Die ersten Kriegsvorfälle. . 17
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des Rheinbundes ihre Hülfsheere stellen mußten, so wird es
begreiflich, wie er schon wieder im Monat April mit mehreren
Hunderttausenden nach Sachsen in's Feld rücken konnte, und
mit den Verstärkungen, die immer und immer nachzogen, in
dem Sommer beinahe mit einer halben Million Menschen den
Krieg geführt hat.
Zhn selbst hatte das schnelle Gelingen seiner Anstalten von
Neuem so zuversichtlich gemacht, daß er von keinem Frieden
hören wollte. Oestreich gab sich viele Mühe, ihn zu vermit-
teln, und wenn sein hochfahrender Sinn nur etwas hätte nach-
geben wollen, so hätte er wenigstens noch alle Länder bis an
den Rhein für Frankreich behalten können. Aber der Hochmuth
verblendete sein Herz, damit Europa ganz frei würde, und
Deutschland seine Brüder am andern Rheinnfer wieder die
seinigen nennen könnte. Seinem Stolze dünkte es unerträglich,
die Herrschaft der Welt ans den Händen zu geben. Er wähnte,
sie immer noch behaupten zu können; denn die Gewalt des
Gcmüthes, wenn es für Freiheit und Tugend entzündet ist,
verstand er nicht zu berechnen. Darum erschien ihm die Be-
geisterung der Besseren in Deutschland wie ein leeres Haschen
nach Luftgebilden der Gedanken, und der gewaltige Zorn des
ganzen Volkes wie ein Fieberrausch, der bald verrauchen werde,
wenn Gut und Blut zum Opfer gebracht werden sollten. So
lange nur Kräfte gegen ihn stritten, welche er kannte, über-
wältigte er sie mit der kalten Ueberlegcnheit seines Verstandes
und der Ucbermacht seiner Heere; wie viele dabei zu Grunde
gingen, war ihm gleichgültig. Als aber die Geister erwach-
ten, und die Herzen erglühten, da faßte er sein Zeitalter nicht
und mußte fallen. — Am 31. März, als einige Tage vorher
die Kriegserklärung von Preußen in Paris angekommen war,
ließ er in einer Zeitung daselbst schreiben: „Wenn auch die
Feinde auf dem Montmartre von Paris ständen, so werde er
doch kein Dorf von seinen Eroberungen herausgeben;" und
am Tage darauf, am 1. April, erklärte er den Krieg gegen
den König von Preußen, ja, er beschloß in seinem Herzen,
das preußische Reich und der preußische Name sollten gänzlich
vernichtet werden. Und gerade nach einem Jahre, am 31.
März 1814, rückten die deutschen und russischen Heere in Pa-
ris ein, und zwei Tage darnach, den 2. April, erklärte der Se-
nat von Frankreich den Kaiser Napoleon seiner Krone verlustig.
4. Die ertten Lriegsvortälle.
Mit den Ueberbleibseln des französischen Heeres und eini-
gen neu gesammelten Haufen hatte sich der Vicekönig Eugen
unter die Mauern von Magdeburg gelegt; den übrigen Lauf
des Elbestromes mußte er frei geben. Den Ausfluß desselben
Kohlr. O. G- 3te Abth. 5te Aufl. 2
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Extrahierte Personennamen: Hochmuth Napoleon Eugen
Extrahierte Ortsnamen: Sachsen Rhein Frankreich Europa Deutschland Rheinnfer Deutschland Paris Paris Frankreich Magdeburg
Die ersten Kriegsvorfälle. 19
v/vvtvvv'vvvvvi'vvvvvvvv m §!ivvvv\v\vivvviwvvii\tvvtvvvvvv\v
Heer beseelte. Ernst und fest, in ruhiger Zuversicht des Ge-
müthes, erschienen ihnen die Preußen, und flößten allenthal-
den ein tiefes Gefühl der Achtung ein; den Russen sah man
die kalte Entschlossenheit an, mit welcher sie ihren Platz uner-
schütterlich behaupten bis in den Tod. Alle forderten nichts
Ungebührliches, und weder beim Vorrücken, noch selbst beim
Rückzuge, wurde das Eigenthum verletzt, obwohl Sachsen nicht
als befreundetes Land gelten konnte. Selbst die verschrieenen
