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einem ist Heil und Wohlfahrt des Geistes; denn nur so lange er
am Weinstock bleibet, grünet und gedeihet der Nebe.
Wie die einzelne Seele in der fest in ihr begründeten Hoff-
nung auf ein künftiges Sein des Geistes eine Bürgschaft für ihre
Fortdauer findet, so die Gesammtheit der Kirche in der auf
einem festen, prophetischen Worte beruhenden Hoffnung auf ein
Reich des Geistes, das künftig erscheinen soll. Ja, es harret mit
uns die Creatur der Offenbarung eines Neuen, da die Gebunden-
heit zur Freiheit, die Gebrechlichkeit zur Herrlichkeit heranwachsen
wird. Die schöne Erde mit dem Schmuck ihrer Auen und den
hehren Vesten ihrer Gebirge wird nicht für immer ein Feld des Un-
friedens und des eitlen Geschreies der Empörer, ein Thal des
Jammers und der Thränen bleiben. Es ist uns gesagt von einer
noch künftigen Muhe' der Kinder im Hause des Vaters; im Wort
verheißen: <Siehe es wird alles neu werden, und Erde und Meer
wie der Himmel sollen voll werden seines Lobes. Dann werden
die Geschlechter der Erde in Frieden beisammen wohnen, gleichwie
in einer Stadt, deren Mauern Heil und deren Thore Lob heißen.
Wie aus Abend und Morgen der einzelne Tag, so wird in der
gesammten Zeit der Völker aus dem Weinen des Abends die
Freude eines Morgens kommen, dem ein Licht leuchtet, das nicht
mehr untergehet.'
5.
3 fl i) i r.
Don Platcn.
Werke. Stuttgart und Tübingen 1847. I, 135. — Gedichte 1831. — Werke 1839 rc.
Naublustig und schreckenverbreitend und arm
Geleitet Abdallah den Araberschwarm
Gen Afrika zu,
Vor Tripoli stehn die Beherzten im Nu»
Doch ehe ste stürmen um Mauer und Thor,
Erscheint mit dem Heere der hohe Gregor,
Statthalter im Glanz
Erfochtener Siege, geschickt von Byzanz.
Und während er drängt die fanatische Schar,
Ritt ihm an der Seite mit goldenem Haar,
Den Speer in der Hand,
Die liebliche Tochter im Panzergewand.
Sie hatte gewählt sich ein männliches Theil,
Sie schwenkte die Lanze, ste schoß mit dem Pfeil,
Im Schlachtengetön
Wie Pallas, und doch wie Cythere so schön.
Der Vater erhub sich, und blickend umher,
Befeuerte mächtig die Seinigen er:
'Nicht länger gespielt,
Ihr Männer, und stets nach Abdallah gezielt!
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Extrahierte Personennamen: Abdallah Gregor Gregor Abdallah
Extrahierte Ortsnamen: Stuttgart Afrika Byzanz Schlachtengetön
Wie_Pallas
11
6.
Die Eroberung von Constantinopei im Jahre 1453.
Sßon. Roltcck.
Herling: Lehrbuch der Stilistik. Hannover 1837. Ii, 81.
