Alboins Zug nach Italien.
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zu weit nördlich, und die Erzählung von Alboins Ausschau, so anziehend sie ist, wird doch wohl erst entstanden sein, um den schon bestehenden
Namen des Berges zu erklären.
Tie Wanderung durch das Gebirge hatte einen Monat gedauert.
Schon im Mai überschritt Alboin die Grenze des erstrebten Landes und durchzog Venetien, fast ohne Widerstand zu finden. Doch lirß er sich durch die Leichtigkeit der Eroberung nicht zur Übereilung verführen. Trotz des glücklichen Anfangs mußte er sich auf die Möglichkeit eines Rückzugs gefaßt machen. Deshalb suchte er als kluger Feldherr den Teil Venetiens, den er zuerst betreten hatte, die heutige Landschaft Friaul, die auch als Grenzprovinz gegen Avaren, Slaven und Byzantiner eines besonders starken Schutzes bedurfte, zu sichern, indem er den damaligen Hauptort der Landschaft Forum Julii (jetzt Cividale), nach dem sie noch heute den Namen
(Forojuli, Friuli, Friaul) führt, stark befestigte und eine Art Schutzmark daselbst errichtete. Er überlegte nämlich, wie Paulus Diakonus berichtet, wem er diese erste eroberte Provinz, die das nordöstliche Thor Italiens bildet, anvertrauen sollte, und entschloß sich endlich, seinen Neffen Gisulf, einen sehr tüchtigen Mann, der zugleich sein Stallmeister oder, aus Lango-bardisch, sein Marpais*) war, zum Herzog über die Burg Forojuli und die ganze Gegend zu setzen. Gisulf erklärte aber, er könne das schwere
Ehrenamt, das der König ihm anbiete, nur dann annehmen, wenn er sich selbst die langobardischen „Faren" d. h. Geschlechter oder Familien auswählen dürfe, die mit ihm das Land beschützen würden. So geschah es auch, denn der König erfüllte ihm seinen Wunsch; Gisulf erhielt nach seiner Wahl einige besonders tüchtige Sippen, die zu seinem Beistand im Lande blieben, und übernahm nun erst das Amt eines Herzogs von Friaul. Auch eine Anzahl edler Stuten zur Aufzucht erbat er sich vorn König; denn vortreffliche Rosse und wohl eingeübte Reiter waren notwendig, um rasch im Fall feindlicher Bedrohung eine Verbindung zwischen den einzelnen Grenzwachen und Wohnorten herzustellen.
Vorsichtig stets das Eroberte sichernd und außerdem vielfach aufgehalten durch die zahllosen Wasseradern des Landes, rückte der König langsam nach Westen vor. Während der Patriarch von Aguileja mit dem Kirchenschatze auf die Lagunen an der Jfonzomündnng floh, zog der Bischof Felix von Treviso ihm feierlich entgegen und übergab ihm freiwillig die Stadt. Der Erfolg zeigte, daß er nicht umsonst aus Alboins edlen Sinn vertraut hatte. Der König nahm die Übergabe freundlich an, ließ dem Bischof — „wie er denn höchst freigebigen Sinnes war," sagt Paulus — auf seine Bitte
*) Das Wort ist aus mar (Mär, Pferd) und paizan (das Gebiß anlegen) zusammengesetzt.
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Extrahierte Personennamen: Alboins Paulus_Diakonus Gisulf Aguileja Felix_von_Treviso Felix Paulus
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Die Langobarden bis zum Verlust ihrer Selbständigkeit.
das ganze Kirchenvermögen und bekräftigte das durch eine besondere Urkunde. Auf ähnliche Weise wie Treviso, ohne Schwertstreich und Blutvergießen, kamen auch Vicenza, Verona und einige andere Städte Venetieus in seinen Besitz. Erst Padua, Monselice und Mantua leisteten ernstlichen Widerstand. Inzwischen brach der Winter — früher als gewöhnlich — ein; deshalb machte Alboin halt und rastete mit seinem Volke in Venetien. Dieser Winter (568/69) begann mit außerordentlich starken Schneesällen, wie man sie in der Regel nur auf den höchsten Alpen kennt; dafür aber war auch im folgenden Sommer die Fruchtbarkeit so groß, daß man sich keiner ähnlichen erinnern konnte, und dies kam den Langobarden zu statten. Sie begannen bereits sich in der reichen Ebene zwischen dem Po und den Alpen als unbestrittene Besitzer einzurichten; einzelne Abteilungen wagten schon auf eigene Faust Beutezüge in die angrenzenden Gebiete. Und während alles dies geschah, saß der neue Exarch Songmus, nachdem er die stärksten Festungen mit den notwendigen Besatzungstruppen versehen hatte, unthätig in seiner von Sümpfen und Mauern umgebenen Hauptstadt Ravenna und that weiter nichts, als daß er zu seiner Sicherheit neue Bollwerke anlegte.
