gedenkt,
wo man mit der frohen Kunde
von dem ewgen Heil uns tränkt.
5. Neues Leben, neue Stärke,
reiner Andacht frische Glut
zu dem frommen Liebeswerke
schöpf ich aus der Gnadenflut.
6. Und von göttlichen Gedanken
einen reichen Blütenstrauß
trag ich heimwärts, Gott zu danken
in dem kleinen, stillen Haus.
7. Erde, weit und ohne Grenzen!
Himmel, drüber ausgespannt!
Reich an Sternen und an Kränzen,
scheint ihr mir ein heilig Land.
8. Laß die Flamme stets mir brennen,
o mein Heiland Jesu Christ!
Laß es alle Welt erkennen,
daß mein Herz dein Altar ist!
v. Schenkendorf.
7. Schäfers Sonntagslied.
1. Das ist der Tag des Herrn! 2. Anbetend knie ich hier.
Ich bin allein auf weiter Flur. O süßes Graun, geheimes Wehn,
Noch eine Morgenglocke nur, als knieten viele ungesehn
nun Sülle nah und fern. und beteten mit nur!
3. Der Himmel nah und fern,
er ist so klar und feierlich,
so ganz, als wollt er öffnen sich.
Das ist der Tag des Herrn!
Uhland.
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8. Sonntagsmorgen.
1. Aus den Tälern 1 hör ich schallen
Glockentöne, Festgesänge;
helle Sonnenblicke fallen
durch die dunklen Buchengänge;
Himmel ist von Glanz umflossen,
heilger Friede rings ergossen.
2. Durch die Felder still beglücket
ziehen Menschen allerwegen;
frohen Kindern gleich geschmücket
gehn dem Vater sie entgegen,
der auf goldner Saaten Wogen
segnend kommt durchs Land gezogen.
3. Wie die Blumen festlich blühen!
Wie so fromm die Blätter rauschen!
Eine Lerche seh ich ziehen,
ihren Liedern muss ich lauschen;
alle streben, Gott zu dienen,
und ich bete still mit ihnen. Reinick.
9. Der Sonntag.
Nicht menschliche Einrichtung ist der Sabbat, er ist Gottes heilige
Stiftung. Der hat ihn gegründet durch seine Ruhe am siebenten
Schöpfungstage. Darum gebietet er zuerst Ruhe. Ruhe braucht
jedes Geschöpf. Ruhe braucht selbst die Erde, daß sie sich erhole von
ihrer Sommerarbeit. Ruhe braucht der Mensch; denn es ist eitel
Mühe und Arbeit auf der Erde. Im Schweiße unseres Angesichtes
sollen wir unser Brot essen; da muß der Leib seine Ruhe haben.
Wer die ganze Woche gebückt an seiner Arbeit gestanden hat, der will
sich auch einmal gerade aufrichten; darum gebietet Gott: „Sechs Tage
sollst du arbeiten und alle deine Dinge beschicken; aber am siebenten
Tag ist der Sabbat des Herrn deines Gottes, da sollst du kein
Werk tun'/'
Doch die Ruhe des Leibes ist nicht die einzige. Jeder Mensch
hat seinen äußeren Beruf. Jeder Beruf hat seine eigene Art. Einer
hat die Woche über Gedanken des Handels und Wandels, ein anderer
denkt an sein Handwerk, ein dritter dient als Arbeiter seinem Herrn,
das Kind arbeitet für seine Schule. Wenn das ohne Rast fortginge,
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hin. Der Edelmann verwunderte sich sehr, noch mehr aber, als der
Mann auch am folgenden Tage und ferner die ganze Woche und
endlich die etlichen Jahre wieder kam, die der Edelmann noch lebte,
und einen Mittag wie den andern eine volle Schüssel brachte und die
leere dagegen holte.