Kosaken waren leicht zufrieden, wenn sie das Nöthige erhiel-
ten, und milderten auch dadurch den Schrecken ihres Namens,
daß sie sich allenthalben als große Freunde der Kinder bewie-
sen, in deren Nähe ihre rauhe Natur selbst kindlich milde zu
werden schien. Wie entartet zeigte sich dagegen, gleich beim
Eintritt in das ihnen verbündete sächsische Land, das neue
französische Heer. In dem ältern war noch eine äußere Zucht
gewesen, welche vielen Ausbrüchen der Roheit in den 'Gemei-
nen einen Zügel anlegte, wenn auch die Anführer im Großen
viele Ungerechtigkeiten verübten. Jetzt aber, vielleicht um den
jungen Soldaten Lust am Kriege einzuflößen, sahen die Befeh-
lenden gleichgültig auf ihre Ausschweifungen hin. Das Dorf,
in dessen Nähe sie ihr Nachtlager hielten, wenn auch der Kai-
ser selbst'seine Wohnung darin hatte, war am andern Mor-
gen anzusehen, als von einer Räuberbande verheert. Da wa-
ren die Thüren und Fenstern ausgebrochen, die Schränke und
Kisten zerschlagen und ausgeleert, die besten Gerätbe zu den
Feuern geschleppt und verbrannt. Und von vielem Glücke hatte
ein solcher Ort zu sagen, wenn er nicht dazu durch Unvorsich-
tigkeit oder Muthwillen gänzlich ein Raub der Flammen wurde.
In solchen Zügen zeigt sich die Entartung des Gemüthes, wenn
der Krieger gleichgültig den jungen, schönen Obstbanm, den
vielleicht ein Gärtner wie sein Kind gepflegt hat, im vollen
Schmucke der Blüthe niederhaut, während er einige Schritte
weiter wildes Holz zu seinem Feuer in Menge haben könnte;
oder wenn ein anderer leichtsinnig mit seinem Feuer, welches
er nur um wenige Schritte weiter vom Hause anlegen durfte,
ein ganzes Dorf anzündet, und hundert arme Menschen nackt
und elend in die kalte Winternacht hinaustreibt. Es ist ein
entsetzliches Wort, welches die französischen Anführer als die
einzige Rechtfertigung hinwarfen, wenn bittere Klagen über
die unerhörten Ausschweifungen ihres Heeres vor sie kamen;
es war nur das eine Wort ihres Kaisers, welches er einst
den flehenden Bürgern von Jena, die um das Ende der Plün-
derung ihrer Stadt mit Thränen vor ihm standen, mit gefühl-
losem Achselzucken erwiederte: „Das ist der Krieg" „(c’est
la guerre')“
2 *
!
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Iv
Vorrede.
von reden. Wie der Vater, wenn er im Kreise seiner
Kinder und Enkel von seiner eignen Jugend redet, die
Innigkeit seines Jugendgefühls hervorzurufen strebt, so
sollen auch wir im Kreise der jetzt Heranwachsenden Ju-
gend nur mit Begeisterung von der Jugendzeit des neuen
deutschen Lebens reden, welche in die hier geschilderten
Jahre zusammengedrängt ist. Wir sollen uns nicht
scheuen, das starke Bild und den ungewöhnlichen Aus-
druck zu gebrauchen, welche der berechnende Verstand
vielleicht übertrieben nennen möchte.
Diese Gedanken glaubte ich aussprechen zu müssen,
indem ich nach einem langer» Zwischenräume die Dar-
stellung der Jahre 1813, 14 und 15 von Neuen: dem
Druck übergebe. In manchen Stellen war ich versucht,
etwas von der lebhaften Farbe hinwegzunehmen, die in
den Tagen der ersten Aufregung unwillkührlich aus mei-
ner Feder hervorgegangen war; aber der inwohnende
Geist jener Darstellung, der nicht mein Werk, sondern
das jener gehobenen Zeit selbst gewesen, entwaffnetc die
kühlere Kritik. Das Ganze ist geblieben, wie es von
^Anfang an war; nur habe ich manches Einzelne, was
ich bei späterer Lcctüre, oder aus den Mittheilungen
von Augenzeugen, gesammelt habe, hinzugegebcn, so daß
manche Begebenheiten durch einzelne bezeichnende Züge
vervollständigt sind.