Inzwischen drang — im Sommer 569 —, nachdem Mantua und verschiedene feste Plätze am Fuß der Alpen gefallen waren, das Hauptheer der Langobarden auch in die westliche Hälfte des nordpadanischen Oberitaliens, Ligurien, ein; Lodi und Como ergaben sich, und am 3. September hielt der Langobardenkönig, dank der Unthätigkeit der Byzantiner und der Feigheit der Bewohner, seinen Einzug in Mailand, der natürlichen Hauptstadt Oberitaliens. Man mochte gar grausige Vorstellungen von der Roheit und Wildheit der germanischen Eindringlinge haben; sogar der Erzbischof Honoratus ließ seine Herde im Stich und entfloh nach Genua. Aber hier wie überall bewies Alboin eine kluge und edle Milde und gewann sich dadurch bald die Herzen der Unterworfenen, wenn es auch oft einerseits nicht an Härte und Gewaltthat, andrerseits nicht an Haß und unversöhnlicher Abneigung fehlte.
Andre Städte, namentlich die am Po und am Unterlauf feiner größeren Nebenflüsse, wie Cremona, Piacenza und Pavia (damals Ticinus genannt), widerstanden hartnäckiger, ganz besonders die letztgenannte, die wir schon als Hauptstadt Norditaliens unter der Gotenherrschaft kennen gelernt haben. Pavia, ziemlich in der Mitte Oberitaliens, an einem zum Übergang über den Tessin wie über den nahen Po geschickten Ort gelegen, war für damalige Verhältnisse sehr stark befestigt: es war Schatzhaus der Ostgoten gewesen; Theoderich hatte einen Königspalast in der Stadt gebaut und oft dort gewohnt; die späteren Ostgotenkönige sahen sie als Mittelpunkt der Regierungsbehörden an. Auch Alboin wünschte es zum Sitze feiner Herrschaft zu machen und suchte es um jeden Preis zu gewinnen.
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Alboin in Pavia und sein Tod.
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Darum begann er mit dem Hauptheere die Belagerung, die sich erklärlicherweise sehr in die Länge zog. Unterdes vollendeten große Scharen, die er aussandte, im Laufe des Jahrs 570 die Unterwerfung „Liguriens" und drangen auch über den Po südlich in die Provinz „cottische Alpen"*) und südöstlich in die Emilia vor. Wahrscheinlich war zu Ende des Jahres das ganze Poland mit den angrenzenden Gebirgsteilen der Alpen und des Apennin außer einigen Festungen und der Gegend von Ravenna in den Händen der Langobarden. Einzelne Schwärme kühner Abenteurer wagten sich auch schon über den Apennin nach Mittelitalien und über die Alpen nach Südgallien, ohne indes bleibende Erfolge zu erringen; ja eine Heerschar, die einen Einfall ins Frankenreich unternahm, wurde sogar mit starkem Verluste zurückgeschlagen. Auch sonst fehlte es an Unfällen und Mißgeschick nicht ganz: dem Jahr des Überflusses folgte 570 ein Jahr des Mangels; eine Viehseuche brach aus, im folgenden Jahr sogar die verderbliche Beulenpest. Doch trotz alledem hielt Alboin in seinem Siegeslauf nicht inne. Während er die Belagerung Pavias einem Teile des Heeres überließ, eroberte er mit dem andern Tuscien am tyrrhenischen, die Provinzen Emilia und Flaminia am adriatischen Meere; die Städte Parma, Reggio (Regium Lepidi), Modena und Bologna, sowie einige starke Festungen fielen hier in seine Gewalt. Die Mündung des Metaurus bildete im Osten, die des Tiber im Westen etwa die Grenzpunkte seiner Eroberungen. Dort blieben nur einige Küstenstriche unter dem Schutz Ravennas, hier nur die Befestigungen an der Seeküste und Rom mit seinem Gebiete unabhängig. Die Eroberung dieser Gegenden erforderte eine Flotte, zu der es die Langobarden ausfallenderweise nie gebracht haben, und größere Bildung in der Kriegs- und Belagerungskunst, als sie besaßen.