Lins dem ehrwürdigen, doch morschen Throne Constantü/s
des Großen saß, nach langer Folge und blutigem Wechsel der Ge-
schlechter, Constantin Xi. Aus daß dieser Thron, den so viele un-
bedeutende, elende, abscheuliche Imperatoren entehrt hatten, doch
noch mit Ruhm falle, dazu schien das Schicksal den männlichen
Constantin ausbehalten zu haben. Daß der dürre Stamm, der in
den Stürmen der Jahrhunderte bereits seine Krone und seine
stolzen Äste verloren hatte, nicht mehr zu verjüngen sei, das fühlte
er wohl; aber ihm lag ob, so lange, als möglich, das tödtende Beil
vom Stamme selbst abzuhalten. 'Unsere Zeiten/ so hatte des
Kaisers Vater, der weise Manuel, oft geklagt, 'vertragen die Größe
und den Rilhm der Helden nicht; uns ist nur die Sorgfalt des
bekümmerten Hansvaters übrig, der die letzten Trümmer seines
ehemaligen Glücks ängstlich hütet/ — Getreu dieser Lehre, so viele
Selbstverleugnung sie auch dem hochherzigen Constantin kostete,
hatte er von Anbeginn seines Reiches dessen letzte Provinz an
seine berrschsüchtigen Brüder überlassen und sah sich auf den
nächsten Bezirk um Conftantinopel eingeschränkt, damit nicht im
Bürgerkriege des Volkes Blut verspritzt würde. Er hatte durch
eine feierliche Gesandtschaft bei Amurath, dem stolzen Sultan, um
Anerkennung geworben. Aber was ist ein Staat, in dem der
Keim bürgerlicher Zwietracht liegt? was ein Monarch, der von
der Anerkennung eines Mächtigern abhängt? Constantin verbarg
sich seine Lage nicht, und wie der erfahrne Schiffer einen Sturm
voraussieht, der seinem zerbrechlichen Fahrzeuge droht, so stand am
Tage der Thronbesteigung vor des Kaisers Seele der Untergang
seines Reichs. Daher blieb er still und düster, als das Volk von
Constantinvpel ihn jubelnd empfieng; und als sein treuer Phranza
von der Sendung nach Georgien zurückkehrte, um dessen schöne
Fürstin er für Constantin geworben hatte, rührten den Kaiser zwar
die vielstimmigen Glückwünsche seiner Bürger, aber er warf sich im
ersten zwanglosen Augenblicke an des Freundes Brust, um seinen
Kummer darin niederzulegen. 'Ich habe/ sprach er, 'als ich dich
nach Georgien sandte, dem Verlangen des Volkes nachgegeben, das
einen Thronerben wünscht; aber andere Sorgen, als die Bereitung
hochzeitlicher Feste, heischt das Schicksal von uns. Mir ahnet,
diese Mauern werden früher des Krieges Donner, als den bräut-
lichen Gesang vernehmen. Das Volk frohlockt in seinem Leichtsinn
darüber, daß Amurath, der Furchtbare, todt ist: wohl war er
furchtbar, doch gerecht und der Waffenthaten müde; aber der
junge Löwe, der nun aus seinem Throne sitzt, wird er träge auf
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Extrahierte Personennamen: Sßon Herling Constantin Constantin Manuel Constantin Constantin Constantin Constantinvpel Constantin
13
tische Willkür; aber die glänzendste, nach seiner Schätzung die
rühmlichste, jedoch nach dem Ausspruche der Gerechtigkeit die ver-
abscheuungswürdigste, war der Umsturz des griechischeil Reichs.
Unter den Gesandten, die fern von Morgen um den Thron
Mohamed's glückwünschend sich drängten, waren jene von Con-
stantin die beflissensten gewesen. Zu allen sprach der Sultan das
Wort des Friedens und der Freundschaft; aber nur ans seinen
Lippen war das Wort, im Herzen brütete der Krieg. Der stolzeste
aller Menschen erniedrigte sich aus Herrschsucht zur verächtlichsten aller
Tücke. Daher, als er auf einem schnellen Kriegszuge einige auf-
rührerische Provinzen beruhigt hatte, entriß er, schnell die Larve
abnehmend, den sorglos schlummernden Griechen die schönsten
Ländereien, deren Besitz er ihnen kurz vorher auf das feierlichste
versichert hatte, und es ergieng der Befehl zur Erbauung eines
festen, drohenden Schlosses an der Meerenge im Angesichte von
Constantinopel. Damals schon beschloß Constantin mit echt rö-
mischem männlichen Sinne, das Schwert zu ziehen, weil er es
lieber früher, aber mit Ruhm und Erfolg, als später, aber hoff-
nungslos ergreifen wollte; aber die Zaghaftigkeit der Menge und
der unpatrivtische Geist der Großen zwangen ihn, sein Heil in Unter-
handlungen zu suchen, in denen so wenig, als im Kriege, das
schwache Recht gegen die starke Raubgier etwas vermag.