Mein Wunsch ist, daß der Lehrer der deutschen
Geschichte zum Schlüsse seines ganzen Kursus sich eben
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Vorrede.
Y
so, wie diese Darstellung der drei verhängnißvollen Jahre
von der übrigen Geschichtserzählung getrennt ist, auch
einen besonder» Zeitabschnitt für die Erzählung derselben
bestimmen möge, dasi er ste wie eine besondere freiwillige
Zugabe, als Belohnung für den auf die früheren Ab;
schnitte verwendeten Fleiß, ankündige und behandle, und
so seine Schüler und sich selbst in die gehobene Stirn;
mung versetze, welche für diese Darstellung empfänglich
macht. Wenn die deutsche Geschichte, wie wohl bei den
meisten höheren Schulen der Fall ist, in den mittleren
Klassen in ihrem selbstständigen Zusammenhänge gelehrt
wird, so hat der Lehrer an dem 14 und 15 jährigen
Knaben das rechte empfängliche Alter für diesen Schluß
seiner geschichtlichen Laufbahn mit ihnen.
Und sollten noch Anstalten ftyn, auf welchen, wenn
auch nur durch die Erzählung des Geschehenen selbst, in
der Zeit des 31. März, 18. Juni und 18. Oktobers
eine Erinnerungsfeier an die Jahre 1813, 14 und 15
stattstndet, so ist dieses freilich um Vieles besser für die
tiefere gcmüthliche Einprägung dieser Begebenheiten und
die Aufregung des Dankgefühles für die Hülfe von
Oben, welche uns in den Stand gesetzt hat, solche Er;
innerungen zu feiern.
Aber der Zweck, den ich bei der Abfassung dieser
Bogen gehabt habe, beschränkt sich nicht bloß auf die
höheren Anstalten, in welchen die Geschichte überhaupt
ihren angewiesenen Platz hat. Sehr glücklich würde ich
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Vi
Vorrede.
mich schätzen, wenn dieselben auch in den Bürgerschulen
und selbst in den oberen Klassen der Volksschulen, etwa
als Lesebuch in den Stunden des deutschen Unterrichts,
gebraucht würden. Es würde sich die Erinnerung der
wichtigen Begebenheiten dadurch auch in dem Kreise des
Volkes lebendiger erhalten, indem diese Darstellung durch
die Kinder in die Hände der Eltern gelangte.
Möchten diejenigen, welche eine innere Stimme zur
Verbreitung vaterländischer Sinnesart auffordert, dieses
Büchlein ihrer Theilnahme und Förderung werth halten!
Hannover, im November 1830.
F. Kohlrausch.
4
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T1: [Geschichte Dichter Zeit Buch Werk Jahr Gedicht Nr. Bild Geographie], T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler]]
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1. Der Zug gegen Rnsjtand.