7. Alboin m und sein, Tod.
(Bon 572 bis 573.)
Im nächsten Jahre (572) fiel endlich auck Pavia. Drei Jahre und etliche Monate hatte die tapfere Bürgerschaft den stürmenden Feinden widerstanden. Da schwur Alboin, wie die Überlieferung meldet, in heftigem Zorn, das gesamte Volk in der Stadt, wenn sie in seine Hände fiele, mit dem Schwerte umbringen zu lassen. Zuletzt nun, da die Not hinter den Mauern aufs
*) Beide Benennungen hatten damals eine andere Bedeutung als jetzt. Ligurien hieß, nach Paulus Diakonus, die Provinz, in der Mailand und Pavia lagen, und die sich bis an die Grenze Galliens ausdehnte; „cottische Alpen" die. welche sich von Ligurien südöstlich bis an das tyrrhenische Meer (jetzt Golf von Genua) erstreckte und im Westen ebenfalls bis an die gallische Grenze (in den jetzigen Seealpen) reichte.
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Extrahierte Personennamen: Emilia Pavias Emilia Reggio Regium_Lepidi Paulus_Diakonus
Alboin in Pavia und sein Tod.
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Weh, das sie nicht zu unterdrücken vermochte; sie glühte von dem Verlangen, durch die Ermordung des Gatten den Tod des Vaters zu rächen und so späte Blutrache zu üben. Alsbald verschwor sie sich mit Helmichis, der des Königs Skiltporo, d. i. Schildträger, und sein Milchbruder war und dem sie gelobte, nach Alboins Tode sein Weib zu werden. Helmichis aber fürchtete Alboins Heldenstärke und riet Rosamunde, den Peredeo, den Kämmerer des Königs, einen Mann von ungeheurer Größe und Körperkraft, zur Teilnahme an der That zu dingen. Dieser erschrak zwar anfangs vor dem Gedanken, seinen König ermorden zu sollen, aber er war von blödem Verstand, und so gelang es leicht, ihn durch lockende Verheißungen und schreckende Drohungen zur Einwilligung zu bewegen.
Es war um die Mittagszeit an einem Frühlingstage des Jahres 573. Tiefe Ruhe herrschte im Palast; denn der König schlief. Da trug Rosamunde leise alle Waffenstücke ihres Gemahls aus dem Zimmer, bis auf sein Schwert. Dieses band sie mit vielfach verschlungenen Stricken zu Häupten des Ruhebettes fest. Dann ließ sie, auf den Rat des Helmichis, den Mörder Peredeo herein in voller Waffenrüstung. Von dem Geräusch erwachte der König; er suhr empor und erkannte sofort die Gefahr. Er wollte seine Waffen ergreifen, aber sie waren verschwunden. Doch da hing ja sein treues Schwert. Er griff danach und zerrte wütend daran. Umsonst, es war unbeweglich. Da riß er den Fußschemel empor und wehrte sich lange damit wie mit einer Streitaxt. Aber ach, der herrlichste Held, der streitbarste und kühnste Mann erlag in dem ungleichen Kampfe. Peredeos Schwert traf ihn, daß er tot zu Boden stürzte. Er, der ruhmvolle Bezwinger zahlloser Feinde, siet kläglich und ruhmlos durch eines Weibes verruchte Ränke. Er war schlank von Gestalt und sein ganzer Körper trefflich zum Kampfe gewesen.
Unendlicher Jammer erhob sich unter den Langobarden, als sie erfuhren, ihr geliebter König sei von unbekannter Hand ermordet, und sie begruben den teuern Leichnam unter lautem Wehklagen und heißen Thränen unter den Stufen einer Treppe, die zum Palast hinaufführte.
Soweit der langobardische Geschichtschreiber. Alboin war zur Erde bestattet, und noch kannte niemand den Mörder des großen Königs. Offenbar hatte Rosamunde nur ganz wenige — vermutlich Gepiden — in den Mordplan eingeweiht, die den König gehaßt hatten. Als aber nun Rosamunde und Helmichis schamlos genug waren, sich miteinander zu vermählen und letzterer ernstlich die Hand nach der Königskrone ausstreckte und sich als Erbe Alboins gebärdete, da erwachte der Argwohn der Langobarden; sie erhoben
Fürst Ratchis einst bei einer festlichen Gelegenheit in Händen hielt und ihn seinen Gästen zeigte.