Mohamed wollte Krieg, und so blieb auch dem Kaiser, wenn
er nicht etwa schändlich vom Throne herabsteigen und als frei-
williger Sclave die Gnade eines übermüthigen Herrn verehren
wollte, nichts anderes übrig. Er bewilligte jenen Bau, und die
Türken zerstörten ringsum Paläste und Tempel, um Mauersteine
zu erhalten; sie tödteten einige kühne Vertheidiger der Altäre und
mordeten grausam die Mannschaft eines Schiffes, das sich ge-
weigert hatte, dem Schloßhauptmann einen widerrechtlich geforderten
Zoll zu entrichten. Constantin trauerte und schwieg; aber da ließ
ein übermüthiger Bassa seine und seines Gefolges Pferde im reifen
Korn um Constantinopel weiden. Zürnend ob dem Raub und
empört durch den Hohn, erschlugen die Landleute einige Frevler,
und Mohamed, als wäre er selbst der Beleidigte, sandte seine mord-
lustigen Scharen, die das unglückliche Dorf in Asche legten
und weit umher die schuldlosen Schnitter würgten. Jetzt wurden
die Thore Constantinopel's geschlossen, die Straßen füllten sich mit
bestürzten Volkshaufen, und der Feigste sah ein, daß nur die Ent-
scheidung des Schwertes übrig sei. — Es giebt auf der ganzen
Welt keinen größern und erhabneren Anblick, als ein Volk, das
beim Hereinbrechen der äußersten Gefahr sich ermannt und zur
Rettung des Kostbarsten und Heiligsten, zur Vertheidigung seines
Daseins und seiner Ehre, mit der Entschlossenheit der Verzweiflung
die Waffen ergreift. Hier hört aller Unterschied des Geschlechts,
des Alters und des Standes auf. Hnnderttausende sind wie von
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Extrahierte Personennamen: Constantin Mohamed Constantin Bassa Mohamed
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unbezwinglich war den einfachen Maschinen der früheren Belage-
rung, das mußte den neu ersonnenen Werkzeugen der Zerstörung
unterliegen.
Gegen die vereinte und immer sich erneuende Macht des so-
genannten türkischen Reichs, gegen die wüthenden, unablässigen
Angriffe eines unabsehbaren Heeres und einer mächtigen Flotte sah
sich Constantin, ohne Hoffnung eines Beistandes, aus die Hülfs-
quellen seines eigenen Geistes beschränkt und auf den Arm von
nicht zehntausend Streitern. Die Mächte Europas waren gleich-
gültig bei seiner Noth geblieben. Furcht hielt die eine, die andere
Verblendung, gehässige Leidenschaft oder kurzsichtiger Eigennutz
von der dringenden Hülfe ab. Zwar noch stand es bei dem Kaiser,
durch Unterwerfung sein Leben und vielleicht durch die Gnade des
Siegers selbst Wohlleben zu erkaufen; aber er, der erste unter den
Römern an Rang und Geist, achtete es seiner uiib des römischen
Namens würdiger, der Nachwelt ein großes Beispiel von Helden-
sinn zu hinterlassen. <Weil aber weder das Vorhalten deiner frü-
heren Eide, noch meine äußerste Nachgiebigkeit dich entwaffnen
kann,' antwortete der christliche Fürst auf des Sultans übermüthige
Aufforderung, ffo beharre in deinem verbrecherischen Beginnen.
Wenn der Herr die Stadt in deine Hände liefert, so werde ich in
seinen heiligen Willen ohne Murren mich fügen; aber so lange
Gott nicht zwischen uns entschieden hat, ist es meine Pflicht, zu
streiten für Reich unfc Ehre.' — Schon zweiundsunfzig schreckliche
Tage waren über die Bürger von Constantinopel hingegangen.'