Es ist nicht auszusprechen, welch herzliches Verlangen der Edel-
mann hatte, seinen unbekannten Wohltäter kennen zu lernen und ihm
zu danken, so daß er endlich zu dem Diener sprach: „Sagt Euerm
Herrn, daß mein Ende nahe ist. daß ich aber nicht ruhig sterben kann,
ich habe denn zuvor meinem Wohltäter die Hand gedrückt und mich
bedankt." Da nickte der alte Diener beifällig mit dem Kopfe, und noch
denselben Abend erschien der Erzherzog Albrecht an dem Bette des
Edelmanns, der die Hand seines Wohltäters mit Dankestränen benetzte
und etliche Stunden darauf fröhlich von hinnen schied.
Uns Menschenkindern aber ist der Wohltäter nicht unbekannt,
der uns so viele Jahre her aus seiner Küche eine Schüssel um die
andere zugeschickt, vom Himmel Regen und fruchtbare Zeiten gegeben
und unsre Herzen erfüllet hat mit Speise und Freude. Und doch ist
es manch einem zu viel, zu einem Tischgebet seinen Kopfdeckel zu rücken.
Ahlfeld.
41. Der kleine Friedensbote.
Ein Gerber und ein Bäcker waren einmal Nachbarn, und die gelbe
und weiße Schürze vertrugen sich aufs beste. Wenn dem Gerber ein
Kind geboren wurde, hob es der Bäcker aus der Taufe, und wenn der
Bäcker in seinem großen Obstgarten an Stelle eines ausgedienten
Invaliden eines Rekruten bedurfte, ging der Gerber in seine schöne
Baumschule und hob den schönsten Mann aus, den er darin hatte,
eine Pflaume oder einen Apfel oder eine Birne oder eine Kirsche, je
nachdem er auf diesen oder auf jenen Posten, auf einen fetten oder
magern Platz gestellt werden sollte. — An Ostern, an Martini und
am heiligen Abend kam die Bäckerin, welche keine Kinder hatte, immer
mit einem großen Korb unter dem Arme zu den Nachbarsleuten hinüber
und teilte unter die kleinen Paten aus, was ihr der Hase oder das
Christkindlein selbst unter die schneeweiße Serviette gelegt hatten. Je
mehr sich die Kindlein über die reichen Spenden freuten, desto näher
rückten sich die Herzen der beiden Weiber, und man brauchte keine
Zigeunerin zu sein, um zu prophezeien, daß sie einander immer gut
bleiben würden.
Aber ihre Männer hatten ein jeglicher einen Hund, der Gerber
als Jagdliebhaber einen großen, braunen Feldmann und der Bäcker
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Extrahierte Personennamen: Albrecht Albrecht Ahlfeld Martini Feldmann
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meinethalben geh in die Kirche, soviel du willst. Aber eins beding
ich mir aus: wenn viel zu tun ist, mußt du auch am Sonntage
auf dem Platze sein." — Wer war froher als unser Gesell! Am nächsten
Sonntag zieht er seinen blauen Rock an, nimmt das Gesangbuch unter
den Arm und geht in die Kirche. Solch einen schönen Tag hat er
lange nicht gehabt; ihn hat die Predigt und der Gesang ganz auf-
geweckt, und unser Grobschmied war so munter wie ein Vogel. Nun
vergeht die Woche; und wie der Sonntag kommt, sagt der Meister:
„Gesell, es ist viel zu tun; heute mußt du in der Werkstatt sein." —
„Gut," sagt der Gesell, „Wenns nicht anders sein kann." — Den nächsten
Sonntag sagt der Meister wiederum: „Es ist viel zu tun," und so auch
den dritten.
Als aber nach dem dritten Sonntage der Gesell den Wochenlohn
bekam, fünf Taler und fünfundzwanzig Silbergroschen, wie es ihm
zukam, da spricht er: „Das ist zu viel!" und schiebt die fünfundzwanzig
Silbergroschen zurück. „Warum?" sagt der Meister, „es ist für die sieben
Tage." — Aber der Gesell spricht: „Nein, ich Habs mir bedacht, und
für den Sonntag nehme ich kein Geld mehr; denn der Sonntag ist
nicht zum Geldverdienen, und wenn ich am Sonntag arbeite, so ge-
schiehts Euch zuliebe, und Geld will ich nicht." Da sah der Meister
den Gesellen groß an; und seit dem Tage war die Schmiede jeden
Sonntag verschlossen und kein Hammer noch Blasebalg mehr zu hören.