3m Sommer des Jahres 1812 brach der Kaiser Na-
poleon mit vicrmalhunderttansend auserlesenen Kriegern ;u
Fuß und sechszigtauseud zu Roß, und mit einem Zuge von
zwölfhundert Stücken Geschütz, in das große russische Reich
ein. Zwei Jahre lang hatte er zu diesem Zuge gernstet, hatte
die besten Schaaren aus allen Landern Europas gesammelt
und sie mit allem Kriegszeuge auf's beste versehen; denn er
gedachte dicsknal weit hin in die Länder zu dringen, die sein
Schwerdt noch nicht kannten. Der erste Angriff war gegen
das russische Reichs gerichtet; es ist aber gar nicht unwahr-
scheinlich, daß er die Absicht gehabt, wenn dieses durch meh-
rere große Schlachten zum Frieden gezwungen worden, immer
tiefer hinten in Asien zu ziehen, und den Engländern, die er
am meisten haßte, das große, reiche ostindische Land wcgzn-
nehmen. Denn wenn cs nur nach seiner Lnst gegangen wäre,
so würde er erst an den Enden der Erde das Ende seiner
blutigen Kriege gemacht haben. — Aber in diesem Jahre und
in diesem Kriegszuge setzte ihm Gott ein Ziel. Denn als er
nun bis in Moskau, die alte Hauptstadt der russischen Zaare,
gekommen war, und am 14. September seinen düstern Sieges-
Einzug in ihr großes, ehrwürdiges Schloß, den Kreml, ge-
halten hatte; und als in den folgenden Tagen und Nächten
die unermeßliche Sradt, an hundert Stellen zugleich in Brand
gesteckt, wie ein blutrothes Feuermeer, von mehreren Stunden
im Umfange, vor seinen bestürzten Blicken da lag; — als die
6 ieri gen Flammen zuckend zum Himmel emporfuhren, als die
Luft brüllte, wie im tobenden Sturme, die Kirchen und Altäre
krachend zusammenstürzten, die unglücklichen Verbrannten, Zer-
schmetterten , Gemordeten in letzter Todesangst jammerten,
und dazwischen die nach Raub gierigen Feinde die Erde nach
Schätzen umwühlten, alles Menschengefühl schändeten und den
Namen Gottes lästerten; — da wendete sich das Glück von
ihm und sein Schicksal nahm dei: Rückweg. Sein äußerstes
Ziel war erreicht. Seine Hkere standen zu gleicher Zeit an
den beiden Enden Europas: ein Theil an den Küsten des
atlantischen Ozeans in Spanien, ein anderer mit ihm in den
weiten Ebenen Rußlands, in der letzten Hauptstadt, die nach
Asien zu liegt. Von nun an mußten sie von allen Enden im-
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Extrahierte Personennamen: Schwerdt
Extrahierte Ortsnamen: Europas Asien Moskau Gottes Rückweg Europas Spanien Asien
£ 1812.
ivvmu\%iii%\v\\umuwu i\vvu t\u\\u\ %\\ %\\ vw % vv
nter enger und enger dahin zurückwcichen, von wo sie ausge-
gangen waren; und anderthalb Jahre, nachdem sie in ihrer
größten Ausdehnung Europa in ihrer Mitte gehabt und fast
erdrückt hatten, und als nur wenige Menschen noch den stillen
Glauben hegten, daß eine so gar große Macht je könne gebro-
chen werden; — da waren sie bis in die Mitte von Frankreich
zusammengedrängt, die deutschen und russischen Heere zogen in
die Hauptstadt Paris ein, und der Eroberer der Welt legte
seine blutige Krone nieder.
Das war nicht Menschenwerk, das waren die Gerichte
Gottes; und damit die jetzt Lebenden den Dank für solche
Wohlthat nicht versäumen, und in Zukunft nie wieder ein Volk
in harter, grausamer Bedrückung, wenn cs nur auf Gott ver-
trauen ulid in frommem Muthe seine Kraft gebrauchen will,
an der Rettung verzweifle, muß das Andenken so großer Be-
gebenheiten in Aller Gcdächtniß erhalten werden.