In den Donner des Geschützes mischte sich das Jammern der Angst
und des Schreckens; durch die Stille der Nacht tönte das Ächzen
der Verwundeten, das Wehklagen der Verwaisten. Was hals es
den tapfern Streitern, daß ihr Schwert der Türken Scharen fraß?
Die Lücken füllten sich bald aufs neue, und der glänzendste Er-
folg ward zu theuer durch ihr kostbares Herzblut erkauft. So
schwand allmählich die Hoffnung, und Mohamed, da er die Türme
durch sein Geschütz zertrümmert, die Mauern zerbrochen sah, erließ
den Befehl zum allgemeinen Sturme. In der Nacht sollten die
Zubereitungen geschehen. Die Christen sahen weithin an beiden
Gestaden unzählige Wachtfeuer lodern und das Meer von vielen
Leuchten heranrudernder Schiffe glänzen, ein großes, prachtvolles,
aber schreckliches, Unglück weissagendes Schauspiel. Dazu der
dumpfe Ton der sich bewegenden und drängenden Heerscharen, das
tausendfache Klirren der Waffen, und bald, mit dem ersten Morgen-
strahl, der laute Donner des Geschützes, das Geprassel hundertfältiger
Zerstörnngswerkzeuge und das hunderttausendstimmige Schlachtge-
wühl blutdürstiger Krieger. — Nicht unvorbereitet waren die Grie-
chen: der wachsame Constantin hatte des Feindes Bewegung er-
späht. Er rief in der Mitternachtsstunde seine Verwandten, seine
Freunde und die Edelsten, der Nation auf die Burg, um seine
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Extrahierte Personennamen: Constantin Mohamed Constantin
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eigene Todesverachtung durch Feuerworte in ihre Seele zu hauchen.
Er beschwor sie bei Nom's heiligem Namen und bei den Erinne-
rungen, die ihn umschwebten; er mahnte sie, das Urtheil der Welt
und Nachwelt zu scheuen, zeigte ihnen, daß dieses die Stunde sei,
die über ihr und der Ihrigen Leben, Freiheit und Glück, über des
Reiches Fortdauer oder Zerstörung unwiderruflich entscheiden müsse,
und was Religion, Pflicht und Ehre von ihnen als Christen,
Brüdern und Männern heische. Sie umarmten sich, weinten,
schwuren, zu sterben fürs Vaterland, und jeder gierig an seinen
Posten mit dem Entschlüsse, des römischen Namens würdig zu
bleiben; aber der Kaiser, in dessen Gemüth die Hoffnung erloschen
war, die er bei seinen Freunden zu entzünden gesucht hatte, begab
sich in den Sophientempel, um das heilige Abendmahl zu empfangen,
und von da flog er auf den äußersten Wall, um unter seinen
Bürgern bis zum letzten Augenblick die Pflichten des Feldherrn
und des gemeinen Kriegers zu erfüllen und dann zu sterben.
Schon hatte der ungleiche Kampf begonnen, schon war der
Tod umhergegangen unter tausend Gestalten. Land und Meer
rötheten sich vom Blut. Doch was kümmerte dies den Sultan?