Merke: Man soll unserm Hergott nicht sein drittes Gebot stehlen;
und wer in die Kirche will, findet den Weg schon.
Blätter aus dem Rauhen Hause.
11. Das Gewitter.
1. Urahne, Großmutter, Mutter und Kind
in dumpfer Stube beisammen sind.
Es spielet das Kind, die Mutter sich schmückt,
Großmutter spinnet, Urahne gebückt
sitzt hinter dem Ofen im Pfühl. —
Wie wehen die Lüfte so schwül!
2. Das Kind spricht: „Morgen ists Feiertag.
Wie will ich spielen im grünen Hag,
wie will ich springen durch Tal und Höhn,
wie will ich pflücken viel Blumen schön!
Dem Anger, dem bin ich hold." —
Hört ihrs, wie der Donner grollt?
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3. Die Mutter spricht: „Morgen ists Feiertag.
Da halten wir alle fröhlich Gelag.
Ich selber, ich rüste mein Feierkleid.
Das Leben, es hat auch Lust nach Leid,
dann scheint die Sonne wie Gold." —
Hört ihrs, wie der Donner grollt?
4. Großmutter spricht: „Morgen ists Feiertag.
Großmutter hat keinen Feiertag;
sie kochet das Mahl, sie spinnet das Kleid;
das Leben ist Sorg und viel Arbeit.
Wohl dem, der tat, was er sollt!" —
Hört ihrs, wie der Donner grollt?
5. Urahne spricht: „Morgen ists Feiertag.
Am liebsten morgen ich sterben mag.
Ich kann nicht singen und scherzen mehr;
ich kann nicht sorgen und schaffen schwer;
was tu ich noch auf der Welt?" —
Seht ihr, wie der Blitz dort fällt?
6. Sie Hörens nicht, sie sehens nicht;
es flammt die Stube wie lauter Licht;
Urahne, Großmutter, Mutter und Kind
vom Strahl miteinander getroffen sind.
Vier Leben endet ein Schlag —
und morgen ists Feiertag. Schwab.
12. Des -ritten Gebotes Fluch.
Haffs gehört, Kind ? Du soll st den Feiertag heiligen!
Denk, was da oben im Emmental in der Schweiz einem Bauer, der
nach Gott und Menschen nichts fragte und bloß nach dem eignen Kopfe
fahren wollte, begegnet ist. An einem Sonntage hatte der Bauer viel
Korn draußen liegen. Als er nachmittags an den Bergen Wolken gesehen
und die nasse Brunnenröhre, die ordentlich tropfte, da hat er das
Gesinde zusammen gerufen und gesagt: „Rasch hinaus, gehäufelt und
gebunden! Es wettert auf den Abend; bringen wir tausend Garben
trocken ein, so gibts danach Wein genug." Das hörte seine Groß-
mutter, die war achtzig Jahr alt und ging an zwei Krücken; sie kam
mühsam daher und sagte: „Johannes, Johannes, was denkst du auch?
Solange ich mich zurückerinnern mag, ward hier am Sonntag nie
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4. Der Lahme hängt mit seinen Krücken sich auf des Blinden
breiten Rücken. Vereint wirkt also dieses Paar, was einzeln keinem
möglich war. Gellert.
43. Eine Ohrfeige zur rechten Zeit.
In einer Handelsstadt Norddeutschlands lebte ein Kaufmann,
namens Müller, dem in letzter Zeit oft ein wohlgekleideter, junger
Mensch begegnete, der ihn sehr freundlich, ja fast zutraulich grüßte.
Herr Müller erwiderte den Gruß zwar gern; da er sich aber nicht
erinnerte, den jungen Menschen je zuvor gesehen zu haben, so glaubte
er, dieser verwechsele ihn mit jemand, dem er vielleicht ähnlich sei.