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44 Die Langobarden bis zum Verlust ihrer Selbständigkeit.
Weiler aber darf man nicht gehen; von einer wirklichen Verknechtung aller Römer im Reich ist nie, auch in den Stürmen der ersten Jahre nicht, die Rede gewesen. Auch geschahen die späteren Ausbreitungen nicht mehr gewaltsam. Es kam vielmehr jetzt zu einer geordneten Landteilung, wie sie auch bei Ost- und Westgoten und andern germanischen Völkern vorgenommen worden war, nach den Grundsätzen der sogenannten „Gastfreundschaft" (hospitalitas); d. H. jeder römische Grundbesitzer war als Wirt gezwungen, einem langobardischen selbständigen Freien als seinem Gast ein Dritt-teil seines Landbesitzes abzutreten. Doch auch diese Abtretung fand oft nicht wirklich statt; vielmehr begnügten sich die Langobarden, abgesehen von den ersten Eroberungen, bei ihrer späteren Ausbreitung damit, statt des Eigentums an Grund und Boden nur ein Drittel des Ertrags, der Früchte, zu erlangen; und da thatsächlich die römischen Großgrundbesitzer schon seit Jahrhunderten ihre Landgüter nicht selbst bewirtschafteten, sondern sie an Kolonen (persönlich freie, aber an die Scholle gebundene Zinspflichtige, die nur einen Teil des Ertrags für sich behielten, das Meiste dem Herrn ablieferten) zur Bewirtschaftung verliehen, so gestaltete sich das Verhältnis zwischen Wirt und Gast, Römer und Langobarde, meist so, daß der Römer dem Langobarden den dritten Teil seiner Kolonen, also auch den dritten Teil seiner Ansprüche gegen die Kolonen abtrat. Daher erklärt es sich auch, daß wir häufig Langobarden in den Städten lebend finden. Es war nicht notwendig für sie, auf dem Lande zu wohnen und selbst den Acker 31t bestellen; ihre Kolonen hatten ihnen den vertragsmäßigen Teil des Ertrags, in Früchten oder in Geld, abzuliefern. Freilich eignete sich der Langobarde solche Anteile an Früchten oder Kolonatsrechten oft noch außer dem Grundbesitz an, den er bei der ersten Ansiedelung als seinen ursprünglichen Anteil vom eroberten Lande erhalten hatte. Ging es auch sicher nicht ohne vielfache Bedrückung und Vergewaltigung der römischen Bevölkerung ab, so wurden doch nur die im Kriege gefangenen und nicht ausgelösten Römer verknechtet, alle übrigen blieben frei und lebten unter sich nach römischen und zwar justinianischen Gesetzen, während bei den Langobarden natürlich langobardisches Recht galt. In gemischten Fällen, d. h. überall, wo Verhältnisse zwischen Römern und Langobarden obwalteten, wurde, mit einigen notwendigen Änderungen und Zusätzen (die aber erst feit 584 festgestellt wurden), auch nach langobardischem Rechte verfahren. Daß inan den Römern ein Wergelt) zubilligte, das Recht der Fehde aber untersagte, ist selbstverständlich. Von einer Verschmelzung von Römern und Langobarden zu dem Mischvolke der Lombarden konnte natürlich erst die Rede fein, als die Einwanderer allmählich das katholische Bekenntnis annahmen, was erst im zweiten Viertel des siebenten Jahrhunderts geschah. Von den Schichten 6er langobardischen Bevölkerung stand der alte Volksadel oben an; ihm
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König Kleffo, etwas über langobardische Verfassung, Abzug der Sachsen rc. 45
zunächst standen die Gemeinfreien oder Heermänner (Harimanni), unter diesen die Freigelassenen oder Halbfreien, zu denen auch die Aldionen — ungefähr den Liten oder Leten andrer Völkerschaften*) entsprechend — gehörten; die Unfreien — Knechte und Mägde — zählen im Staate nicht mit. Eine hohe Bedeutung gewinnen, zum Nachteil der Reichseinheit und -Stärke, die Herzöge, die erblich zu werden trachten. Indem nämlich der alte Volksadel allmählich in einem neuen vom König eingesetzten Dienstadel aufging, erhielten sich doch einige edle Geschlechter, die bald zu starken
Fürstengeschlechtern wurden, selbständig oder es machten sich einzelne dienst-