In dem schrecklichen Brande von Moskau war der übermü,
thige Eroberer zuerst besiegt worden. Zn dieser großen Stadt
die über dreimalhundertraüsend Menschen zählt, hoffte er für
sein Heer den nöthigen Vorratb für fünf Wintermonate zu er-
beuten; und dann, mit dem nächsten Frühjahre, wäre sein Zug
gegen Petersburg und die Länder der Ostsee gegangen,
und noch eine Hauptstadt wäre ein Raub der Flammen gewor-
den. Aber als nun Moskau ein großer Schutthaufen war, in
welchem sein Heer nur auf wenige Wochen noch Unterhalt
fand, und als der hochherzige Kaiser Alexander, vertrauend
auf Gott und auf den Muth seines Volkes, jede Friedensbe-
dinguug verwarf, da mußte am Ende des Octobcrs eiligst der
Rückweg angetreten werden. Durch ein unbegreifliches Verse-
hen wurde derselbe nicht, wie es chätte geschehen sollen, auf
der Straße über Kaluga genommen, die der Krieg noch
nicht verwüstet hatte, sondern auf der völlig zerstörten geraden
Straße nach Smolensk, auf welcher von Ruffen und Fran-
zosen Alles niedergebrannt und ausgeleert war. Da riß bald
der-drückendste Mangel im Heere ein, löste die Ordnung
und brachte Muthlosigkeit in den galten Haufen. Darauf
hatten die Ruffen gewartet. Mit den Schwärmen ibrer leich-
ten Reuter verfolgten sic die fliehenden Feinde, ließen ihnen
nicht Tag noch Nacht Ruhe, und was nur ein Weniges zur
Seite vom Zuge abwich, wurde uiedergcmacht. Auch stritten
die Ruffen glücklich in größern Gefechten, und an jedem Tage
gingen dem Feinde Menschen und Pferde und Geschütz ver-
loren. Doch hielt die gemeinsame Gefahr noch immer große
Schaaren der Abziehenden zusammen, und von so unermeß-
licher Zahl wären sicher noch Hunderttausende entkommen,
wenn nicht plötzlich eine mächtigere Hand Tod und Ver-
TM Hauptwörter (50): [T28: [Schlacht Heer Feind Mann Armee Napoleon Franzose General Truppe Preußen], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
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Extrahierte Personennamen: Alexander Alexander Reuter
Extrahierte Ortsnamen: Europa Frankreich Paris Gottes Moskau Petersburg Moskau Rückweg Kaluga Smolensk
Der Zug gegen Nußland. 9
%<wuumvm vw tw wvwviw iwvw ivvwv vu\ vw m»w wuwvwwvwv
derben über sie verhängt hätte. Früher, als in dem gewöhn-
lichen Laufe des Jahres, brach in den öden Steppen Ruß-
lands ein grauscr, verheerender Winter ein. Die ziehenden
Cchaaren hatten keinerlei Schutz gegen ihn; ihre Kleider wa-
ren von dem weiten Zuge zerrissen, ihre Füße zitterten nackt
durch die unabsehbaren Schneefelder; die Dörfer und Städte
an den Straßen, welche sie zogen, waren schon auf dem
Hinwege von ihnen selbst oder den eigenen Bewohnern zer-
stört; nirgend ein Obdach gegen den furchtbar schneidenden
Wind; nirgend eine Hülle, die bebenden Glieder zu bedecken;
kein Bissen Brodts, den schrecklich nagenden Hunger zu stillen!
Da ergriff Verzweiflung ihre Herzen. An jedem Morgen lagen
die Haufen der Erfrorenen um die ausgebrannten Wachtfeuer;
unter ihnen arbeitete sich vielleicht noch ein Lebender hervor,
den die andern mit ihren Leibern bedeckt und gerettet hatten;
auch er fand in der nächsten Nacht denselben Untergang. Wen
die Kälte verschonte, verdarb der Hunger. Wie mancher mochte
jetzt, in dem schrecklichen Kampfe des Hungertodes, des Brod-
tes gedenken, welches er früher, in seinem Uebcrmuthe, als
nicht fein genug für seinen Gaumen, unter die Füße getreten
hatte? Wie Raubthiere stürzten sie über jedes gefallene Pferd
her, rissen mit ihren Nägeln und Zähnen die Stücke des rohen
Fleisches herab und schlangen sie hinunter. Za, man hat solche
gesehen, denen die Kälte und die entsetzliche Angst der Seele
schon den Verstand geraubt hatten, und die am Wege im Schnee
saßen und mit den Gebehrden des Wahnsinns au ihren eigenen,
schon vom Froste schwarzen, Fingern nagten.
Von solchen Bildern wendet sich die Seele mit tiefem
Schauder hinweg. Sic sind entsetzlicher, als die Einbildungs-
kraft sie zu erfinden vermag. Als schreckliche Warnungszeichen
gegen Uebermnth und Frevel stehen sie da, um die ungestüme
Leidenschaft in des Menschen Herzen zu brechen; und für Tau-
sende in diesen Schaaren, die nun zwanzig Jahre Europa ver-
heerend durchzogen hatten, mochte es des höchsten Kampfes
der Seele bedürfen, damit sie nicht in der vollen Sicherheit
der Sünde dahin starben! —
2. preichen rüfflet.