Eines Tages nun war Herr Müller zu einem Freunde eingeladen,
und als er zur bestimmten Zeit in dessen Hause eintraf, fand er den-
selben jungen Menschen mit dem Hausherrn im eifrigen Gespräche.
Der Wirt wollte nun seine beiden Freunde miteinander bekannt
machen, aber der jüngere sagte: „Das ist nicht nötig, wir kennen uns
schon viele Jahre." — „Ich glaube, Sie sind im Irrtume," erwiderte
Herr Müller; „ich habe allerdings seit einiger Zeit manchen
freundlichen Gruß von Ihnen bekommen, aber sonst sind Sie mir
völlig fremd." — „Und doch bleibt es dabei: ich kenne Sie lange und
habe mich sehr gefreut, Sie heute hier zu sehen und eine Gelegenheit
zu haben, Ihnen meinen herzlichen Dank auszudrücken." — „Wofür
wollen Sie mir danken?" fragte Herr Müller. — „Das ist allerdings
eine alte Geschichte," versetzte jener; „aber wenn Sie mir einige
Augenblicke zuhören wollen, so werden Sie sich vielleicht meiner doch
noch erinnern."
„Es sind jetzt 17 Jahr her — ich war damals ein Knabe von
9 Jahren, — als ich eines Tages aus meinem Schulwege darüber
nachdachte, wie angenehm es sein würde, wenn ich zu dem Brote, das
mir die Mutter zum Frühstücke mitgegeben, auch einen Apfel hätte;
meine Kameraden hatten oft so schone, große Äpfel, und ich bekam
nur selten Obst. Mit solchen Gedanken beschäftigt, kam ich auf den
Marktplatz, über den mein Weg führte. Da waren viele Körbe voll
der schönsten Äpfel, die mich so recht anlachten. Ich blieb unwillkürlich
stehen, um sie zu betrachten. Die Eigentümerin hatte ihrer Ware den
Rücken zugekehrt und sprach mit einer Nachbarin. Da kam mir der
Gedanke: sie wird es kaum bemerken, wenn du einen Apfel nimmst;
sie behält ja noch eine große Menge. Leise streckte ich meine Hand
aus und wollte eben ganz vorsichtig meine Beute in die Tasche stecken,
als ich plötzlich eine derbe Ohrfeige bekam, so daß ich vor Schrecken
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s
— 10 —
sah an der Wand, und ein Donner schmetterte überm Hause, als ob
dasselbe mit einem Streich in Millionen Splitter zerschlagen würde.
„Herr Gott, es hat eingeschlagen!" rief der erste, der reden konnte.
Alles stürzte zur Tür hinaus. In vollen Flammen stand das Haus;
aus dem Dache heraus brannten bereits die eingeführten Garben. Wie
stürzte alles durcheinander! Wie vom Blitz geschlagen war jede Be-
sonnenheit! Die alte Mutter allein behielt klare Besinnung; sie griff
nach ihren beiden Krücken, sonst nach nichts, suchte die Tür und einen
sicheren Platz und betete: „Was hülfe es dem Menschen, so er die ganze
Welt gewönne und nähme doch Schaden an seiner Seele? Dein und
nicht mein Wille geschehe, o Vater!"
Das Haus brannte ab bis auf den Boden, gerettet wurde nichts.
Auf der Brandstätte aber stand der Bauer und sprach: „Ich Habs
unter meinem Dach! Aber über deinem Dach ist des Herrn Dach, hat
die Mutter gesagt." Gonhetf.
13. Die Einladung.
Ein frommer Landmann in der Kirche saß;
den Text der Pfarrer aus Johannes las
am Ostermontag, wie der Heiland rief
vom Ufer: „Kindlein, habt ihr nichts zu essen?"
5 Das drang dem Landmann in die Seele tief,
daß er in stiller Wehmut dagesessen.
Drauf betet er: „Mein liebster Jesu Christ!
So fragest du? O wenn du hungrig bist,
so sei am nächsten Sonntag doch mein Gast
10 und halt an meinem armen Tische Rast!