adlige Sippen von der Krone unabhängig, durch Grundbesitz und zahlreiche Abhängige und auch durch Reichtum mächtig genug, dem Könige zu trotzen, so daß die Bändigung der herzoglichen Gewalten geradezu eine Hauptaufgabe des langobardischen Königtums wurde.**)
Die Verfassung atmete den Geist eines urkrästigen, frischen und kriegerischen Volkes, das doch auch an eine gewisse Ordnung gewöhnt war. Der König ward auf Lebenszeit aus einem der edlen Geschlechter gewählt; er war der Herr des Heeres, Wahrer des Friedens, oberster Richter und Beschützer aller Hilfsbedürftigen, der Witwen und Waisen, der Fremden, der Kirchen und Klöster. Er vertrat den Staat nach außen und entschied auch wohl über Krieg und Frieden, allerdings nicht ohne Beistimmung des Thinges. Leib und Gut des Königs war durch doppeltes Wergeld geschützt. Von schweren Landfriedensbrüchen, die mit der hohen Buße von 900 Solidi (Schillingen)***) bedroht waren, bezog er die halbe oder auch oft die ganze Straffumme. Wie für das Thing, so gab es jetzt einen erhöhten Friedensschutz für den Palast
des Königs und den Hin- und Herweg zum König, aber auch für die Städte
und Kirchen. Der Wohnsitz des Königs war Pavia, wo auch der Kronschatz lag. Weit ausgedehnte Krongüter sorgten für den Unterhalt des Königs und waren wichtige Stützen seiner Macht; denn von ihnen beschenkte und verpflichtete er seine „Getreuen" (fideles) und „Gefolgen" (gasindi), die durch Ehre und Vorteil an ihn gefesselt und auch durch höheres Wergeld geschützt waren. Die wichtigsten Königsbeamten waren der Reichskanzler oder Protonotarius, der Marpais oder Marschall, der Vestiarius oder Kämmerer, der Schenk, der Schatzmeister u. a. Neue Gesetze wurden mit diesen Großen, den Herzögen und Richtern beraten und dem Volksheer im Thing vorgelegt. Alles Gesetz war Gewohnheitsrecht, d. H. es wurde nur mündlich aufbewahrt; erst König Rothart ließ 643 die langobardischen Gesetze aufschreiben.
*) Vgl. 1. Bd., S. 66.
**) Vorstehendes zum größten Teil nach Dahn, Urgeschichte 4, S. 291 ff.
***) Der Solidus, eine allgemein verbreitete Goldmünze, von der damals (seit ca. 570) 84 aus ein Pfund gingen; also etwas mehr als Iov2 Mark.
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Extrahierte Personennamen: Gregor_von_Tours Gregor Walters
Extrahierte Ortsnamen: Italien Sachsen Deutschland Gallien Franken-
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Die Langobarden bis zum Verlust ihrer Selbständigkeit.
Rache nehmen für das Unrecht, das meinem König Guntram widerfahren ist." Da ergriff sie große Furcht, und sie gaben viele tausend Goldmünzen, um sich loszukaufen. Darauf wurde ihnen der Übergang über die Rhone gestattet und sie zogen weiter, bis sie nach Arvern, jetzt Cler-mont, kamen, wo, wie es scheint, König Sigibert damals weilte. Wahrscheinlich hatten diesem die Sachsen, als sie abzogen, ihr heimatliches Land übergeben, und Sigibert hatte sich verpflichtet, es ihnen, wenn sie einmal heimkehren sollten, wiederzugeben*) und sie dahin zurückzuweisen. Sigibert aber, der wohl sicher nicht glaubte, daß die Sachsen jemals wieder aus dem schönen Italien nach ihrer nördlichen Heimat verlangen würden, hatte die Gegenden, die jene vormals bewohnten, an Schwaben und andre Volksgenossen vergeben; diese nun aus dem Lande zu treiben ober zu vernichten, rüsteten sich sogleich die streitlustigen und heimatliebenden Sachsen. Die Schwaben boten ihnen den dritten Teil des Landes an und sprachen: „Wir können ja zusammenleben und ohne Zwist gemeinschaftlich hausen." Jene aber waren damit nicht zufrieden, weil sie zuvor alles allein besessen hatten, und wollten nichts von friedlicher Übereinkunft hören. Danach boten ihnen die Schwaben die Hälfte, dann sogar zwei Drittel des Landes; aber auch darauf gingen die Sachsen nicht ein. Da erklärten sich jene in ihrer Not bereit, ihnen auch noch alles Vieh zu überlassen, wenn sie nur vom Kriege abstünden. Doch selbst damit waren die Eigensinnigen nicht zufrieden, sie