Er hatte Streiter genug, um mit ihren Leichen die tiefen Gräben
Constantinopel's auszufüllen und dann erst über sie hin den Weg
zum Siege zu betreten. Noch waren, nach zweistündigem Gemetzel,
die Griechen von keinem Punkte gewichen; aber ihr Arm fieng an,
vom Schlachten müde zu werden, und jetzt führte Mohamed den
Kern seiner Truppen, die schrecklichen Janitscharen, frisch in den
Sturm. In diesem verhängnisvollen Augenblicke wurde der tapfere
und kriegskundige Justiani, Befehlshaber der kleinen abendländischen
Hülfsschar und vom Kaiser zum Oberanführer des ganzen Heeres
erhoben, von einem Pfeile verwundet. Gewohnt, dem Tode zu
trotzen, konnte er doch dem Schmerz seiner Wunde nicht widerstehen;
er floh gegen die Stadt, um sich verbinden zu lassen. Da rief der
Kaiser, dessen Blicke überall waren, ihm zu: 'Freund, deine Wunde
ist leicht, die Gefahr dringend. Du bist hier nothwendig, uni> wohin
willst du fliehen?' — 'Hierdurch will ich mich retten, wo Gott
selbst den siegreichen Türken den Weg gebahnt hat!' sprach der
von Schmerz überwältigte Mann und drängte sich durch einen
Riß der Mauer in die Stadt. Viele „seiner Landsleute folgten
ihm, und Constantinopel war verloren. Übermannt, zurückgedrängt
von den Außenwerken, flohen die Griechen gegen die innere
Mauer. Schon vernahmen die zitternden Bürger das siegreiche
Allah, und ach, schon war Constantinopel nicht mehr. Nur, wo
der Kaiser stand, war noch ein Kampf gewesen. Die Edelsten und
Besten seines Reichs drängten sich um ihn. Er bat sie, ihn zu
tobten, daß er nicht lebend in der Ungläubigen Hände falle, und
warf den Purpur weg, um unerkannt unter seinen Mitstreitern
zu fallen. Alle starben hier den männlichen Tod; aber kein Feind
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17
rühmte sich, den Kaiser getödtet zu haben: sein Körper lag unter
seinen erschlagenen Gefährten, und ringsum türmte sich ein Hügel
von feindlichen Leichen. Soll ich die Schreckniffe schildern, die
jetzt folgten? das Angstgeschrei der Fliehenden, die Streiche der
erbarmungslosen Wuth, die Blässe des Entsetzens, den tausend-
stimmigen Jammer der Verzweiflung? Die Häuser standen verlassen;
wehrlos zitternd, wie verscheuchte Schafe, drängten sich die un-
glücklichen Bewohner in den Straßen und Plätzen, oder füllten
die Tempel, um an den heiligen Altären eine Freistätte zu suchen;
umsonst! alles schwamm in Blut, und was dem Mordschwerte
entgieng, wurde der Naubsucht Opfer. Sich selbst nur die Ge-
bäude vorbehaltend, hatte Mohamed die Schätze Constantinopel's
sammt ihren Eigenthümern seinen stürmenden Soldaten geschenkt,
und sie eilten, dieses frevlerische Geschenk zu gebrauchen. Alle Kost-
barkeiten der Stadt, die Meisterwerke griechischer Kunst und Pracht
wanderten, viele zertrümmert, nach dem türkischen Lager, und bald
kehrten die Räuber zurück, sich der Geplünderten selbst neben ihrer
Habe zu versichern. Ohne Rücksicht des Standes und des Alters,
ohne Schonung der heiligsten Baude der Natur und des Herzens,
so wie der Zufall, das Recht der erstell Ergreifung, oder das
Machtwort eines Stärkern sie austheilte, sahen die unglücklichen
Griechen sich voll gefühllosen Tyrannen in die Sklaverei geschleppt.
Man band sie zusammen wie verächtliche Thiere. Das edle Mäd-
chen mit dem Manne des Pöbels, der Patrizier mit dem niedrigsten
Knechte, die Nonne mit dem Galeerensclaven zusammengekoppelt,
fühlten der nämlichen Geisel Hiebe. Der Geliebte wurde getrennt
von der weinenden Braut, der Freund vom Freunde; des alten
Vaters Armen entwand man den Sohn, und die Mutter, die
ängstlich nach der geliebten Tochter blickte, sah sie, von sich weg-
gerissen, in einen fernen unbekannten Kerker ziehen. Vielen gab
die Verwirrung Hoffnung zur Flucht. Ganze Scharen knieten aus
dem Strande und beschworen die wegrlldernden Schisser, sie in
ihre Barken aufzunehmen. Unerbittlich blieben die einen; andere,
die ihre Fahrzeuge mit Flüchtlingen überluden, versanken auf hohem
Meere. Manche flohen gegen die Gebirge; aber wen der nach-
folgende Feind ereilte, der blutete unter seinen Streichen. Die
Glücklichsten irrten viele Tage in Wildnissen umher. Senatoren,
Reiche aller Klassen, dem Schoße der Bequemlichkeit, der Fülle des
Lebensgenusses entrissen, lernten zum erstenmal des Hungers ver-
zehrende Qualen kennen und trugen, stöhnend unter der Bürde
weniger geretteter Habseligkeiten, die wunden Füße durch Dickicht
und Dornen.