Von der halben Million Menschen, welche der übermüthige
Eroberer in diesen Krieg geführt hatte, kehrten kaum 30,000
Waffenfähige zurück. Durch Preußens Gränzcn war teilte
Macht in ihrem höchsten Glanze dorthin gezogen; jetzt sah
Preußen zuerst die schimpfliche Flucht der wenigen Uebriggeblic-
benen, die in kläglicher Gestalt das Mitleid' derer.anflehten,
welche sie noch vor kurzer Zeit mit dem schmählichsten Ueber-
muthe behandelt hatten.
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io 1813'«
vwvw nviivxwiwiwuvuwvww :;u\mvmnmvwuuut%\min
Das preußische Volk erkannte die Zeichen der göttlichen
Gerichte; cs fühlte, daß es an der Zeit sey, die Waffen zu
ergreifen; denn nun oder nimmer mußten die Fremden ans
allen Gränzen des deutschen Vaterlandes vertrieben werden.
Der Hülfshaufe der Preußen, der schweres Herzens mit den
Franzosen gegen Rußland hatte ziehen müssen, diente jetzt zum
ersten Wahrzeichen einer freien und freudigen Zeit. Sein An-
führer, der General Aork, welcher des Königs und des Vol-
kes Gesinnung kannte, wendete sich an der Gränze des König-
reichs Preußen von den Franzosen ab, die von seinem Heere
noch großen Vortheil zu ziehen hofften, und wartete auf den
Befehl seines Königs, ob ec siel) mit den siegreichen Russen
vereinigen dürfe. Der König aber begab sich von Berlin nach
Breslau in Schlesien, weil er in seiner Hauptstadt noch von
einer französischen Besatzung umringt war, und erließ am 3.
Februar 1813 einen Aufruf an die Jugend seines Landes, sich
freiwillig znm Schutze des Vaterlandes zu rüsten. Der König
kannte sein Volk und wußte, wie kräftig in ihm der Math für
Ehre und Freiheit sich regte; darum hörte er nicht die Stimme
derer, welche sich von solchem königlichen Aufgebote wenig
versprachen; sie meinten eine solche Begeisterung, die den Men-
schen freiwillig in den Tod führe, werde in der Jugend nicht
gefunden werden. Aber wie wurde das königliche Vertrauen
von dem treuen Volke gerechtfertigt! Noch war es nicht aus-
gesprochen, daß der Krieg gegen die französischen Unterdrücker
geführt werden solle, nur im Allgemeinen hatte der König die
Erhaltung des Vaterlandes als das große Ziel hingestellt.
Aber ein jedes Herz verstand das königliche Wort und zu vie-
len Tausenden strömten die Jünglinge herbei, um die freiwil-
ligen Schaaren der Reuterei und des Fußvolks zu bilden. Allein
ans Berlin sammelten sich ihrer 10,000.
Der König that noch mehr; er verordnete eine Bewaff-
nung seines ganzer: Volkes, indem er Landwehr
und Landsturm einzurichten befahl. Es war eine traurige
Verblendung der letzten Jahrhunderte gewesen, daß man glaubte,
nur in der großen Menge besoldeter Krieger, die gleichsam
auf immer sich mit Leib und Leben dem Kriegsgewerbe ver-
kauft hätten, bestehe die Stärke eines Reiches. In der alten
Zeit des deutschen Volkes wurde an einen solchen Kriegsdienst
ans keine Weise gedacht, sondern jeder frese Mann mir gesun-
dem Arme war ein Krieger, und die Waffen waren von Jugend
auf sein Schmuck und sei:: Stolz. Darum konnte auch unser
Volk, vom Anfänge seiner Geschichte an, mit Ehren bestehen«
Germ amen oder Heer- und Kriegsmänner nannten uns die
alten Römer, welche achte Tapferkeit wohl zu würdigen ver-
standen. Die Waffen dieser mächtigen Römer, welche die halbe
Welt unterjocht hatten, wurden an der Tapferkeit unserer Vor-
fahren zu Schanden, als sie cö wagten, zu uns über den Rhein
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Extrahierte Ortsnamen: Berlin Breslau Schlesien Berlin
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