verlangten nach Kampf und losten schon unter sich, wie sie die Weiber der Schwaben verteilen wollten. Allein Gott erbarmte sich der Bedrängten; denn als diese verzweiflungsvoll zu den Waffen griffen, kam es zu einer blutigen Schlacht, in welcher die Sachsen von 26000 Mann auf 6000 aufgerieben wurden, während die Schwaben wie durch ein Wunder nur 480 Tote gezählt haben sollen. Die überlebenden Sachsen aber schwuren einen Eid, daß sie sich weder Bart- noch Haupthaar scheren wollten, bis sie an ihren Feinden Rache genommen hätten. Doch als es abermals zum Kampfe kam, wurden sie abermals geschlagen und waren nun so geschwächt, daß sie den Streit für immer aufgeben und sich mit dem begnügen mußten, was ihnen gutwillig gewährt ward."*)
Die Langobarden, zu deren Geschichte wir zurückkehren, mochten wohl froh fein, der trotzigen Kampfgesellen ledig zu werden; doch war der Abzug
*) Vgl. oben &. 36, Anmerkung.
**) Widukind von Corvey (um 967) erzählt, daß die Schwaben „jenseit bet Bode" noch zu seiner Zeit die Gegend bewohnten, die sie nach dem Abzug jener Sachsen nach Italien besetzt hatten, und nach andern Gesetzen als die Sachsen d. h. nach ihrem heimischen Schwabenrecht lebten. „Schwabengau" hieß noch später die Gegend um Quedlinburg an der Bode.
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König Authari.
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römischen, beigelegt hatten, sollte den Römern zeigen, daß sie den Langobardenkönig als rechtmäßigen Nachfolger der weströmischen Kaiser und als ihren Schirmherrn anzusehen hätten. Mit sagenhafter Übertreibung meldet Paulus Diakonus von Autharis Herrscherzeit: „Das war in der That wunderbar im Reiche der Langobarden: keine Gewaltthätigkeit wurde jetzt begangen, keine geheimen Ränke wurden geschmiedet, niemand wurde ungerechterweise zum Frondienst gezwungen, niemand plünderte, Diebstahl und Räubereien fielen nicht vor, jeder konnte, wohin es ihm gefiel, ohne Furcht und Sorge gehen." Der Ausdruck ist wie gesagt sagenhaft; aber groß muß wirklich der Unterschied gewesen sein zwischen der zucht- und friedlosen Zeit der Herzöge und der des wackeren Königs. Die Wiederaufrichtung des Königtums bedeutete zugleich einen neuen Aufschwung des Reichs nach außen und innen und vor allem eine mächtige Erstarkung des Rechte
schutzes. Authari stellte im Innern seines Reiches schnell vollkommene Ordnung her; der aufrührerische Herzog Droktulf in Brescella, der sich mit den Kaiserlichen verbündet hatte, wurde samt diesen besiegt, mit dem Exarchen Smaragdus, des Longinus Nachfolger, ein dreijähriger Friede geschlossen. Ein Angriff des austrasischen Frankenkönigs Childebert, des Sohnes Sigiberts, mißlang vollständig. Ein römischer Befehlshaber Namens Franc io, der sich nicht weniger als zwanzig Jahre lang auf einer befestigten Insel im Comersee gegen die Langobarden gehalten hatte, wurde zur Übergabe gezwungen. Die Rechts- und Besitzverhältnisse,
namentlich zwischen Langobarden und Römern, ließ Authari endgültig feststellen ; die Kriegsunruhen dauerten nur in den Herzogtümern, welche an feindliches Gebiet grenzten, fort, doch auch nicht ohne Unterbrechungen durch wiederholte Waffenstillstände. 2m Innern herrschte Friede und Ordnung; Oberitalien blühte unter der segensreichen Herrschaft Autharis wieder herrlich auf. Zum Schutze des Landes verwandte er große Sorgfalt auf Anlage und Wiederherstellung von Befestigungen. Auch durch Anknüpfung verwandtschaftlicher Beziehungen suchte er Ansehen und Sicherheit des Reiches zu erhöhen. Der kluge Authari warb zuerst um Childeberts, des Frankenkönigs, Schwester Chlodoswinda. Sie ward ihm auch zugesagt; kurz
darauf aber nahm Childebert sein Wort zurück und gab das Mädchen dem
inzwischen katholisch gewordenen Westgotenkönig Rekared znr Frau. Die Folge davon war, daß es zu einem neuen Krieg zwischen Langobarden und Franken kam, in dem diese von Authari völlig geschlagen wurden.