Noch füllte Mord, Raub und jede Gewaltthat die unglückliche
Stadt. Da betrat Mohamed im Triumphgepränge die bluttriefenden
Straßen, und ein Herold verkündigte Gnade dem elenden Überreste
des Griechenvolks. Mit einer eisernen Keule bewaffnet, ritt er
Colshorn u. Goedeke's Lrsebuch Iii. 2
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23
dm Leichen hervorkrochen, hernmirrende Kinder, die mit herzzer-
schneidendem Geschrei ihre Eltern suchten, Säuglinge, die nn den
tobten Brüsten ihrer Mütter saugten! Mehr alö sechstausend Leichen
mußte man in die Elbe werfen, um die Gassen 511 räumen 5 eine
ungleich größere Menge von Lebenden und Leichen hatte das
Feuer verzehrt; die ganze Zahl der Getödteten wird auf dreißig-
tausend angegeben. -
Der Einzug des Generals, welcher am vierzehnten erfolgte,
machte der Plünderung ein Ende, und was bis dahin gerettet
war, blieb leben. Gegen tausend Menschen wurden aus der Dom-
kirche gezogen, wo sie drei Tage und zwei Nächte in beständiger
Todesfurcht und ohne Nahrung zugebracht hatten. Tilly ließ
ihnen Pardon ankündigen und Brot unter sie vertheilen. Den
Tag daraus ward in dieser Domkirche feierliche Messe gehalten
und unter Abfeuerung der Kanonen das Tedeum angestimmt.
Der kaiserliche General durchritt die Straßen, um als Augenzeuge
seinem Herrn berichten zu können, daß seit Troja's nnb Jerusalems
Zerstörung kein solcher Sieg gesehen worden sei. Und in diesem
Vorgeben war nichts Übertriebenes, wenn man die Größe, den
Wohlstand und die Wichtigkeit der Stadt, welche untergieng, mit
der Wnth ihrer Zerstörer zusammendenkt.
9.
Ulrich Zwingli in der Aappeler Schlacht.
Aus Fröhlich's Ulrich Zwingli.
Zürich 1840- — Vergl. Gesammelte Schriften. Frauenseld 1853. Bd. Iii.
Noch liegt im Schlafe Zwingli, und noch ift's Morgen nicht,
Da pocht es an die Thüre; ihm sendet schon Bericht
Abt Joner her von Kappel, und so beginnt das Blatt:
'Der Feind ist aufgebrochen; eilt, eilt uns zu, was Waffen hat.'
Da nimmt der fromme Zwingli die Rüstung von der Wand,
Mit der er schon im Blute vor Marignano stand:
Sturmhaube, Schwert und Panzer, noch glänzend stets bewahrt
Als Spiegel jener Thaten und nach der Väter Landesart.
So groß das Schwert und mächtig, es ist ihm nicht zu lang,
Es steht ihm wohl und hindert nicht seinen großen Gang;
Der Panzer, wie gewölbt auch, er ist ihm nicht zu weit,
Er deckt ihm rechtermaßen die Heldenbrust so stark als breit.
So zieret eins das andre des Mannes Helm und Haupt
Und scheinet, wenn auch schmucklos, dennoch von Sieg umlaubt.
So tritt er jetzt noch einmal zu seinem Pult heran
Und sieht in einer Summe, was hier er Tag und Nacht gethan —
Und denkt: 'Nehm' ich die Bibel mit mir, den höchsten Hort?