Ich bin ja wohl nur ein geringer Mann,
der nicht viel Gutes dir bereiten kann;
doch deine Huld, die dich zu Sündern trieb,
nimmt auch an meinem Tische wohl vorlieb."
15 Er wandelt heim und spricht sein herzlich Wort
an jedem Tag, die ganze Woche fort.
Am Samstagsmorgen läßts ihn nimmer ruhn.
„Frau," hebt er an, „nimm aus dein bestes Huhn,
bereit es kräftig, fege Flur und Haus,
20 stell in die Stub auch einen schönen Strauß;
denn wisse, daß du einen hohen Gast
auf morgen mittag zu bewirten hast.
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40
besser feiern als feiern, sagt das Sprichwort. Ich snche mir also eine
Partie Wolle ans und gehe hin, um mein Geld zu holen. Da sagt
mir der alte Frege, es sei gnt, daß ich komme, er habe nicht gemusst,
wo ich wohne. Ich hatte das gern nicht gesagt, da ich wieder wie einst
als Handwerksbnrsche in der Herberge wohnte. „Nun," sagte der Herr
Frege, „essen Sie morgen mittag bei mir, Sie werden da noch große
Gesellschaft sinden." Ich konnte nichts Rechtes daranf erwidern und
ging weg.
Ich erknndigte mich nnn, was man bei einer solchen Einladnng
zu tnn hat und was dabei herauskommt. Man sagte mir, daß es
Sitte sei, daß jedes große Handlungshaus seine Empfohlenen dnrch eine
Einladung, wie man sagt, abfüttert, daß nicht viel dabei heranskommt,
als daß man das Essen teuer bezahlen mnß, indem es mindestens
1^/2 Taler Trinkgeld an die Bedienten kostet. Das war mir nnn gar
nicht lieb. Ich rechnete ans, daß mir von 1000 Talern nur noch
998*/.; blieben, und für ein Mittagessen konnte ich nicht soviel auf-
wenden. Anderen Mittags war ich knrz entschlossen. Ich kaufe mir
für 2 Groschen Gelbwurst, für sechs Pfennig Brot, stecke es zu mir
und gehe hinans vor das Tor in das sogenannte Rosental. Mein
Tisch war schnell gedeckt. Ich setze mich ans eine Bank und wickele
meine Sachen herans, ich zerschneide die Gelbwurst in sechs Teile und
lege sie neben mich hin. Das, sage ich, ist meine Suppe, das ist
mein Fleisch, das mein Gemüse mit Beilage, das mein Fisch und das
mein Braten und Salat. Ich glaube nicht, daß sie drinnen in der
Stadt bei Frege mehr hatten und daß es ihnen besser schmeckt.
Ich war eben an der süßen Schüssel, sie war sehr gut zubereitet,
da seh ich einen Mann auf einem schönen Braunen daherreiten. Er, denke
ich, macht sich noch ein bißchen Bewegung vor dem Essen, daß es ihm
besser schmeckt. Ich wünsche ihm meinen gesunden Magen, ich brauchte
kein Pferd müde zu reiten, um tüchtig einhauen zu können. Schneller,
als ich dies sage und denke, ist der Reiter bei mir, und zu meinem
Schrecken sehe ich, es ist der Herr Frege selber! In meiner Angst
fällt mir der letzte Bissen von meiner süßen Speise ans der Hand,
und der voransspringende Hund schnupperts gleich auf; ich wickle schnell
mein Papier zusammen und weiß mir gar nicht zu helfen. „Ei Herr
Keller!" sagte der Herr Frege, „was machen Sie da? Glauben Sie,
Sie bekommen bei mir nicht genug zu essen?"
Was soll ich daranf sagen? Ich denke, du bleibst bei der Wahrheit.
Ich sag ihm nun, daß es sich bei mir sucht austragen will, gegen zwei
Taler Trinkgeld für ein einziges Mittagessen zu geben, und so und so,.
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd]]
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TM Hauptwörter (200): [T196: [Tisch Tag König Hand Wein Herr Haus Gast Abend Frau], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T114: [Fleisch Milch Brot Pferd Butter Käse Stück Wein Schwein Getreide]]