Nun that der König einen Schritt, der, wie sich später zeigen wird, der folgenreichste für sein Volk war und zugleich für den staatsmännischen Scharfblick Autharis klares Zeugnis ablegt. Indem er die Unzuverlässigkeit der von Byzanz bestochenen Franken erkannte, wendete er sich dem Volke zu, das den Langobarden gleichsam von der Natur selbst als Bundes-
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König Authari.
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und ältesten Gefolgsmannen, der sich für den Gesandten des Lcingobarden-königs ausgeben mußte. Und als sie an Garibalds Hof gelangten und vor des Herzogs Angesicht geführt wurden, sprach jener Vertraute des Königs, der für das Haupt der Gesandtschaft galt, nach den ersten Begrüßungen: „Mein Herr, der König Authari, hat mich hierher gesandt, damit ich das Antlitz seiner Braut, unserer künftigen Herrin, schaue und ihm genau berichte über ihre Schönheit." Wie das der Herzog hörte, ließ er sein Kind in den Saal rufen. Und als nun Authari und die andern alle sie in tiefem Schweigen angeschaut und gesehen hatten, wie schön sie war, gab Authari dem Vertrauten ein Zeichen, daß sie ihm in allem überaus wohl gefalle, und der Greis sprach zu dem Herzog: „Wahrlich, dein Kind ist holdselig zu schauen. Wir preisen den Tag, wo sie neben unserm Herrn die Krone tragen wird. Wenn es deiner Hoheit beliebt, so möchten wir wohl schon heute einen Becher Weins aus ihrer Hand empfangen , wie sie als hohe Wirtin ihn künftig uns reichen soll." Auch diese Bitte bewilligte der Herzog gern, und Theudelinde reichte den vollen Becher zuerst dem, der das Oberhaupt der Boten schien, und dann erst dem Authari, von dem sie nicht wußte, daß er ihr Bräutigam fei. Als dieser aber getrunken hatte und ihr den Becher zurückgab, berührte er, ohne daß jemand es bemerkte, ihre Hand mit der seinen und strich ihr mit der Rechten leise über Stirn und Wange. Bestürzt blickte das Fürstenkind aus den kecken Fremdling, der in voller Iugendschönheit, mit edler Gestalt, wallendem Goldhaar und herrlichem Antlitz vor ihr stand; dann verließ sie eiligst und mit Schamröte übergössen den Saal, ging zu ihrer Amme und erzählte ihr alles. Da sprach die erfahrene Frau: „Sei getrost! Wenn dieser Mann nicht selbst dein König und dein Bräutigam wäre, so hätte er dich sicherlich nicht zu berühren gewagt. Und wahrlich, es ist ein Mann, der es verdient König zu sein und dein Gatte zu werden. Du aber sei klug und schweig, damit dein Vater nichts merkt." Bald nachher machten sich die Langobarden mit herzoglichem Geleite wieder auf den Heimweg und zogen eilig durch das Gebiet, das ehemals Noricum hieß und jetzt von den Baiern bewohnt wird. Als sie nun an die Grenzmark Italiens kamen und die Baiern Urlaub nehmen wollten, da erhob sich Authari hoch auf seinem Rosse, ergriff die blinkende Streitaxt und schleuderte sie so gewaltig in einen Baum, der in der Nähe stand, daß sie tief hineinfuhr und darin stecken blieb. Dann wandte er sich zu den Geleits-mannen und sprach: „Seht, solche Hiebe führt Authari!" Da merkten sie, daß er der König selber war, und begrüßten ihn ehrfürchtig. Dann ritten sie heim und brachten ihrem Herzog die neue Mär. —
Nicht lange danach brach ein Heer der auftrasifchen Franken in Garibalbs Land. Chilbebert erkannte wohl die Gefahr, die eine engere Verbinbung
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