Doch nein, sie ist geschrieben ins Herz mir Wort für Wort.
Und nah' schon ist der Meister, der, wo mir Licht gebricht,
Mich selbst wird unterrichten von Angesicht zu Angesicht.'
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26
Sohn durch guteheirath zu versorgen. Und als es endlich Freunden
gelang, den empörten Vater zur Versöhnung zu bringen, als er
dem flehenden Sohne wieder gegenübertrat und dieser gestand, daß
eine furchtbare Erscheinung ihn zum stillen Gelübde des Klosters
getrieben habe, warf ihm der Vater die bekümmerten Worte ent-
gegen: 'Gott gebe, daß es nicht ein Betrug und teuflisch Gespenst
war.' Und noch mehr erschütterte er das Herz des Mönches durch
die zürnende Frage: 'Du glaubtest einem Gebot Gottes zu gehorchen,
als du in das Kloster giengst; hast du nicht auch gehört, daß man
den Eltern gehorsam sein soll?' Tief stach dies Wort in den
Sohn. Und als er viele Jahre barslitf auf der Wartburg saß,
aus der Kirche gestoßen, vom Kaiser geächtet, da schrieb er an
seinen Vater die rühreuden Worte: 'Willst du mich noch aus der
Möncherei reißen; bu bist noch mein Vater, ich noch dein Sohn;
auf deiner Seite steht göttliches Gebot und Gewalt, auf meiner
Seite steht menschlicher Frevel. Und steh, damit bu dich vor Gott
nicht rühmst, ist er dir zuvorgekommen: er selbst hat mich heraus-
genommen.' Von da ab war dem Alten, als wäre ihm sein Sohn
wieder geschenkt. Und als der Vater hoch an Jahren, zuletzt Raths-
herr von Mansfeld, in den letzten Zügen lag, und der Geistliche
sich über ihn neigte und den Scheidenden frug, ob er auch sterben
wolle im gereinigten Glauben an Christum und das heilige Evan-
gelium, da raffte der alte Hans sich noch einmal kräftig zusammen
itiib sprach kurzab: 'Ein Schelm, der nicht dran glaubt.' Wenn
Luther später dies erzählte, setzte er bewundernd hinzu: 'Ja, das
war ein Mann aus der alten Zeit? Der Sohn aber erhielt die
Nachricht vom Tode des Vaters auf der Veste Kobnrg. Als er
den Brief gelesen, dem seine Frau das Bild seiner jüngsten Tochter
Magdalena beigelegt hatte, sagte er seinen Gefährten nur die
Worte: 'Wohlan, mein Vater ist auch todt,' stand auf, ergriff
seinen Psalter, gieng in seine Kammer, weinte und betete und kam
mit gefaßter Seele wieder hervor. Und an demselben Tage schrieb
er in tiefer Rührung an Melanchthon von der herzlichen Liebe des
Vaters und von dem innigen Verkehr mit ihm. 'Nie habe ich den
Tod so sehr verachtet als heut; so oft sterben wir, bevor wir ein-
mal sterben. Jetzt bin ich Senior in meinem Geschlecht, und ich
habe das Recht, ihm nachznfolgen.'
Von solchem Vater bekam der Sohn für das Leben mit, was
Grundzug seines Wesens geblieben ist: die Wahrhaftigkeit, den
beharrlichen Willen, treuherziges Verständnis und umsichtige Be-
handlung der Menschen und Geschäfte.
2. Luther im Kampfe mit Welt und Satan. S. 136.
Das war doch für Luther eine furchtbare Periode; dicht neben
Erhebung und Sieg lagen ihm tödtliche Angst, quälender Zweifel,
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T33: [Kind Vater Mutter Frau Mann Jahr Sohn Gott Haus Eltern]]
TM Hauptwörter (100): [T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T39: [Kind Vater Mutter Frau Mann Haus Jahr Eltern Sohn Knabe]]
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Extrahierte Personennamen: Hans Magdalena Melanchthon
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sah. Nie war er gewaltiger gewesen, der furchtbare Mann, der
seine Überzeugung im hitzigsten innern Streit dem Zweifel und
Teufel abgerungen hatte.
Ganz anders erscheint seine Persönlichkeit im Streit mit ir-
dischen Feinden. Hier bewährt er fast immer sichere Überlegenheit,
am meisten in seinen literarischen Fehden.
Riesengroß war seine schriftstellerische Thätigkeit, welche er
von 1517 entwickelte. Bis zu diesem Jahr hatte er wenig drucken
lassen; von da wurde er auf einmal nicht nur der fruchtbarste,
auch der größte populäre Schriftsteller der Deutschen. Die Energie
seines Stils,, die Kraft seiner Beweisführung, Feuer und Leiden-
schaft seiner Überzeugung wirkten hinreißend. So hatte noch keiner
zum Volke gesprochen. Jeder Stimmung, allen Tonarten fügte
sich seine Sprache: bald knapp und gedrungen und scharf wie
Stahl, bald in reichlicher Breite ein mächtiger Strom drangen die
Worte ins Volk; ein bildlicher Ausdruck, ein schlagender Vergleich
machte das Schwerste verständlich. Es war eine wundervolle
schöpferische Kraft. Mit souveräner Leichtigkeit gebrauchte er die
Sprache, sobald er die Feder ergriff, arbeitete sein Geist mit höchster
Freiheit; man sieht seinen Sätzen die heitere Wärme an, die ihn
erfüllte, der volle Zauber eines herzlichen Schaffens ist über sie
ausgegossen. Und solche Gewalt ist nicht am wenigsten sichtbar in
den Angriffen, die er einzelnen Gegnern gönnt. Und engver-
bunden ist sie mit einer Unart, die schon seinen bewundernden Zeit-
genossen Bedenken verursachte. Er liebte es auch mit seinen Geg-
nern zu spielen; seine Phantasie umkleidet ihm die Gestalt des
Feindes mit einer grotesken Maske, und dies Phantasiebild neckt,
höhnt und stößt er mit Redewendungen, die nicht gemäßigt und nicht
immer anständig klingen. Aber grade in seinem Schmähen wirkt
die gute Laune in der Regel versöhnend, freilich nicht auf die Be-
troffenen. Fast nie ist kleine Gehässigkeit sichtbar, nicht selten die
unverwüstliche Gutherzigkeit. Zuweilen geräth er freilick in einen
wahren Künstlereifer; dann vergißt er die Würde des Reformators
und zwickt wie ein deutsches Bauernkind, ja wie ein boshafter
Kobold. Wie hat er alle seine Gegner gezaust! Bald durch Keu-
lenschläge, die ein zorniger Riese führt, bald mit der Peitsche eines
Narren. Gern verzog er ihre Namen ins Lächerliche, so lebten sie
im Wittenberger Kreise als Thiere, als Thoren. Eck wurde vr.
Geck, Murner erhielt Katerkopf und Krallen, Emser, der sein
Wappen, das Haupt einer gehörnten Ziege, jeder Streitsckrift Vor-
drucken ließ, wurde als Bock mishandelt, dem abtrünnigen Hu-
manisten Cockläus wurde sein lateinischer Name zurückübersetzt, und
Luther begrüßte ihn als Schnecke mit undurchdringlichem Harnisch.
Sah ihn später solcher Erguß übermüthigen Eifers aus der Druck-
schrift an, und klagten die Freunde: dann ärgerte er sich wohl
selbst über seine Rauheit, er schalt sich und bereute aufrichtig, aber
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
TM Hauptwörter (100): [T52: [Mensch Leben Volk Gott Geist Zeit Religion Mann Glaube Herz], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T98: [Volk Land König Krieg Zeit Feind Mann Macht Freiheit Kaiser], T82: [Hand Pferd Schwert Fuß Schild Kopf Waffe Lanze Ritter Mann], T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit]]
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